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Corinnas Lebenstraum

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13.06.2004
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Corinnas Lebenstraum

Corinnas Lebenstraum


„Was soll ich nur anziehen“, überlegt Corinna, als sie den Kleiderschrank öffnet. Während sie unschlüssig vor ihre Garderobe steht, macht sie ihre Gesichtsgymnastik. Dabei spitzt sie ihre Lippen wie zu einem Kuss, zählt langsam auf zehn, dann folgt ebenfalls zehn Sekunden lang ein extrem breites Grinsen. Bei der dritten Übung muss Corinna ihre Oberlippe weit über ihre Vorderzähne nach unten ziehen und laut ein lang gezogenes O sagen. Durch die
Gesichtsverrenkungen hat die Quark-Zitronenmaske auf Corinnas Wangen-Stirn und Kinnpartie Risse bekommen, so dass ihr sonst harmloses Mondgesicht nun aussieht wie ein runder Totenkopf mit Haaren.
Sie hatte sich gerade geduscht, die Beine rasiert und von oben bis unten mit einer neuen Pflegelotion eingecremt. „Zieht sofort ein und verschafft ihnen eine samtweiche straffe Haut“, hatte die Dame in der Drogerieabteilung des großen Kaufhauses versprochen. Corinna macht ihren rosa Seidenbademantel auf und streicht mit der flachen Hand an ihrem dicken nackten Oberschenkel rauf und runter. Sie ist hoch zufrieden. Jawohl, die gute Frau hatte Recht! Ihre Haut ist superweich und die Zellulitis…? Corinna dreht sich mit dem Rücken zum Spiegel und schaut über ihre Schulter um ihr Hinterteil besser betrachten zu können. Sie klemmt die Pobacken fest zusammen. Ja, auch die Dellen in diesem Fettgewebe scheinen weniger tief zu liegen als vor der Zupfmassage.
Corinnas Kleiderschrank ist voll mit Hosen, Blusen, Röcken und langen Pullovern. Alles in den Größen 42 bis 50. Ihr Gewicht schwankt ständig. Im Moment trägt sie Größe 46. Sie findet einen schwarzen, schmal geschnitten Rock und einen grauen Rollkragenpullover. Sie legt die Kleidung vorsichtig aufs Bett.
„Wenn ich die schwarzen Pumps anziehe und mich aufrecht halte, wirke ich schlanker“ findet Corinna. Sie stellt sich auf die Zehspitzen und strafft die Schultern, dabei betrachtet sie wohlwollend ihre Silouhette im Spiegel an der geschlossenen Schranktür. Da ihr Busen ziemlich die gleiche Größe und Form wie ihr Hintern hat, findet Corinna, dass ihr Körper trotz der Fülle ein harmonisches Bild bietet. Ihre nicht vorhandene Taille ignoriert sie und sieht somit auch nicht, dass weder Busen noch Hintern wirklich vom Rest abheben. Während sie ins Bad geht, beschließt sie, sich besonders gut zu schminken und den auffallenden Silberschmuck zu tragen, den er ihr zu ihrem letzten Geburtstag geschenkt hatte. Sie wäscht sich gerade die Maske vom Gesicht, da klingelt das Telefon.
„Salbach“,… meldet sie sich.
„Hallo Margret meine Liebe“ … flötet sie,
„Schön, dass Du anrufst“…
„Mir geht es blendend, danke ausgezeichnet. Ich bin gerade dabei mich zu stylen. Mark und ich wollen ins Kino gehen…“
„Mein Süßer möchte unbedingt den zweiten Teil von „Der Herr der Ringe“ sehen…“
„Morgen? Nach dem Frühstück gehen wir vielleicht noch auf dem Markt ein bisschen bummeln. Mark-Schätzchen muss ja am Abend schon wieder nach Brüssel fliegen und wir haben doch so wenig Zeit für einander…“
„Ja, lass uns das einfach verschieben…“
„Grüß Deine Familie schön, ja, bis dann…“
Corinna legt den Hörer auf den Nachttisch.
Nach einem Aufenthalt von fast einer Stunde im Badezimmer, hat sie ihre kurzen, dunklen Haare perfekt geföhnt, ihr rundes Gesicht ist wie vom Visagisten bearbeitet und die Ohrringe glänzen mit der dicken Halskette und dem wuchtigen Armband um die Wette. Sie geht noch einmal durch ihre kleine Wohnung um zu kontrollieren, ob sie wirklich alles aufgeräumt hat. Es liegt nichts Unnötiges herum. Die Kissen auf dem Sofa haben einen akkuraten Knick, der Blumenstrauß auf der alten Nähmaschine ist frisch, das Bett hat sie heute Morgen schon neu bezogen und die Fernbedienung liegt korrekt auf der Fernsehzeitung. Corinna nimmt ihren Mantel und betrachtet sich noch einmal in dem großen Spiegel um ganz sicher zu sein, dass auch alles an ihr stimmt, und verlässt gut gelaunt ihre Wohnung.

Da sie noch ungefähr eine halbe Stunde Zeit hat, beschließt sie zu Fuß zu gehen. Dann müssen sie nachher nicht mit zwei Autos nach hause fahren. Sie ist so glücklich, dass sie nach all den Reinfällen mit dem anderen Geschlecht, endlich den Mann fürs Leben gefunden hat Immerhin ist sie ja jetzt auch schon 38 Jahre und beinahe hätte sie quasi den „Zug verpasst“ eine Familie zu gründen. Doch heute Nacht, nach dem Kino, da würde sie in den begehrten Club der Schwangeren und bald auch Ehefrauen eintreten. Corinna hat es genau ausgerechnet, heute ist der beste Tag für eine Befruchtung. Obwohl sie Mark nichts von ihren Familienwünschen und Plänen gesagt hat, ist sie ganz sicher, dass er sich sehr über ein Baby freuen wird. Die Tatsache, dass er noch verheiratet ist, stört Corinna nicht im Geringsten. Schließlich hat seine Frau Susanne lange genug Zeit gehabt schwanger zu werden und wenn diese Person es vorzieht einem Beruf nachzugehen, anstatt ihrem Mann ein behagliches Heim zu bieten und seine Kinder großzuziehen, ist es ihr Problem. „Jetzt bin jedenfalls ich dran“, denkt Corinna.

Inzwischen hat sie das Kino erreicht und sieht sich suchend nach Mark um. Er scheint noch nicht da zu sein. Corinna kramt in ihrer Handtasche nach dem Handy. Sie wählt seine Nummer und hebt den Hörer an ihr Ohr. Sofort nach dem ersten Klingeln geht die Sprachbox an „Guten Tag, sie haben den Anschluss von … “. Corinna drückt auf den roten Knopf und lässt das Handy in ihrer Manteltasche verschwinden. Sie beschließt schon mal die zurückgelegten Karten zu holen und zu bezahlen. Er wird sicher gleich kommen. Sie stellt sich geduldig an das Ende der Schlange vor der Kasse, holt ein Papiertaschentuch aus ihrer Handtasche und fängt an ihre Brille gründlich zu putzen. Immer wieder haucht sie auf die Gläser und reibt sie mit dem Tuch sauber.

Corinna hatte Mark auf der Geburtstagsfeier ihrer Freundin Eva kennen gelernt. Mit seiner großen stattlichen Figur fiel er ihr sofort auf. Eva machte die beiden mit einander bekannt und schon nach zehn Minuten wusste sie, dass das ihr Traummann ist. Nicht nur äußerlich, findet sie, passt er genau zu ihr, auch ihre Ansichten und Vorstellungen harmonieren ganz wunderbar miteinander. Umso enttäuschter war sie dann, als Mark ihr erzählte, dass er verheiratet ist. Auf ihre Frage, warum er denn seine Frau nicht mitgebracht hat, erfuhr Corinna, dass die beiden zurzeit getrennt leben. Die Ehe stecke in einer Krise und seine Frau wünschte sich eine räumliche Trennung.
Seit diesem Tag treffen sie sich immer öfter. Am liebsten gehen sie in Harrys Bar oder verabreden sich mit Freunden. Schade ist nur, dass Mark wegen seines Berufs als Pilot so oft weg ist und sie nicht mehr Zeit miteinander verbringen können. Deshalb war es Mark auch noch nicht möglich mit Susanne über die Scheidung zu sprechen.
„Guten Abend, ich habe zwei Karten auf den Namen Salbach reserviert“, sagt Corinna zu dem Herrn hinter dem Schalter.
„18 Euro bitte“, antwortet der Mann und gibt Corinna die Karten
„Danke“, erwidert sie und dreht sich um. Da steht Mark plötzlich vor ihr und lacht sie an.
„Hallo Corinna“, begrüßt er sie fröhlich und küsst sie auf die Wange. Ich habe etwas zu feiern! Wir haben ja noch einen Moment Zeit. Geh doch schon mal rüber an die Bar und bestelle uns zwei Gläser Prosecco. Ich muss nur noch schnell was erledigen.“
„Guten Abend Mark“, haucht sie verführerisch. Gehorsam geht sie zu der braunen Theke und nimmt umständlich Platz auf dem Barhocker. Sie fühlt wie ihr die Aufregung über die bevorstehende Überraschung den Schweiß aus den Poren treibt. Sie hofft inständig, dass jetzt nicht ihr Deo versagen würde. Ausgerechnet heute hatte sie nämlich ihre Mini-Sprühdose Deodorant, das sie sonst immer in ihrer Handtasche hat, vergessen. Sie hebt ihren Arm und dreht ihren Kopf in Richtung Achselhöhle. Es ist nichts zu riechen.
Genau in diesem Moment kommt Mark zurück.
„Na hast Du bestellt“? fragt er
„Nein noch nicht, Du warst zu schnell wieder da“, antwortet Corinna mit einem milden Lächeln.
„Also, nun will ich Dich nicht länger auf die Folter spannen …“, fängt Mark an
„Ah, da sind sie ja. Zwei Prosecco bitte“, sagt er zu dem Barkeeper „Ich habe für heute Abend noch einen Überraschungsgast, darauf müssen wir anstoßen“, sagt er mit einem verheißungsvollen Blick und gibt Corinna eines von den Gläsern.
Mark hebt sein Glas in die Höhe und prostet Corinna zu „Meine Frau Susanne kommt heute Abend mit ins Kino“, strahlt er
Corinna starrt Mark mit ihrer frisch geputzten Brille an und ihre Mundwinkel hängen nach unten. Sie rührt sich nicht.
„Corinna, haaalllooo hörst Du mich?“, freundlich lächelt Mark und wedelt mit der Hand vor ihren Augen.
„Wie…., Äh…,was…“, stottert Corinna.
„Prösterchen“, sagt er und stößt an ihr Glas. Er nimmt einen Schluck.
„Freust du dich denn gar nicht mit mir?“
Corinna überlegt fieberhaft, was jetzt gerade falsch läuft. Sie wollte mit Mark ins Kino gehen…. Sie und Mark… Was hat hier Susanne zu suchen… Warum kommt sie…? Die beiden leben doch in Trennung….Corinna will doch heute eine Familie gründen…. Ihr Plan…
Ihr Herz rast und ihr ganzer Körper beginnt zu zittern.
Sie spürt instinktiv, dass etwas ganz fürchterliches passiert.
„Susanne möchte es noch einmal mit mir versuchen, wie findest du das? Ist das nicht super! Ich bin so glücklich! Wir haben uns in der letzten Zeit öfter getroffen und uns dabei ausgesprochen. Ich wollte es nicht erzählen, weil ich nicht wusste wie es weitergeht. Das müssen wir unbedingt mit den anderen in Harrys Bar feiern, ja. Mann bin ich happy!“ Mark nimmt noch einen Schluck aus seinem Glas und strahlt Corinna immer noch an.
„Ja aber was wird denn nun aus uns?“ presst Corinna mühsam hervor, da es ihr im wahrsten Sinne des Wortes die Stimme verschlagen hat.
„Wie, was wird aus uns?“ fragt er
„Wir treffen uns doch nun schon über ein halbes Jahr. Und ich dachte…, Na, ja, ich meine…“ stottert sie und wischt mit der den Fingerspitzen die Schweißperlen von der Stirn.
„Ja, und… wir können uns doch weiter treffen. Ich bin sicher, Susanne wird gerne mitkommen in „Harrys Bar“ und auch die anderen kennen lernen“, antwortet Mark verwundert.
„Ja aber wir sind doch ein Paar“, jammert Corinna nun und ihre Augen füllen sich mit Wasser.
„Was meinst Du mit „Wir sind doch ein Paar“, Mark dämmert nun, dass Corinna wohl etwas falsch verstanden hat und kratzt sich nervös am Hinterkopf.
„Wir haben regelmäßig telefoniert und die Treffen bei „Harry“ und der Schmuck und überhaupt“, Corinna nimmt ihre Brille ab und reibt in ihren Augen. An ihre Wimperntusche denkt sie in diesem Moment nicht.
„Du hast mich immer angerufen, nicht ich Dich! Wir haben uns immer mit Eva, Simone, Klaus und Uli zusammen in Harrys Bar getroffen und den Schmuck hast Du Dir von uns allen zu Deinem Geburtstag gewünscht. Wir haben das Geld zusammengelegt, weil Du es so wolltest. Du hast Dir die Ohrringe und die Kette selbst rausgesucht und Eva hat es besorgt. Hast Du das vergessen?“ beruhigend redet Mark auf Corinna ein. Er ist froh, dass er als Pilot auch psychologische Kenntnisse hat. Menschen die zu Hysterie neigen, sind unberechenbar. Und das wenigste was er im Moment wollte, war eine Szene von einer eifersüchtigen Frau.
„Aber Du hast mir das Geschenk überreicht, bei mir zu Hause, bevor die anderen kamen“, erwidert Corinna trotzig.
„ Ja, weil Du das so wolltest. Du hast mich gebeten, um 19.00 Uhr zu kommen, um dir Deine Vorhangstange zu montieren. Die anderen hast Du auf 19.30 Uhr bestellt. Du hast Eva gesagt, sie soll mir den Schmuck geben, damit Du ihn gleich anlegen kannst, bevor die Party losgeht“.
Mark legt seine Hand auf ihren Arm.
„Corinna, sei doch vernünftig. Ich bin verheiratet und ich liebe meine Frau. Ich bin froh, dass sie zu mir zurückkehrt und ich habe Dir nie Grund zur Hoffnung gegeben. Wir sind Freunde, nichts als gute Freunde und dabei wird es auch bleiben. Möchtest Du denn Susanne kennen lernen? Sie kommt gerade.“
Corinna sieht eine kleine zierliche Frau in Jeans und Lederjacke auf sie zukommen. Die Haare sind zu einem frechen Pferdeschwanz gebunden und ihr Gesicht wirkt mädchenhaft. Ohne ein Wort zu sagen, steht Corinna auf und verlässt das Kino.
„Das ist sicher ein ganz großes Missverständnis“, denkt Corinna und geht langsam die Strasse entlang. „Ein ganz großes Missverständnis. Morgen wird er anrufen und sich entschuldigen. Er wird sagen, dass er sich getäuscht hat, und dass natürlich er und sie ein Paar sind. Dann werden sie zusammen auf den Markt gehen und noch ein wenig bummeln. Zuhause angekommen streift Corinna die Pumps ab und stellt sie ordentlich in den Schuhschrank. Sie geht ins Bad, schminkt sich sorgfältig ab und zieht sich den Schlafanzug an. Dann holt sie eine Flasche Rotwein und ein Glas. Sie setzt sich in den Sessel und schenkt ein. Sie trinkt den Inhalt mit einem Zug aus. Sie schenkt noch ein Glas ein und trinkt es wieder aus. Ganz langsam merkt Corinna wie sie ruhig wird und eine wohlige Wärme in ihr aufsteigt. Das nächste Glas trinkt Corinna langsamer. Sie überlegt was sie morgen anzieht, wenn Mark sie abholt. Als die Flasche leer ist, steht sie schwankend auf und geht ins Schlafzimmer. Sie legt sich ins Bett und schläft sofort ein. Die Sonne scheint schon durch das Schlafzimmerfenster als das Telefon klingelt.
„Ja“, flüstert Corinna, ….
„Hallo Margret… „
„Wie spät ist es denn…?“
„Oh, schon halb zehn….“
„Nein ich bin nicht allein. Mark schläft noch.….“
„Hm, ja, wunderbar…. Der Film war sehr schön…“

 

Hallo Katja,

interessante Geschichte. Es ist schon schlimm, wie manche Frauen sich selbst täuschen, eine rosarote Brille aufsetzen und die Wahrheit einfach ignorieren.
Habe noch ein paar Rechtsschreibfehler entdeckt:
zu hause - Hause wir groß geschrieben.
zurzeit - zur Zeit.
Kommas haben, glaube ich, auch mal gefehlt. Ich bin leider selbst nicht so gut in Sache Rechtschreibung :) und mit Kommas stehe ich auf dem Kriegsfuß.

Gruß
Leia4e

 

hello Katja Neumayr ,

'...heute ist der beste Tag für eine Befruchtung. Obwohl sie Mark nichts von ihren Familienwünschen und Plänen gesagt hat...' Irgendwie scheint dieser Weg in unserer sprachlosen Welt üblich zu sein - man (frau) muss sein Gegenüber zum Glück zwingen.
Ein interessanter Einblick in die weibliche Psyche ist Dir da gelungen!
'Ja' und 'nun' scheinen Deine Lieblingswörter zu sein ;-)

Viele Grüsse vom gox

 

Hallo Katja,

dass Deine Geschichte ein interessantes Thema behandelt, wurde ja schon erwähnt.
Das Ende ist Dir meiner Meinung nach gelungen. Gut, dass Du Corinna nicht hast trauen lassen und sie wieder damit beginnt, sich und andere zu belügen. So schlimm das jetzt auch klingen mag.

Liebe Grüße,
gori

 

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