- Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
- Kommentare: 6
Das Glück der Werbung
Das Glück der Werbung
Es war einmal ein Mann, der hieß Hans und lebte glücklich und zufrieden in seinem Häuschen. Jeden Tag schritt er fröhlich pfeifend zur Arbeit und sein Meister war so zufrieden mit ihm, dass er nach zwanzig Jahren einen großen Beutel voller Gold als Abfindung erhielt, wie dies in Märchen so üblich ist.
Nun lebte der liebe Hans noch glücklicher und zufriedener allein in seinem kleinen Häuschen. Da er nicht mehr arbeiten musste, schaute er den lieben langen Tag in einen flimmernden Kasten, der ihm die herrlichsten Bilder und Filme zeigte.
Doch wie es im Leben so ist, sollte sein Glück nicht ewig währen. Eines Tages, als Hans müde die letzten Nachrichten des Abends sah, tauchte plötzlich ein junges Mädchen in dem großen Kasten auf.
Sie blickte ihn voller Liebreiz an, zeigte blendend weiße Zähne und sprach: „Sind Sie glücklich und zufrieden? Glauben Sie, alles im Leben erreicht zu haben, wovon sie träumen?“ Hans nickte ihr freundlich zu.
„Sind Sie wirklich sicher?“ Hans überlegte eine Weile, dann nickte er dem himmlischen Geschöpf in dem schwarzen Kasten erneut zu.
„Wir haben etwas für Sie, dass Ihr Leben noch schöner und aufregender macht!“ Laute Musik erklang und Hans beugte sich nach vorne, damit er die junge Dame besser sehen konnte. „Kaufen Sie sich ein Pferd und erleben Sie die unendliche Freiheit der Edelmänner.“
In diesem Moment saß das Mädchen plötzlich auf dem Rücken eines feurigen Araberhengstes und Hans glaubte, er selber würde neben ihr stehen und jede ihrer geschmeidigen Bewegungen genau beobachten können.
„Ross- und Rinderhandel Ehrlichmann hat für Sie das passende Pferd,“ verkündete nun der Kasten und zeigte zu Hans Enttäuschung nicht mehr das Mädchen, sondern das grinsende Gesicht eines älteren Mannes, der genüsslich an einer Zigarre sog.
„Ross- und Rinderhandel Ehrlichmann – wir nehmen auch ihr altes Pferd in Zahlung. Ross- und Rinderhandel Ehrlichmann – uns können Sie vertrauen.“
Während der Kasten schwarz wurde und verstummte, saß Hans schweißgebadet auf seinem Stuhl und starrte vor sich hin.
War es nicht das, was ihm in seinem Leben noch fehlte? Diese Frau auf ihrem Pferd – und er selber neben ihr reitend Hand in Hand in den Sonnenuntergang?
Rasch schrieb er die Anschrift vom Ross- und Rinderhandel Ehrlichmann auf, und am nächsten Morgen nach einer viel zu kurzen und schlaflosen Nacht stand Hans pünktlich um acht Uhr vor dem Tor.
Ein freundlicher Verkäufer mit glatten Haaren und lächelndem Gesicht kam auf ihn zu und fragte nach seinen Wünschen.
„Ich möchte gerne ein Pferd kaufen,“ antwortete Hans zögernd. „Und wenn es möglich ist, die Frau aus ihrer Werbung kennen lernen.“
Der Verkäufer nickte verständnisvoll. „Ein Pferd kann ich Ihnen gerne zeigen. Die Frau aus der Werbung ist die Tochter des Besitzers und leider nicht anwesend. Aber ich kann sie sicherlich genau so gut beraten.“
Hans ging enttäuscht mit dem Verkäufer auf den Hof und nach einer halben Stunde war er stolzer Besitzer eines wundervollen schwarzen Hengstes und der Verkäufer hielt den Sack mit seinem ganzen Gold in Händen.
Als Hans im strömenden Regen nach Hause kam, war aus dem Hengst mittlerweile eine weiße, leicht hinkende Stute geworden, die sich standhaft weigerte, von ihm geritten zu werden.
Nun war der liebe Hans nicht mehr so zufrieden, doch schon am Abend tauchte das junge Mädchen wieder im schwarzen Kasten auf und versprach jedem Glück und Wohlstand, der eine der fleißigen und überall im Land geliebten Kühe vom Ross- und Rinderhandel Ehrlichmann kaufen würde.
Dem geneigten Leser ist der weitere Fortgang der Geschichte sicherlich vertraut und so kam es, dass einige Tage später unser Hans abends vor seinem schwarzen Kasten saß und traurig auf den Mühlstein blickte, der schwer und unnütz in der Ecke seines Wohnzimmers stand. Da erschien wieder das Mädchen und berichtete froh von der unendlichen Freiheit, die man auf dem Rücken eines Pferdes habe.
Da wurde Hans sehr traurig und dachte an all die Dinge, die er einst besessen und Ehrlichmann gegeben hatte und voller Wut nahm er den schwarzen, flimmernden Kasten mit dem davon reitenden Mädchen und warf ihn aus dem Fenster seines kleinen Hauses.
Soll die Geschichte wirklich so enden? Gewiss nicht, den Hans schlief zum ersten Mal in dieser Nacht ohne Verlangen nach Ehrlichmann`s Gütern und schon kam ihm eine Idee.
Er verkleidete sich als reicher Mann und lauerte Ehrlichmann`s Tochter vor dessen Hof auf. Dort gab er sich als erfolgreicher Geschäftsmann aus und galant umgarnte er sie, bis sie sich schließlich zu seinem großen Genuss von ihm schwängern ließ und Papa Ehrlichmann mit gebrochenem Herzen ihrer Hochzeit zustimmen musste.
Nun besitzt Hans hundert Goldsäcke und unzählige Pferde und Kühe und jeden Tag reitet er mit seiner Frau in den Sonnenuntergang.
Und wenn sie nicht gestorben sind, so schauen sie heute noch gemeinsam am Abend die bunten Bilder im schwarzen Kasten an und lachen über die dummen Menschen, die am nächsten Morgen vor dem Tor ihres Hofes stehen.