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Das Lachen der Kinder

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23.07.2004
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Das Lachen der Kinder

Das Lachen der Kinder​

Ich erinnere mich noch sehr genau an den Tag, als ich vor fast 40 Jahren den alten Mann traf. Und ich will euch diese Geschichte nun erzählen, denn es wäre falsch, solch eine Geschichte für sich zu behalten.

Es war ein warmer, sonniger Tag im Oktober, als ich mit meinem Hund durch den Wald spazieren ging. Ich genoss die Natur und hing belanglosen Gedanken nach. Selten traf ich jemanden auf diesem Waldweg. Ihr könnt euch also vorstellen, dass ich schon etwas überrascht war, als mir ein alter Mann mit einem dieser altmodischen Hüte auf dem Kopf entgegenkam. Er grüßte freundlich und ich erwiderte den Gruß. Doch als ich an ihm vorübergehen wollte, packte er mit einem Mal meinen Arm. Erschrocken zuckte ich zurück, doch er sprach ganz ruhig: "Warum bist du hier?"
Ich erinnere mich noch gut an diese Worte. Sie haben mich damals verwirrt, doch heute verstehe ich. Ich hatte viel Zeit nachzudenken. Nun, jedenfalls antwortete ich ihm damals: "Weil ich hier gern spazieren gehe." Darauf hätte er ja wohl auch von alleine kommen können. Ich dachte nur, dumme Fragen verlangen eine dumme Antwort. Doch der Mann ließ meinen Arm los und sah mich an. Und es waren diese Augen, die mich damals davon abhielten, einfach weiter zu gehen. Sie waren grau und alt, doch voller Erinnerung und Freude. Wie ein tiefer Brunnen voller Leben. Selten sieht man heute noch solche Augen, und auch damals waren sie schon selten geworden.
"Nein, du verstehst nicht.", sagte der Mann, "Ich meinte, warum gehst du spazieren? Du bist jung und junge Leute sitzen heute doch lieber vor dem Fernseher oder Computer und gehen auf Partys. Ist es nicht so?" Ich überlegte einen Augenblick, bevor ich antwortete: "Doch, aber ich gehe auch gern in die Natur." "Und warum?" frage er weiter. "Schon wieder genervt erwiderte ich: "Na, weil ich auch mal allein sein will und meine Ruhe brauche. Was fragen Sie denn solch dumme Sachen?" Doch er sah nur nachdenklich zu Boden und sprach leise, mehr zu sich selbst: "Seltsame Zeiten sind dies. Wir schaffen uns den perfekten Lebensraum, doch um allein zu sein, brauchen wir einen Wald. Dabei sind wir doch allein." Ich sah ihn verständnislos an, wie viele von euch es sicher auch getan hätten. "Wie meinen Sie das?" hakte ich nach. Der Alte hob den Kopf und sprach mit ernster Stimme: "Sieh mal. Wir Menschen bauen riesige Städte in denen wir leben. Und wir wohnen dort, weil wir dort Arbeit finden. Und wir arbeiten dort, um Geld zu verdienen. Das Geld geben wir für unsere Wohnung aus, für Nahrung und Unterhaltung. Denn wer nichts zu essen hat und wer nicht lacht, der kann auch nicht arbeiten. Auch geben wir Geld für Reisen und Ausflüge aus, weil wir uns auf Dauer in unserer Stadt eingesperrt fühlen."
"Wie meinen Sie das?" fragte ich ihn. Er lächelte wehmütig und fuhr fort: "Wir brauchen einen Fernseher, um zu wissen, was in der Welt um uns passiert. Wir brauchen ein Auto, um zu wissen, wie es hinter dem Hügel aussieht. Wir brauchen ein Telefon, um mit unserem Nachbarn zu reden. Wir brauchen ein Radio, weil wir jemanden singen hören wollen. Und glücklich sind wir dennoch nicht."
Er schloss die Augen. "Warum nicht?" fragte ich. Der Mann seufzte: "weil wir uns selbst verloren haben." Darauf erwiderte ich erstmal nichts. Genau wie euch jetzt, hatte mich der Mann damals sehr verwirrt. Verunsichert sagte ich: "Ich verstehe nicht..."
Da lächelte der Alte und sprach: "Die Frage ist nicht, ob du verstehst. Die Frage ist, ob es nicht klüger wäre, wir würden unsere Stadt verlassen. Wäre es nicht klüger, man würde einen Apfel plücken, wenn man hungrig wäre und aus einem Bach trinken, wenn man Durst hätte? Und wäre es nicht eine Freude ohnegleichen, den Tau auf hohen Gräsern im Mondlicht glitzern zu sehen?"
Darauf wusste ich erst einmal nichts zu erwidern und um das Schweigen zu brechen, fragte ich nach einer Weile vorsichtig: "Was wollen Sie?" Wieder lächelte er und sagte: "Weißt du das denn nicht? Ich vermisse das Lachen." "Das Lachen?" fragte ich erstaunt. "Ja, das Lachen", erwiderte er. "Kein gewöhnliches Lachen, versteht sich. Kein verrücktes Lachen oder spöttisches. Kein albernes oder falsches. Ich suche das einzige Lachen." "Das Einzige?" fragte ich. "Ja", sprach der Alte. "Ja, das Einzige. Das Lachen der Kinder. Das Lachen glücklicher Kinder, die einem Schmetterling nachjagen oder die versuchen, dicke Regentropfen mit dem Mund aufzufangen."
Da stellte ich mir diese Kinder vor, wie sie lachten und auch ich habe damals gelacht.
Und als ich mich wieder dem alten Mann zuwenden wollte, stand er schon nicht mehr neben mir. Ich sah ihn weit in der Ferne, wie er weiter seiner Wege ging. Er hatte mich dort auf dem Waldweg stehen lassen, mit all meinen wirren Gedanken und unzähligen Fragen. Trotzdem hielt mich irgend etwas davon ab, ihm einfach nachzulaufen.

'Schön blöd' werden einige von euch jetzt bestimmt sagen oder auch 'Lass ihn doch gehen, alter Verrückter!'. Und vielleicht waren es tatsächlich nur die Worte eines verrückten alten Mannes. Aber für mich waren sie sehr viel mehr. Und das Letzte, was ich von ihm in Erinnerung behielt, war der Glanz in seinen alten Augen, bei der Erinnerung an das Lachen der Kinder.

 

Hallo Yéstare,

herzlich willkommen auf Kurzgeschichten.de!
Deine Geschichte passt in die `Philo-Rubrik´, letztlich geht es um die Frage `was ist Glück´.
Für die Darstellung dieser Thematik hast Du ein romantisches Setting gewählt. Dies ist an sich nicht schlecht, hat Dich aber zu einigen altbekannten Klischees verführt:

Ein alter Mann, natürlich hat er einen altmodischen Hut auf dann

„diese Augen, die mich damals davon abhielten, einfach weiter zu gehen. Sie waren grau und alt, doch voller Erinnerung und Freude. Wie ein tiefer Brunnen voller Leben.“

Der Lösungsansatz für die angesprochenen Probleme ist zu einfach, dass `zurück zur Natur´ überzeugt nicht. Ein Leben, wie er es vorschlägt kann voll Mühsal sein, man kann sich auch dort `verlieren´, das Stadtleben kann auch zur Selbstfindung beitragen.

Sieht man
„wäre und aus einem Bach trinke, wenn man Durst hätte?“ als symbolisch gemeint an (Unmittelbarkeit zu den Lebensnotwendigkeiten), ist es nicht zwingend Naturnähe als Lösung anzusehen.

Das „Lachen der Kinder“ als Symbol ist da besser getroffen, einfache Freude an dem `was ist´, ist sicher ein wünschenswerter Zustand.

Der erste Absatz Deiner Geschichte ist nicht unbedingt nötig, den letzten würde ich streichen - er verwässert den Eindruck der Begegnung.

Hier kannst Du noch etwas korrigieren:
dumme ragen verlangen eine dumme - Fragen

denn soch dumme Sachen - solch

wäre und aus einem Bach trinke, wenn man Durst hätte? - zu trinken

Lösche auch Deinen Vorstellungsabsatz, es ist zwar nett gemeint, gehört aber nicht in das Geschichten-Feld.

Weiterhin viel Spaß beim Schreiben,

tschüß... Woltochinon

 

Hi Woltochion

So, erstmal danke für deine Antwort, die Fehler hab ich verbessert.
Zu dem Mann: Ist zwar selbstverständlich ein typisches Klischee, aber warum nicht? Wenns doch grad gut passt?!?

Was ich den alten-Klischee-Mann ;-) in meiner Geschichte sagen lasse, sollte ja auch kein Lösungsansatz sein, und es sollte eigentlich auch nicht alles wortwörtlich aufgefangen werden. Der Mann gibt schließlich nur einen Denkanstoß. Und da geht es darum, ob wir uns nicht alles viel zu kompliziert machen, und dass das Glück, das wir suchen, manchmal schon vor der Tür steht.

Den ersten und den letzten Absatz wollt ich eigentlich auch gern stehen lassen. Weil es nochmal ein anderes Licht auf die Geschichte wirft. Schließlich wird nur so klar, dass der Erzähler von einer "Vergangenheit" erzählt, die momentan unsere "Gegenwart" ist. bin mir noch nicht sicher, ob ich das so stehen lassen soll. Vielleicht könnten mir andere noch ihre Meinung dazu mitteilen?!?

Lieben Gruß
Yéstare

 

Hallo Yéstare,

Zitat:
ein typisches Klischee, aber warum nicht?

Gute Frage - Klischees wirken schnell langweilig, es sei denn, sie bilden einen Kontrast zu anderen inhaltlichen oder stilistischen Teilen einer Geschichte. Natürlich bleibt es dem Autor überlassen mit solchen Gegebenheiten zu `spielen´.

Natürlich erwarte ich keine absoluten Problemlösungen, aber man kann schon im philosophischen Sinne fragen `warum sollte ich denn (wie könnte ich denn) angesichts der Schrecknisse der Welt in das kleine Glück fliehen, es überhaupt genießen´.

Bin noch hier drüber gestolpert:
„Er hatte mich einfach dort auf dem Waldweg stehen lassen, mit all meinen wirren Gedanken und unzähligen Fragen. Trotzdem hielt mich irgend etwas davon ab, ihm einfach nachzulaufen.“
- Wiederholung von „einfach“.


Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 
Zuletzt bearbeitet:

Ahja, danke.
Was mir auch nicht gefällt, ist
"mit all meinen wirren Gedanken und unzähligen Fragen"
Das "wirr" ist irgendwie doof, oder?
Und sage ich zu oft in der Geschichte, dass ich "verwirrt" bin?!?
*g*

"Natürlich erwarte ich keine absoluten Problemlösungen, aber man kann schon im philosophischen Sinne fragen `warum sollte ich denn (wie könnte ich denn) angesichts der Schrecknisse der Welt in das kleine Glück fliehen, es überhaupt genießen´."
Genau solche Fragen will ich ja mit meiner Geschichte aufwerfen, zum Nachdenken anregen. In dieser Welt müssen wir schnell erwachsen werden. Doch warum fällt es Erwachsenen so schwer, sich noch über "kleine Dinge" zu freuen (wie die lachenden Kinder)? Verlieren wir nicht über das "Erwachsen werden" das Ürsprüngliche aus den Augen?!?

Yéstare

 

Ehm Ghosthunter. Ich bin auch nicht der Mann, der Texte auseinanderpflueckt. Aber ich bin dankbar fuer die, die es machen. Ohne die, wuerde ich nie meine sprachlichen FEHLER erkennen. Danke, an alle die das machen. Bei mir seit ihr herzlich willkommen.
Wie verbindest du denn diese Aussage mit "auch wenn das eine oder andere nicht stimmt." ?! Sorry, das bringt ihr mal gar nichts. Da ist sie immer noch nicht weiter, was sie verberssern kann.

Hab nur einen Fehler beim Ueberlesen gefunden. Pfluecken statt pluecken...
Deine Geschichte ist ganz nett, aber du solletst sie differenzieren. Lass die Geschichte doch einfach weitergehen. Dein Protagonist kann doch einfach seinen Gedanken freien lauf lassen oder auf eine zweite Person treffen, die eine andere Meinung hat. Z.B. die negativen Seiten dieser Lebenseinstellung aufzaelt und es tut mir leid, da gibt es einige. Denn was du in deiner Geschiche, die sehr schoen erzaehlt ist, darstellst, ist fuer meine Begriffe sehr oberflaehlich (angesprochenes Klischee) dargestelltes Glueck. (fast wie bei den Zeugen schon. Deren Paradies weicht nicht stark von deiner Vorstellung ab) Ich wuerde mich freuen, wenn du dich nochmal dransetzen wuerdest und es versuchen wuerdest. Wenn du willst. Ich finde, die Geschichte hat wirklich noch sehr viel Potential. Nutze es!!!

 

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