Das Leben, so ist es
Es ist Montag Morgen, 8:16 und ich sitze am Frühstückstisch. Heute, am ersten Ferientag will ich in den Aldi, um eine Sommerliege zu kaufen. „Beeile dich noch und gehe früh, sonst sind sie weg“, höre ich meine Mutter noch sagen. „Und nimm Omi mit, die will auch noch einkaufen.“ Öffnungszeit um neun Uhr, denke ich. Kein Problem!, und so wollte ich mich gerade auf den Weg machen, als ich von draußen ein Fluchen höre. Ich öffne die Wohnungstür. Im Treppenhaus sitzt Omi, die Hand am Fußknöchel. „Er ist gebrochen“, sagt sie, mit schmerzverzogenem Gesicht. Nur ab ins Krankenhaus!
Vor Ort lächelt mir eine hübsche Schwester entgegen. „Ein Notfall!“, schreie ich beinahe. „Wir müssen sie erst einmal hereinbringen.“, sagt sie ruhig. Die Schwester schiebt einen wackeligen Rollstuhl herüber, bei dem man nicht einmal den Fuß hochlegen kann. Sie schiebt Omi schnell und ratternd über das Kopfsteinpflaster, dass sie auf dem Stuhl nur so hin und herzuckt. Mit einem kräftigen Ruck stößt sie an der Türstufe an. „Oh, entschuldigung.“
Wartezimmer, E047 Aufnahmeraum. Sie übergibt mir den Rollstuhl. Ein älterer Herr, böse schmunzelnd, starrt mir entgegen. „Sie wissen, dass das hier für Privatpatienten ist?“ Im ganzen Raum bricht Gelächter aus.
Verärgert wende ich den Rollstuhl. Mit dem Satz: „Zehn Euro müssen sie an der Information bezahlen“, überlässt mich die Krankenschwester der deutschen Bürokratie. Zehn Euro, wiederhole ich in Gedanken. Kurze Zeit später komme ich zurück. Eine Frau kommt aus dem Aufnahmezimmer. „Es ist ein Notfall“, sage ich, diesmal etwas ruhiger. „Ziehen sie eine Nummer, wie jeder andere auch!“ Dabei blickt sie mir hart in die Augen, als wolle sie sagen: „Ich meins ernst.“
Ich schaue ins Wartezimmer. Kein Notfall dabei, denke ich, nur Omi krümmt sich vor Schmerzen. Der Fuß zuckt.
Die Frau quietscht mit ihren Schuhen langsam über den Flur. Wie weit ist es mit dem Gesundheitswesen nur gekommen, denke ich.
Drei Stunden später wird Omi zum Arzt hereingeschoben. Nachdem ich mich versicherte, dass es ihr gut geht und sie sich in der Obhut der grausamen Kittelträger wohlfühlt, fahre ich mit brennenden Reifen zu Aldi. Der Parkplatz ist brechend voll, bis auf einen Platz.
Schnell steige ich aus und: Genau eine Liege ist übrig. Mit Bezug in Kotz-grün. Montag ist doch einfach der Tag der Tage, denke ich. Während es zu Hageln beginnt, setze ich mich ins Auto. Unter starkem Blechgetrommel fahre ich wieder nach Hause.