Das Meer
Am Strand, im Sand. Hier gefällt es mir besonders gut.
Das Meer ist Türkies und der erfrischende Wind, der von der weiten See kommt, lässt das Wasser bewegen. Ich stehe in meinem roten Badeanzug im warmen Sand, der von der strahlenden Sonne erhitzt wird. Meine Zehen werden kurz von dem kalten Wasser gekitzelt, so nah stehe am weiten Meer. Ich sehe ein Frau neben mir in einem dunkelblauen Badeanzug. Um ihre Hüfte ist ein langes, buntes Tuch gewickelt. Sie trägt einen Strohhut mit einem weiten Schirm. Plötzlich saust ein heftiger Windstoß an mir vorbei, und bringt meine langen, roten Haare zum fliegen. Der Hut von der Frau wird von ihrem Kopf gefegt, und durch die Luft gewirbelt. Dann landet er weit auf dem Meer und wird davon getrieben. Der Hut geht nicht unter. Ich wünschte ich wäre der Hut...
Die Frau läuft ins Wasser und holt ihren Hut wieder. Nachdem sie wieder an Land ist, geht sie weiter.
Der Strand ist sehr leer, fast niemand kann mich sehen. Ich drehe mich zur Düne hinter mir um. Dort liegt meine Mutter im Liegestuhl und schläft unter dem Schutz des bunten Sonnenschirms. Auch sie bemerkt mich nicht.
Eigentlich fühle ich mich auf dem warmen Sand ganz wohl, das Wasser ist doch sowieso viel zu kalt! Das Meer sieht schön, aber auch bedrohlich aus. Es ist sehr tief, und viele hundert Meter tiefer ist das Wasser schwarz. Ich habe Angst vor schwarzem Wasser, man weiß nicht was aus der Dunkelheit kommen kann. Das Meer sieht so aus, als wollte es den Strand verschlingen. Als wäre es ein Ungeheuer.
Aber die Gelegenheit ist da, niemand verfolgt mich mit starrenden Augen.
Entschlossen gehe ich Schritt für Schritt in das Wasser. Es ist wirklich sehr kalt, und ich wünschte, ich wäre doch auf dem Sand geblieben. Aber langsam gewöhne ich mich an die Kälte. Ich stehe nun bis zu dem Bauch im Wasser, und ich gehe noch weiter. Solange, bis das Wasser mir bis an das Kinn reicht.
Weiter weiß ich nicht. Was soll ich denn jetzt tun? Meine Mutter sagte mir immer, ich soll meine Beine und Arme bewegen, und sie hat mir gezeigt, in welcher Bewegung. Aber ich hab alles wieder vergessen.
Ich komme mir vor, als würde ich direkt im Maul des riesigen Ungeheuers stehen. Einen Augenblick habe ich Angst gefressen zu werden, doch dann weiß ich wieder, dass das Meer doch eigentlich genauso wie mein Planschbecken ist, nur viel größer.
Ich stelle mir vor, dass der Boden unter mir nicht absinkt, sondern wieder ansteigt, und plansche und paddel mit Armen und Beinen. Ich versuche nicht auf den Boden zu treten, und mich so an der Oberfläche zu halten. Es gibt viel Gespritze, und ich muss mich doch noch mal hinstellen, um mir das salzige Wasser aus den Augen zu reiben. Dann versuche ich es erneut. Wieder plansche und paddel ich mit Armen und Beinen. Und - durch die Bewegungen, die ich mache, berühre ich nicht den Boden. Ich versuche mich fortzubewegen. Plötzlich bin ich ein Stückchen weiter im Wasser als ich vorher war. Und noch ein weiteres Stückchen.
Ich schwimme! Und ich will gar nicht mehr aufhören.
Ich schwimme mitten hinein in das große, geöffnete Maul des Ungeheuers.