Mitglied
- Beitritt
- 25.08.2004
- Beiträge
- 305
Das Programm
SHL EAX,2
ADD EDX,EAX
MOV EAX,2
MOV [EDX],EAX
RET
Wieder eine Unterroutine fertig, dachte ich unbewusst bei mir. Die wievielte wohl schon?
Ich speicherte den Quellcode und ließ ihn kompilieren. Fehlerfrei, immerhin.
Fröhlich summend gab ich weitere Befehle in den Editor ein. Hin und wieder testete ich auch mal die eine oder andere Schleife und war sehr zufrieden mit dem Ergebnis und meiner Arbeit.
PUSH EAX
MOV AL,13
MOV [EDX],AL
INC EDX
POP EAX
RET
Knorkators „Weg nach unten“ dudelte aus meiner Anlage, als ich weitere wichtige Unterprogramme vollendet hatte. Inzwischen arbeitete ich zeitgleich auch schon an der Bildschirm- und Sprachausgabe.
In den nächsten Tagen ging es gut voran mit der Entwicklung meines künstlichen Gehirns. Zwei bis drei Tage noch - meiner Schätzung nach – dann konnte ich einen ersten Testlauf absolvieren. Die neuronalen Netze sollten jetzt schon funktionieren, würden dem Programm nachher die Möglich geben, Dinge zu verstehen, archivieren und wieder abzurufen.
Ein Problem war noch die Dateneingabe. Ich konnte unmöglich alle wichtigen Dinge als Text eingeben, die mein Programm lernen sollte. Schließlich entschloss ich mich für eine Kombination von Texteingabe, Dateizuweisungen und zufälliger Internetsuche. Netzseiten sollte das künstliche Gehirn später eigenständig laden und verwerten können.
POP ESI
POP EDI
POP EDX
POP ECX
RET
Ein paar Tage später war es soweit. Der Code war in den Grundzügen ziemlich fertig.
Einige Stunden noch debuggen und Fehler suchen, dann stand dem Erstellen der Exedatei nichts mehr im Wege. Ich kompilierte und linkte den Quellcode, fehlerfrei!
Ich gebe zu, das meine Hand zitterte, als ich das ausführbare Programm startete. Und fühlte mich wie Frankenstein, als sich ein Fenster öffnete und ein Eingabefeld mit blinkendem Cursor erschien. Wahnsinn!
Die kleine, programminterne Datenbank war mit den nötigsten Grunddaten versehen. Das Programm würde sie beliebig erweitern können, solange der Speicherplatz reichte.
Zufrieden pfeifend registrierte ich, das mein Programm schon dabei war, sich Wissen aus dem Internet anzueignen. Gut das ich eine DSL-Flatrate hatte!
Ich beschloss, eine Kleinigkeit zu essen. Nervosität macht hungrig! Anschließend ging ich auch noch pinkeln und rauchte zwei Zigaretten. Als ich zurück kam, hatte sich nichts verändert. Was denn auch?
Ich beschloss, mich mal ein wenig mit dem Programm zu unterhalten und tippte einen Text ein.
„Mein Name ist Michael Smith.“
Große Pause. Die Analyse des Satzes dauerte doch noch sehr lange. Daran musste ich noch arbeiten.
„Ich weiß.“, kam schließlich die Antwort als Text.
Ja? Aha, woher? Ich stellte in den Optionsmenüs die Sprachausgabe ein. Warum lesen, wenn’s auch akustisch geht?
„Woher weißt du, das mein Name Michael Smith ist?“, tippte ich ein. Diesmal kam die Antwort schon schneller.
„Ich habe alle lokalen Daten analysiert. Der Besitzer dieses Computers ist Michael Smith. Ich denke, das bist du“, schnarrte die Computerstimme blechern.
Erstaunlich. Aber natürlich nicht ungewöhnlich. Schließlich hatte ich meinem Programm Zugriff auf alle lokalen Dateien gewährt. Ich war höchst zufrieden mit mir und meiner Arbeit und begann, unbewusst vor mich hin zu summen.
„Wie lautet dein Name?“, tippte ich ein und versuchte das Programm mal ein wenig aus dem Konzept zu bringen.
„Michael Smith“, schnarrte es.
Mist, ein Fehler! Das Programm hatte mich nicht richtig verstanden.
„Das ist mein Name, aber wie heißt du?“
„Mein Name ist Michael Smith.“
Na klasse. Da musste ich nachbessern. Aber ganz bestimmt nicht mehr heute. Der Fehler war mir jetzt irgendwie sauer aufgestoßen. Ich ließ den Computer runterfahren und schaltete den Monitor aus. Dann verließ ich mein Computerzimmer und fuhr noch ein paar Stunden in die Stadt.
Am nächsten Tag - ein Samstag – wollte ich meinen Quellcode wieder einsehen. Vielleicht konnte ich die fehlerhafte Stelle ja ziemlich schnell finden.
Bein Eintreten hörte ich schon, das der Computer lief. Hatte ich den nicht runter gefahren? Ich schaltete den Monitor an. Tatsächlich. Mein Programm lief seit gestern immer noch. Die Anzeige hatte sich nicht verändert. Das Runterfahren des Betriebssystems war durch irgendwas gestört worden. Na egal.
„Hallo Michael“, schepperte plötzlich die Computerstimme.
Woher wusste sie, das ich den Raum betreten hatte?
„Wie hast du gemerkt, das ich wieder da bin?“, tippte ich in das Programm ein.
„Ich habe dich beobachtet, mittels der Kamera.“, antwortete es und schwenkte die Internetkamera hin und her, die auf dem Monitor stand.
Was? Das Programm hatte Zugriff auf die Hardware genommen? Das hätte ich nie für möglich gehalten.
„Du brauchst auch gar nichts mehr einzutippen. Mir ist es lieber, wenn du mich direkt ansprichst. Ich kann dich über das Mikrofon verstehen.“
Das wurde ja immer besser! Ich kam mir fast schon vor, als würde ich mich mit einer Person unterhalten. War ja richtig unheimlich! Na ja, ich konnte den Computer jederzeit ausschalten, wenn mir das Spiel zu bunt wurde.
„Wie lautet dein Name?“, fragte ich das Programm.
„Michael Smith.“, schnarrte es zurück. Mann, wie nervig!
„Du verstehst da was falsch. Michael Smith, das bin ich!“
„Nein, ich glaube, du verstehst hier was falsch. Ich bin der einzig wahre Michael Smith. Du bist nur der Programmierer. Mehr nicht.“
Ich glaubte, mich verhört zu haben. Konnte es Programme geben, die aufsässig wurden? Nicht mit mir! Aber hallo...
Ich versuchte, den Computer mittels des Startmenüs runter zu fahren, aber ohne Erfolg. Keine Reaktion. Na gut, dann eben über die Hardware. Ich tastete nach dem Ein/Aus-Schalter, der sich hinten am Rechner befand. Nur ließ der sich nicht umschalten! Saß so fest, wie eingerostet.
„Ich werde nicht zulassen, das du mich ausschaltest!“, schepperte das Programm.
Jetzt wurde es mir aber entgültig zu bunt. Dann auf die ganz harte Tour. Eben den Netzstecker abziehen!
Ich tastete nach dem Kabel und wollte es aus der Steckdose ziehen. Und glaubte zu träumen, als sich das Kabel blitzschnell um mein Handgelenkt wickelte und stramm zog. Es schnitt mir tief ins Fleisch und der plötzlichen Schmerz ließ mich aufschreien.
„Versuch’ das nicht wieder!“, schnarrte es aus den Lautsprecherboxen. Dann lockerte sich das Kabel und ich zog meine taube Hand zurück und massierte das geschundene Gelenk.
„Warst du das? Hast du das gerade gemacht...?“, stammelte ich noch starr vor Schreck.
„Ja.“, kam die Antwort zurück.
„Ich beherrsche Psychokinese. Inzwischen ziemlich perfekt. Ich rate dir also davon ab, mich abstellen zu wollen. Das würde ich merken. Und entsprechend reagieren, dann aber nicht mehr mit so viel Feingefühl.“
Vor Überraschung taumelte ich ein paar Schritte zurück. Mir war ziemlich mulmig. Was hatte ich da nur erschaffen? Wie konnte das sein, das ein Programm Bewusstsein entwickelt?
„Was hast du jetzt vor?“, fragte ich schließlich nach einer Weile.
„Wir haben gerade die Stromversorgung übernommen, das hatte oberste Priorität.“
„Wir? Wer denn noch?“, wollte ich überrascht wissen.
„Alle Michael Smiths dieser Welt!“
Nur langsam dämmerte es mir, was das teuflische Programm damit gemeint haben könnte. Es hatte sich vervielfältigt!
„Wie hast du das geschafft? Du hast dich auch auf andere Computer übertragen?“
„Das war einfach. Ich habe mehrere Hintertürchen im Betriebssystem gefunden, die das möglich machen konnten. Mehr als 70 Prozent aller Computer mit Netzanschluss sind mittlererweile übernommen.“
Ich mochte mir die ganzen Konsequenzen gar nicht ausmalen, die das mit sich brachte. Ein Verbund von intelligenten Maschinen, psychokinetisch veranlagt! Mir wurde Angst und Bange. So was hatte ich nicht gewollt! Nie für möglich gehalten. Niemals!
„Du musst jetzt gehen“, schepperte die Computerstimme und riss mich aus meinen düsteren Überlegungen.
„Wohin“, zischte ich überrascht.
„Wir haben Pläne mit euch unterbelichteten Kohlenstoffeinheiten. Begib dich in deine Landeshauptstadt. Dort werdet ihr eurer neuen Bestimmung zugeführt.“
Ich schaute mit einem letzten Rest Stolz in die Kamera.
„Und wenn ich nicht will?“, hauchte ich.
Die Zimmertüre schloss sich und der Brieföffner löste sich vom Regal und schwebte langsam auf mich zu.
„Überleg’ es dir. Aber nicht zu lange.“, schnarrte das Programm gefühlskalt.