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Das Spiel

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17.04.2004
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Das Spiel

Eigentlich ist sie über sich selbst erstaunt, dass sie es diesmal wirklich durchzieht. Sie hat oft mit dem Gedanken gespielt, weil sie es wissen will. Aber nie hat ihr Mut dafür gereicht. Jetzt sitzt sie da, in einer fremden Kneipe, umgeben von fremden Menschen, und unterhält sich mit dem Typen, den sie sich schon im Reinkommen ausgesucht hat.
Sie hat ihre beste Freundin oft dieses Spiel spielen sehen, bei dem sie selbst immer in den Hintergrund gerückt ist. Diesmal ist sie dran. Ihre Freundin hat sie gar nicht mitgenommen, heute Abend wird sie ihr nicht die Show stehlen. Sie kann das auch!

Der Typ ist nett, und man kann sich gut mit ihm unterhalten. Mittlerweile reden sie seit fast zwei Stunden über alles mögliche. Bewusst achtet sie darauf, nicht all zu viel zu trinken, obwohl ihr Gesprächspartner immer wieder versucht, sie zu mehr Alkohol zu überreden. Aber sie will die Kontrolle über das Spiel behalten.

Sie lacht viel, ihre Augen glänzen. Von der sonst eher unscheinbaren Frau ist heute nichts zu sehen, einige der Anwesenden werfen ihr interessierte Blicke zu. Sie sonnt sich in der ungewohnten Aufmerksamkeit.
„Ich bin also doch attraktiv“, denkt sie sich. Längst liegt die Hand ihres Gesprächspartners auf ihrem Bein, aber das ist okay. Das gehört zum Spiel dazu, und sie genießt es in vollen Zügen.

Langsam leert sich der Laden, und auch das Spiel ist weiter fortgeschritten. Schon vor Stunden haben sie Brüderschaft getrunken, und diesem einen Kuss sind viele weitere gefolgt. Vermutlich wird sie die nächsten Tage mit Rollkragen zur Arbeit gehen. Eine ungeplante, aber nicht unangenehme Facette des Spiels. Die Tatsache, dass sie in ihrem Freundeskreis einige dumme Sprüche deswegen hören wird hat sie eher noch ermutigt, weiter zu machen. Endlich kann sie auch mal mit einem Lächeln die Gedanken der Anderen deren Fantasie überlassen. Der Genießer schweigt. Noch immer ist sie nüchtern, die zwei Kurzen haben ihr nichts anhaben können. Aber jetzt wird es Zeit zu gehen, der Wirt steht schon recht ungeduldig hinter der Theke und wartet. Natürlich zahlt ihre Eroberung die Rechnung, das gehört auch zum Spiel dazu. Überrascht stellt sie fest, dass sie die letzten im Laden sind. Der Gedanke, so vertieft gewesen zu sein, dass sie das nicht mitbekommen hat beunruhigt sie ein wenig.

Sie verlassen die Kneipe lachend und rumalbernd. Er ist ziemlich voll. Aber auch das gehört dazu. Er bleibt stehen, fängt erneut an, wild mit ihr zu knutschen, zieht sie dabei unmerklich mit ihr mit. Auf dem leeren Parkplatz hinter der Kneipe landen sie. Ihr wird schlagartig klar: das will sie nicht. Sie will nach Hause, alleine. Das Spiel ist vorbei. So freundlich wie möglich versucht sie sich von ihm zu lösen, sein Alkohol-atem ist ihr plötzlich zuwider. Erfundene Kinder müssen als Begründung herhalten, warum sie gehen muss. Doch er hört nicht zu. Seine Hand wandert unter ihre Bluse, mit der anderen hält er sie am Arm fest.
„Gleich“ murmelt er mit heißem Atem an ihrem Hals, wo er dem ersten Mal ein zweites hinzufügt. Tief durchatmend versucht sie erneut, sich zu lösen. Schlagartig wandelt sich seine Zärtlichkeit in Gewalt, fest krallen sich seine Finger in ihre Arme, während er sie immer weiter in die hinterste Ecke des Parkplatzes drängt. Panikartig versucht sie, sich von ihm zu lösen, doch sie hat keine Chance. Sie hat sich keinen Schwächling für dieses Spiel ausgesucht. Brutal wirft er sie zu Boden, mit der einen Hand zerrt er an ihrer Kleidung, mit der anderen hält er ihr den Mund zu, noch bevor sie überhaupt auf die Idee kommt zu Schreien. Sein Körper drückt sie nach unten. Wie konnte sie nur auf die dumme Idee kommen, einen Rock anzuziehen?

Irgendwann ist es vorbei. Er sieht sie an, als hätte er sie noch nie gesehen.
„Du wolltest das doch so.“ Damit geht er, rennt eigentlich eher, lässt sie liegen im Dreck. Sie steht auf, richtet ihre Kleidung. Betäubt geht sie nach Hause, mit der einen Hand ihre Bluse zuhaltend, deren Knöpfe größtenteils abgerissen sind.

 
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Hi Thresenfee!

im reinkommen
Im Reinkommen groß

Puh, es fing so harmlos an und das Ende traf mich dann mit ziemlicher Wucht. Ich bin schockiert. So hätte ich das Ende der Geschichte nie gesehen.
Wenn das deine Absicht war, dann hast du Erfolg gehabt.
Schreckliche Geschichte (du weißt, wie das gemeint ist, oder?), gut erzählt.

In diesem Sinne
c

 

Hallo Thresenfee,

wirklich getroffen hat mich das Ende nicht, weil leider viel zu oft sowas passiert. Gefallen hat mir an Deiner Gecschichte, dass Du dargestellt hast, wie fließend Grenzen manchmal sind.

Wie konnte sie nur auf die dumme Idee kommen, einen Rock anzuziehen?

„Du wolltest das doch so.“

Viele Opfer suchen die Schuld für das Geschehene bei sich selbst und meiner Meinung nach, hast Du dieses Problem in Deinem Text angedeutet.

Liebe Grüße,
gori

 

Hallo Thresenfee,

ein schwieriges Thema, dass du wie ich finde umsetzt ohne moralisch zu werden und einen der beiden zu sehr zu verurteilen. Genau wie gori auch schon festgestellt hat, kommen die fließenden Grenzen gut rüber. Die Frau ist davon ausgegangen, dass sie das Spiel beginnen und nach Belieben auch wieder beenden kann, ohne zu berücksichtigen, dass ihr Gegenüber ein Mensch ist.

Sprachlich sind mir zwei Stellen aufgefallen:

„Ich bin also doch attraktiv“, denkt sie sich.
Längst liegt die Hand ihres Gesprächspartners auf ihrem Bein, aber das ist ok.
ich würde lieber "okay" schreiben
Bei einigen Sätzen hätte ich nach meinem Empfinden das ein oder andere Wort weggelassen, das macht die Geschichte oft dichter und spannender. Z.B. im ersten Satz:
Eigentlich ist sie über sich selbst erstaunt, dass sie es diesmal wirklich durchzieht.
Nach meinem Gefühl wäre hier "Sie ist über sich selbst erstaunt, dass sie es diesmal durchzieht" ein direkterer Einstieg. Ist aber selbstverständlich nur ein Vorschlag.

Liebe Grüße
Juschi

 

Hi, erstmal danke an alle für die positiven Antworten.

@chazar
freut mich, daß dich das Ende geschockt hat (du weißt, wie ich es meine). Leider hat gori aber recht, die wenigsten kann man damit wirklich treffen. Es ist zu normal, wenn nicht in dieser, dann in einer anderen Variante.

@gori
sucht sie die Schuld nur bei sich, oder trägt sich nicht sogar irgendwo selbst ein wenig Schuld an dem Geschehenen? Versteh mich nicht falsch, ich möchte auf keinen Fall Vergewaltigung in irgendeiner Form verteidigen oder beschönigen. aber immer nur der böse Täter und das arme Opfer? Leider ist das Leben nciht so schwarz-weiß, und das hab ich versucht, mit einfließen zu lassen.

 

Hallo nochmal,

die Diskussion habe ich öfters zuhause mit meinem Mann (komisch, das auszuschreiben. Die Ehe ist noch ganz frisch :)) ) Ich verstehe schon, was Du meinst, ich sehe es nämlich ähnlich. Deine Protagonistin hat sicherlich eine „Teilschuld“, indem sie am Anfang mit dem Mann gespielt hat, nach ihrem „nein“ hätte es allerdings vorbei sein müssen.
Das Problem ist nur, bei vielen Vergewaltigungsopfern, dass sie am Ende oft die ganze Schuld bei sich suchen und oft fallen eben solche Sätze wie : „Du wolltest es doch auch.“, die das ganze noch verstärken.


Leider ist das Leben nciht so schwarz-weiß, und das hab ich versucht, mit einfließen zu lassen.

Und genau das hat mir an Deiner Geschichte gefallen :)

Liebe Grüße,
gori

 

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