- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 4
Das Untertauchen der Fische
Es war ein kleiner, unbekümmerter Fisch, der diese Welle auslöste, die so großen Kummer bei den Menschen verursachte.
An einem sonnigen, warmen Sommertag schwamm er gesättigt – er hatte gerade gefressen – und zufrieden durch die weiten, unendlichen Tiefen des Meeres und wollte gerade an die Oberfläche empor tauchen, als er das große Etwas erblickte, das nicht weit von ihm dahintrieb. Er wusste nicht genau, was es war, hatte aber von Älteren in Erzählungen davon gehört, wie sie ängstlich und zitternd davon berichteten und die Jungen davor warnten, diesen Schiffen, wie sie sie nannten, nicht zu nahe zu kommen. Doch neugierig, wie er war, missachtete er all ihre Warnungen und Verbote und schwamm darauf zu, um es zu erkunden.
Als er es erreicht hatte, begleitete er es eine Weile und wartete er darauf, dass etwas passiere – doch nichts geschah. Das Schiff war rundlich und unglaublich schnell und er hatte reichlich Mühe bei diesem Tempo mitzuhalten, doch gefährlich, da war er sich jetzt sicher, war es nicht.
Nachdem er es zweimal umkreist hatte, kehrte er wieder auf die Seite zurück und dachte sich, zu den anderen zu tauchen und ihnen von seiner Erkenntnis zu erzählen, dass diese Schiffe in Wirklichkeit völlig ungefährlich seien, als plötzlich doch etwas geschah. Ein riesiges Netz wurde wie von Zauberflosse ins Wasser gelassen und tauchte vor ihm tief hinunter, bis es plötzlich stehen blieb. Ein Schwarm Lachse, der gerade mit einer Gruppe Rochen debattierte, wurde hinfortgerissen und war im Netz gefangen.
Der kleine Fisch hielt inne. Auf einmal schwamm er ganz alleine und nur das tiefe Blau des Meeres gesellte sich zu ihm. All die ganzen Fische, die eben noch umher flitzten, waren wie vom Meeresgrund verschluckt.
Das Netz, dachte er, das war das Netz.
Schnell schwamm er zu seiner Familie und berichtete allen von seinem schockierenden Erlebnis.
Auch die anderen hatten diese Veränderungen bemerkt, die um sie herum vorging. Ständig verschwanden irgendwelche Lebewesen, und, so resümierte einer der Alten, irgendwann würden auch sie verschwinden.
Der kleine Fisch hatte eine großartige Idee und flüsterte sie dem alten, weisen Fisch ins Ohr.
Also beschloss dieser, wäre es besser, wenn sie doch einfach untertauchen würden, denn in die abgelegendsten Tiefen des Meeres kämen auch diese mordenden Ungeheuer nicht, die Schiffe hießen.
Und die Fische, die ihm zuhörten; stimmten ihm zu.
Nachdem also die Familie des kleinen Fisches hinuntergetaucht war, in tiefere Tiefen, um dort in Sicherheit zu leben, sprach sich die Kunde von ihrem Verschwinden herum. Eine Welle rollte durch das Meer , welche von der Ruhe sprach, die dort unten herrsche, der Wind flüsterte von der Unbeschwertheit, mit der es sich dort leben ließe, und selbst die Schildkröten hörten die Rufe der Wale, die von der Stille schwärmten, welche so herrlich entspannend wäre.
So geschah es dann eines Tages, dass die großen Fischkutter der Meere eines Morgens, es war noch dunkel, hinausfuhren und feststellten, dass alle Tiere des Meeres verschwunden waren.
Große Unruhe befiel sämtliche Menschen, denn die Fische waren sehr wichtig für sie, sowohl als Nahrung, als auch für die Medizin. Ja, so viele Bereiche sind abhängig von der Fischindustrie.
Es wurden Nachforschungen angestellt, was denn mit den Fischen nur geschehen sein mag, doch alles brachte nichts zu Tage.
Völlig verzweifelt schrien Fischer aus voller Kehle ins Meer hinaus, die Fische sollten doch zurückkommen, doch als Antwort erhielten sie nur das einsame, ruhige Rauschen des Meeres.
Aber auch den Fischen, die nun alle in tieferen Regionen im dunklen Wasser lebten, behagte diese Situation nicht. Sie mochten die Dunkelheit nicht, sie verstanden sich nicht mit den anderen Fischen, die von Natur aus dort lebten, und vor allem mochten sie Veränderungen nicht. Sie hassten Veränderungen.
Da war es wieder der kleine, naive Fisch, der den Vorschlag machte, doch einfach wieder nach oben zu tauchen, wo die Sonne das Wasser wärmt und alles klar und hell war.
Der alte Fisch, der für seine Weisheit bekannt war, lobte den kleinen Fisch ob seiner Schlauheit und beschloss sogleich, wieder nach oben zu tauchen.
Und die Fische, die ihm zuhörten, stimmten zu.
Wieder in höheren Regionen, sprach sich sogleich die Neuigkeit herum, dass es oben doch am Schönsten sei und, dass die Fische, die als die ersten herabgetaucht waren, dies festgestellt hatten. Die Welle, die von friedlicher Ruhe gesprochen hatte, erzählte nun von Sonne und Himmel, von Wärme und Freiheit.
Und schon am nächsten Tag tummelte sich in allen Reichen des Meeres das Leben, sprangen die Delfine, jagten die Haie und sangen die Wale. Und die Menschen bemerkten dies und schrien vor Freude und streckten vor Glück die Arme gen Himmel. Schon röhrten und brummten die Motoren der Fischkutter, wurden Netze geflochten und Messer gewetzt.
Der kleine Fisch aber ließ sich wieder von den Strömungen des Meeres tragen und ging täglich neugierig auf Erkundungstour.
Gerade, als er wieder einmal an die Oberfläche emportauchen wollte, sah er wieder etwas Riesiges im Meer schwimmen. Plötzlich traf ihn etwas von hinten und riss ihn mit. Erst als er an Deck des Schiffes gezogen wurde, sah er, dass es ein Netz gewesen war. Die anderen, die jenes schreckliche Unglück beobachteten hatten, erzählten dem alten, weisen Fisch davon.
Er schwieg eine Weile und beschloss sodann: Wir bleiben hier!!!
Denn er hasste Veränderungen.
Und die Fische, die ihm zuhörten, stimmten ihm zu.