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Deine Kette...
Deine Kette…
Langsamen Schrittes gehe ich durch mein Zimmer. Stelle Gegenstände um, räume sie zurück, nur, um etwas in den Händen zu haben. Drehe die Heizung an. Sinnlos, die Kälte, in der ich ertrinke, kommt von innen… Meine Knie geben nach, ich sinke aufs Bett. Springe auf, bevor die Flut an Erinnerungen über mich hereinbricht.
Ich stehe am Fenster, mein Blick verliert sich in der Schwärze der Nacht. Mir ist, als würde ich in meine Seele blicken. Ich will nicht weinen. Damals hatte ich mir geschworen, deinetwegen nie wieder zu weinen…
Ich weiß nicht, was ich hier tue. Sollte bei dir sein. Was hält mich davon ab? Ich könnte. Könnte mich ins Auto setzen, zu deiner Wohnung fragen. Vielleicht wärest du sogar daheim, und vielleicht wäre deine Exfreundin, die immer noch bei dir wohnt, nicht da. Aber… Es gibt immer ein Aber.
Das Bedürfnis in mir wächst, gegen die Wand zu schlagen. Etwas tun, nicht so ohnmächtig hier stehen. Wo stehen wir? Was ist mit uns?
Hoffnung. Das Wort kommt mir plötzlich in den Sinn. Das flackernde Licht der Kerze erinnert mich an gestern Abend… Ich lächle. Hoffnung… Ja.
Unser Weg bis hierhin war lang und nicht immer leicht. Drei Jahre, in denen wir uns wieder und wieder das Herz brachen. Drei Jahre, in denen wir „nur“ Freunde waren. Drei Jahre, in denen wir blind waren. Vielleicht mussten wir all diese Erfahrungen machen. Ja, es war vielleicht wirklich nötig, dass ich der einzigen Person, die ich außer dir je geliebt habe, das Herz brach. Es war ein hoher Preis, den wir beide zahlten, um bis hierher zu kommen. Aber nicht zu hoch.
Die Stille schreit auf mich ein. Irgendetwas ist seltsam… Du bist nicht hier, aber ich spüre deine Gegenwart. Manchmal ist es, als würden wir uns nie verlassen. Ein plötzlicher Schmerz ergreift mein Herz. Meine Lippen sind trocken, ich klammere mich am Fensterbrett fest. Was passiert? Was tun wir? Alles ist so neu…
Unser erster Kuss war wirklich etwas Besonderes. Genau drei Jahre, zwei Monate und eine Woche, nachdem wir uns kennen gelernt hatten. Ich hatte einen Freund, du hattest dich getrennt, wir hatten ein Tabu – uns zu küssen. Das ging eine Weile gut; du küsstest mein Ohr, meinen Hals, meinen Bauch, und ich zitterte. An diesem Abend konnte ich dir nicht länger widerstehen, ich war zu schwach. Ich drehte den Kopf nicht.
Wieder laufe ich in meinem Zimmer umher. Fühle mich eingesperrt, ich will schreien. Die Welt verschließt sich mir. Ich bin verwirrter als nach der Nacht, in der wir uns küssten, fast verwirrter als nach der Nacht, in der wir miteinander schliefen. Warum? Der Boden verschwindet unter meinen Füßen. Die Kerzen flackern. Das Ticken der Uhr erscheint bedrohlich laut. Die Zeit vergeht auch ohne dich, doch ich kann es nur am Ziffernblatt merken. Die Zeit hat Sprünge.
Mein Herzschlag springt. Ich verliere mich. Du bist nicht hier. Alles erinnert mich an dich.
Als ich aus Wien zurückkam, fand ich dich. Das ist erst zwei Wochen her… Ich hatte gelitten. Er besaß meinen Körper, meine Seele war bei dir geblieben. Ich verbrachte die letzten drei Tage in einem Hotel, bis ich endlich zurück durfte.
Ich betrachte mein Spiegelbild. Deine Kette… Ich trage sie immer. Sie ist nichts Besonderes – ein schmales Lederband mit einem silbernen Anhänger. Aber sie bedeutet mir so viel… Und sie ist schon jetzt symbolisch. Das waren wir ja schon immer. Du gabst sie mir mit, als ich fuhr, und ich habe sie seither, selbst in Wien, ständig getragen, bis auf einen schrecklichen Sonntag an diesem schrecklichen, deprimierten Wochenende, als ich sie dir zurückgeben wollte – unser bestes Missverständnis bisher, und wir haben wirklich die Auswahl. Nun, diesmal haben wir es geschafft, es zu klären, ich trage sie nun wieder. Wir sind verrückt! Eine Kette als Stimmungsbarometer…
Was passiert? Wir machen uns zu viele Gedanken. Ich liege auf meinem Bett, vergrabe mein Gesicht in dem Kissen, dem immer noch dein Duft anhaftet. Ich liebe dich. Ich will bei dir sein, und du willst bei mir sein – wir wollen zusammen sein. Nach drei Jahren haben wir uns gefunden, nun können wir uns wirklich nicht mehr verlieren. Nein. Ich schüttle den Kopf und lächle.
Es klingelt.