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Depression
Ich sitze nur so da, die Rasierklinge in der rechten- das Glas Brandy in der linken Hand.
Dass es so weit kommen musste. Warum erwischt es immer die Guten? Langsam lege ich die Klinge aus der Hand und greife zur Halb leeren Flasche.Ich nehme einen Schluck und fülle das Glas nach.
Ich habe schon eine ganze Flasche intus. Aber ich spüre den Alkohol nicht. Die starken Rückenschmerzen sind verschwunden und ich spüre eine unheimliche Kälte.
Ein Blick auf mein Radiowecker sagt mir, dass es fünf Uhr abends ist. Bin ich schon so lange hier? Ich kann mich nicht erinnern. Schon seit fast vier Stunden versuche ich die Klinge anzusetzen aber immer vergebens. Angst habe ich nicht, aber ein ungutes Gefühl. Meine verbliebenen freunde werden mich sicher für den grössten Feigling halten.
Das Gebell des Nachbarhundes reisst mich aus meinen trüben Gedanken. Irritiert lege ich Glas und Klinge aus der Hand und erhebe mich aus meinem überaus ungemütlichen Sessel. Es muss doch noch irgendwo eine Flasche Brandy stehen. Ich erinnere mich eine zweite Flasche gekauft zu haben. Und tatsächlich finde ich nach verzweifelter suche, die Flasche im Brotkasten. Erfreut darüber dass wenigstens dieses Problem behoben ist, begebe ich mich wieder zu meinem Sessel.
Das plötzliche Klingeln meines Telefons reisst micht wieder aus meinen Gedanken. Darüber verärgert betätige ich die Taste mit dem grünen Hörer. „ Hier Rainer, wer ist da?“ Keine Antwort. „Hallo wer ist denn da?“ Wieder keine Antwort. Wütend lege ich auf. Diese verdammten Telefonstreiche. Das ist heute schon das vierte Mal.
Nach längerer Zeit der Gedankenverlorenheit nehme ich einen Schluck Brandy und griff erneut nach meiner scharfen Rasierklinge. Ich kann nicht mehr. Was habe ich schon in meinem Leben erreicht? Meine Arbeit ist beschissen und Geld habe ich auch keins. Wenn ich mal Geld habe gebe ich es sofort für was Flüssiges aus. Früher hatte ich viele Freunde, heute nur noch zwei. Melissa und Marco.
Was ist mir noch geblieben, nachdem dieser verdammte Autoraser meine Frau und meine beiden Töchter mit in den Tod gerissen hatte.
Tiefe Traurigkeit überflutet mich. Die Rasierklinge scheint mein einziges Rettungsboot zu sein. Als ich mich endlich dazu entschliesse Schluss zu machen klopft es an der Tür. Jemand ruft. „Rainer bis du da?“ Es ist Melissa. Sie sollte mich nicht so erblicken, aber da sie einen Schlüssel für meine Wohnung besitzt ist es wohl zu spät etwas daran zu ändern.
„Ah, Melissa geht es dir gut?“ Frage ich.
„Rainer bist du da?“ höre ich sie rufen.
Hatte sie mich etwa übersehen? Das kann nicht sein. Melissa geht geradewegs in Richtung Schlafzimmer.
„Hey Melissa, was ist los?“ rufe ich ihr hinterher. Aber ich bekomme keine Antwort. Also setzte ich mich wieder hin und nehme einen grossen schluck aus der Flasche.
Das Plötzliche aufschreien von Melissa erschrickt mich. Ich habe sie noch nie zuvor so gehört.Ich stürme ins Schlafzimmer und sehe wie Sie erstarrt auf mein Bett sieht. Jetzt wurde mir alles klar. Der Alkohol den ich nicht spüre, diese Kälte, meinen schmerzfreien Rücken und die Telefonate.
Betrübt gehe ich an Melissa vorbei ohne sie anzusehen zurück in mein Wohnzimmer. Ich setze mich wieder in meinen Sessel, nehme das Glas zu Hand und warte......