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Der Handel des Lebens

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22.06.2003
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Der Handel des Lebens

„Lasst mich los!“

Mit der Kraft eines Verzweifelten befreite unser Gast seinen rechten Arm und grub den Ellbogen in Stams Magen.
Während dieser nach Atem rang, riss er sich los und lief in die erstbeste Richtung. Ihm fehlte jegliche Orientierung. Er rammte einen Stuhl um und fiel. Nachdem er den Sturz mit Knie und Handgelenk abgedämpft hatte, stand er augenblicklich wieder auf, als hätte er Angst, der Boden könnte ihn beissen. Sein Blick irrte hilflos durch die Dunkelheit. Obwohl ich kurz vor ihm stand, bemerkte er mich nicht. Ich hätte meine Hand ausstrecken und seine Krawatte ergreifen können, doch irgendwie tat er mir Leid.
Seine Hände zitterten und die Haare klebten ihm auf der Stirn. Er atmete schnell und laut.
Er suchte wohl den Ausgang – ein im vornherein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen.

„Beruhige dich!“, riet ich ihm.
In diesem Zustand schadete er nur sich selbst.

Er stiess ein panisches Geschrei aus und schlug nach meiner Stimme. Ich wich rechtzeitig aus und der Schlag traf Luft.
Er rannte wieder los. Ich versuchte seinen Arm zu ergreifen, erwischte jedoch lediglich die Schulterfüllung seiner Joppe. Er befreite sich mühelos und stürmte weiter, bis ihn schliesslich die Wand aufhielt.
Als sein Kopf auf das harte Holz stiess, wollte er vor Überraschung aufschreien, doch die Ohnmacht schluckte den Laut, bevor er wirklich entstehen konnte, und unser Gast sackte zu Boden.

Ich lief zu ihm und ergriff die Brille, die nicht mehr auf seiner Nase, sondern neben seinem Ohr lag.
Der Rahmen war spektakulär verbogen und das linke Glas gebrochen. Der Sprung sah groteskerweise aus wie eine vergrösserte Schneeflocke.

„Sie sind alle so verletzlich“, bemerkte Stam.
„Und sie haben Angst vor nichts“, ergänzte ich.
„Vor nichts?“, fragte Dina. Sie stand an ihrem Platz hinter der Theke und grinste.
„Vor ‚einem Nichts‘ meinte ich.“

Stam zeigte auf unseren Gast.
„Der ist jetzt wohl für einen Moment weg.“
Ich nickte und fragte mich, ob die Glieder des Mannes wirklich so beweglich waren, wie es seine Position an der Wand vermuten liess, oder ob der Schein täuschte.
Von den glänzenden Lederschuhen bis zur Krawatte war er schick gekleidet. Die Uhr an seinem Handgelenk war höchstwahrscheinlich eine mit kleinen Diamanten verzierte Rolex. Der Typ präsidierte einen Verwaltungsrat und brauchte sich keine Sorgen um seine Rente zu machen; sie genügte selbst für ein weiteres Leben nach seinem Tod.
Doch im Laufe seiner Karriere hatte er einiges verloren – und viel mehr, als er dachte.
Es war höchste Zeit, ihn daran zu erinnern, wer er war.
Er brauchte die Veränderung dringend – bevor der gute Kern in ihm erstickte.

„Wie heisst er?“, wollte Dina wissen.
Vielleicht ‚Niemand‘?
Diesen Scherz hatte Stam vor einer Woche zum Besten gegeben. Ich erinnerte mich an seinen herablassenden Blick und musste schmunzeln.
Ich zuckte mit den Achseln und schwieg. Dinas Frage war ohnehin keine Frage, sondern ein Befehl: Los, kriegt heraus wie er heisst!

„Ich sehe mal nach“, sagte Stam und machte sich daran, unseren Gast zu durchsuchen.
„Der Typ hat eine schöne Krawatte“, meinte Dina.
„Stehst du plötzlich auf materielle Werte, Dina?“, fragte ich.
„Nein, aber auf ästhetische. Die Krawatte ist cool. Stam? Bringst du sie mir?“
„Aber natürlich.“ Stam wurde in der Brieftasche unseres Gastes fündig: „Der Typ heisst Erich Hegenschwiler. Steht auf seiner Identitätskarte.“
Grinsend schüttete Stam das Papiergeld aus dem Portemonnaie. Eine Hunderternote landete auf Erichs Hintern.


Ich räumte die auf der ganzen Bar verstreuten leeren Gläser auf und begann, die Kerzen anzuzünden.
Dina spielte mit der Krawatte. Sie zerrte an beiden Enden, färbte das Prachtstück mit Hilfe einer Kerze schwarz oder bearbeitete es mit einem Messer. Ich beobachtete sie aus den Augenwinkeln.
Ihr Körper und ihr Gesicht waren ein an Vollkommenheit grenzendes Kunstwerk. Ihr Lächeln hatte die Eigenschaft, jedes Mal einmalig zu wirken. Dina liess sich nicht durch Fernsehschönheiten inspirieren, die dieser Welt den Charakter raubten, sondern durch sich selbst. Sie hatte Stil: Kein überflüssiges und künstliches Strahlen, kein übertrieben zur Schau gestelltes Selbstbewusstsein.

Auch Dina, Stam und ich waren früher jämmerliche Menschenkreaturen gewesen. Auch uns hatten die Herrlichen öffnen müssen.
Ich kann mich noch gut an die Schmerzen erinnern, die sie mir zufügten – intensive aber notwendige Schmerzen. Sie brachten mein verwelktes Wesen zum Blühen.

Neben einer der Kerzen stand eine kleine Statue. Ich hob sie auf und betrachtete sie. Sie war eine Augenweide. Voller Ehrfurcht befühlte ich den glatten Stein mit meinen Fingern. Auf der Theke standen vielleicht ein halbes Dutzend dieser Relikte. Im Keller des Gasthauses, wo die Herrlichen ihr Gemach hatten, befanden sich gut weitere hundert Statuetten. Sie waren Abbilder der Herrlichen, wie sie vor langer, langer Zeit einmal ausgesehen hatten.
Heute glichen die Herrlichen ihren Abbildern aber höchstens noch im Entferntesten. Sie hatten viel an Pracht verloren.
War es der Handel des Lebens, der sie so verändert hatte? Verloren sie, was sie gaben, und erhielten sie, wovon sie andere befreiten?

Dina riss mich aus den Gedanken:
„Soll ich Erich die Krawatte zurückgeben?“
Was sie in der Hand hielt war keine Krawatte mehr, sondern ungefähr fünfzehn kleine.
„Überlassen wir diese Entscheidung den Herrlichen. Vielleicht können sie etwas mit ihr anfangen“, sagte ich und stellte die Statue behutsam zwischen zwei Kerzen auf die Theke.
„Die Entscheidung dürfte nah sein“, meinte Stam.
„Fang!“, befahl Dina und warf die Krawattenfetzen in meine Richtung, doch sie flogen nicht einmal über die Theke. Sie rieselten...
„Wie Konfetti“, meinte Stam.
...zu Boden.
„Warum hast du sie nicht gefangen?“, wollte Dina wissen. Sie zeigte mir ihre Zunge. Ob sie wusste, wie reizend diese Geste bei ihr aussah?
„Weil ich nicht so herrlich lange Finger habe“, konterte ich.
Sie lachte.
“Schade eigentlich.” Sie stellte drei leere Gläser auf die Theke. “Etwas zu trinken, meine Herren?”
“Für mich ein Glas Traubensaft mit Konzentration”, sagte ich.
“Du Stam?”
“Eine warme Schokolade.”
“Ohne Wirkstoffe?”
“Ohne.”
Dina selbst nahm einen Kaffee mit Rahm und Geduld.


Erich rollte sich auf den Rücken und teilte uns seine Schmerzen mit einem leisen Stöhnen mit. Seine rechte Hand tastete den Boden entlang; sie wirkte dabei so unbeholfen und kraftlos, dass der Eindruck entstand, sie wäre soeben aus dem Tiefschlaf gerissen worden.
Erichs Lippen bewegten sich, doch im ersten Moment schien der Mann vergessen zu haben, dass man zum Sprechen auch die Zunge und den Kehlkopf benötigte. Erst nach einigen Versuchen entstanden zwei Wörter:

„Meine Brille?“

Seine Brille lag auf der Theke und in ihrem momentanen Zustand sah Erich auch besser ohne sie als er es mit getan hätte. Ich verzichtete darauf, sie ihm zurückzugeben.
Er brauchte sie ohnehin nicht mehr.

„Soll ich ihn beruhigen?“, fragte Stam.
„Ja, bevor er ganz zu sich kommt. Früher oder später wird er zwar ohnehin realisieren, dass es keinen Sinn hat, sich zu wehren, aber bis zu dem Zeitpunkt will ich gerne auf seine Agitationen verzichten.“
„Dann gib mir das Wundermittel!“

Dina beugte sich über die Theke und überreichte Stam ein Fläschchen Beruhigung, begleitet von einer interessanten Kreuzung zwischen Grinsen und Lächeln.
Ich musste sie anschauen. Sie trug eine Halskette mit einem goldenen Auge, das wie der magische Stein eines Pendels Kreise in die Luft zeichnete.
Alle Diener der Herrlichen trugen eine solche Halskette.
Mit dem goldenen Auge vor ihren nackten Brüsten sah Dina nahezu göttlich aus.
Es war schlicht unmöglich meine Augen vor dieser Schönheit zu schliessen.
In Gedanken liebkoste ich ihre Brustwarzen mit meiner Zunge, bis sie hart wurden. Doch schon wurde meine Vernunft wieder Herrin der Lage und jagte meine Phantasien zurück in die Verbannung.

Dina trug wie Stam und ich lediglich ein purpurrotes, um die Hüfte gewickeltes Seidentuch. Ansonsten war sie nackt.
Aus Ehrfurcht vor den Herrlichen zeigten wir Diener uns in Reinheit.
Doch diese Reinheit durfte nicht zum Keimfeld der Lust werden.
Sexuelle Gefühle hätten uns von der Arbeit abgelenkt. Zudem war das Gasthaus des Lebens der Tempel der Herrlichen und wir wollten ihn nicht schänden.

Ich schaute wieder weg und zündete die letzte Kerze an. Der nun geschlossene Kreis beleuchtete den Raum um sich und nahm gleichzeitig die Dunkelheit gefangen.

Uns hatten die Herrlichen beigebracht, die Dunkelheit zu durchschauen. Wir wussten nun, wie wir die „zweiten Lider“ zu öffnen hatten, damit wir alles sahen, was da war, und nicht nur das, was sich zeigte.
Zum Beispiel das ausserordentlich breite Lächeln, dass gerade Dinas Gesicht zierte.
Für Erich hingegen war die Dunkelheit lediglich sichtraubende Schwärze. In seinem Blickfeld gab es Dina nicht.

„Wo bin ich?“, wollte er wissen. Er war aufgestanden und starrte Stam und mich an, als wären wir Tiere in einem Zoo.
„Im Gasthaus des Lebens – hier wird deine Zukunft deine Vergangenheit heiraten. Hier werden dir die Wirte Erlösung einschenken.“
Dina klang wie eine Prophetin. Gewissermassen war sie auch eine.
„Was soll die Scheisse?“, fragte Erich die Dunkelheit. Er brüllte nicht. Stam hatte gute Arbeit geleistet.
„Das ist keine Scheisse, das ist Ernst. Wir sind da, um dir zu helfen. Du solltest etwas dankbarer sein!“
Wie recht sie hatte!
Die Herrlichen würden Erich Fehler und Sünden abnehmen. Sie würden ihn auch von jenen hässlichen Zügen befreien, die Sorgen, Arbeit und Hass in seinem Gesicht hinterlassen hatten.
Er würde ein Stück seiner Kindheit zurückerhalten und von neuem lernen, wie man lacht, ehrlich ist und seine Mitmenschen schätzt.
Er würde lernen, er selbst zu sein, wie er es bei seiner Geburt hätte werden sollen.
Doch von Dankbarkeit war nicht die Spur einer Spur zu sehen.

„Weshalb haltet ihr mich gefangen? Wollt ihr mein Geld?“
„Dein Geld haben wir nicht nötig. Wir wollen nur dich. Und du bist nicht unser Gefangener, du bist unser Gast.“
„Wenn ich Gast bin, möchte ich dieses Irrenhaus sofort verlassen!“
„Gerne – sofern du den Ausgang findest.“

Das war das erste Problem: Es gab keinen Ausgang. Aber selbst wenn es einen gegeben hätte, wäre er Erich nicht von grosser Hilfe gewesen. Unser Gasthaus liegt in einem kleinen Tal, das seit den Römern keine Menschenseele mehr durchwandert hat. Die Herrlichen haben es aus dem Gedächtnis der Menschen genommen, sodass es heute sogar beim Erstellen von Landkarten übersehen wird.
Wie die Welt dieses Tal vergessen hat, so hat das Tal dasselbe mit der Welt getan. Es kennt keine Wege mehr, die anderswohin, als zu sich selbst führen.

„Wo ist der Ausgang?“
Zunehmende Verwirrung und Angst hatten diese Frage geboren; sie stotterte sich ins Leben.
Ich war wieder nahe daran, Mitleid mit unserem Gast zu haben, doch dann dachte ich an das, was er schon bald erhalten würde und freute mich für ihn.
„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass man das Gasthaus des Lebens durch primitive Türen betreten und wieder verlassen kann?“, fragte Dina.
Erichs Gesicht wurde blasser, als es ohnehin schon war.
„Die Polizei sucht wahrscheinlich längst nach mir. Sie wird jeden Moment hier aufkreuzen.“
„Durch welchen Eingang?“
Eine rhetorische Frage. Zum Glück sah Erich Dinas Grinsen nicht; es hätte ihm vielleicht den Verstand genommen. Oder ihn trotz Beruhigungsmittel aus der Fassung gebracht.
„Es muss irgendwo eine Türe geben“, sagte Erich, der Rationalist. Dabei betrachtete er den Boden – mehr auf der Suche nach seinem Verstand, als nach Türen.
„Es gibt durchaus eine Art Türe. Aber die ist momentan nicht offen. Schliesslich verlässt man ein Gasthaus nicht, bevor man Bekanntschaft mit den Wirten gemacht hat.“

Erich schien auf dem Boden halbwegs fündig geworden zu sein: Ein kleiner Wegweiser seines Verstandes führte ihn von der Strasse der sinnlosen Äusserungen ab.
„Habt ihr mich überhaupt entführt?“, fragte er.
„Haben wir getan, ja. Manche Leute müssen wir zu ihrem Glück zwingen.“
Erich dachte nach. Dabei starrte er mich an, denn scheinbar war es ihm nicht mehr geheuer mit der Dunkelheit zu reden.
„Ihr habt mich nach der Sitzung entführt. Jemand von euch wartete in meinem Wagen, als ich heimfahren wollte. Oder?“
„Möglich.“
Nun widersprach sich Erichs Gesichtsausdruck selbst; wütende Beruhigung, verstandene Verwirrung und verborgene Erkenntnis.
Würde bald die bewusste Ohnmacht folgen?

„Aber ich hatte seit zwei Wochen keine Sitzung mehr!“
Seine Stirn warf unheimlich viele Falten.
„Es gibt keinen Grund zur Verwirrung: Du hast geträumt, dass du eine Sitzung hattest und wir haben dich im Traum entführt.“
„Ihr wollt behaupten, dass dies alles nicht wahr ist? Dass ich träume?“
Der Gedanke gefiel Erich, auch wenn er ihm höchstwahrscheinlich nicht viel Glauben schenkte.
„Nein, wollen wir nicht. Das Gasthaus ist wahr. Der Traum war nur der einfachste Weg hierher zu gelangen und dabei sämtliche Probleme einer Entführung zu vermeiden.“

Erich riss den Mund auf und artikulierte lautlose Wörter. Sein Blick betastete uns mit einer Mischung aus Angst, Wut und Neugier. Ich glaube er war sich noch nicht sicher, wer nun verrückt war; er oder wir.

In der Dunkelheit nahm Dina ihr goldenes Auge in die Hand und sah es an, als wollte sie es lesen.
Zitterte ihres bereits? Meines verhielt sich noch ruhig.

Dina, Stam und ich hatten Erich im Schlaf besucht. Es war ein Leichtes gewesen, mit den goldenen Augen zu ihm zu gelangen. Stam hatte ihm etwas Herrliches in den Mund gegossen, damit er eine Weile weiterträumte, während wir ihn weckten und mit uns nahmen.
Dank dieses Mittels war ein Teil des Traumes mit uns gekommen; Erichs Kleidung.
Auch Erichs Frau hatte etwas für ihren Schlaf erhalten. Bei Sonnenaufgang frühestens würde sie aufwachen und feststellen, dass sich der Mann neben ihr über Nacht markant verändert hatte.
Sie würde anfangs etwas erschrecken, doch ihr Schock würde bald in Freude übergehen – vielleicht dann, wenn er vorschlug, ihr beim Kochen und Auftischen zu helfen.
Oder wenn er ihr sagte, dass er sie liebte, was er vermutlich seit Jahren nicht mehr getan hatte.

Erichs Misstrauen war unerschöpflich:
„Wenn ihr mich aus dem Schlaf entführt haben wollt, dann sagt mir, warum ich diese Kleider anhabe!“
Er brüllte beinahe. Ich begann mich nach den Herrlichen zu sehnen; sie würden Erich die Sprache verschlagen.
Dina schwieg. Sie gab gerne Erklärungen, doch es hatte keinen Sinn mehr. Typen wie Erich konnte man auch noch so viele Erklärungen liefern; sie blieben allergisch auf die Realität, solange jene nicht mit ihrem Weltbild übereinstimmte.

Dafür übernahm Stam die Rolle des Tutors. Seine Rhetorik war etwas weniger geschliffen:
„Weil du ohne Kleider noch mehr stinken würdest“, brummte er.
Erich hörte es nicht. Er sah erst mich, dann Stam und schliesslich die Dunkelheit um Dina an.
„Hm? Was sagt ihr dazu?“, fragte er.
Ich hätte ihm gerne gesagt, er solle ab seiner eigenen Zunge ersticken.


„Die Herrlichen rufen!“, teilte uns Dina plötzlich mit.
Ein Teil der Theke bestand aus leichtem Holz und war nicht an den Rest der Bar befestigt. Dina öffnete eine körpergrosse Lücke und zwängte sich aus dem Kreis. Sogleich schob sie die Theke wieder zurecht, damit ihr die Dunkelheit nicht folgen konnte.
Sie hielt das goldene Auge fest umschlossen. Es glühte durch ihre Hand. Dinas ganzer Unterarm bebte.
„Schnell, verteilen wir uns!“, ordnete Stam an.
Ich sprang an meinen Platz. Auch mein goldenes Auge hatte zu glühen begonnen. Rasch zog ich meine Kette aus und hielt sie so weit wie möglich über die Theke.
Stam und Dina taten es mir gleich. Die drei Augen tauchten in die Dunkelheit. Sie zogen sich gegenseitig ins Zentrum des Raumes. Schliesslich trafen sie sich und ihr Glühen wurde stärker.
Dina stöhnte erleichtert auf.
„Sie kommen“, flüsterte Stam und sein Blick hing voller Ehrfurcht am goldenen Tor.

„Was ist los?“, wollte Erich wissen.
Er hatte sich der Bar genähert und zitterte vor Angst. Ich wusste, dass er sich am liebsten so weit wie möglich vom Zentrum entfernt hätte, doch er konnte nicht anders, als sich Schritt für Schritt der Theke zu nähern.
Die Schwärze und was demnächst in ihr auftauchen würde, zog ihn an.
Ich sah seine Beine zucken, als seine Muskeln versuchten, der forcierten Bewegungsrichtung entgegenzuwirken.

„Die Herrlichen kommen dich besuchen“, antwortete ich ihm, da es sonst niemand tat. Wahrscheinlich hörte er mich nicht mehr. Seine ganze Aufmerksamkeit galt der Dunkelheit, die sich hinter der Theke gestaltete. Langsam wuchsen Bilder und Lichter aus dem goldigen Glühen heraus und verbanden sich mit den schwarzen Gestalten.
Körper schälten sich wie Wunder aus dem Nichts.

Erich beugte sich zwischen zwei der Kerzen über die Theke. Er streckte seine Arme aus. In seinen Augen spiegelte sich Begeisterung wider. Dieses Gefühl teilte der grosse Rest von ihm jedoch nicht.
Er befand sich nach wie vor am Rande der Panik, aber seinem Körper fehlte die Kraft, dies kundzutun. Aus dem Zittern wurde ein unregelmässiges Zucken, bis Erich schliesslich völlig erstarrte.
Nach einigen toten Sekunden rührte sich ein Muskel an seinem Mundwinkel, der die Lippen von der Starre befreite und scheinbar auch die Zunge dahinter.

„Wer seid ihr?“, fragte Erich.

Die Dunkelheit war verschwunden und das Glühen hatte aufgehört. Ich hielt die Kette noch in der Hand, doch das Goldauge gehorchte wieder der Schwerkraft.

“Wir sind die Herrlichen.” Die Stimme der Herrlichen hatte keinen Klang. Sie bestand nur aus Gedanken, direkt in die Köpfe gehaucht.
Heute waren sie zu viert gekommen.
Ich erinnerte mich an das erste Mal, dass ich sie gesehen hatte. Damals hatten sie den Statuen noch eher geähnelt. Jetzt waren sie ausserordentlich hässlich.
Sie hatten Köpfe wie wir, Arme, Beine und natürlich einen Rumpf. Aber da hörte die Ähnlichkeit mit Menschen auch schon bald auf.
Nicht nur ihre Gesichter waren Fratzen, sondern gleich alles an ihnen. Die Proportionen gehorchten keinen ästhetischen Grundregeln mehr, die Beine nahmen die dreifache Länge des übrigen Körpers ein. Dafür hatte der Rumpf fast nur noch symbolische Bedeutung.
Brust, Bauchnabel und Geschlechtsmerkmale fehlten.
Die Arme wuchsen aus den Hälsen, Schultern besassen die Herrlichen nicht, doch dafür verfügten sie über je zwei Ellbogen und extrem bewegliche Finger, die so lange waren, dass sie alleine einen Menschenkopf umschliessen konnten.
Das Haupt war bei zwei der Herrlichen übermässig gross, bei den zwei anderen so klein wie eine menschliche Faust. Dessen Form schien nicht vorgeschrieben zu sein: Sie variierte von einer organischen Schreibmaschine-Imitation über einen nicht gepumpten Fussball bis zur furchigen Karikatur eines Grosshirnes.
Die Haut der vier Herrlichen wirkte feuchtklebrig und war meistens an gerade jenen Stellen behaart, die für eine Behaarung völlig ungeeignet waren, wie etwa Lippen, Zunge, Ohr oder Zehen.

Ihr Blick wanderte durch den Raum. Sie hatten goldige Augen. Sie sahen Erich, der seine Hände nach ihnen ausstreckte.
Einer ergriff die flehenden Hände. Ich sah wieder, wie Erichs Körper zitterte, doch seine Zunge wiederholte die Frage:

„Wer seid ihr?“

Ich entfernte mich von der Theke. Meine Aufgabe war erfüllt. Nun waren die Herrlichen allein Wirte. Für den eigentlichen Handel des Lebens brauchten sie unsere Hilfe nicht. Auch Stam und Dina zogen sich zurück.
Ich zog meine Halskette an.

Die Herrlichen sprachen wieder:
„Wir sind deine Retter. Wir werden dir zurückgeben, was du verloren hast.“
„Was hab ich denn verloren?“
„Vieles. Wir werden dir alles Stück für Stück zurückerstatten. Doch dazu müssen wir dich öffnen.“
„Was müsst ihr mir öffnen?“
„Deine Augen, damit du klarer siehst, deinen Verstand, damit du nicht mehr die gleichen Fehler begehst, dein Herz, damit du die Welt wieder zu lieben lernst, deinen Körper, damit du deine Probleme ausbluten kannst...“
„Und wie werdet ihr das tun?“
„Das spielt doch keine Rolle, oder?“, antwortete der Herrliche, der Erichs Hände gefasst hatte. Seine Finger glitten den Unter- und Oberarm des Gastes hinauf.
Als er über die Theke gehoben wurde, zappelte Erich wie ein gestrandeter Fisch, der versucht zurück ins Wasser zu schwimmen. Der Fisch schrie panisch auf, verstummte aber gleich wieder, als einer der Herrlichen ihm seine Hand in den Mund steckte und mit den Fingern den Kehlkopf vorübergehend ausschaltete.

Das war normalerweise der Augenblick, in dem Dina sich vom Spektakel abwandte. Ich sah zu ihr herüber. Sie versuchte den Boden zu betrachten.
Auch Stams Blick haftete nicht an den Herrlichen und Erich. Er starrte Dina an.
Nicht bescheiden; gierig.

Zwei der Herrlichen hielten Erich fest, während die beiden anderen eine gigantische Flasche hochhielten.
“Damit werden wir deine Sünden ertränken”, erklärten sie dem Stummen Erich. Da er nicht nickte, ergriff einer der Herrlichen seinen Kopf und zwang ihn dazu.
“Mund auf!”

Da Erich nicht gehorchte, rissen sie ihm den Mund auf und legten ihm den Flaschenhals auf die Zunge. Jemand hielt seine Nase zu. Nun war er gezwungen, rasch zu schlucken, um nebst dem Getränk auch noch etwas Sauerstoff für seine Lungen zu erhalten.
Als die Herrlichen Erich von der Flasche befreiten, erbrach dieser seine Sünden.
“Fühlst du dich schon besser?”, fragte einer der Wirte.
Erich nickte.
Dann hielten sie ihn in ihrer Mitte und rissen ihm seine Kleidung vom Leib. Er wehrte sich nicht. Angst kontrollierte jede Zelle seines Körpers und nebst den Zellen auch noch seine Gedanken.

„Wir nehmen ihn mit in den Keller!“
Wenn die Herrlichen jemanden in ihre Bereiche schleppten, dann bedeutete dies, dass sie sich sehr ausführlich mit ihm beschäftigen würden. Manchmal bedurfte der Handel des Lebens spezieller Geräte und Getränke, die im Keller aufbewahrt wurden.
Hinter der Theke verblassten sie und mit ihnen Erich. Ich sah noch, wie sie ihm die Brust aufrissen, und seinen Körper öffneten, ich erriet noch die Bewegungen der Finger, die Erichs Augen weiteten und seine Bindehäute aufschnitten.
Dann waren sie weg.

Dina hob den Kopf auf. Sie war sichtlich erleichtert, dass die Herrlichen ihr Spektakel anderswo weiterführten.
Stam glotzte sie noch immer an.

„Wollen wir etwas trinken?“, fragte sie.
„Ja, wir haben es uns verdient“, sagte ich.
Stam äusserte keine Meinung. Wie ein Schlafwandler setzte er sich Richtung Dina in Bewegung. Seine Augen hatten jeden Ausdruck verloren – jeden, ausser Lust.
Ich wollte mich erkundigen, ob alles in Ordnung sei, doch Dina kam mir zuvor.
„Hey Stam, träumst du?“ Sie klopfte ihm auf den Rücken.
Stam öffnete langsam den Mund, als müsste er erstmals eine Antwort einatmen. Dann legte er einen Arm um Dinas Schulter und lachte. Einfach so.
Doch schon nach wenigen Sekunden schaltete er sein Lachen ab. Ich glaube er hatte erkannt, das der Zusammenhang fehlte.
Ich ging zur Bar und füllte mir ein Glas kalten Zimttee. Ohne Wirkstoffe.
Stams Hand streifte über Dinas Rücken und berührte die rote Seide an ihrem Hintern. Er drückte sie zu sich und glotzte ihre dunklen Augen an.
Sie lächelte eines ihrer Lächeln und zwinkerte ihm eher amüsiert zu.
„Ja, ich träume. Und du kannst raten von wem“, sagte er.
„Von mir? Du weisst was die Herrlichen davon halten?“
„Ich kann nicht mehr, Dina. Ich kann nicht ewig meine Gefühle verschweigen. Ich muss zu meinen Träumen stehen. Jetzt basteln die Herrlichen an Erich herum; sie werden nichts sehen.“
Dina legte ihre Hand auf Stams Schulter und begann sie sanft zu massieren. In ihrem Blick und ihrem Lächeln spiegelte sich jedoch noch etwas Zurückhaltung wider.
Aber Stam war fest entschlossen, dieses letzte Etwas zu beseitigen.

Ich war wütend. Ich hätte ihm am liebsten mein Glas an den Kopf geworfen. Stam würde in Kürze den Tempel der Herrlichen schänden!
Als ich eingreifen wollte, war es bereits zu spät: Stam zog Dina zu sich, führte seine zweite Hand behutsam an ihre Brust und drückte seine Lippen auf ihren Mund. Es dauerte keine Sekunde, bis sich ihr Lächeln öffnete und sie den Kuss empfing.

Wieso hatte er das Recht, sie zu küssen? Wieso nur?
Er hatte es nicht, er nahm es sich einfach! Und es war nicht schwierig; auch Dina kannte Gefühle, auch ihre Lust hatte im Verborgenen nach Freiheit geschrien.
Egal wie sehr sie Stam mochte; küssen tat sie ihn hauptsächlich des Kusses und nicht seiner blauen Augen wegen.

Würde Stam für das, was er tat womöglich wirklich nicht bestraft werden? Durfte seine Hand unter die rote Seide gleiten und Dina beglücken, ohne den Zorn der Herrlichen zu riskieren?
Hatte Stam recht? Waren die Wirte blind, solange sie sich mit einem Gast beschäftigten?
Wenn dem so war, so würde ich ihnen die Augen öffnen. Sie sollten alles sehen, was hinter ihrem Rücken geschah.

Ich streifte meine Halskette ab und nahm sie zwischen Daumen und Zeigefinger. Der Pendel schwang hin und her und zeigte zu den beiden anderen Halsketten.
So leise wie möglich näherte ich mich Dina und Stam. Einen Schritt vor ihnen machte ich halt und streckte vorsichtig meinen Arm aus. Die drei goldenen Augen begannen zu vibrieren und zu glühen. Wie Magneten zogen sie sich gegenseitig an und schlugen schliesslich aufeinander.

Ich rief die Herrlichen.

Bilder und Formen entstanden, Licht und Bewegungen.
Nach wenigen Sekunden sah ich sie. Sie waren zwei.

„Was ist los?“, wollten sie wissen.

Die Antwort küsste sich noch immer.
Die Wirte sahen, wozu man sie gerufen hatte. Schatten zogen über ihre Gesichter und ihre goldigen Blicke gewannen einen blutrote Farbe, als sie miteinander kommunizierten, um die Strafen zu beraten.

Die beiden Herrlichen schlichen sich um ihre sündhaften Diener.
Einer führte seine Finger an Stams Hinterkopf. Es sah auf sonderbare Weise sanft aus, als diese Finger durch den Schädel drangen.
Die zweite Hand des Herrlichen bohrte sich durch Stams nackten Rücken.
Ich fragte mich, warum er nicht schrie. Hatten sie sein Wahrnehmungsvermögen ausgeschaltet, um die Strafe ungestört vollziehen zu können?
Stam und Dina küssten sich weiterhin. Lust und Liebe machten ihre Opfer scheinbar nicht nur blind, sondern gleich in jeder Hinsicht gefühllos für das was um sie herum geschah.
Oder wurden sie unterdessen zum Kuss gezwungen?

Stam veränderte sich auf schreckliche Art. Plötzlich sah ich, was die Herrlichen mit ihm anstellten: Sie gaben ihm etwas, das sie ihm vor langer, langer Zeit genommen hatten – das Alter.
Stams Haare verloren ihre Farbe und ihren Halt. Sein Fleisch zog sich zusammen, seine Muskeln schwanden und sein Körper entbehrte plötzlich aller Eleganz.
Wenn etwas an ihm jung blieb, dann war es Dina. In ihren Augen sah ich das nackte Entsetzen, doch sie wehrte sich nicht gegen den andauernden Kuss. Ihr Wille gehörte den Herrlichen. Mit den Händen streichelte sie Stams schrumpelige Haut, fuhr unter die Seide und berührte sein Geschlecht.

Wenn die Herrlichen Stam all die Jahre anlasteten, die er im Gasthaus des Lebens verbracht hatte, so würde er die hundert überschreiten.
Und mit den hundert höchstwahrscheinlich sein Todesdatum.

Er würde uns für immer verlassen. Seine Zunge würde in Dinas Mund sterben und seine erkaltete Hand ein letztes Mal über ihre Brüste streifen.
Ich schloss die Augen und wünschte mir Bewusstlosigkeit. Sie blieb mir verwehrt.

Als ich sie wieder öffnete, lag Stam am Boden. Er war vor wenigen Sekunden gestorben. Sein Körper aber war der eines Mannes, der womöglich ein Dutzend Jahre über seinen Tod hinaus gelebt hatte. Die ganze Zeit über hatte Stam einen kräftigen und jungen Eindruck gemacht. Man hätte ihm nicht angesehen, dass seine Geburt mehr als ein Jahrhundert her war.

Und ich? War ich mit meinen einundachtzig vielleicht schon ein Toter, der nur im Gasthaus des Lebens noch bestehen konnte?
Ich sah Dina an. Sie hatte einen Schock erlitten. Wie eine Statue stand sie an der Stelle, wo sie zuvor gesündigt hatte. Auch sie war alt – auch ihr Leib zählte weit mehr Jahre, als man ihm im Traum zugestehen würde.
Wie lange würde sie brauchen, um wieder zu lächeln? Wie lange, bis sie wieder mit mir sprach? Würde sie mir jemals verzeihen?
Der Nachgeschmack auf ihrer Zunge musste unbeschreiblich sein.

Ein Herrlicher beschäftigte sich noch mit Dina. Sie tat mir Leid. Hatte sie ihre Strafe nicht bereits erhalten?
„Nie wieder!“, sagte der Herrliche.
„Nie wieder“, versprach Dina. Sie klang schwach und müde.
„Nie wieder!“
„Nie wieder.“
Erst nach der hundertsten Wiederholung liess der Herrliche Dina los. Die erste Aktion ihrer wiedererlangten Freiheit bestand darin, dass sie wie eine Schlafwandlerin zur Theke schritt, ein Glas ergriff und an die Lippen führte. Als sie schluckte, bemerkte sie, dass ihrem Glas noch der Inhalt fehlte. Mit der Geduld einer Toten schenkte sie sich Tomatensaft ein.

„Und du!“
Die Stimme sprach in meinen Kopf.
Ich?
„Ja, du!“
Mit Entsetzen stellte ich fest, dass ich mich nicht bewegen konnte. Aber dafür fühlte ich sie. Sie waren da, in mir.
„Was ist mit mir?“, hörte ich mich fragen.
„Du hast gesündigt.“
„Wie das?“
„Warum hast du uns gerufen?“
Sie lasen meine Gedanken. Sie kannten mich besser, als ich selbst. Warum sollte ich lügen? Um nochmals zu sündigen?
„Ich war neidisch.“
„Neid ist ein verfluchtes Gefühl.“
„Es tut mir Leid.“
„Genau so verflucht wie Hass, Lügen, Lust und all die anderen Fehler. Du hast mehr als einmal gesündigt.“
„Bestimmt nie mit böser Absicht.“
„Du wirst uns jetzt aus dem Buch der Sünden zitieren.“
„Alles?“
„Paragraph vier bis neun genügen für den Anfang.“

Paragraph vier begann mit Hinterlist. Wenn ich die erste Sünde einer Reihe kannte, so war es kein Problem die folgenden aufzulisten. Falschheit, Entstellung, Heuchelei, Betrug, Lügen...
Nach zehn Minuten hatte ich meinen Vortrag beendet. Ich hoffte, dass mir die Herrlichen das „Nie wieder“ ersparten. Und tatsächlich nahmen sie ihre Finger aus mir heraus und liessen mich gehen.

Ich ging zur Theke. Ich füllte mir ein Glas mit Tomatensaft. Dann sah ich Dina an. Sie lächelte eines dieser Lächeln, die nur ihr gehörten. In der Hand hielt sie ein halbvolles Fläschchen Fröhlichkeit.
“Darf ich auch?”, fragte ich und sie goss mir eine erhebliche Menge des Wirkstoffes in den Tomatensaft. Ich leerte mein Glas in zwei Schlücken.


„Das goldene Tor ist noch immer offen“, bemerkte Dina.
„Müssen wir unsere Halsketten wieder anziehen?“
„Ich denke nicht. Ich denke, die Herrlichen sind noch hier.“
„Sind wir jetzt nur noch zu zweit?“
„Zu zweit können wir nicht dienen. Es braucht drei von uns für diese Arbeit.“
„Dann ist es vorbei?“
„Vielleicht.“
Ich füllte uns noch je ein Glas alkoholfreies Bier mit Fröhlichkeit.
Dann nahm ich eine der kleinen Statuen in die Hand und philosophierte über die Herrlichen, unser Gasthaus und das Tal.


“Stam? Bist du das?”
Dinas Frage riss mich aus den Gedanken. Sofort drehte ich mich um.

Tatsächlich, da stand er im roten Seidentuch; Stam mit seinen kräftigen Schultern, dem blonden Haar und den dicken Lippen.
In der Hand hielt er unsere Halsketten.
„Legen wir sie an! Wir brauchen sie bald.“
Als er mir meine Kette reichte, traf mich Stams Blick.
Nur dass es nicht Stams Blick war. Die Augenbrauen waren zu breit und die Iris zu hell.
Ausserdem lag Stam nach wie vor am Boden, niemand hatte ihn entsorgt.
Dieses Gesicht gehörte also jemand anderem, aber wem? Ich wollte fragen, doch Dina kam mir zuvor:
„Wer bist du?“

„Ihr solltet mich kennen. Ich bin Erich.“
Erich hatte das Lächeln eines Neulings in Sachen Glück.
Ich schluckte mein Bier herunter, um mit ihm mithalten zu können.


“Es tut mir Leid...”, begann Erich, ein Glas Traubensaft in der Hand.
“Du brauchst dich nicht zu entschuldigen”, fuhr ich dazwischen.
“Es tut mir Leid, diesen Ort Irrenhaus genannt zu haben. Ich war wohl dumm. In Wirklichkeit ist er das Paradies!”

“Möglich”, sagte Dina.

 

Hallo Van Horebeke

Du hast hier eine fantasiereiche Geschichte geschrieben. :)
Auf seine Länge hin betrachtet geschieht nicht wirklich viel, dennoch war sie interessant und ich konnte nicht aufhören zu lesen.
Obwohl das Handeln der Herrlichen eigentlich einem guten Zweck dient, agieren sie mit erstaunlicher Brutalität.
Was ich nicht ganz verstehe ist folgendes: Ich habe es so vertanden, dass die Herrlichen den Menschen etwas zurückgeben, was sie schon lange verloren haben. Das beinhaltet auch Gefühle.
Die drei Diener aber dürfen nicht fühlen. Warum? Auch schreibst Du, Erichs Frau würde sich über seine Veränderung sehr freuen. Was macht sie nun? Was ist mit Erichs Körper geschehen?
Fragen, auf die ich gern eine Antwort gehabt hätte.
Insgesamt kann ich sagen, dass Deine mystische Geschichte mir gut gefällt.

Textkram für Dich:
Im Grunde ist es beinahe nur ein Fehler, der sich allerdings immer wiederholt. Hier gilt die Regel: Nach einem langgesprochenem Vokal schreibt man ß

Als sein Kopf auf das harte Holz stiess, wollte er vor Überraschung aufschreien
wie es seine Position an der Wand erraten liess, oder ob der Schein täuschte.
Zudem geniessen wir das Glück, im Gasthaus des Lebens bleiben zu dürfen: Wir sind Diener geworden
Es war schlicht unmöglich meine Augen vor dieser Schönheit zu schliessen
Gewissermassen war sie auch eine.
Zum Beispiel das ausserordentlich breite Lächeln, dass im Moment Dinas Gesicht zierte
Aber selbst wenn es einen gegeben hätte, wäre er Erich nicht von grosser Hilfe gewesen.
Ein kleiner Wegweiser seines Verstandes führte ihn von der Strasse der sinnlosen Äusserungen ab.
Er sah erst mich, dann Stam und schliesslich die Dunkelheit um Dina an.
Schliesslich trafen sich die drei Goldenen in der Mitte und ihr Glühen wurde stärker
Seine Augen waren ausserordentlich weit aufgerissen.[/QUOTE
Aus dem Zittern wurde ein unregelmässiges Zucken, bis Erich schliesslich völlig erstarrte.
Jetzt waren sie ausserordentlich hässlich
Brust, Bauchnabel und sexuelle Organe besassen sie nicht.
Das Haupt war bei zwei der Herrlichen übermässig gross, bei den zwei anderen so klein wie eine menschliche Faust
Du darfst sogar etwas ganz Grosses bestellen, nämlich deine verlorene Vergangenheit.“
Stam äusserte keine Meinung
Seine Augen hatten jeden Ausdruck verloren – jeden, ausser Lust.
Wie Magneten zogen sie sich gegenseitig an und schlugen schliesslich aufeinander.
Die Herrlichen haben es aus dem Gedächtnis der Menschen genommen, sodass es heute sogar beim erstellen der Landkarte übersehen wird.
groß
Zunehmende Verwirrung und Angst hatten diese Frage gebärt; sie stotterte sich ins Leben.
Ein sehr schöner Satz, obwohl ich glaube es heißt geboren.


Liebe Grüße von Susie :read:

 

Hallo Kürbiselfe!

Vielen Dank für die schnelle Reaktion!
Freut mich, dass dir meine Geschichte gefallen hat, habe ihr nämlich ziemlich viel Zeit gewidmet.
Ich hoffe die einzelnen Punkte kann ich noch klären:

Ist nur Gutes und Richtiges zu tun, nie Fehler zu machen und nie zu sündigen wirklich das Ziel der Menschen sein kann. Und vor allem; ist es realisierbar?
Diese Fragen stellt diese Geschichte.

Die Herrlichen geben viel von sich, um einzelne Menschen zu "korrigieren", aber an den Dienern sieht man, dass es nicht auf die Dauer hält.

Die drei Diener aber dürfen nicht fühlen. Warum?
Sie dürfen fühlen, aber nur "Gutes". Lust ist in den Augen der Herrlichen pervers. Es würde von Respektlosigkeit zeugen, wenn die Diener ihr beinahe nacktes Dasein (Reinheit) missbräuchten. Kommt bei den Dienern dazu, dass sie ihre ganze Aufmerksamkeit der Arbeit und den Herrlichen widmen sollen.
Und lehnen/lehnten im Grunde genommen wie die Herrlichen nicht auch viele unsererer Religionen allzu "freie Gefühle" ab? Die Herrlichen sind, keine Frage, der Zeit nicht ganz "angepasst", eine etwas altmodische Macht.
Auch schreibst Du, Erichs Frau würde sich über seine Veränderung sehr freuen. Was macht sie nun?
Sie hätte sich gefreut, wenn er zurückgekommen wäre, was gewöhnlicherweise bei den Gästen der Fall ist. Sie werden entführt, korrigiert und kehren dann zurück. Was sie nun macht? Das habe ich offen gelassen, weil ich nach dem letzten Satz nichts mehr hinzufügen wollte (ich fand ihn als Schlusssatz passend). Aber Erich wird natürlich fehlen. Er ist ein Mensch, der - aus der Sicht der Welt - plötzlich verschwindet und nicht mehr gefunden wird, denn fortan wird er ja im Gasthaus des Lebens arbeiten. Für Erichs Frau wird also keine einfache Zeit hereinbrechen.
Was ist mit Erichs Körper geschehen?
Der Körper ist immer noch der gleiche. Er wurde geöffnet und verändert. Die Herrlichen haben ihm einen Teil seiner Kindheit zurückgegeben und somit sieht er auch jünger aus. Die blonden Haare waren eventuell grau beim "Anfangserich". Die Herrlichen nehmen - wie geschrieben - den Gästen jene Züge aus dem Gesicht, die Sorgen, Hass, Schuld etc. gezeichnet haben. Somit sehen die Gäste wieder etwas jünger aus.
Dass er ähnlich aussieht wie Stam ist Zufall. Ich könnte diese Ähnlichkeit aber vielleicht etwas früher schon einbringen, so dass sie aber noch nicht auffällt. Soll ich das tun?

Jetzt habe ich ein bisschen ein schlechte Gewissen, weil
[/QUOTE]Im Grunde ist es beinahe nur ein Fehler, der sich allerdings immer wiederholt. Hier gilt die Regel: Nach einem langgesprochenem Vokal schreibt man ß

Du dir so viel Mühe gemacht hast, diese Fehler rauszusuchen, ich sie aber nicht berücksichtigen kann. Ich bin nämlich Schweizer, und wir kennen dieses scharf-s nicht; weder auf der Tastatur, noch in der Rechtschreibung. :(

Aber vielen Dank nochmals für die Kritik!

mfg,

Van

 

Hallo Van :)

Dass er ähnlich aussieht wie Stam ist Zufall. Ich könnte diese Ähnlichkeit aber vielleicht etwas früher schon einbringen, so dass sie aber noch nicht auffällt. Soll ich das tun?
Jetzt bin ich eigentlich noch verwirrter als vorher. So wie Du es schreibst, glaubt der Leser tatsächlich, Erich wäre in Stams Körper, nur die Augen sind anders. Und wenn es nicht Stam ist, müsste er doch immer noch verschrumpelt auf dem Boden liegen und von den beiden anderen gesehen werden. Vielleicht lese ich aber hier nur mehr rein als da ist und ich steh komplett auf der Leitung? Vielleicht solltest du einfach mal abwarten, was die anderen sagen. ;)

Ein schlechtes Gewissen musst du nicht haben, wegen den ß. Ich wünschte, diese Regel gäbe es auch bei uns. Das würde vieles einfacher machen. :D

Liebe Grüße von Susie

 

Mystisch-esotherische Texte sind eigentlich nicht mein Fall. Dennoch konnte ich hier nicht mit dem Lesen aufhören. Und es hat mich beruhigt, daß sich gegen das Ende hin die kritischen Gedanken zu häufen beginnen.

Die "Herrlichen" sind Wesen, die Menschen überlegen sind. Was nicht garantiert, daß sie damit Anspruch auf die Formulierung moralischer Absolutheit erhalten. Andernfalls könnte jeder Mensch sich zum Priester oder Gott über Tiere und Pflanzen aufschwingen. So gesehen, kann ich mich damit anfreunden, in Deiner Geschichte höheren Wesen zu begegnen.

Aber gefallen hat sie mir nicht, was nicht an der Technik oder den Gedanken lag, die ihr zugrunde liegen. Ist nur so ein ganz subjektives Urteil.

Einige Vorschläge und Detailanmerkungen noch:

  • "Es war der Fluch unserer Arbeit, beim Helfen nie sehr geholfen zu werden." - 'daß uns beim Helfen nie sehr geholfen wurde'. 'helfen' braucht ein Dativobjekt.
  • "Mit der Zeit konnte es einem kränken" - 'einen kränken' oder vielleicht besser: 'Auf Dauer war es kränkend'
  • "wütige Beruhigung" - Schweizerisch? Netter Ausdruck, steht auch im "Wahrig", aber ungebräuchlich.
  • "wer verrückt sei; er oder wir." - 'wer nun verrückt war'
  • "Viel fehlte nicht mehr, bis zum Brüllen." - Ohne Komma
  • "da lebte er seinen Job." - 'liebte' oder Absicht?
  • "Brust, Bauchnabel und sexuelle Organe" - 'Geschlechtsmerkmale' halte ich für besser, da man eine Gebärmutter oder eine Prostata ja nicht sehen kann.
  • "um die Gefahr zu verhindern," - Gefahr läßt sich bannen, aber verhindern nur das, was droht.

 

Es liegt sicher am Inhalt, der genremäßig nicht mein Fall ist, dass mich die Geschichte nicht packt. Es kommt bei mir einfach nicht so richtig Spannung auf.
Sprachlich fand ich ein paar Stellen wirklich gut, vor allem:

Sie rieselten...
„Wie Konfettis“, meinte Stam.
...zu Boden.
Irgendwo steht "schreite" statt "schrie". Ist das auch Schweizerisch?
Was den vorgegebenen Ort angeht: Das wird kurz erklärt, aber die Handlung ist nicht sonderlich spezifisch für ein abgelegenes Gasthaus, sie könnte auch in einer Höhle, einer Gruft, auf einem Friedhof oder in einer Kirche stattfinden; Ereignisse wie, dass Erich etwas bestellen möchte oder dass die Helfer Fruchtsaft trinken, machen eher einen deplatzierten Eindruck.

Fazit: sprachlich gut, inhaltlich nicht mein Ding; Challenge-Vorgabe ist erfüllt, ohne zu glänzen.

Uwe
:cool:

 

Hi Van,

innerhalb des Challengs ist eine Geschcihte dieser Länge ja schon fast eine Zumutung (auch wenn euch meine lange ja nur auf Grund deren Unzulänglichkeit erspart blieb).
Um meinem Anspruch, möglichst jede Challenge Geschichte zu lesen und zu kommentieren gerecht zu werden, musste ich irgendwann aufhören mit Detailnotizen und einfach lesen und nur noch das nötigste aufzuschreiben. In den einzelnen Sätzen steckt also noch eine Menge an Dingen, die du optimieren könntest. ;)

Die vielen Details kommen bei so einer langen Geschcihte eben zusammen. Die lange Liste soll also nciht meinen Gesamteindruck trüben. Der ist durchweg positiv. Es ist eine spärische "Van-Fantasy" stimmungsvoll und spannend. Der Geschichte liest sich gut und unterhaltsam, auch wenn einem das esotherische gegen den Strich geht und die generelle Aussage "Glück basiert auf dem Verlust der Freiheit" natürlich bedenklich ist. Das darf sie aber auch gern sein, denn dadurch reizt es ja, zur Hinterfragung. Ist es tatsächlich so? Interessant fand ich, dass sowohl die Welt, die Erich unfreiwillig verlassen hat, als auch die, in die er entführt wurde, für mich nciht erstrebenswert sind. Der gerechtfertigten Zivilisationskritik stellst du eine ebenso fragwürdige Alternative entgegen. Das stimmt nachdenklich.

Die Themenvorgabe hast du für mein Gefühl ein bisschen ausgemogelt. Denn das Gasthasu des Lebens hieß zwar so und war zweifelsohne sehr abgelegen, das war aber auch wirklich schon alles.
Rein und Raus sind sogar die "Herrlichen" und auch "Erich" nicht nur zu Beginn, sondern während der Geschcihte auch gekommen. Von der "Entscheidung in geschlossenen Räumen" konnte also keine Rede sein (ok, das war ja auch nicht die demokratich bestimmte Challengevorgabe). Das ist ja ohnehin nur mein Gefühl und meine Auffassung von dem Thema. Und ich bin ja nicht in der Jury ;)

So, die Details (wenn auch bestimmt nciht alle, die es gäbe):

Nach wenigen Schritten rammte er einen Stuhl um und fiel. Nachdem er den Sturz mit Knie und Handgelenk abgedämpft hatte
„Sie sind alle so verletzlich“, bemerkte Stam.
Die Brillengestelle?
ne, passt schon ;)
Kein Make-up, weil bei ihr schlichtweg nicht vonnöten.
Irgendwas fehlt mir in diesem Satz. Ein Prädikat vielleicht?
wie es seine Position an der Wand erraten liess, oder ob der Schein täuschte.
statt erraten würde ihc hier eher erahnen oder vermuten wählen. Erraten hat mir irgendwie zu viel von Quizshow.
„Ich sehe mal nach, ob er angeschrieben ist“, sagte Stam und lief los.
wo ? unter angeschrieben versteht man bei uns entweder etwas postalisches oder Schulden. In beinden Zusammenhängen scheint es mir hier nicht zu passen.
Aus dem späteren Zusammenhang geht hervor, dass du mit "angeschrieben" anscheinend die Existenz von Ausweispapieren meinst. Dann irritiert aber das "lief los" da es impliziert, die Brieftasche wäre weit fort.
„Meint ihr, will Erich seine Krawatte wieder?“
Versuche mal, dir die Situation wirklich vorzustellen.
Entweder hällt Dina die Krawattenteile hoch und fragt: "Was meint ihr? Will Erich seine Krawatte wieder?"
oder aber sie fragt, "Meint ihr, Erich will seine Krawatte wieder?" In beiden Fallen fehlt aber was.
„Wie Konfettis“, meinte Stam.
Konfettis? Ist doch schon ein der Einzal ein Begriff für lauter kleine Papierkrümel (oder eben Stoff). Kann aber richtig sein, fiel mir nur auf und ich frage mal nach.
„Weil ich nicht so herrlich lange Finger habe“, konterte ich.
Auch nur eine Frage. Könnte der Begriff herrlich in dem Zusammenhang angesichts des "Sektennamens" nicht blasphemisch wirken?
Dina beugte sich über die Theke und überreichte Stam ein kleines Fläschchen Beruhigungsmittel, begleitet von einer interessanten Kreuzung zwischen Grinsen und Lächeln.
Abgesehen davon, dass ich bei der Beschreibung vorher eher an körperliche Qualen gedacht hätte (wirst du etwas mitleidsvoll? ;)), stört mich das zwischen. Müsste es nicht aus heißen?
Dina trug wie Stam und ich lediglich ein purpurrotes, um die Hüfte gewickeltes Seidentuch. Ansonsten waren sie nackt.
In dem Zusammenhang: Ansonsten waren wir nackt.
Oder, wenn es nur um Dina geht, ansonsten waren sie nackt.
Aus Ehrfurcht vor den Herrlichen zeigten wir Diener uns in Reinheit.
Doch diese Reinheit durfte nicht zum Keimfeld der Lust werden.
Sexuelle Gefühle hätten uns von der wichtigen Arbeit abgelenkt. Zudem war das Gasthaus des Lebens der Tempel der Herrlichen und wir wollten ihn nicht schänden.
ein bisschen OT: Ich mache das ja auch gerne, dass ich die Geilheit oder die Erotik einer Vorstellung dadurch zu mildern versuche, dass ich die Lust einfach weglasse nach dem Motto "ein hängender Schwanz ist edel, ein stehender Pfui" Vielleicht solltenwir unsere Aufassung mal überdenken. ;)
Ich versteh schon was du meinst, aber gerade wenn eine Sekte von ihren Mitgliedern einen derartig knappen Dresscode verlangt und dann die Lust verbietet, steckt fast ein sexueller Sadismus dahinter. So bigott ist nicht mal die kathlische Kirche. Die erleichtert die Enthalsamkeit mit ihrem Dresscode wenigstens. Ende OT
„Wo bin ich?“, wollte er wissen. Er war aufgestanden und musterte mich und Stam
Konventionen sind ja blöd, ich weiß, aber hier würde ich sie nur brechen, wenn die Herrlichen tatsächlich zu sehr ichfixierter Eigenbetrachtung aufrufen. Sonst würde ich auch in Geschichten nie das "mich" voranstellen. (also "musterte Stam und mich")
„Die Scheisse soll, dass du endlich von der ganzen Scheisse befreit wirst! Du solltest etwas dankbarer sein – und dich auf die bevorstehende Erneuerung freuen!“
Agieren die Diener wirklich in der Rede so aggressiv? Passt natürlich irgendwie zur propagierten Kindlichkeit, hat mich aber trotzdem irritiert.
Er würde lernen, sich selbst zu sein, wie er es bei seiner Geburt hätte werden sollen.
..., er selbst zu sein
Es war der Fluch unserer Arbeit, beim Helfen nie sehr geholfen zu werden.
ey Van, von dir ein Satz im Deutsch einer Verona Feldbusch?
Mit der Zeit konnte es einem kränken, nie auf grosse Anerkennung zu stossen, für das was man tat.
Dito
Erichs Blick suchte Wände, Decke und Boden nach Fenstern oder Türen ab, die aber nicht einmal in Ansätzen vorhanden waren.
Er hat seine Brille auf und es ist so dunkel, dass nur die Diener, sehen können, da sie gelernt haben, die Dunkelheit zu durchschauen. Kriecht Erich also den ganzen Raum tastend ab?
Zunehmende Verwirrung und Angst hatten diese Frage gebärt; sie stotterte sich ins Leben.
Frage geboren
„Habt ihr mich überhaupt entführt?“, fragte er.
„Wieso auch nicht? Manche Leute müssen wir zu ihrem Glück zwingen.“
Seine Frage ist ja nicht die nach dem Wieso, sondern die nach den Ob.
„Aber ich hatte seit einer Woche keine Sitzung mehr! Also kann alles gar nicht sein!“
So müsste Alles groß geschrieben werden, da es keinen Bezug hat, aber ich würde den Satz noch mal überdenken.
„Das Gasthaus ist wahr wie nichts anderes.
Irgendwie scheint es mir dem Ambiente nicht angemessen, wenn du so umgangssprachlich wirst.
Dank diesem Mittel war auch ein Teil des Traumes mit uns gekommen; Erichs Kleidung.
oh du rettest auch den Dativ?
DerGenitiv ist viel bedrohter und würde sich freuen, wenn du ihn hier verwendest. (Dank dieses Mittels)
Typen wie Erich konnte man auch noch so viele Erklärungen liefern;
Ich ging zur Bar und füllte mir ein Glas Fruchtsaft.
Glas mit Fruchtsaft
Ich fragte mich, warum er nicht schreite.
schrie

 

Moin Van Horebeke,

kommen wir erst mal zur Textarbeit. Wenn Sachen doppelt sind, tuts mir Leid. Habe die anderen Postings noch nicht gelesen.

Nachdem er den Sturz mit Knie und Handgelenk abgedämpft hatte, stand er augenblicklich wieder auf, als hätte er Angst, der Boden könnte ihn beissen.
Ich finde abgedämpft passt nicht. Auch der beißende Boden gefällt mir nicht so, ist aber beides Geschmackssache.

Ich glaube er suchte den Ausgang.
Müsste es nicht glaubte heißen.

Ich versuchte seinen Arm zu ergreifen, erwischte jedoch lediglich die Schulterfüllung seiner Joppe.
Was ist bitte eine Joppe?

Der Sprung sah irgendwie aus wie eine vergrösserte Schneeflocke.
Weichmacher raus!

Der Typ präsidierte einen Verwaltungsrat und brauchte sich keine Sorgen um seine Rente zu machen; sie genügte selbst einem Leben nach seinem Tod.
Irgendetwas fehlt hier. genügte selbst für ein Leben nach seinem Tod?

Kein Make-up, weil bei ihr schlichtweg nicht vonnöten.
Fehlt ebenfalls noch ein Wort.

„Wie Konfettis“, meinte Stam.
Konfetti ist bereits Plural.

„Weshalb hält ihr mich hier gefangen? Wollt ihr mein Geld?“
haltet ihr mich gefangen

Es war der Fluch unserer Arbeit, beim Helfen nie sehr geholfen zu werden.
Liest sich fürchterlich. Ich wurde geholfen.

„Habt ihr mich überhaupt entführt?“, fragte er.
Hier fehlt doch auch noch ein Wort, oder? Ansonsten finde ich die Frage sehr komisch?

Rasch zog ich meine Kette aus und hielt sie über die Theke.
Nimmt man eine Kette nicht eher ab?

Ich fragte mich, warum er nicht schreite.
schrie

Mit der Geduld einer Toten schenkte sie sich den Fruchtsaft ein.
Warum eigentlich gerade Fruchtsaft? Wegen der verjüngenden Vitamine? Wirkt seltsam, dass sie Fruchtsaft trinken. Würde ich vielleicht noch einen anderen Namen für suchen.

Erich hatte das Lächeln eines Neulings in Sachen Glück.
Tut mir Leid, aber diesen Satz verstehe ich nicht.

Obwohl ich eigentlich kein Fan von Fantasystorys bin, hat mich Deine gut unterhalten. Bis auf die oben genannten Stellen ist sie ansprechend erzählt. Das Du Dir die Challengebedingungen so zurecht gebogen hast, stört mich nicht weiter. Allerdings finde ich eine Gaststätte als Handlungsort doch sehr ungeeignet und zweckentfremdet.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die Dialoge. Sie sind für mich teilweise einfach nicht nachvollziehbar (kann natürlich auch an mir liegen).
Gut gefallen hat mir hingegen die Idee, die hinter Deiner Geschichte steckt. Die göttlichen, reinen Wesen (die übrigens, nach meinem Empfinden, viel zu abstoßend sind) und die ewige Verlockung der Sünde. Der Umstand, dass Erich am Ende Stams Platz einnimmt, bricht zwar mit den vorherigen Prophezeiungen über sein Leben nach der Reinigung, aber was soll's.

Jorgo

 

Hallo Kürbiselfe!

Danke für die Rückmeldung, das Problem am Schluss habe ich erkannt und nach einer kleinen Veränderung dürfte jetzt klar sein, dass Erich Erich ist.


Hallo cbrucher, Uwe, sim und DonJorgo!

Vielen Dank für die (teils sehr ausführlichen) Statments. Sie sind nützlich; alleine hätte ich die Schwächen meiner Story nicht realisiert. Ich arbeite heute grad noch an einer gründlichen Überarbeitung, werde eure Kritikpunkte miteinbeziehen und auch sonst noch ein paar Sachen verändern. Dem Thema kann ich mich schon noch nähern. Die ursprüngliche Idee, die ich hatte, war passte viel besser zum Gasthaus, nur hab ich mich während dem Schreiben von ihr entfernt. Da werde ich wohl einen Schritt zurück machen. Bei mir ist es (in diesem Fall leider) immer so, dass der Grossteil einer Geschichte während dem Schreiben erst erdacht wird.
Auch arbeite ich noch an den Dialogen. Normalerweise sind sie nicht meine Schwäche, eher im Gegenteil, doch beim abermaligen Durchlesen habe ich einige Optimierungsmöglichkeiten entdeckt.
Nach dieser Überarbeitung - die wohl die letzte sein wird, da ich anschliessend abwesend bin - werde ich mich nochmals ausführlich mit euren Kritiken beschäftigen!

mfg,

Van

 

Hi Van Horebeke,

deine Fantasy/Horrorgeschichte hat mir gefallen. :)
Habe das "lange Ding" mit großer Erwartung, auf das was da kommen mag gelesen.

Bin allerdings etwas im Zwiespalt, was der eigentliche Hintergrundgedanke der Herrlichen ist.
Wenn sie Reinheit, Schöheit und Harmonie wollen, warum sind sie dann selber so hässlich?
Die "erneuerten", die zurück in ihr Leben gehen, werden sie gestählte Körper und schöne junge Gesichter haben? Werden sie altern?
Wie kommt ihre Umgebung damit klar?
Ist das Ziel der Herrlichen eine bessere Welt?

Vielleicht darf man bei solchen Geschichten nicht so viel hinterfragen?
Kenne mich in dem Genre nicht so aus.

Doch muß nicht in jeder Geschichte ein wenig Logik stecken? :hmm:

Gut, ich habe gelesen dass du jetzt nicht mehr viel Zeit hast und deine KG auch noch mal überarbeitest.
Aus den anschliessenden Komms. werde ich vielleicht eine Antwort erhalten. :shy:

lieben Gruß, coleratio

 

Hallo alle nochmals und coleratio erstmals!

@coleratio
Danke auch dir für die Kritik, freut mich, dass dir die nun alte Fassung der Geschichte gefallen hat.
Ich hoffe Antworten auf deine Fragen geben zu können.

@all (incl. col)
Die Überarbeitung hat länger gedauert, als erwartet. Aber dafür bin ich mit dem Resultat auch sehr zufrieden. Ich denke alle die von euch angesprochenen Probleme berücksichtigt zu haben. Einige Sachen habe ich auch ganz rausgenommen und geändert. Stichwort Fruchtsaft.
Der Schluss hat auch noch etwas dazuerhalten und die Dialoge sollten verständlicher und 'schöner' sein.
Ebenfalls verfügt die Geschichte nun über ein bisschen mehr Horror, aber ich denke das könnt ihr mir verzeihen...

Ich denke dem Thema bin ich nochmals näher gekommen. War nicht allzu schwierig, da die ursprüngliche Idee auch mehr mit Gasthaus und Getränken zu tun hatte.
Auch habe ich nochmals verdeutlicht, dass während der Geschichte niemand - auch nicht die Herrlichen oder Erich - das Gasthaus verlassen. War vorhin unklar.

Zu Erichs Sicht ohne Brille: Da habe ich gar nicht weiter nachgedacht. Für mich war Erich einfach - wie ich - weitsichtig und dann braucht man zwar eine Brille, sieht aber Dinge, die ein paar Meter entfernt sind ohne Mühe.

Tut mir Leid, aber diesen Satz verstehe ich nicht.
Erich ist sozusagen 'frisch aus der Presse' und noch etwas naiv. Sein Lächeln ist 'stark', weil keine Zweifel an ihm zerren. Siehe dazu auch den neuen Schluss.

Die Göttlichen waren nicht immer so hässlich, aber dadurch dass sie den Meschen die Fehler und Sünden abnehmen und etwas von ihrem ehemaligen (Statue) guten Aussehen geben, sehen sie immer schlechter aus. Nur ihre Augen bleiben schön.

Die "erneuerten", die zurück in ihr Leben gehen, werden sie gestählte Körper und schöne junge Gesichter haben? Werden sie altern?
Je nach dem wie fest sie verändert wurden. Altern werden sie. Das tun sie nur nicht, wenn sie im Gasthaus des Lebens bleiben, sprich Diener werden. So krass wie Erich verändern sie sich normalerweise nicht. Meistens konzentriert sich die Veränderung vor allem auf das 'Innere'.
[/QUOTE]Ist das Ziel der Herrlichen eine bessere Welt?
Eher einfach einzelne Menschen zu 'verbessern'.

Jetzt konnte ich doch nicht so ausführlich wie erwartet auf eure Kommentare eingehen, da mir die Zeit davonläuft. Vielleicht kommt aber noch die eine oder andere Kritik dazu und nach meiner Rückkehr aus den Ferien werde ich hoffentlich wieder Zeit finden.

Danke nochmals, ehrliche Meinungen sind immer sehr nützlich!

mfg,

Van

 

Hallo Van,

jetzt habe ich endlich Zeit, deine Gruselgeschichte zu lesen, ohne, dass es mir den Appetit verdirbt *Vorurteile hab*

Aber bevor ich dir so richtig die Meinung sage, erst einmal Textkram:

Während dieser nach Atem rang, riss er sich los und lief in die erstbeste Richtung.
Vielleicht ist es für den Gast die erstbeste Richtung, aber dein Prot sieht ja, wohin er läuft.

Ihm fehlte jegliche Orientierung.
Hier spricht dein Prot, dein Ich-Erzähler. Der kann mMn nicht so felsenfest wissen, wie es dem Mann geht.

Er stiess ein panisches Geschrei aus und schlug nach meiner Stimme.
Naja, man kann nach einer Fliege schlagen, oder nach einer Person, aber etwas, was nicht gegenständlich ist, wie eine Stimme? Vielleicht besser "in Richtung meiner Stimme" oder so

doch die Ohnmacht schluckte den Laut, bevor er wirklich entstehen konnte, und unser Gast sackte zu Boden.
Dieses "unser Gast" stört mich ein wenig, das wirkt so familiär-herablassend.

Die Uhr an seinem Handgelenk war höchstwahrscheinlich eine mit kleinen Diamanten verzierte Rolex
Wenn er die Uhr sieht, dann müsste er auch sehen, ob es eine Rolex ist, oder?

Der Typ präsidierte einen Verwaltungsrat und brauchte sich keine Sorgen um seine Rente zu machen; sie genügte selbst für ein weiteres Leben nach seinem Tod.
:thumbsup:

Steht auf seiner Identitätskarte
Identiwas? Ist das sowas wie ein Perso?

Ich kann mich noch gut an die Schmerzen erinnern, die sie mir zufügten
zugefügt hatten, die Handlung ist vorbei.

intensive, aber notwendige Schmerzen
relativierender Nebensatz bzw. eine Adjektivaufzählung.

Sie brachten mein verwelktes Wesen zum Blühen.
Wieder: hatten

Was sie in der Hand hielt, war keine Krawatte mehr, sondern ungefähr fünfzehn kleine.

sie wirkte dabei so unbeholfen und kraftlos, dass der Eindruck entstand, sie wäre soeben aus dem Tiefschlaf gerissen worden.
wenn, dann wird ja wohl er aufgeweckt, und nicht die Hand

Seine Brille lag auf der Theke und in ihrem momentanen Zustand sah Erich auch besser ohne sie als er es mit getan hätte
Furchtbarer Satz, vielleicht formulierst du den irgendwie schöner? "Seine Brille lag zwar auf der Theke, aber in ihrem momentanen Zustand hätte sie ihm sowieso nichts genützt", oder so, irgendwas, was runder klingt...

Es war schlicht unmöglich, meine Augen vor dieser Schönheit zu schliessen.
Infinitiv mit zu wird durch Komma abgetrennt

Aber selbst, wenn es einen gegeben hätte, wäre er Erich nicht von grosser Hilfe gewesen.

Es kennt keine Wege mehr, die anderswohin, als zu sich selbst führen.
Komma weg vor als, glaube ich

Ich begann, mich nach den Herrlichen zu sehnen; sie würden Erich die Sprache verschlagen.

Ein Teil der Theke bestand aus leichtem Holz und war nicht an den Rest der Bar befestigt.
würde ein einfaches "am" es tun

Langsam wuchsen Bilder und Lichter aus dem goldigen Glühen heraus
Ich assoziiere "goldig" eher mit "niedlich" als mit "golden"

Dessen Form schien nicht vorgeschrieben zu sein: Sie variierte von einer organischen Schreibmaschine-Imitation über einen nicht gepumpten Fussball bis zur furchigen Karikatur eines Grosshirnes.
finde ich unschön formuliert. Immerhin sind die Herrlichen ja herrlich, dein Prot scheint sie ja irgendwie zu vergöttern - hier wirkt seine Beschreibung aber sehr nah an der Realität.

Sie hatten goldige Augen.
gleichfalls

Als er über die Theke gehoben wurde, zappelte Erich wie ein gestrandeter Fisch, der versucht, zurück ins Wasser zu schwimmen.


So, jetzt zum Rest - ich finde die Geschichte gut gelungen. Du übermittelst die Atmosphäre - bis auf einige Kleinigkeiten - ziemlich realistisch, die Charaktere kommen gut rüber...

Nur eins verstehe ich nicht. Warum hat Stam seine Lust plötzlich nicht mehr unter Kontrolle?

Nach dieser Überarbeitung - die wohl die letzte sein wird, da ich anschliessend abwesend bin - werde ich mich nochmals ausführlich mit euren Kritiken beschäftigen!
Was soll das heißen? :susp:

Und so schlimm eklig war es dieses Mal gar nicht. Du besserst dich ;)

gruß
gobbo
:bounce:

 

Hallo Van,

du hast es mal wieder geschafft, mich völlig in deine groteske Fantasie hineizuversetzen.
Wie du die Hölle als Paradies darstellst… Oder ist es das Paradies als Hölle? Oder…

Ich liebe solche Stories, die zugleich weltfremd als auch realistisch daher kommen. Okay, über Realismus lässt sich streiten. Deine Darstellung der Herrlichen war einfach hervorragend und ekelerregend zugleich. Die Vorstellung, was sie mit dem armen Erich getan haben, ließ mich innerlich erschaudern.

Ein wirklich hoher Unterhaltungswert. Für meinen Geschmack noch ein wenig zu kurz.

Ein paar kleine Kleinigkeiten:

Als sein Kopf auf das harte Holz stiess, wollte er vor Überraschung aufschreien, doch die Ohnmacht schluckte den Laut, bevor er wirklich entstehen konnte, und unser Gast sackte zu Boden.
- Dieser Satz liest sich unschön. Er ist mMn zu komplex. Vorschlag: „Als sein Kopf auf das harte Holz stiess, wollte er vor Überraschung aufschreien. Doch die Ohnmacht schluckte den Laut, und unser Gast sackte zu Boden.“ -

Ich lief zu ihm und ergriff die Brille, die nicht mehr auf seiner Nase, sondern neben seinem Ohr lag.
- überflüssiger Satzeinschub. „… ergriff die Brille, die neben seinem Ohr lag.“


Der Rahmen war spektakulär verbogen und das linke Glas gebrochen. Der Sprung sah groteskerweise aus wie eine vergrösserte Schneeflocke.
- mMn kannst du das ruhig weglassen -


Ich nickte und fragte mich, ob die Glieder des Mannes wirklich so beweglich waren, wie es seine Position an der Wand vermuten liess, oder ob der Schein täuschte.
- genial herbe! Typischer Van-Satz! -


Ich kann mich noch gut an die Schmerzen erinnern, die sie mir zufügten – intensive aber notwendige Schmerzen. Sie brachten mein verwelktes Wesen zum Blühen.
:thumbsup:

Der nun geschlossene Kreis beleuchtete den Raum um sich und nahm gleichzeitig die Dunkelheit gefangen.
-????- wie hab ich mir das vorzustellen?


Der Nachgeschmack auf ihrer Zunge musste unbeschreiblich sein.
- herrlich! -

Wie gesagt, nur Vorschläge.

Gesamturteil: absolut lesenswert!

Lieben Gruß! Salem

 

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