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Der hundertste Tag

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13.06.2002
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Der hundertste Tag

Das einzig Gute an der Apokalypse ist wohl, daß sie nur einmal geschehen kann.
Ich hatte keine Ahnung, warum ich in diesem Moment daran denken mußte, wie mein Opa, Gott habe ihn selig, mich damals im zarten Alter von vier Jahren auf seine knochigen Beine gehoben und mir neben einem zahnlosen Lächeln auch diesen Satz geschenkt hatte. Im Nachhinein betrachtet war er schon ein ziemlich schlauer Mann gewesen, der auch immer ein paar Säcke Kartoffeln und ein Kartenspiel im Keller gebunkert hatte. Damit man, falls man sich vor dem Weltuntergang verstecken müßte, immer genug zu Essen im Haus hätte und keine Langeweile aufkäme.

Die Wurst auf meinem Teller schimmelte friedlich vor sich hin, und auch sonst machte die Mahlzeit insgesamt auf mich den Eindruck, als würde sie zur Not alle optischen Register ziehen, nur um nicht von mir gegessen werden zu müssen. Ich schlug ihr aber ein Schnippchen, indem ich die schimmlige Stelle einfach großflächig mit Senf abdeckte und zulangte. Warum dieser Gasthof hier so dermaßen florierte, war mir ein Rätsel. Vielleicht lag es daran, daß das Bier so billig war. Oder an Gitte, der Bedienung, die sich zu später Stunde gerne das ein oder andere übriggebliebene Bier über die Bluse kippte, was immer reizvolle Reliefmuster auf und hinter dem weißen Stoff ergab.
Auf jeden Fall war der Laden auch heute wieder gut besucht. An der Theke saßen zwei Typen mit angeklebten langen Ohren und philosophierten über den Zusammenhang von Star Trek und dem A-Team unter Berücksichtigung der Lehren des Unix-Handbuchs, am Tisch in der Ecke bemühte sich ein pickliger Junge redlich, von seiner Angebeteten den so langersehnten ersten Kuss zu ergattern und an meinem Nebentisch war ein Pärchen gerade mitten im vorkoitalen Spiel verwickelt. Und dann war da noch Fred, der wie immer an der Wand neben den Klos lehnte, wild mit seinem Hummer in der Luft herumfuchtelte und jeden, der vorbeikam, als verschissenen Kommunisten beschimpfte. Er war übrigens tot, der Hummer.
Plötzlich entfuhr der Frau am Nebentisch ein spitzer Schrei - vermutlich darauf zurückzuführen, daß ihr Begleiter mit seinem Fuß eine richtige Stelle erwischt hatte - und ich ließ vor Schreck meine Gabel fallen. Sofort strömten drei Ratten aus irgendwelchen Löchern in den Bodendielen hervor und stritten sich kurz um den Schatz, bevor eine von ihnen, vermutlich diejenige mit den besten Argumenten und längsten Krallen, mein Essbesteck in ihre unterirdischen Höhlen trug. Ich war das Schauspiel gewohnt, immerhin verbrachte ich seit nunmehr drei Jahren beinahe jeden zweiten Abend hier mit einer Wurst und schalem Bier. Trotzdem faszinierten mich diese Ratten jedesmal aufs neue und insgeheim glaubte ich, daß sie aus all dem Schrott, den sie hier sammelten, irgendwo im Keller eine Art Atomreaktor oder so bauten.

Naja, und genau in dem Moment, in dem der Picklige endlich an seinem Ziel angekommen war, die beiden Trekkies mit offenen Mündern auf Gitte starrten, die ein halbvolles Bierglas bedeutungsschwer und kippbereit über ihren Kopf hielt und ich endlich die Kartoffelbreiskulptur meines Opas fertig hatte, genau in diesem Moment also öffnete sich die Tür und ein Kerl mit einer richtig fetten Kanone betrat den Raum.
"Sieh mal, Helga, er hat eine Strumpfhose über dem Kopf", sagte der Mann am Nebentisch zu seiner Frau.
"Ja... hab ich dir schon gesagt, daß ich Männer in Strumpfhosen sexy finde?"
"Gehen wir doch zu mir nach Hause, da habe ich noch eine Strumphose im..."
"Schnauze!", brüllte der Kerl mit der Kanone. "Wenn hier jetzt noch einer von euch einen gottverdammten Muckser macht, dann kann er seinen Schädel als Käsestanzvorlage benutzen. Haben wir uns da verstanden?"
"Ja", sagte ich, eher aus einem Reflex heraus als aus Höflichkeit. Einen Moment lang war es so totenstill, daß man eine Mücke hätte husten hören können - wenn denn eine dagewesen wären. Wir alle warteten auf eine Reaktion des Neuankömmlings.
"Dann haben wir uns ja verstanden", sagte er. "Hier, halt das mal." Er warf mir einen Jutesack zu, auf den jemand ein übergroßes Dollarzeichen genäht hatte, vermutlich um etwaigen Nachfragen über den Inhalt des Sackes vorzubeugen. Noch während ich überlegte, ob ich einen scheuen Blick hineinwerfen sollte, hörte ich Sirenen aufheulen.

"Sie da in der Hütte! Geben Sie auf und kommen Sie mit erhobenen Händen raus, wir haben Sie umstellt!"
"Leck mich, Bulle! Nichts und niemand wird dieses Gasthaus verlassen. Und da kannst du dich drauf verlassen."
"Halbgare Wortspiele helfen Ihnen jetzt auch nicht weiter. Wenn Sie nicht gleich rauskommen, kommen wir rein!"
"Ich habe Geiseln!", schrie der Bankräuber. Dann wandte er sich erneut an mich. "So, mein Freund, wenn du kein Loch für ein drittes Auge haben möchtest, stellst du dich jetzt mal schön ans Fenster und winkst den Bullen da draußen nett zu."
Widerwillig ließ ich mein Essen auf dem Tisch alleine und tat, was er mir sagte. Etwas überraschend für mich war, daß der Polizist sich offenbar nicht sonderlich um meine Anwesenheit zu kümmern schien, sondern stattdessen einen Schuß abfeuerte, der mich nur knapp verfehlte und irgendwo über der Bar eine Flasche Gin zum Platzen brachte. Der Bankräuber ließ vor Schreck seine Waffe fallen, die von ein paar herbeieilenden Ratten erst zerlegt und dann in Einzelteilen abtransportiert wurde, kaum daß sie den Boden erreicht hatte.
"Verdammt, was war das?"
"Ratten. Sie wohnen vermutlich im Keller", sagte ich wahrheitsgemäß. Er holte mit aschfahlem Gesicht eine zweite Waffe aus seiner Jacke, die zwar nicht ganz so ehrfurchtgebietend war, wie die erste, aber ihre Wirkung dennoch nicht verfehlte. Irgendwie schien er eine schreckliche Vorahnung zu haben.
"Dann... dann sollten wir wohl besser mal in den... in den Keller gehen. Vergiß bloß den Sack nicht."

Natürlich vergaß ich den Sack nicht und so machten wir uns auf den Weg in den Keller. Ich ging voran, danach kamen die anderen Gäste und ganz zum Schluß folgte der Bankräuber. Die Treppe war ziemlich morsch und ich war recht sicher, daß sie nur noch von einer Mischung aus Dreck und irgendeiner Form von negativer Schwerkraft zusammengehalten wurde. Im Keller angekommen, schaltete ich das Licht ein und wir sahen im Schein einer mutlos flackernden Glühbirne einen Haufen Ratten. Sie umtanzten ein seltsam anmutendes Metallkonstrukt wie ein Totem, in dem irgendwo, soviel war mal sicher, auch meine Gabel stecken mußte.
"Was ist das?", fragte jemand.
"Das ist eine gottverdammte Weltuntergangsmaschine."
"Woher wollen Sie das denn wissen?"
"Naja, ich war nicht immer Bankräuber. Irgendwann habe ich auch mal studiert."
"Wissen Sie auch, wie das Ding funktioniert?"
"Nicht genau. Aber ich weiß, daß wir nichts zu befürchten haben, solange dieser Hebel da nicht gedrückt wird."
Ich hätte schwören können, daß die Ratte gegrinst hat, während sie den Hebel drückte.

...

Früher hatte ich immer geglaubt, der Weltuntergang würde mit viel Trara vonstatten gehen. Mit feuerspeienden Engeln, vom Himmel regnenden Kaulquappen und kleinen Teufelchen, die auf ihren Posaunen Lieder von Manowar und Reinhard Mey spielen würden. Und so war es für mich beinahe langweilig, als ich - nachdem wir wieder oben auf unseren Plätzen saßen und das Schauspiel von dort beobachten konnten - bemerkte, daß sich die Sache dann auch wirklich genauso abspielte. Die Erde tat sich auf, es gab eine Menge Feuer, Menschen ertranken in ihrem eigenen Blut, kleine und große Maden schälten sich aus den Bergen und das Ganze wurde untermalt von zugegeben verdammt beeindruckenden Lichteffekten. Das Übliche halt.
"Sie haben doch studiert", sagte der Picklige. "Können Sie mir vielleicht sagen, warum alles den Bach runtergeht, abgesehen von diesem Haus?"
Der Bankräuber schüttelte nur den Kopf und steckte seinen Zeigefinger in meine kunstvolle Kartoffelbreiskulptur, bevor er ihn ableckte und genüßlich schmatzte. "Guter Brei", sagte er.
Irgendwann, ich glaube, es mochten gut und gerne zwei Stunden vergangen sein, war es plötzlich zu Ende. Die Erde hörte auf zu rumpeln, die Teufel packten ihre Posaunen ein und auch die Sonne wagte sich wieder vorsichtig hervor. Mir war beinahe so, als würde ich Vögel lustig zwitschern hören. Aber natürlich waren da keine Vögel, die lustig zwitscherten. Um genau zu sein, zwitscherte niemand, weil nämlich, um noch genauer zu sein, überhaupt niemand mehr da war, der irgendetwas hätte tun können. Da war nur noch unser kleines Gasthaus mit jeder Menge Lava drumherum.
"Komm, Schatz, gehen wir nach Hause." Noch bevor irgendjemand sie aufhalten konnte, hatte das Pärchen sich von meinem Nebentisch erhoben und war, das Vorspiel noch im Kopf und den richtigen Akt vor Augen, durch die Tür nach draußen getreten. Nun, vielleicht sollte ich es so ausdrücken: Lava ist wirklich eine verdammt häßliche Sache. Wenn man erst einmal in ihr drinsteckt, kommt man da nicht mehr so schnell raus.
"Ich habe es euch immer gesagt", sagte Fred triumphierend und wedelte mit seinem Krustentier. "Irgendwann werdet ihr den Preis für eure verschissenen Existenzen zahlen! Ihr habt immer über mich gelacht, aber jetzt zeigt sich, daß ich von Anfang an recht hatte." Ich ignorierte ihn und wandte mich an den studierten Bankräuber.
"Sagen Sie mal, was glauben Sie, warum die Ratten das gemacht haben?"
"Keine Ahnung. Vielleicht hatten sie es satt, immer Tauben ohne Flügel genannt zu werden."
"Vielleicht wollten sie auch einfach mal ein wenig Aufmerksamkeit."
"Mag sein. Auf jeden Fall ist das alles meine Schuld."
"Wie kommen Sie denn darauf?"
"Naja, es ist ja offensichtlich, daß den Ratten zur Vollendung ihrer Maschine nur noch eine Pistole gefehlt hatte. Und die habe ich ihnen gebracht."
"Ich habe es von Anfang an gesagt!", brüllte Fred dazwischen. "Jaha... Gott hat die Ungläubigen von der Erde getilgt. Schon bald wird die Welt wieder erblühen unter der Herrschaft glorreicher... äh... Hummer."
"Kann der nicht mal die Klappe halten?"

...

Hundert Tage sind seitdem vergangen. Hummer habe ich noch keine gesehen, ebensowenig wie Kraken oder irgendwas anderes. Ich dankte meinem Opa, Gott habe ihn selig, wirklich aus ganzem Herzen für seine weisen Ratschläge über Kartenspiele und Kartoffeln und legte eine Patience. Die letzten Wochen über war unsere Gesellschaft immer kleiner geworden und so hatten wir der Reihe nach Mau Mau, Poker, Doppelkopf, Skat und schließlich Rommee gespielt. Ernährt hatten wir uns von Salzbrezeln, verschimmelter Wurst und Bier. Kartoffelbrei war leider schon nach zwei Tagen aus. Da die Vorräte natürlich nicht ewig halten würden, war es von diesem Standpunkt aus gesehen vielleicht gar nicht so übel, daß keine Woche verging, ohne daß einer von uns aus lauter Langeweile und Verzweiflung den Weg nach draußen in die Lava antrat.
Als letzte war gestern Gitte von mir gegangen. Sie meinte nur, sie könne ja vielleicht mal nachsehen, ob sich inzwischen da draußen irgendwas geändert hatte, stand auf und ging. Das fand ich schon verdammt ärgerlich, war ich doch kurz davor, ihr begreiflich zu machen, daß der Fortbestand der Menschheit im Prinzip nur noch von uns beiden und meiner Libido abhing.
Bube auf Dame, Dame auf König, König auf... verdammt, kein As. Während ich die nächste Karte vom Stapel nahm, beschlich mich wieder dieses Gefühl der Leere, das ich im Verlauf der letzten hundert Tage zur Genüge kennengelernt hatte. Diese quälende Frage, warum ich hier sitzen blieb und auf das unvermeidliche Ende wartete. Und diese andere quälende Frage, warum nämlich dieses verdammte Ende so lange auf sich warten ließ.
Ich meine, ich war immer ein Mensch gewesen, der sich irgendwie beschäftigen konnte. Irgendetwas gab es schließlich immer zu tun. Aber nun, nach endlosen Tagen des Kartenspielens und Stunden der Einsamkeit überkam mich doch ein leises Gefühl der Langeweile. Es begann ganz harmlos als kleiner Splitter in meinem Kopf, breitete sich dann wie eine wütende Horde Hummer in mir aus, nahm jedem anderen Gedanken die Daseinsberechtigung und wanderte schließlich solange in meinem Hirn auf und ab, bis ich vollkommen von ihm eingenommen war.
Vielleicht, so dachte ich, könnte ich ja mal rausgehen und nachsehen, ob sich da draußen inzwischen irgendwas verändert hatte...

 

Den Text habe ich wirklich gerne gelesen, einige Stellen fand ich zum Brüllen komisch. Die Kombination von Manowar und Reinhard Mey (witzig, ich mag beides) finde ich gut, aber Star Trek mit A-Team und dann auch noch Unix zu kombinieren? Ich weiß nicht, laß das A-Team weg, dann kann ich meine Klammer wiederholen.

Sehr, sehr unterhaltsam, aber ohne etwas, das bleibt. Aber das hattest Du vermutlich auch gar nicht beabsichtigt.

 

Moin,

Danke fürs Lesen und kommentieren

@Uwe:
Schön, daß du die Geschichte witzig fandest. Das freut mich wirklich.
So, jetzt zum Kontra ;)

Die Handlung gestaltet sich etwas sprunghaft und lässt einen roten Spannungsfaden vermissen.
Also, ich bin nach wie vor der Meinung, daß diese Geschichte nicht sprunghaft ist. Sie hat ein Überraschungsmoment bzw einen großen Bruch in der Mitte (eben diese Maschine), der allerdings von der Dramaturgie her mMn absolut passend ist. Davor und danach ist es eine vollkommen lineare Geschichte. Ich wäre für das ein oder andere Beispiel dankbar, weil ich im Moment echt nicht weiß, worauf ihr anspielt.
Der letzte Abschnitt (und tw. auch der vorletzte) lassen Humor und Gags vermissen.
Ja, aber das hier ist auch keine rein humoristische Geschichte.
allerdings könnte die Handlung genauso in einer Bank bzw. deren Keller (z.B.) stattfinden, oder?
Ja, natürlich. Wenn man die Kellnerin, den Tresen mit den beiden Trekkies, den Kartoffelbrei, das Füsseln am Nachbartisch, den Spinner neben den Klos und die Wurst wegläßt, könnte die Geschichte sogar in einer Wüste spielen. Die beiden Trekkies könnten an einer Wanderdüne lehnen, das Füsselpärchen sich hinter einem Stein vergnügen, der Spinner züchtet seine Hummer in einem Wasserloch und zum Essen gibt es gebackenes Zebra, serviert von einem heimatlosen Kameltreiber (Bitte nicht ernst nehmen, mir war gerade nach Zynismus).
Im Ernst: Im Prinzip läßt sich jede Geschichte an jeden Ort der Welt verlegen, wenn man das Lokalkolorit austauscht. Diese hier spielt in einem Gasthaus, dem es an jeglichen Wanderdünen fehlt - sie ist von Anfang an auf dieses Setting ausgelegt und von daher sehe ich die Vorgabe schon als erfüllt an.

@sim:

oh, dann schreib lieber wieder assoziativ
nein, erstmal nicht mehr. Ich probiere derzeit ziemlich viel rum (nicht immer mit Erfolg) und möchte mich stilistisch weiterentwickeln. Dazu gehört Planung mit dazu.

@cbrusher:
Schön, daß es dir gefallen hat, aber das A-Team war cool.

 

Hallo Gnoebel,

first of all: HAPPY BIRTHDAY TO YOOOOOOOOO! :) Und nun in die Vollen:

Als ich Uwes Kommentar gelesen habe, hab ich erstmal erleichtert aufgestöhnt, denn der gute Mann hat (wieder mal ;)) vollkommen Recht! Diese Humorelemente, die du eingeflochten hast, wirken hier in der Geschichte zwanghaft, konstruiert und überhaupt nicht komisch. Gerade die Ratten fand ich unglaublich schwach. Warum schreibst du nicht eine "normale" Geschichte mit ironischem Unterton? Warum der Schwachsinn mit dem Hummer und co. Am Anfang dachte ich: Hey geil, vor oder im Gasthaus geht gleich die Welt unter, dynamisch geschrieben, Spannung kommt, ich sitze im Sessel und - dann kommt die Weltvernichtungsmaschine. Paff!

Fazit: Hier sehen Sie einen Gnoebel-Rohrkrepierer. ;) Schade.

In dem Sinne.

Dante_1

Und lass mir ein Stück Torte übrig! ;)

 
Zuletzt bearbeitet:

Finger weg von der Torte, Dante :D

Okay, dann versuche ich mich mal an ein paar Details.

1. Die Vorrede. Über den Opa-Umweg und eine Kartoffel-Kurve kommst du auf das Apokalypse-Thema. Das ist skurril, recht allgemein und der Leser weiß danach bestenfalls, dass er am Anfang einer Weltuntergangs-Story steht. Dann:

2. Schnitt. Die schimmelnde Wurst. Mit allem Drum und Dran ist der Abschnitt eine Beschreibung des Ortes. Die Trekkies sind nur Staffage. Daher sind sie auch kein Argument dafür, dass der Ort ein Gasthaus sein muss. In der Wüste wären es halt zwei neunmalkluge Wüstenspringmäuse. Darauf will ich aber nicht hinaus. Es ist witzig, fast turbulent, aber die Hauptperson beobachtet nur. Immer noch kein Hinweis für den Leser, was eigentlich los ist. Das merken viele nicht, weil sie vor Lachen schon erstickt sind. Ich bin aber unsterblich und hab's daher gemerkt, ätsch :D

3. Der Räuber ist der nächste Schnitt. Auch er ist witzig, genauer: überzeichnet. Die Käsestanzvorlage ist sehr cool, aber warum will jemand auch gerne eine Strumpfhose... ja was eigentlich? Das nur als Beispiel für Volltreffer und Rohrkrepierer, die halt bei so einer Story auch immer mal dabei sind. Der Stecknadel-Gag ist auch völlig flach.

4. Die Polizei taucht auf. Das ist konsequent und kein Bruch, wenngleich auch nicht zwingend, denn wer hat sie alarmiert? Und warum stehen sie nicht vor der Bank nebenan?
""Ich habe Geiseln!", schrie der Bankräuber und zwang mich, ..."
-> show, don't tell! Der Räuber sollte den Zwang verbal ausüben. Ein lockerer Spruch würde Dir da sicher einfallen.
Er ist übrigens ein (Zitat) Bankräuber, hat sich also offenbar in der Tür vertan. Skurril und spontan, aber kein Hinweis auf eine durchdachte Handlung. Der rote Faden ist jetzt aber endlich da.

4. Um sofort zerschnitten zu werden. Es geht in den Keller, und die Geschichte mit. Der Bankräuber identifiziert die Maschine und die Ratte aktiviert sie. Das ist ein totaler Bruch.

5. Der Weltuntergang ist nicht überzeugend. Die Figur ist in einem Keller. Woher weiß sie, dass Maden aus den Bergen kommen und wie sieht er die Lichteffekte? Aha, er geht nach oben. Falsche Reihenfolge: Zuerst die Beschreibung, dann die Bewegung an den Ort, von dem aus man etwas sieht. Wobei: Selbst durch die Fenster des Gasthauses dürfte man das alles schlecht erkennen. Ist ja keine Tribüne.

6. Zeitsprung. Die Leute fangen unmotiviert an, abzutreten. Humor ist im letzten Abschnitt nicht mehr zu bemerken. Es gibt noch einen Bezug zur Vorrede (mit den Karten), aber es ist nur noch die Hauptfigur da. "Rausgehen und sehen, ob sich was verändert hat" passt außerdem nicht, finde ich. Es würde genügen, aus dem Fenster zu sehen. Der Spruch ist also unsinnig, und es ist nicht nachvollziehbar, warum alle den gleichen verwenden. Vielleicht ist hier ein tieferer Sinn verborgen. Den sehe ich aber nicht, weil ich nach den Brüchen in der Story nicht mehr damit rechne.

Zusammenfassend: Die Story ist skurril, einige Gags sind Klasse, andere schwach (das ist verzeihlich) und unmotiviert (das weniger). Der Schlussabschnitt ist plötzlich melancholisch, was deplatziert wirkt, weil vorher haarsträubender Unsinn an der Tagesordnung ist. Der Leser fragt sich, was Du ihm damit sagen willst, und findet keine Antwort. Trotz des Klammereffekts der Vorrede zusammen mit dem Schluss fehlt es einfach am roten Faden, am Klebstoff, der die witzigen Stellen zu einem witzigen Ganzen verschweißt.

Zum letzten Punkt: Natürlich ist die Vorgabe 100%ig erfüllt: Die Handlung spielt in einem Gasthaus. Es ist aber für mich kein besonders gasthäusiges Gasthaus. Es ist nicht Zentrum der Geschichte (das sind der Räuber und der Weltuntergang), sondern der Rahmen. Deshalb ist die Vorgabe eben zu 100%, nicht zu 200% erfüllt. Mag sein, dass die Jury das anders wertet, ich sage nur meine Meinung (und hab es auch nicht besser hingekriegt).

 

Moin Dante,

Vielen Dank für das Ständchen, Torte lass ich gerne übrig.

Schade natürlich, daß dir die Geschichte nicht zugesagt hat, aber das ist in diesem Fall wohl eine reine Geschmacksfrage gewesen: Ich selbst finde zB den Hummer eigentlich nicht schwachsinnig (naja, doch... ein bißchen schon), sondern ein nettes absurdes Element und die Ratten halte ich für eine der besten Ideen, die ich jemals hatte. Im Gegenteil, die hätte ich eigentlich noch mehr ausbauen sollen.
Derzeit bin ich ein wenig auf dem Holzhammer-Trip und alle meine Geschichten werden ziemlich laut und ein wenig albern - das gibt sich bestimmt irgendwann wieder... lass mich nur mal ein wenig austoben :D

@Uwe:
Toll, daß du mir nochmal so ausführlich geantwortet hast. Damit kann ich wirklich sehr viel anfangen.

1. Die Vorrede. Über den Opa-Umweg und eine Kartoffel-Kurve kommst du auf das Apokalypse-Thema. Das ist skurril, recht allgemein und der Leser weiß danach bestenfalls, dass er am Anfang einer Weltuntergangs-Story steht.
Ja, so sollte es sein
2. Schnitt. Die schimmelnde Wurst. Mit allem Drum und Dran ist der Abschnitt eine Beschreibung des Ortes.
Ja, ganz genau.
Ich habe mir vielleicht ein wenig zu viel Zeit genommen, die Umgebung zu beschreiben (die Trekkies hätte ich mir sicher sparen können - ebenso wie den Pickligen), aber ich liebe es zur Zeit einfach, meine Geschichten ganz langsam anfahren zu lassen. Mag sein, daß ich das hier übertrieben habe. Hätte ich das Szenario in ein paar Sätze gefaßt, hättest du das eventuell nicht als Bruch/Schnitt empfunden.
3. Der Räuber ist der nächste Schnitt. Auch er ist witzig, genauer: überzeichnet. Die Käsestanzvorlage ist sehr cool, aber warum will jemand auch gerne eine Strumpfhose... ja was eigentlich?
Für mich ist der Räuber eigentlich kein Schnitt, sondern der Auslöser für die Action. Bis hierhin habe ich einfach nur die Umgebung beschrieben, nichts ist passiert und ab jetzt steigt die Handlung ein.
Die Strumpfhose ist in der Tat ein miserabler Gag, dem ich jedem anderen Autoren sicher um die Ohren gehauen hätte. Den bastel ich noch mal um, noch ist ja Zeit.
-> show, don't tell! Der Räuber sollte den Zwang verbal ausüben.
Ja, hast Recht. Das wollte ich schon nach vitas Kommentar eigentlich einbauen.
4. Um sofort zerschnitten zu werden. Es geht in den Keller, und die Geschichte mit. Der Bankräuber identifiziert die Maschine und die Ratte aktiviert sie. Das ist ein totaler Bruch.
... der (siehe meinen letzten Kommentar) absolut und auch in der Schärfe beabsichtigt war. An dieser Stelle sollte die Geschichte sich wenden.
5. Der Weltuntergang ist nicht überzeugend. Die Figur ist in einem Keller. Woher weiß sie, dass Maden aus den Bergen kommen und wie sieht er die Lichteffekte?
Pfff... da denke ich mir die tollsten Formulierungen für fiese Killermaden aus und dann kommt der doofe Uwe mit der Logikkeule... :D
Stimmt, da hakt es von der Logik her. Mal sehen, was ich da machen kann. Die Reihenfolge "Beschreibung - Hochgehen" änder ich auf jeden Fall noch.
"Rausgehen und sehen, ob sich was verändert hat" passt außerdem nicht, finde ich.
Nein, da liegt eigentlich kein tieferer Sinn drin. Es sind die Monotonie und das sowieso Unvermeidliche, was die Leute in die Lava treibt. Der Spruch in dieser Situation hat meiner Meinung nach einfach einen leicht melancholischen, traurigen Klang und darum fand ich ihn ganz passend.
Trotz des Klammereffekts der Vorrede zusammen mit dem Schluss fehlt es einfach am roten Faden, am Klebstoff, der die witzigen Stellen zu einem witzigen Ganzen verschweißt.
Okay, ich habe verstanden, worauf du hinauswillst. Kritik angenommen und akzeptiert. Allerdings werde ich die Geschichte dahingehend wohl nicht mehr ändern, weil die grundsätzlichen Punkte, die du kritisiert hast, von mir eigentlich genau so beabsichtigt waren.
Es ist nicht Zentrum der Geschichte (das sind der Räuber und der Weltuntergang), sondern der Rahmen.
Ja, richtig. Die Challenge verlangt aber auch "nur" daß die Geschichte in einem solchen Haus spielt (eine, wie ich übrigens finde, recht unspektakuläre Aufgabe). Klar wäre es sicher spannend gewesen, die Hütte auch in den Mittelpunkt zu stellen, aber so habe ich die Aufgabe nicht aufgefaßt.

 

Klar ist es eine unspektakuläre Aufgabe. Deshalb achte ich ja darauf, ob jemand aus dieser einfach zu erfüllenden Vorgabe etwas ganz besonderes macht. Jeder (bis auf einen, glaube ich) hat die Vorgabe erfüllt. Aber wie? Das muss die Jury entscheiden ...

Du hast immer noch nicht erklärt, was die eine Figur denn nun mit der Strumpfhose machen will *beschwer* :D

 

Hallo gnoebel!

Gut, daß es den Challenge gibt, da komm ich auch einmal in die Gelegenheit, eine Deiner Geschichten zu lesen. Daß ich das sonst nicht tu, liegt ja nicht an Dir als Autor, sondern daran, daß ich, wenn schon Humor, dann mehr auf die trockene Art stehe; die Ein-Gag-jagt-den-nächsten-Geschichten sind einfach nicht so mein Ding – aber ich will Dir nicht unterschlagen, daß ich trotzdem an einigen Stellen gelacht hab. :)

Was ich Dir aber unterschlage, sind inhaltliche Verbesserungsvorschläge, da sie wohl kaum Deinen Stil treffen würden. Naja, einen hab ich schon:
Wenn Uwe meint, der Protagonist würde nichts machen, außer beobachten, könntest Du dem vielleicht entgehen, indem Du ein bisschen was Mystisches einfügst, also daß es so rauskommt, daß er das ganze Unglück eigentlich heraufbeschwört, weil er an seinen Großvater denkt und die Kartoffelbreistatue baut (dabei vielleicht unabsichtlich ein geheimes Ritual anwendet). – Nur so eine Idee. ;)

Ein paar Kleinigkeiten noch:

»An der Theke saßen zwei Typen mit angeklebten langen Ohren und philosphierten über den Zusammenhang«
– philosophierten

»Trotzdem faszinierten mich diese Ratten jedesmal aufs Neue«
– da Du in alter RS schreibst: aufs neue

»wenn du kein Loch für ein drittes Augen haben möchtest«
– Auge

»Natürlich vergaß ich den Sack nicht und so machten wir uns zu auf den Weg in den Keller.«
– das »zu« ist zuviel

»Der Bankräuber schüttelte nur mit dem Kopf und steckte seinen Zeigefinge in meine kunstvolle Kartoffelbreiskulptur«
– fände besser »schüttelte nur den Kopf«
– Zeigefinger

»durch die Tür nach Draußen getreten.«
– nach draußen (kommt später noch einmal bei »aus lauter Langeweile und Verzweiflung den Weg nach Draußen in die Lava antrat«)

»daß ich von Anfang an Recht hatte«
– alte RS: recht

»Vielleicht hatten sie es satt, immer Tauben ohne Flügel genannt zu werden.«
– sagt Ihr wirklich zu den Ratten Tauben ohne Flügel, oder drehst Du das in Deiner Geschichte bewußt um? Ich kannte bisher nur die Tauben als Flugratten. Drum weiß ich jetzt nicht, ob das Deine Idee ist, oder ob Ihr (da im Norden…) so dazu sagt. Würd mich aber interessieren. ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Moin Häferl,

Erstmal vielen Dank für deine Rückmeldung.

sondern daran, daß ich, wenn schon Humor, dann mehr auf die trockene Art stehe; die Ein-Gag-jagt-den-nächsten-Geschichten sind einfach nicht so mein Ding – aber ich will Dir nicht unterschlagen, daß ich trotzdem an einigen Stellen gelacht hab.
Naja... ich sehe meinen Humor eigentlich auch als eher trocken an. Aber ich verstehe schon, was du meinst. Das ist halt Geschmackssache. Umso schöner, daß du trotzdem an manchen Stellen lachen konntest.
Was ich Dir aber unterschlage, sind inhaltliche Verbesserungsvorschläge, da sie wohl kaum Deinen Stil treffen würden. Naja, einen hab ich schon:
Ja, die Idee gefällt mir eigentlich sehr gut, wäre aber wohl recht schwer umsetzbar, da die Ratten ja schon seit langer Zeit an ihrer Maschine basteln. Aber ich denke da mal drüber nach.
sagt Ihr wirklich zu den Ratten Tauben ohne Flügel, oder drehst Du das in Deiner Geschichte bewußt um?
Hihi... nein, das ist nur ein kleiner Gag von mir. Tauben werden halt gerne mal Ratten mit Flügeln (oder Flugratten) genannt, um sie zu beleidigen. Niemand fragt aber, was die Ratten eigentlich von diesem Vergleich halten :D

Besten Dank auch für die rausgesuchten Fehler, die werde ich gleich mal entsorgen.

 

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