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Der junge Georg
„Papa, wer ist eigentlich Zeus?“, fragte Georg.
„Eine Lüge!“, sagte Herbert hart.
„Was ist eine Lüge, Vater?“
„Die Lüge ist eine Sünde! Merke dir das, mein Sohn. Wer nicht die Wahrheit sagt, wer nicht an das Wort Gottes glaubt, der sündigt. Und wer sündigt, wird in der Hölle schmoren.“
„Was ist eigentlich die Hölle?“
Herbert packte seinen Sohn an den Schultern und drückte ihn auf das Sofa. „In der Hölle lodert Feuer; Böse Menschen brennen in diesem Feuer, haben Schmerzen; verdientermaßen, denn sie haben gesündigt! Jeder, der nicht an Gott glaubt, wird dort brennen. Auch du wirst dort leiden, wenn du nicht genau das tust, was ich dir sage!“ Der Blick des Mannes war eindringlich, sein Gesicht regungslos.
Georg rutschte hin und her. „Ich will nicht in die Hölle, Papa. Wie kann ich an Gott glauben?“
„Indem du immer zuhörst, wenn ich dir aus der Bibel vorlese. Was dort steht, ist wahr. Und was wahr ist, das mag Gott. Und wenn Gott etwas mag, dann beschützt er uns vor dem Feuer, vor den Schmerzen!“
„Ist Gott lieb?“, fragte Georg.
„Zu dir wird er lieb sein, wenn du auf mich hörst."
Herbert ging zum Regal und nahm ein Buch heraus. Dann setzte er sich wieder in seinen Sessel und begann zu lesen: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde…“
In der Nacht kam Georg ins Zimmer seines Vaters: „Papa; Papa, wach auf!“
Herbert drehte zur Seite und murrte: „Lass mich…“
„Papa!“, rief Georg. „Papa!“
„Was ist denn los?“
„Gott ist vom Himmel gefallen!“
Herbert war plötzlich hellwach. „Was hast du da gesagt?“
„Guck, da draußen!“ Georg rannte zum Fenster.
Sein Vater folgte ihm. „Unsinn! Gott kann nicht vom Himmel fallen.“
„Aber ich habe es gesehen.“
„Was hast du gesehen?“
„Ein Stern, ein Stern ist vom Himmel gefallen.“
„Hör mir zu, mein Sohn. Seit über 6000 Jahren sind die Sterne dort oben. Gott hat sie am vierten Tag dort oben geschaffen, und er hat sie für die Ewigkeit geschaffen. Nichts kann von dort oben runterfallen, erst recht nicht Gott!“
„Aber Papa…“
„Du wirst schlecht geträumt haben. Glaube, was ich dir sage, Georg. Denke an die Hölle, wenn du an mir zweifelst. Wie habe ich es dir beigebracht?“
Georg schaute zu Boden. Dann sagte er leise: „Ehre deinen Vater…“
„Lauter!“, rief Herbert harsch.
„EHRE DEINEN VATER, VATER!“
„Und nun betest du zwanzig „Vater unser“ und gehst wieder ins Bett!“
„Ja, Vater…“
Georg kniete sich vor sein Zimmerfenster. Er war müde, seine Augen schwer. Im Halbschlaf bewegte er seine Lippen. „Vater unser, der du bist im Himmel…“, flüsterte er.
Es war ein schöner Tag. Die Sonne schien, und im lauen Sommerwind wogten die Ähren des Korns.
Georg spielte mit seinen Freunden in den Feldern Fangen.
Außer Atem setzten sie sich auf den trockenen Boden.
„Ich habe letzte Nacht von diesem Feld geträumt.“, meinte Georg zu Toni und Donald.
„Ihr wisst noch, wo die drei Bäume stehen?“
„Klar!“, rief Donald. "Dahinter haben wir uns doch vorhin versteckt."
„Genau die!“, fuhr Georg fort.
„Und?“, fragte Toni ein wenig gelangweilt.
„Also, passt auf: wir saßen jeder auf einem dieser Bäume. Und dann haben sich die Bäume bewegt. Und eure Bäume sind zu meinem Baum gekommen und haben sich vor ihm auf den Boden geworfen. Und mein Baum stand da und sah am Horizont die Sonne aufgehen. Und der Himmel war so blau wie heute, aber nicht lange…“
„Du spinnst!“, lachte Toni.
„Ruhig! Erzähl weiter!“, ermunterte Donald seinen Freund.
„Und der Himmel wurde rot, richtig rot! Der ganze Himmel, rot wie Erdbeeren…“
„Oder rot wie Marmelade?“
„Oder blutrot!“
Donald und Toni lachten.
Georg erzählte unbeirrt weiter: „Und plötzlich war das Rot wie Wasser, und es regnete und es sickerte in die Erde und mein Baum, mein Baum wuchs hoch in den Himmel, und eure Bäume standen auf und wir schauten über alle Felder, die es gibt und sahen die ganze Welt.“
„Du spinnst!“ Toni schüttelte den Kopf.
„Komm, lass uns was spielen!“ Donald sprang auf und nahm einen Stock in die Hand. „Ich bin der Marine und ihr seid die Deutschen!“
„Es gibt böse Menschen, Georg.“ Herbert hob den Zeigefinger.
Immer, wenn sein Vater dies tat, spitzte Georg die Ohren. Dann nämlich hatte sein Vater Wichtiges zu sagen, meistens etwas über Gott.
„Glaubst du an mich, mein Sohn?“
„Gewiss, Vater.“
„Glauben deine Freunde an dich?“
„Wie meinst du das?“
„Erzählst du ihnen, was ich dir erzähle?“
„Manchmal, aber…“
„Tu es immer, wenn du kannst!“
„Wieso?“
„Stelle keine Fragen, sondern glaube!“
„Aber, wenn sie mir nicht glauben…?“
Herbert setzte sich neben das Bett seines Sohnes. „Dann werden sie in der Hölle schmoren!“
„Wie kann ich sie überzeugen, Vater?“
„Erzähle ihnen folgende Geschichte…“
Und Herbert erzählte die Wahrheit von Moses Aufenthalt in Ägypten, von Fröschen, Stechmücken, Ungeziefer, von Hagel und dem großen Sterben – von Gottes Rache an den Ungläubigen, an den Zweiflern.
In dieser Nacht schlief Georg schlecht.
„Was wisst ihr denn über Moses in Ägypten“, fragte Frau Paris ihre Schüler.
Die allgemeine Montagsmüdigkeit machte sich in der Klasse breit.
„Niemand weiß etwas? Dann erzähl ich euch davon…“ Sie begann vom Pharao zu erzählen, der das Volk Gottes in Ägypten festhielt. „…und der Pharao ließ sie ziehen, nachdem alle erstgeborenen Söhne an einer Krankheit starben.“
„Unsinn!“, sagte Georg gelangweilt.
„Wie bitte?“ Frau Paris rückte ihre Brille zurecht.
„Entschuldigung. Das war kein Unsinn, das war absoluter Blödsinn!“
Die Lehrerin schnappte nach Luft. „Was erlaubst du…“
„Was erlauben Sie sich? Wetterkatastrophen? Eine ansteckende Krankheit? Das ich nicht lache!“
„Mein junger Mann, ich…“
„Gott war es! Er hat die Ägypter bestraft, weil sie es nicht anders verdient haben. Es sind schlechte Leute gewesen, böse, hinterhältig! Sie schmoren in der Hölle, weil sie nicht an Gottes Allmacht geglaubt haben. Und Sie werden ebenfalls dort schmoren – das verspreche ich Ihnen!“
„Georg, es ist heute kein Geheimnis mehr, dass im Hochwasser des Nils Insekten brüten und zu Schwärmen anwachsen, dass sie Krankheiten übertragen, die zu Seuchen werden können und…“
„Halten Sie den Mund! All das hat Gott getan! Als gerechte Strafe für ungläubige, schlechte Menschen! Gott macht die Natur!“
Frau Paris wusste für einen Moment nicht, was Sie sagen sollte. Dann brachte Sie Georg zum Schuldirektor.
„Du hast richtig gehandelt, mein Sohn. Ich bin stolz auf dich!“ Herbert strich seinem Sohn über den Kopf, nachdem sie das Büro verlassen hatten.
„Mich machen die Lehrer krank, Vater!“
„Ich habe dir schon früh beigebracht, dass manche Menschen vom rechten Weg abgekommen sind. Jetzt, mein Sohn, beginnst du zu begreifen, was ich dir damit sagen wollte.“
„Diese Blödmänner! Wollte mir die Paris doch weismachen, der Regenbogen nach der Sintflut sei ein Zeichen Gottes, die Menschen zu verschonen! Warum macht er dann erst die Sintflut, fragte ich. –Sie sei ein Symbol, meinte die Tussi. –Ich sagte: Eine naturwissenschaftliche Tatsache! Eine Tatsache, naturwissenschaftlich belegt, durch Gott herbeigeführt!
Herbert schmunzelte: „Es wird immer Menschen geben, die so etwas behaupten. Da gibt es noch ganz andere: Sie werden dich davon überzeugen wollen, dass die Erde älter als 10000 Jahre ist, indem sie dir vorgaukeln, Fossilien gefunden zu haben. Tote Tiere und Pflanzen, weit älter als Gott und die Welt! Erst mit Gott kam Leben und erst mit der Sünde derTod auf die Welt, das weißt du ja.“
„Sicher, Vater!“
„Diese Menschen arbeiten mit Tricks – sie fälschen die Fossilien und behaupten dann, sie gefunden zu haben. Das ist Sünde, mein Sohn. Sie werden in der Hölle schmoren!“
„Ich weiß!“
„Aller Bosheit wird das Maul gestopft werden! Woher kommt das?“
„Aus den Psalmen, Vater!“
„Wenn irgendwann noch jemand an den Sachverhalten der Bibel rütteln will, dann frag einfach, ob er dabei gewesen sei. All die Behauptungen, die Bibel sei nicht wahr, stellen Lügner auf, die nicht dabei gewesen sind.“
„Ich werde mir deine Worte merken, Vater!“
„Guter Junge!“
Sie fuhren die Straße hinunter, raus aufs Land.
Gerhard zog die Augenbraue hoch. „Du laberst Müll!“
Georg indes verschränkte die Arme vor der Brust. „Du bist ungläubig. Geh mir aus dem Weg.“
„Überleg doch mal: Wenn die Erde vor 6000 Jahren entstanden wäre, dann müsste am vierten Tag der Schöpfung das Licht aller Sterne mit unendlicher Geschwindigkeit durchs All geschossen sein! Und seit Einstein…“
„Du bist gottlos!“
„Oder der Himalaja: Er soll seid der Schöpfung jedes Jahr um mehr als einen Meter in die Höhe gewachsen sein? Kein Felsen würde das aushalten!“
„Gott erschuf ihn im Ganzen auf der Erde; am zweiten Tag seiner Schöpfung!“
Georg wandte sich ab. Diese Ungläubigen auf seiner neuen Schule – schlimm! Aber sie werden die gerechte Strafe erhalten.
Georg war mittlerweile erwachsen geworden. Er hatte wieder Kontakt mit seinen alten Freunden, die mittlerweile seine Überzeugung teilten.
Jahre später soll Georgs Vater, Herbert, Präsident eines großen Landes geworden sein.