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Der letzte Ausweg

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12.04.2002
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Der letzte Ausweg

Mord. Morden. Ermorden.
Mörder. Mörderisch.
Raub. Rauben. Errauben.
Räuber. Räuberisch.
Wehr. Wehren. Erwehren.
Notwehr. Notwehrüberschreitung. Selbstjustiz.
Der Mensch ist krank von seinem Traum von Gut und Böse.
Wo fängt das Eine an und hört das Andere auf?
Oft musst du dich für einen Mittelweg entscheiden,
und dies oft im Bruchteil der Winzigzeit einer einzigen Sekunde.
Der Richter sagt dir dann in aller Ruhe, ob du ein Guter oder ein Böser bist,
er hat ja Zeit.

Anton ist verzweifelt. Er glaubt nicht mehr an unsere Zeit von Heute. Er glaubt, die Welt sei wieder einmal am Arsch daheim und so hat er sich entschieden. Wenn es denn nicht anders geht, dann will er ein Böser sein. Was soll’s? Die Welt hat sich nun einmal entschieden, ihn allein zu lassen. Und er glaubt ja an einen Gott und er ist überzeugt: Gott wird es mit Sicherheit anders sehen, als die Menschen seiner Zeit. Und vielleicht geht ja Alles gut?

Anfang August 2004. Drei Monate einer erweiterten Europäischen Gemeinschaft stehen zur ersten Beurteilung an und die Wiener und Wienerinnen ahnen erstmals, wo es nun hingehen wird. Die Stadt verzeichnet schon mehr Morde, als im Jahr zuvor. Und geraubt wird so oft, dass die Versicherungen schon darüber nachdenken, die Beitragsleistungen zu verdoppeln. Die letzten Jahre waren ja schon schlimm genug, doch die letzten drei Monate hatten es gewaltig in sich. Und gestohlen und geraubt wird heute, was nicht niet- und nagelfest ist. Niemand ist heute mehr vor Niemandem sicher. Die Gewalt auf der einstigen Insel der Seligen ist explodiert.

Anton weiß nicht mehr: was tun? Man sieht kaum noch Polizei auf den Straßen. Die neue Regierung hat mehrere tausend Planstellen abgebaut, viele Gendarmerieposten geschlossen und der Rest der Bullen bewacht die Fußballstadien und die vielen Demos der Linken und der Grünen, die für die vorzeitige Haftentlassung von Schwerverbrechern demonstrieren, weil die Gefängnisse überquellen.

Anton weiß nicht, ob er lachen oder weinen soll, aber angeblich wollen sie jetzt in Rumänien ein Häfen bauen. Als er den Herrn Justizminister im Fernsehen darüber nachdenken gehört hat, hat er gedacht, er höre schlecht. So ein Häfinger kostet den Staat angeblich über dreitausend Euros im Monat. Na super, ein Pensionist kostet im Schnitt nicht einmal ein Drittel. Angeblich kriegt der Österreichische Durchschnitts-ASVG-Pensionist nur neunhundertsechzig Euros monatlich, geil: „Da werde ich also jetzt ein Häfinger,“ denkt sich Anton, „das zahlt sich aus. Ha, und jetzt weiß ich auch, warum wir wegen dem Massenmord im Sudan wieder einmal kein Ohrwaschel rühren. Es ist eine reine Geldfrage. Alle anderen gutmenschlichen Bedenken sind bloß vorgeschoben. Die Verbrecher weltweit fressen uns auf. Und weil wir ja Gutmenschen sind, lassen wir sie gewähren. Man soll ja selbst nicht böse sein, auch nicht zu den Bösen. Dafür sparen wir das bei den unschuldigen Kindern wieder ein. Man wird ja schließlich nicht gleich zu einem Bösmensch, meint der Gutmensch, wenn man dabei zusieht, wie jeden Tag dreißigtausend Kinder, die keiner Fliege was zu Leide getan haben, verhungern. Irgendwo muss man ja anfangen zu sparen. Und am Leichtesten spart es sich halt bei Jenen, die sich nicht wehren können. Und so weit weg sind sie ja auch.

Ha. Anton muss lachen, während er auf seinem Feldbett liegt und so vor sich hin „träumt“. Er sudert mit der Welt und mit sich selbst. „Anton“, sagt er zu sich selbst, „jetzt phantasierst du wieder. Und dass du mir das ja nicht einmal in aller Öffentlichkeit laut denkst, sonst halten sie dich glatt noch für einen verkappten Nazi. Und das, obwohl man ja eigentlich gar keiner ist. Oder etwa doch? Na ja, manchmal kommen einem die Nazis halt weniger schlecht vor, als diese Gutmenschen, die einem andauernd begegnen und denen man täglich im Fernsehen zusehen kann, wie sie sich an ihren Runden Tischen gegenseitig mit ihren abgehobenen Ideen vom Leben verblöden.“ Ha, hat er das nicht schön gesagt? Anton hält diese Philosophen des Alten Europas nicht mehr aus, die uns alle mit ihrer „political correctness“ zu einer westlich zivilisierten Bande von Massenmitmördern gemacht haben. Okay, die Nazis haben die Menschen ihrer Zeit alle in den Massenmord getrieben, aber wir sind auch nicht besser. Täter oder Mittäter? Ob jetzt eine Gesellschaft selber einen Massenmord begeht oder bloß dabei mithilft, die Massenmörder fördert oder auch nur teilnahmslos zusieht, obwohl sie helfen könnte, für Anton ist da kein großer Unterschied. Das eine Gesindel ist nicht besser als das andere.

Aber verdammt noch mal, zum Heulen ist das schon. Jetzt schläft er auch schon im Geschäft. Es ist scheinbar nicht genug, dass er jeden Tag von sieben Uhr früh bis oft gegen zehn Uhr Abends drin steht oder sitzt, weil Buchhaltung muss ja auch noch sein. Und jetzt schläft er auch noch hier, verdammt. Das kommt Alles von der Politik dieser Linken und der Grünen, die ja uns Selbständige so sehr hassen. Ich wette, die haben das geplant. Die träumen ja davon, jede Art von freiem Unternehmergeist aus unserer Welt zu eliminieren. Die wollen, dass auch noch der letzte freie Unternehmer das Handtuch schmeißt. Verdammt, er möchte nur wissen, wie die sich das dann vorstellen, wer dann weiterhin unseren Sozialstaat finanziert. Das machen doch heute diese blöden Antons, wie er. Na ja, wahrscheinlich haben sie in den frühen Siebzigern bei einem Friedensseminar im Suff einen Deal mit diesen ollen Herren Marx und Lenin im Himmel gemacht, haha, und die haben ihnen kummerlhoch und soziheilig versprochen, dass ein Goldregen vom Himmel fällt, so bald jeglicher freier Unternehmergeist auf Erden vernichtet ist. Und die glauben das auch noch. Ja, sicher sogar, die glauben auch heute noch an Gott Lenin und Gott Marx.

Anton wälzt sich stöhnend herum. Das Feldbett quietscht erbärmlich laut. Die Matratze ist viel zu dünn. Die Stahlfedern drücken stahlhart durch. Wie soll man da nur schlafen können? Wer lässt sich denn so einen Schrott einfallen? Und ich Trottel kaufe den auch noch. Und er ist ja auch schon ein etwas älterer Herr. Er wird bald fünfundsechzig, doch er steht noch immer seinen Mann. Jetzt liegt er schon den zweiten Tag da. Das Kreuz tut ihm weh von der ersten Nacht, aber es muss sein, verdammt. Letzte Woche wollte wieder einmal eine dieser immer mehr werdenden Ostblockbanden in sein Geschäft einbrechen. Allein in den letzten drei Jahren hat man ihn schon sechs Mal ausgeraubt. Es ist ihnen ausnahmsweise einmal nicht gelungen, aber das Stahlgitter eines Fensters ist nun kaputt und lässt sich nicht mehr schließen. Und das neue Gitter wird erst Ende der Woche geliefert. Die Versicherung will nicht zahlen, falls ein weiterer Einbruch gelingen sollte. Verdammt, und da hat er sich halt entschlossen, bis Freitag jede Nacht selbst in seinem Geschäft zu wachen. Wenn er ausgeraubt wird und die Versicherung nicht zahlt, dann ist er pleite. Dann hat er ein Leben lang umsonst geschuftet. Der Wert der Uhren, des Schmucks geht in die Millionen, und das meiste davon hat er nur auf Kommission. Wer soll das dann bezahlen? Ach, das Beste wäre wohl, das Geschäft überhaupt zuzusperren und endlich in Pension zu gehen. Sollen sich doch die Jüngeren den Arsch umsonst aufreißen. Na ja, aber irgendwie will er halt noch nicht. Es macht ja auch Spaß. Die Kontakte mit den Kunden halten ihn jung und seine Seele warm. Anton hat immer gerne gearbeitet. Und an eine Vierzigstundenwoche hat er nicht einmal im Traum gedacht. Nie. Er hat sich nie zum faulen Gesindel gezählt.

Und da muss er an diesen schwarzen Altpolitiker denken, der drei Pensionen hat. Die Roten sollen ja auch nicht besser sein, hat seine Zeitung geschrieben. Der bekommt im Monat über siebzehntausend Euros. Fragt sich nur, für was? Eine Frechheit ist das! Lauter Diebe! Er kennt keinen einzigen wichtigen Politiker, der ehrlich ist und der etwas taugt. Da möchte man ja am Liebsten mit einer Maschinenpistole ins Parlament marschieren und dieses faule Diebsgesindel einfach umlegen. Und diese Bürokraten in Brüssel sind ja noch viel schlimmer. Da soll es welche geben, die beziehen ein Jahresgehalt von über zweihundertvierzigtausend Euros. Also das kann Anton nicht mehr verstehen. Und er weiß, auch sonst versteht das kein vernünftig denkender Mensch, der sich seinen Lebensunterhalt als einfacher Arbeiter oder Angestellter verdienen muss, oder auch nur als einfacher freier Unternehmer. Ach, es ist zum Aus-der-Haut-Fahren. Was ist bloß los in dieser Welt? Ist der Terror von Heute die Antwort auf das Alles? Mit Sicherheit sogar. Die haben einfach genug von unserem westlich zivilisierten Gutmänner- und Gutfrauen-Blabla. Die lassen sich von uns westlichen Gutmenschen nicht mehr verarschen. Und weil das so ist, führen wir jetzt einen Gutmenschenkrieg gegen sie.

Und dann ist er irgendwann doch über seiner Suderei eingeschlafen und in einen für ihn so grausigen Traum gefallen. Irre, du schläfst auf deinem Feldbett. Du hoffst irgendwie, dass Nichts geschieht. Du bittest Gott, dass deine Träume bloß die überängstlichen Träume eines an seiner Zeit Verwirrten sind und hoffst, dass dein Hoffen und dein Beten hilft.

Doch dann hört er die Panzerglasscheibe splittern. Er schreckt hoch. Es reißt ihn aus seinem Erschöpfungsschlaf. Er schwitzt am ganzen Leib. Das Haar klebt feucht an seiner Stirn. Die Kleidung pickt. Er ist verwirrt. Im ersten Augenblick denkt er, er hätte sich in einen bösen Alp hinein verirrt und er wäre gar nicht wach. Doch dann hört er, wie das Glas weiter bricht. Es knirscht. Und leise Stimmen hört er auch. Aber, …. wie kann es sein? Kein Alarm, der schrillt? Oh Gott, verdammt. Er hat vergessen, den Alarmton einzuschalten. Igitt, igitt. Aber der Alarm zur Polizei, der geht!??? Ja, er denkt doch. Diesen Schalter hat er, glaubt er, umgelegt. Er setzt sich auf.

Da fühlt er auf einmal diesen ungestümen Druck in seiner Blase. Seine Unterhose hat auf einmal so viel Schiss, dass da jetzt gleich ein Liter Schiffe kommt. Scheiße! Ja, die Scheiße, die drückt auch. Er kann sein Arschloch jucken fühlen. Es brennt ganz schweißig feucht und heiß. Es fühlt sich an, als würde in Sekundenschnelle ein gerade noch so harter Stuhl zu braunem Brei. Dieses Adrenalin muss wohl reine Säure sein.

Da fasst er unter den Kopfpolster. Dort liegt die erst vor kurzem angeschaffte Pistole bereit. Er erinnert sich daran, was der Lehrer vor zwei Tagen noch am Schießstand gesagt hat: „Cool bleiben. Bleiben Sie cool, wenn tatsächlich etwas passieren sollte! Sagen Sie es sich ruhig vor. Dann entsichern, hier oben am Lauf. Dann durchladen. Vergessen sie das ja nicht, sonst macht es „klick“ und sie sind hin.“

Anton macht es genau so. Cool bleiben. Er atmet tief durch und presst seinen Blutdruck nach unten. Cool bleiben. Dann entsichert er die Waffe und lädt durch. Er hört, wie die Patrone einrastet. Mann oh Mann, ist das aber laut. Er hofft, die da draußen haben es nicht gehört. Aber draußen splittert weiterhin nur Glas. Sie sind noch immer dabei, die Öffnung zu vergrößern.

Da zieht auf einmal in sein Unterbewusstsein eine Eiseskälte ein. So eine Kälte hat er erst einmal in seinem Leben gefühlt und das ist schon irre lange aus. Er war damals einundzwanzig und stand mit seiner Julia vor dem Altar. Als der Herr Pfarrer damals auf sie zugekommen ist, puh, da war ihm auf einmal auch so eisig kalt. Er hat nachher nicht gewusst, dass er „Ja“ und all das notwendige Blabla gesagt hat. Aber er hat es wohl. Und er war bis jetzt immer froh darüber. Julia ist noch immer seine Frau und er ist mehr als nur glücklich mit ihr. Sie ist schon ein tolles Weib. Sie hat immer zu ihm gehalten und er zu ihr auch. Sie haben das Geschäft gemeinsam aufgebaut und ihre ganze Zeit hinein investiert. Ob sie wohl schlafen kann? Gestern hat sie gemeint, sie wäre die ganze Nacht wach gelegen, hätte an ihn gedacht und um ihn Angst gehabt. Wenn er sich die Leute heute so anschaut, mit ihren so irre unwahrscheinlich dummen Beziehungsproblemen, dann kann er sich nur Glück wünschen. Na ja, er hat es ja immer schon gesagt: je mehr Freizeit die Leute haben, umso unglücklicher werden sie miteinander. Man darf halt nicht zu viel Zeit zum Nachdenken haben im Leben. Das Leben ist halt, wie es ist. Wer das kapiert hat, der hat zumindest keine Probleme mit sich selbst, der mag sich. Na ja, und wer sich selber mag, der ist auch fähig andere zu mögen.

Puh, ist ihm kalt. Der gerade noch so heiße Schweiß fühlt sich an, wie kleine Eisbrocken. Er hat eine Gänsehaut, die seinen ganzen Körper überzieht. Er denkt: „Verdammt, wie kann ich nur in dieser Situation an so Was denken? Scheiß drauf. Cool bleiben, bleib cool. Verdammt! Jetzt oder nie!“

Er steht vom Bett auf und wankt unsicher Richtung offener Türe zum Geschäftslokal. Er guckt um die Ecke. Vorsichtig. Das Herz hat sich selbständig gemacht. Es klopft einfach überall. Seine Kniescheiben schlagen beim ums Eck gucken aneinander an. In seinem Arsch brummen tausend aufgescheuchte, wilde Hummeln. Sein Bizeps lässt aus, so als wäre sein rechter Arm ohne jeden Fetzen Fleisch, als gehörte er gar nicht zu ihm.

Da denkt er wieder: cool bleiben, bleib cool! Da spürt er die Waffe, die seine an den Türstock geflüchtete Hüfte so hilflos gegen diesen klemmt. Da fällt ihm wieder ein, weshalb er ja hier ist. „Nein! Noch einmal ausrauben lässt du dich nicht. Verdammt! Ich muss ja die Waffe noch entsichern!? Nein, verdammt, cool bleiben. Sie ist schon entsichert, verdammt. Bleib cool!“

Er hört, wie die Räuber nun durch das Fenster steigen. Das Glas unter ihren Füßen knirscht. Er stößt sich ab, stolpert durch die Türe und schreit, wie der größte Depp: „Halt! Halt! Wer da?“ Die drei dunklen Gestalten vor ihm erstarren. Sie blicken zu ihm und reagieren dann sofort. Sie bewegen sich schnell. Drei Hühnen, sechs eiskalte Mörderaugen eilen aus drei Richtungen schnell zu ihm hin. Er fängt an zu schießen. „Warnschüsse! Warnschüsse! Geben Sie auf jeden Fall ein, zwei Warnschüsse ab, wenn es denn geschehen sollte! Dann haben sie kein Problem beim Gericht.“ Das hat sein Schießlehrer gesagt.

Also schießt er zweimal wild hintereinander knapp an ihnen vorbei. Peng. Peng. Zwei bleiben wie angewurzelt stehen. Sie blicken verwirrt. Doch der Rechte hat Augen aus Stahl. Nur noch vier Schritte und er ist bei ihm. Dabei greift er in seine Jacke. Er zieht eine Pistole heraus. Anton erfasst es in Sekundenschnelle: noch nie in seinem Leben war er dem Tod so nah. Und da zielt er genau in die Mitte des Kopfes. Die kalt blickenden Mörderaugen sind so nah. Peng!

Blut spritzt. Die Augen sind weg. Dann ist kein Kopf mehr da. Der Körper fällt.

Wow! Die zwei anderen stehen wie anbetoniert. Ihre Augen flattern auf einmal ihre Angst hin zu ihm. Geil! So geil! Diese Angst, die gerade ihn noch so umklammert hatte, schaut auf einmal aus diesen fremden Augen und hin zu ihm. Er denkt: wow, das ist ja wie im Film. Geil! So geil! Seine Hose hat sich in Null-komma-Nichts entangstet. Seine Hose hat auf einmal keine Angst mehr vor seiner Scheiße und vor seinem Urin. Geil! Mann, ist das geil! Saugeil! Und ein Strahl von pfefferonischarfem Adrenalin presst sich zuerst nur durch seine Gedankenbahnen, sein Herz explodiert, dann fegt eine noch nie gefühlte Kraft durch die Bahnen seines Blutes. Und diese Kraft, diese noch nie zuvor gefühlte Urkraft des Lebens, des Überlebens – du warst ja Zeit dieses Lebens ein guter Mensch, und als solcher natürlich auch noch nie im Krieg – entschlottert seine gerade noch so weichen Zitterknie.

Geil! Oh Mann, so eine Überdosis Adrenalin ist einfach geil, wenn du noch dazu deine eigene Angst fast körperlich durch die Luft in die Augen von Anderen fliehen siehst, die du gerade noch so gefürchtet hast. Anton wusste gar nicht, dass dieses Adrenalin auch unheimlich stark machen kann. Er dachte immer, es wäre anders herum. Die zwei Raubbuben machten fast ihre Hosen voll. Er konnte es an ihren Augen sehen. Er denkt: „Ja, scheißt euch ruhig an, ihr Arschlöcher. Mann, ist das geil.“ Er zielt dem Einen genau zwischen die Augen. Und Eisaugen hat jetzt er.

Und dann sagt Anton, er fühlt sich wie Arnold Schwarzenegger im Film: „Zischt ab, ha, …. oder!“ Ha, und die zwei kehren auf ihrem Absatz um und machen den Abgang. Geil! Geil! Geil!

Der Tote liegt mit halben Kopf zwischen den Schmuckvitrinen. Die Wand daneben ist voll von seinem Blut. Das Räuberhirn pickt wie eine Eierspeise auf dem sich im Licht spiegelnden Glas der Spiegel und der Vitrinen. Da denkt er an den Alarm. Er wankt zum Kassentisch und drückt auf den Knopf. Der Alarm schrillt fast unaushaltbar los. Die Nacht verschrillt. Und Alles glitzert im Licht. Das Glas, der Spiegel, das Blut, das Hirn.

Da hört er durch den Lärm das Folgetonhorn der Polizei. Dann hört er auch schon Reifen quietschen. Sie fahren wohl mit vollem Hurra gerade an der Kreuzung vorne um die Ecke. Gott sei Dank! Ist sie ausgestanden …. die Gefahr? Da schlottern ihm auf einmal wieder die Knie. Er muss sich in seinen Computersessel setzen. Puuuhhh! Scheißen! Wow! Das war wohl knapp. Irre! Einfach irre! Kann es so eine Saumasen geben? Hat er doch glatt Einen umgelegt! Kann es so Etwas geben?

Ist er jetzt ein Mörder? Verdammt! Die Polizei! Verdammt! Was sagen? Nur nicht zu viel hat der Schießlehrer gemeint. Ja kein Wort zu viel! Auf keinen Fall was von den Gefühlen, den Gedanken, erzählen. Nur von der Angst! Er will ja nicht ins Häfen, nicht wegen diesem Arschloch. Verdammt! Was erzählen? Die Wahrheit kommt in solchen Fällen nie gut an. Und diese Juristen sind doch die reinsten Wortverdreher. Wow! Und doch: puuuhh! Und geil! So irre, irre geil!

Das waren wohl die geilsten zwei Minuten in Antons Leben. So viel Angst! Sich fast anscheißen und dann siegen und diesen Irrsinn überleben. Geil! Da quietschen die Reifen vor dem Geschäft. Stiefelgetrappel auf hartem Asphalt. Drei junge Polizistengesichter gucken vorsichtig zum Fenster herein, die Waffen in der Hand. Eines kennt er. Er hebt seine rechte Hand langsam hin zum Gruß. Wow! Nur nicht schnell bewegen! Gott sei Dank! Sein Freund und Helfer erkennt ihn auch und lässt die Hand mit der Waffe sinken. Gott sei Dank! Wäre ja zu blöd, wenn er jetzt noch selbst erschossen würde.

Sie steigen durch das Fenster herein und schauen sich um. Da sagt sein „Freund“: „Ach, sieh da! Was liegt denn da herum? A Leich! Und ohne Kopf is a! Fast. Na ja!“ Und er schaut ihn an: „Haben Sie den da so zugerichtet?“ Anton nickt und blickt dabei auf seine Waffe auf dem Tisch. „Ist das die Waffe da?“ Anton nickt und sagt: „Es waren noch zwei andere dabei. Die habe ich entkommen lassen. Ich hätte sie glatt auch erschießen können, aber sie haben mich nach dem da nicht mehr angegriffen und so habe ich sie abhauen lassen. Ich hatte keine Kraft mehr in den Knien.“ Er denkt: das habe ich gut gesagt, das hilft sicher beim Gericht. Und es stimmt sogar, verdammt.

Da sagt einer der anderen Jungs: „Wow! Des muass ma se geb`n. Do schaut’s ja aus, a schene Eierspeis is des! I hob eh scho an Hunga! Ha!“ „Hey, spinnst du?“, sagt der Dritte, „pass bitte auf, was du sagst, ja! Ich habe noch nicht gefrühstückt und mir wird gleich schlecht, verdammt!“ Hahaha. Sie lachen kurz, Anton muss mitlachen. Irgendwie komisch ist sie schon, diese Situation. Haha! Doch dann verhalten sie ihr Lachen und werden alle wieder ernst, so wie es sich gehört.

Die drei Polizisten geben die Fahndung raus nach den zwei Flüchtigen und fangen an, den Tatort abzusichern. Amtshandlungen haben ernst zu sein. Und man weiß ja nie, wer vielleicht heimlich zuhört. Da steht dann wieder im Standard, dass die Polizei sich nicht benehmen kann. Diese Gutmenschen haben einfach keine Ahnung, wie leicht man sich daneben benehmen kann, wenn einem der Arsch auf Grundeis geht, das Adrenalin in den Adern quietscht und das ganze Blut aus dem Hirn in die auf einmal so schweren Beine flieht.

Und dann denken sie alle vier den einen ernsten Gedanken: erstmals hat in Wien ein Geschäftsmann sein Geschäft mit der Waffe in der Hand beschützt. Also wenn das jetzt Schule macht?! Wird diese erweiterte EU jetzt zu einem erweiterten Manhattan? Na ja, das werden ja schöne Zeiten! Wir werden es jetzt wohl erleben! Und Anton hat auf einmal wieder Angst. Er muss daran denken, was geschehen könnte, wenn die Ostblockmafia sich das nicht gefallen lässt. Was ist, wenn die denken, dass sie solche Notwehr- oder Selbstjustizmethoden in der EU nicht einreißen lassen können, schließlich schadet das ja ihrem „Geschäft“. Was ist, wenn man ihm zur Abschreckung einen Killer schickt. Ob ihm dann ein Europäischer Gutmensch hilft?

© Copyright by Lothar Krist (5.8.2004 von 00.10 – 02.30Uhr im Smaragd)

Wörterbuch:
Häfen = Gefängnis;
Suderei = mit sich selber reden und sich dabei über Gott und die Welt schimpfend auslassen;
ASVG-Pensionist: in Österreich gibt es unzählige Pensions- und Sozialversicherungsanstalten. Die größte Gruppe ist jene der Arbeiter und Angestellten. Diese Gruppe ist wesentlich schlechter gestellt, als die der Beamten. Und deshalb gibt es bei den Reformen ein großes Hick-Hack deswegen. Die Beamten berufen sich auf ihre wohl erworbenen Rechte und darauf, dass sie vor 30 Jahren schlechter verdient haben und ihnen deshalb eine gute Pension versprochen worden ist. Und davon wollen sie nicht lassen, auch wenn dabei die Welt untergeht. Ich sehe das nun einmal so: denen ist es völlig egal, wenn nach ihnen die Sintflut kommt. Ich, als 47-Jähriger, glaube jedenfalls schon lange nicht mehr daran, dass ich auch einmal in den Genuss einer schönen Pension komme.

 

Friedvolle Grüße

Ist ja mächtig reaktionär, die Geschichte. Der Protagonist scheint sich nicht so recht mit der neuen EU anfreunden zu können. Beim Lesen mußte ich allerdings feststellen, das ich einige von Antons Ansichten und Bedenken teile. Bin ich auch reaktionär? :confused:

Ich finde die Geschichte gut, doch denke ich, das andere Kritiker das nicht so sehen. Einige werden Dir vorwerfen, das Du die Gesellschaftskritik zu sehr aufgesetzt hast, und um ehrlich zu sein, ganz Unrecht hätten sie damit nicht. Bis die eigentliche Handlung losgeht, also der Einbruch beginnt, läßt Du Dich sehr aus über Gott und die Welt, und fast möchte man meinen, Du schreibst Deine Meinung. Ist natürlich Dein gutes Recht, Deine Meinung unterzubringen in einer Geschichte, doch wirkt das, wie geschrieben, sehr aufgesetzt, ganz so, als hättest Du zuerst einen Leserbrief an eine Zeitung geschrieben, und dann erst die Handlung drum herum gestrickt.

Was mich wirklich hie und da aus dem Lesefluß gebracht hat, waren österreichische Begriffe (Häfen, Durchschnitts-ASVG-Pensionist, Suderei). Wäre vielleicht keine schlechte Idee, die hochdeutsche Entsprechung für derartige Begriffe als Anhang dranzuhängen.

Da fühlt er auf einmal diesen ungestümen Druck in seiner Blase. Seine Unterhose hat auf einmal so viel Schiss, dass da jetzt gleich ein Liter Schiffe kommt. Scheiße! Ja, die Scheiße, die drückt auch. Er kann sein Arschloch jucken fühlen. Es brennt ganz schweißig feucht und heiß. Es fühlt sich an, als würde in Sekundenschnelle ein gerade noch so harter Stuhl zu braunem Brei. Dieses Adrenalin muss wohl reine Säure sein.

Der Abschnitt stört! Ich weiß, Du fügst gerne krasse Stellen in Deine Geschichten ein, aber die hier ist so platt, das sie nur stört. Hier würde es genügen, seine Angst zu erwähnen, zumal Du zuvor dank Deines Könnens einen gehobenen Sprachstil etabliert hast.

Ob die Polizisten zum Schluß wirklich so reagieren würden, wie Du es beschreibst, sei dahin gestellt, auch ob die Idee mit dem Killer gut ist. Mich hat der Gedanke amüsiert, das Anton jetzt wohl keine Nacht mehr in Ruhe schläft, sei seine Angst nun berechtigt oder nicht.

Kane

 

Hi Kane!

1. Die Erläuterung der Begriffe ist erledigt.

2. Ich bin kein Reaktionär, der sich gegen das Neue stellt! Ich sehe mich bloß einem neuen Realismus verpflichtet. Er ist meine (logische) Antwort auf die „Sich-Vorbei-Träumerei-am-Leben“ der letzten PhilosophInnen- und DichterInnen-Generation, wie ich meine, und somit das Neue. Ich bin so eine Art Bar- und Diskotheken-Dichter. Mir fallen dabei oft die irrsten Geschichten vor die Füße, die ich dann unmittelbar darauf mit Kuli zu Papier bringe. Und ich schreibe sie so, wie es tatsächlich war. Ich beschönige Nichts. Ich schreibe auch keine Halbwahrheiten, nur um eine bestimmte Klientel von LeserInnen glücklich zu machen. Wenn ein Sudanese, ein Chilene oder sonst ein bei uns „Fremder“ die Sau raus gelassen hat oder vielleicht ein Türke, wie zB in „Vergewaltigung“ etwas angestellt hat, dann sage ich das auch und ich mache keinen Österreicher aus ihm, nur weil ich davor Angst habe, dass mir eine bestimmte Art von LeserInnen Klischeehaftigkeit oder was auch immer vorwerfen könnte. Ich habe keine Angst. Ich beschäftige mich seit nunmehr schon fast 30 Jahren mit der verlogenen Scheinheiligkeit unserer Gutmenschen-Gesellschaft und ich weiß inzwischen genau, wie ich damit umzugehen habe, welche Worte ich ihnen im Mund umdrehen kann und wo ich sie am Besten treffen kann. Und jeder Leser weiß aus gewissen Geschichten und Kommentaren von mir, dass ich die Nazis ja auch nicht mag, und so kann man mich mit der allgemein üblichen Zensurmethode, welche ich die Gutmenschen-Zensur nenne, nicht zum Schweigen bringen. Da müssen sie sich was Neues einfallen lassen. Aber ich weiß, dass die Zeit bald dafür reif sein wird. Ich bin aber auch in dieser Hinsicht schon vorbereitet.

Bei dieser Geschichte war es aber ein wenig anders. Sie ist mir direkt aus der Abendausgabe der Kronen-Zeitung ins Gesicht gesprungen. Immer, wenn ich so gegen Mitternacht in mein Hauptarbeitslokal in der Altstadt von Linz, das Smaragd, komme, greife ich gleich nach dieser Zeitung. Wenn sich sonst keine Geschichte ergibt, in der Krone findet sich immer eine, oder ich mache einfach eine Schreibübung, wie zB bei „Nachtszenen aus einer Cocktailbar“. Dabei geht es mir in erster Linie nur um unsere Sprache, es handelt sich um so eine Art Übung oder wie bei einem Maler um ein schönes Bild von einer vollen Schüssel Obst. Der Inhalt wird Nebensache. Aber wie man sieht, auch da wird dann oft eine Geschichte daraus.

Wenn du schon mehr von mir gelesen hast, dann wirst du schon erkannt haben, dass manche meiner Geschichten fast wie ein Gedicht beginnen. Dies ist deshalb so, weil ich am Anfang gar keine Geschichte habe. Das Eigenartige aber ist, dass irgendwann Etwas geschieht, das dann aus der Schreibübung eine Geschichte macht. Etwas passt immer rein, sogar dann, wenn ich bloß eine Orts- oder Personenbeschreibung oder was auch immer angefangen habe.

Aber zurück zur aktuellen Geschichte: Ich habe dann den Inhalt einiger anderer Vorfälle des vergangenen Tages (Raubüberfälle, Morde, Vergewaltigungen, Prozesse darüber usw.), die Meinung der Journalisten dazu und auch der vielen Leserbrief-Schreiber zum Überfall auf den Juwelier in Wien und zu anderen Begebenheiten dazu verwendet, um diesen speziellen Charakter zu formen, teilweise sogar nur abgeschrieben. In dieser Geschichte findest du ein Spiegelbild eines bestimmten Teils unseres Zeitgeistes, wenn auch nicht des bestimmenden. Und ein schon mehrmals überfallener Juwelier wird ja sicherlich nicht wie ein verträumter Gutmensch denken, fühlen und handeln. Ja, ich denke sogar, dass es in der Realität keinen Unternehmer gibt, der wie ein Gutmensch denkt. So Einer geht spätestens nach einem Jahr in Konkurs, außer er hat sein Geschäft genau auf diese bestimmte Klientel ausgerichtet, und selbst dann wird er wohl schwer zu kämpfen haben. Und so Einer hätte auch den Mumm nicht, sich nachts in sein Geschäft zu setzen und auf die Diebe zu warten, noch dazu mit der Knarre in der Hand, und noch dazu, wo er sich sicher sein kann, dass da keine harmlosen (das jetzt unter Anführungszeichen) kriminellen Österreicher kommen werden, die ja bekannterweise im großen Durchschnitt auf einer ganz anderen Stufe der Brutalität stehen. (Dies sage ich jetzt nicht, um ein Klischee zu bedienen, haha, es ist Realität.)

Ich denke, dass ich den Charakter sehr realistisch dargestellt habe. Ich mag diesen Mann. (Ich mag überhaupt Menschen, die nicht perfekt sind, die es aber wagen, sich einem Irrsinn entgegen zu stellen.) Er hatte mit Sicherheit Angst. Ich habe versucht, diese Angst hervor zu heben und sie in Einklang mit seinem Mut zu bringen. Ich war ja selbst schon einige Male in den beschissensten Situationen. Man scheißt sich fast an, puh, und dann stehst du auf einmal als Sieger da. Geil. Du bist danach ein völlig anderer Mensch. Du weißt, dass du fähig bist, Alles zu tun, was notwendig ist, um zu überleben. Und du weißt dann auch, dass es genau darum im Leben geht. Überleben! Du bist Keiner, dem die Knie so sehr schlottern, dass er sich nicht mehr rühren kann. Und dieses Wissen macht geil, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Nach so einer Aktion fickt es sich ganz anders. Du weißt dann wieder für kurze Zeit, dass jeder Fick dein letzter sein könnte. Du genießt eine Zeit lang ganz anders.

Und genau deshalb habe ich diesen Zustand näher beschrieben. Ich hatte jedenfalls jedes Mal nach einer ordentlichen, lebensgefährlichen Gewalt-Aktion einen eher flüssigen Stuhlgang, hehehe. Ich schäme mich nicht, dies zuzugeben. Ich denke, es hat etwas mit der Überdosis Adrenalin zu tun, welches auch direkt in den Darm schießt. Die wirkt wie Säure. (Natürlich kann dies nur Jemand beurteilen, der sonst einen festen Stuhlgang hat, hihi.) Ich habe mir gedacht, es ist hier bei uns im friedlichen Westen von Heute ja nicht mehr so, dass alle Leute wissen, was es heißt, ordentlich Angst zu haben. Also dachte ich mir, ich gebe diesbezüglich eine hübsche Beschreibung hiezu ab. In früheren Zeiten sahen sich Schriftsteller in diesem Sinne ja nicht bemüßigt, die Menschen ihrer Zeit wussten ja, was richtige Angst ist, von was sie da geschrieben haben. Es genügten also ein paar Worte. Natürlich weiß das heute auch der Rest der Welt, aber hier bei uns???? Und gleichzeitig glaube ich auch daran, dass wir es hier auch bald wieder wissen werden. Und als Dichter sehe ich es auch als meine Aufgabe an, meine Mitmenschen auf diesen „neuen“ Zustand wieder vorzubereiten, auch wenn dies vielleicht heute noch nicht so unbedingt als passend erscheinen mag.

Und du hast Recht, ich baue gerne krasse Stellen ein. Ich schreibe einen Absatz, der fast wie ein Gedicht klingt. Und dann kommt eine üble Derbheit. Aber ich werde mir dein Ansinnen durch den Kopf gehen lassen. Und in diesem Sinne ändere ich ja meine Geschichten oft Monate später noch um. Eigentlich müsste ich hier schon alle meine Geschichten einmal updaten.

Zu den Polizisten: also ich habe schon so kleine Entgleisungen erlebt. Ich finde das auch okay. In derartigen Situationen sagt man schon mal Etwas, das nicht jedem Softy gefällt. Nicht Jeder, auch nicht jeder Polizist, kommt damit zu Recht, wenn er eine (auf der Insel der Seligen bis dato ja eher selten vorkommende) Leiche sieht, noch dazu eine, deren halber Kopf sich in einem Raum verteilt hat. Und eigentlich ist die Szene mit der Eierspeise ja aus irgendeinem amerikanischen Kriminalfilm „gestohlen“. Den US-Autoren ist halt, was den Realismus anbelangt, wesentlich mehr erlaubt, als uns deutschsprachigen Hampelmännern, haha.

Danke für deine Kritik. Ich hoffe, du nimmst meine Antwort nicht zu ernst. Ich weiß, dass ich in diesem Sinne ein ziemliches Ekel bin. Ich habe meine eigenen Vorstellungen und bin ziemlich stur dabei. Ich freue mich aber trotzdem für jede Anregung, auch wenn ich sie dann oft aus bestimmten Gründen ablehne. Es ja auch oft etwas dabei, das ich übersehen oder falsch gesehen habe. Meine Antworten sollte man also nicht zu eng sehen.

Ich schreibe meine Geschichten oft in einer Art Trance und ich horche dabei nur darauf, was mir mein Herz, mein Bauch, mein Arsch und mein Schwanz sagen, wobei Letzterer am Meisten zu sagen hat, haha – das habe ich bei Bukowski gelernt, der hat das so ähnlich in einem Interview gesagt, hihi. Wenn mein Gehirn dann zu Hause am PC etwas Anderes meint, dann frage ich die Anderen, ob sie dabei bleiben. Und meist bleiben sie dabei. Ich lasse es dann so stehen, auch wenn ich weiß, dass es nicht „ästhetisch“ ist und vielleicht eine an und für sich gute Geschichte kaputt macht, die vielleicht ohne diesen Absatz auch einem intellektuellen Leser von Heute gefallen könnte. Ich sehe dieses Problem auch nur unter dem Aspekt dieses Lesers von Heute. Ich glaube seit meinem 20. Lebensjahr daran, dass ich wie Bukowski 50 Jahre alt werden muss, weil meine Sprache nicht in meine Zeit gepasst hat. Wer hätte in den 50ern oder gar Mitte der 60er-Jahre schon daran gedacht, dass die Schmuddelsprache eines Bukowski ein paar Jahre später die ganze Literaturwelt verändern, ja, auf den Kopf stellen könnte. Ich habe ihn geliebt. Aber ich will natürlich nicht sein Klon sein. Aber ein wenig Buck muss einfach sein. Und wenn er heute dieses Etwas ist, das meine Geschichten kaputt macht, na, dann soll es mir eine Ehre sein. Vielleicht ist in ein paar Jahren genau das Gegenteil der Fall? Und wenn nicht, auch egal. Ich hatte jedenfalls meinen Spaß. Es ist ja so irre, dieses Live-Schreiben. Ich bin unter den Menschen, unterhalte mich, diskutiere mit ihnen und so nebenbei schreibe ich meine Geschichten oder Gedichte. Irgendwo in meinem Hinterkopf ist da ein Raum, in dem die Handlung abgespeichert ist, wie auf einer Festplatte eines Computers. Wenn die Unterhaltung beendet ist, schreibe ich wieder weiter und dann kommt der nächste Freund.

Und meine Freunde und Bekannten akzeptieren dies auch inzwischen. Am Anfang wollten sie nie glauben, dass ich in diesem lauten Wirbel überhaupt Etwas zustande bringen kann. Ich gab ihnen dann ein paar Tage später die Geschichten zum Lesen. Und weil sie ja meist Zeugen der Vorfälle waren, gefielen sie ihnen auch, meistens, haha. Meist sagten sie: „dass du dir das zu schreiben getraust?!“ Na, und da wusste ich dann, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Wenn Alle „ja, super“ zu dem sagen, was du schreibst, dann kannst du nie was verändern!!! Man muss das Gegenteil herausfordern.

Ich weiß nicht, ob du das Alles verstehen kannst? Kann das überhaupt wer? Selbst ich, als Mensch Lothar, kann es oft nicht. Der Dichter, mein zweites Ich, tut einfach, was er will. Und dies ist jetzt keine Übertreibung. Und ich denke auch, dass man es als Künstler niemals schaffen kann, wenn man nicht diesen schizzoiden Antrieb in sich hat, der einem die Dinge einfach durchziehen lässt, auch wenn sie jedem Verstand deines Zeitgeistes, selbst deiner eigenen Vernunft, widersprechen. Du musst einfach dein Ding durchziehen, auf Teufel komm raus. Und was heute Niemandem gefällt, weil es unter Umständen (offiziell) nicht gefallen darf, das kann morgen schon ein Hit sein. Und wenn nicht, ….. Schicksal.

Lg
buji

 

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