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Der Ring

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30.12.2002
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Der Ring

Der Ring

Müde liege ich auf dem zerschlissenen Strohsack. Meine Glieder sind schwer, ich kann kaum den Kopf heben. Der pochende Schmerz in meinem Arm will nicht vergehen. Wenn er gebrochen ist, bin ich verloren. Wie soll ich mit einem gebrochenen Arm kämpfen. Der letzte Gegner war stark, fast zu stark. Wäre er nicht unachtsam gewesen, hätte er mich getötet. Doch so habe ich seine Schwäche ausgenützt und überlebt.
Ich will nicht kämpfen und ich ekle mich vor mir selbst, wenn ich daran denke, was ich getan habe. Doch was bleibt mir anderes übrig. Die Auswahl ist nicht sehr groß. Kampf oder Tod.
Und ich will leben.

Seit zwei Wochen werde ich hier wie ein Tier festgehalten. In dieser Zeit mußte ich fünf Mal in den Ring.
Fünf Mal habe ich gekämpft.
Fünf Mal hatte ich Glück.
Fünf Mal habe ich überlebt.
Die Regeln sind einfach: Der Stärkere gewinnt. Und der Kampf ist erst vorbei, wenn einer tot ist.

Wie ich hierher gekommen bin, weiß ich nicht genau. Ich war auf einem Sommerfest. Als ich alleine heimgelaufen bin, habe ich plötzlich einen Schlag auf den Kopf bekommen. Aufgewacht bin ich hier in meiner Zelle. Man gab mir zwei Tage Zeit, mich auszuweinen, alle zu verfluchen und mir die Hände an der Tür aufzureißen. In dieser Zeit bekam ich nichts zu essen. Nach zwei Tagen hätte ich für ein Stück Brot alles getan. Sie stellten mich in den Ring und sagten mir, wenn ich überlebe, gäben sie mir etwas zu essen. Ich hatte keine Ahnung was ich tun mußte, bis das Scheinwerferlicht plötzlich aufflammte. Mir gegenüber stand ein junger Mann, der sofort versuchte, mir an die Kehle zu gehen.
Er hat den Kampf nicht überlebt.
So ging es auch in den anderen vier Kämpfen. Jedesmal hatte ich junge Menschen in meinem Alter als Gegner.
Wenn man im Ring steht, verschwindet alle Menschlichkeit. Es geht nur noch ums nackte Überleben. Nach meinem ersten Kampf mußte ich mich in einer Ecke erbrechen. Ich konnte nicht fassen, was ich getan hatte. Ich fragte mich nach dem Wieso. Wieso hetzen sie uns aufeinander?
Ich fand es beim zweiten Kampf heraus. Nachdem ich zusammengebrochen war, hörte ich Rufe und Schreie. Ich schaute über mich, und was ich sah, schockierte mich. Über mir befanden sich Pelze, Seidenanzüge, Perlenketten und Aktenkoffer. Reiche Leute, die Geld bezahlen um barbarische Kämpfe zu sehen. Das gab mir den Rest und ich fiel in Ohnmacht.
In den folgenden Tagen fragte ich mich immer wieder: Warum? Warum? Warum machen Menschen solche Dinge?
Am Anfang haben sie mir versprochen, mich freizulassen. Ich habe daran geglaubt. Ich habe gekämpft um zu leben. Inzwischen habe ich gemerkt, daß dies nur leere Versprechen sind. Mit jedem weiteren Kampf ist etwas in mir gestorben. Nach und nach. Mein Wunsch zu leben wird immer kleiner. Wenn das hier Leben ist, ziehe ich den Tod vor.
Die Hoffnung auf Flucht habe ich bereits nach vier Tagen aufgegeben. Hier kommt keiner lebend raus. Draußen gelten wir als verschollen. Wenn sie nur ein bißchen vor ihrer Nase suchen würden. Ich habe nämlich das starke Gefühl, daß ich immer noch in meiner Heimatstadt bin. In meiner schönen, zivilisierten Heimatstadt.

Jetzt sitze ich in meiner Zelle und weiß, daß ich den nächsten Kampf nicht überleben werde. Es berührt mich nicht. Selbst wenn uns jetzt jemand freilassen würde, könnte ich nie mehr so leben wie früher. Ich habe fünf Menschen getötet. Also werde ich in den nächsten Kampf gehen und dabei sterben.
Diese Gleichgültigkeit schockiert mich ein wenig. Bin das wirklich ich? Nein, ich existiere schon lange nicht mehr. Ich habe einem Wesen Platz gemacht, daß sich selbst und anderen gleichgültig entgegenschaut.

Die Tür öffnet sich. Jetzt ist es also so weit. Mühsam stehe ich auf und wanke zur Tür. Heute werde ich die Erwartungen des Publikums nicht erfüllen. Das verschafft mir eine kleine Genugtuung.
Der kleine, schmierige Typ wartet schon draußen. Er führt mich zum Ring. Als ich ihn betrete, ist es dunkel. Doch bald wird das Licht angehen. Es ist schneller so weit, als ich dachte. Zuerst flackernd, dann immer stärker flammen die Scheinwerfer auf. Mir gegenüber steht ein junges Mädchen, vielleicht sechzehn Jahre alt. Es ist nicht ihr erster Kampf. Ich sehe es in den Augen. Diese Augen sind leer, schon fast tot. Ob meine wohl gleich aussehen?

Die Rufe und Schreie der Zuschauer scheinen mir unendlich weit entfernt. Alles außerhalb des Rings verschwimmt vor meinen Augen. Es gibt nur noch das Mädchen, mich und den Tod. Sie greift mich sofort an. Ich bleibe einfach stehen. Lasse es zu, daß sie anfängt mich zu würgen. Ich spüre, wie sie mir die Luft abschneidet. Ich habe furchtbare Angst vor dem Tod. So hatte ich mir mein Leben nicht vorgestellt. Mein Sichtfeld wird immer kleiner, schwarze Balken schieben sich vor meine Augen. Plötzlich wehre ich mich dagegen. Instinktiv. Ich klammere mich an sie, versuche sie wegzustoßen. Doch es ist zu spät. Meine Kräfte verlassen mich. Ich sinke zusammen. Sie läßt nicht los, drückt noch mehr zu. Wahrscheinlich will sie es schnell hinter sich bringen. Das bekomme ich nicht mehr mit. Vor meinen Augen tanzen farbige Lichter und mein Körper wird von einer wohligen Wärme ausgefüllt. Ein letztes Mal bäumt sich mein Körper auf.

Dann ist es vorbei.

Einfach vorbei.

 

Hallo Berian,
tolle Geschiche, die zum Nachdenken anregt. Ob wir wohl alle so reagieren würden, wie der Charakter Deiner Geschichte? Ob wir uns alle zu Mördern machen ließen?
Die Frage, die ich mir schon beim Lesen gestellt hatte war, wer hat angefangen? Welcher Mensch war derjenige, der als erster die Hand gegen den anderen im Ring erhoben hat. Denn die ganze Handlung wäre nicht möglich gewesen, wenn der erste Kämpfer hätte widerstehen können.
Schwierige Frage, ohne Antwort. Doch ich glaube, wenn es um die Grundelemente unseres Daseins geht, werden wir alle wieder zum Tiere.
Gruß
Anja

 
Zuletzt bearbeitet:

Alae Berian,
gut geschrieben aber unrealistisch. Natürlich ist es theoretisch möglich das ein paar Verrückte so etwas für reiche Freaks auf die Beine stellen, das ist nicht der Punkt. Äußerst unwahrscheinlich aber ist, dass die Kontrahenten sich im unbewaffneten Zweikampf wirklich töten würden, und zwar einfach deshalb, weil man seinen Gegner nicht gleich töten muss um ihn außer Gefecht zu setzen und es - vor allem im laienhaften waffenlosen Kampf - auch selten aus Versehen geschehen wird. Realistischer ist, dass sich entweder beide weigern, oder aber einer von beiden den anderen nur bewusstlos würgt/schlägt.
Auch kann ich nicht recht glauben, dass das ca. 16-jähriges Mädchen ihren ersten Gegner so mir nichts dir nichts getötet haben soll (den sie hat in der Geschichte ja schon min. einen Kampf hinter sich), es sei denn er war auch weiblich oder jünger, wobei ich aber in diesem Fall eher davon ausgehen würde, dass sie aus Skrupel gar nicht kämpft, aber dazu siehe oben.
Trotzdem finde ich den Stil nicht schlecht und die Gedankengänge des Protagonisten gut dargestellt.

Atenio!
Sethur

 

Hi
@friedfertig
Ich weiss selbst nicht, wer damit angefangen haben könnte. Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Es ist einfach nur ein kleiner Ausschnitt aus einem Thema, über das man vielleicht noch mehr hätte schreiben können.

@Sethur
Die Geschichte muss nicht realistisch sein. Sonst wäre sie nicht unter der Rubrik Fantasy. Vielleicht spielt die Story nicht in unserer Welt, sondern in einer Welt, in der die Schwelle zum töten nicht hoch ist.
Ich weiss es nicht. Ich habe einfach aufgeschrieben was mir in den Sinn kam.

Gruss Berian

 

Hallo Berian!

Ich hab deine Geschichte gelesen, nachdem sie mir von Bo warm ans Herz gelegt worden ist, und ich habe es nicht bereut :).
Sie ist spannend von Anfang bis Ende, und sie bietet darüberhinaus wirklich noch Stoff zum Nachdenken.
Ein bissel mußte ich an einen der "Mad Max"-Filme denken.

Lieber Gruß!
Annette

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi BeautifulExperience

Es freut mich, dass meine Geschichte dir gefallen hat. Sie ist im Rahmen einer Projektwoche entstanden und mein Lehrer war ein bisschen erstaunt über mich. Er hätte einem Mädchen nicht zugetraut, so etwas zu schreiben.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass es solche "Veranstaltungen" irgendwo gibt. Und um zu sehen, dass man Menschen alles zutrauen kann, muss man nur die Zeitung aufschlagen.

Gruss Berian

 

Hi Zannalee
Erst mal vielen Dank.
Tja, Mad Max habe ich erst den zweiten Teil gesehen, deshalb kann ich das nicht wirklich beurteilen.

Es war eigentlich eher Zufall, dass ich auf dieses Thema gekommen bin. Ich habe einmal einen Film gesehen, in dem es um Goldgräber und Trapper ging. Die haben zum Spass Hunde aufeinander gehetzt. Ich dachte mir, statt der Hunde könnte man Menschen nehmen und daraus ist die Geschichte entstanden.
Erst im nachhinein habe ich mir überlegt, dass es so etwas ähnliches vielleicht wirklich gibt.

Gruss Berian

 

Der dritte Teil heißt "Jenseits der Donnerkuppel", und eben unter dieser "Donnerkuppel" finden Kämpfe in so ähnlicher Art statt wie in deiner Geschichte.

"Es war eigentlich eher Zufall, dass ich auf dieses Thema gekommen bin. Ich habe einmal einen Film gesehen, in dem es um Goldgräber und Trapper ging. Die haben zum Spass Hunde aufeinander gehetzt. Ich dachte mir, statt der Hunde könnte man Menschen nehmen und daraus ist die Geschichte entstanden.
Erst im nachhinein habe ich mir überlegt, dass es so etwas ähnliches vielleicht wirklich gibt."

Es hat ja auch die Gladiatorenkämpfe im alten Rom gegeben, und so zivilisiert sind wir sicher nicht, dass Exzesse wie in deiner Geschichte auszuschließen wären.

Lieber Gruß!
Annette

 

Hallo Berian,

ich finde die Idee wirklich gut, aber die Geschichte müsste um einiges länger sein, um alles ein bischen einleuchtender zu machen. Du könntest sie schon in diesem Tagebuchstil lassen, aber ich finde, dass die Charaktere sich einfach viel zu schnell zum Töten bringen lassen, obwohl es sie doch offensichtlich quält.
Entweder solltest du da noch einbringen, wie jemand, der ja offensichtlich ein ganz normales Leben geführt hat plötzlich dazu in der Lage ist, z.B. durch Drohungen oder durch Folter, oder du solltest einen längeren Leidensweg beschreiben, in dem sich der Charakter verändern kann. Ich denke nicht, dass man nach 4 Tagen schon für Brot töten würde...
Ich glaube, du könntest da eine ganze Menge mehr draus machen und ich würde mich freuen, eine überarbeitete Version zu lesen.

Liebe Grüße

Catseyes

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Catseyes
Danke dass du dir die Mühe gemacht hast, meine Story zu bewerten.
Zu deiner Kritik. Wahrscheinlich könnte man noch sehr viel mehr aus diesem Thema herausholen. Doch die Story beschreibt ja lediglich die letzten paar Stunden dieser Person. Was vorher alles geschah, habe ich nur ansatzweise dargestellt, da kann sich der Leser den Rest selbst dazudenken.
Würde ich das Vorher und das Nachher genauer beschreiben, gäbe das eine verdammt lange Story. Und dazu habe ich im Moment weder den Nerv noch die Zeit.
Und deshalb werde ich die Story so belassen, wie sie ist.
Liebe Grüsse Berian

 

Hallo Berian,

ich hoffe, Du wirst irgendwann mal Nerv und Zeit finden, denn ich würde es gerne lesen. : )

 

@ Berian:

"Würde ich das Vorher und das Nachher genauer beschreiben, gäbe das eine verdammt lange Story. Und dazu habe ich im Moment weder den Nerv noch die Zeit.
Und deshalb werde ich die Story so belassen, wie sie ist."

Cool!! Du weißt, was du willst, und du hast Krallen wie ich :) :) :D!

Lieber Gruß!
Annette

 

Hi Berian!

"... Er hätte einem Mädchen nicht zugetraut, so etwas zu schreiben..."

Wieso sollten nicht auch Mädchen so etwas schreiben? Ist doch auch in Ordnung. Viel Kritik kann man hier glaube ich auch gar nicht ablassen, allerdings muss ich mich Catseyes anschließen. Schon nach vier Tagen zu töten? Vielleicht nach sechs Tagen?! ;)

Bis dann!
Caro

 

Hallo Caro

Schön, dass du meine Geschichte gelesen hast.
Naja, unser Lehrer dachte halt, dass Mädchen mehr so Märchen und Lovestorys schreiben und Jungs die Mörder- und Ballerstorys. Der war dann ganz schön erstaunt.
Wegen dem Töten: Ich habe keine Ahnung, was ein Mensch alles tun würde, um etwas zu essen zu bekommen. Ich denke, da sind alle anders.

LG!
Sandra

 
Zuletzt bearbeitet:

Und wie...

Ich finde deine Geschichte wahnsinnig gut, von dir vorgelesen aber tausenmal besser. Wenn ich es noch einmal lese, dann muss ich immer daran denken, wie du es vorgelesen hast, weiss auch nicht wieso. Aber das klang dann irgendwie sehr gut!

ä schöni Zyt wünscht dir
ds Mäni

 
Zuletzt bearbeitet:

Hoi Mäni

Merci viu mau!
Wir können ja mal eine private Lesung machen. Du liest "Das Mädchen" (wunderschön) und ich "Der Ring".
Liebe Grüsse
Sandra

 

Hi Berian!

Meine Meinung zu deiner Geschichte kennst du ja auch schon :)!:

SUUUUPER!!!!!!

Liebe Grüsse
Lune

PS: Darf ich auch mitmachen bei der privaten Lesung zu ehren von Dobler (oberwürg!!!)??? Z.B. mit "Gedankenspiele", dann haben wir schon beinahe die Hälfte der Geschichten, die in der Projektwoche entstanden sind :)!

 

DAAANKE :-))))

Klar darfst du auch kommen. Aber die Jungs müssen draussen bleiben ;-)

 

ALLERDINGS!!! Sonst schlafe ich ein... Ich mochte diese Geschichten nicht sonderlich...

Liebe Grüsse
Lune

 

Das wäre damit geklärt, ab jetzt bitte wieder Beiträge, die sich auf die Geschichte beziehen.

Danke.
Kitana

 

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