Was ist neu

Der Ring

Mitglied
Beitritt
30.12.2002
Beiträge
92

Der Ring

Der Ring

Müde liege ich auf dem zerschlissenen Strohsack. Meine Glieder sind schwer, ich kann kaum den Kopf heben. Der pochende Schmerz in meinem Arm will nicht vergehen. Wenn er gebrochen ist, bin ich verloren. Wie soll ich mit einem gebrochenen Arm kämpfen. Der letzte Gegner war stark, fast zu stark. Wäre er nicht unachtsam gewesen, hätte er mich getötet. Doch so habe ich seine Schwäche ausgenützt und überlebt.
Ich will nicht kämpfen und ich ekle mich vor mir selbst, wenn ich daran denke, was ich getan habe. Doch was bleibt mir anderes übrig. Die Auswahl ist nicht sehr groß. Kampf oder Tod.
Und ich will leben.

Seit zwei Wochen werde ich hier wie ein Tier festgehalten. In dieser Zeit mußte ich fünf Mal in den Ring.
Fünf Mal habe ich gekämpft.
Fünf Mal hatte ich Glück.
Fünf Mal habe ich überlebt.
Die Regeln sind einfach: Der Stärkere gewinnt. Und der Kampf ist erst vorbei, wenn einer tot ist.

Wie ich hierher gekommen bin, weiß ich nicht genau. Ich war auf einem Sommerfest. Als ich alleine heimgelaufen bin, habe ich plötzlich einen Schlag auf den Kopf bekommen. Aufgewacht bin ich hier in meiner Zelle. Man gab mir zwei Tage Zeit, mich auszuweinen, alle zu verfluchen und mir die Hände an der Tür aufzureißen. In dieser Zeit bekam ich nichts zu essen. Nach zwei Tagen hätte ich für ein Stück Brot alles getan. Sie stellten mich in den Ring und sagten mir, wenn ich überlebe, gäben sie mir etwas zu essen. Ich hatte keine Ahnung was ich tun mußte, bis das Scheinwerferlicht plötzlich aufflammte. Mir gegenüber stand ein junger Mann, der sofort versuchte, mir an die Kehle zu gehen.
Er hat den Kampf nicht überlebt.
So ging es auch in den anderen vier Kämpfen. Jedesmal hatte ich junge Menschen in meinem Alter als Gegner.
Wenn man im Ring steht, verschwindet alle Menschlichkeit. Es geht nur noch ums nackte Überleben. Nach meinem ersten Kampf mußte ich mich in einer Ecke erbrechen. Ich konnte nicht fassen, was ich getan hatte. Ich fragte mich nach dem Wieso. Wieso hetzen sie uns aufeinander?
Ich fand es beim zweiten Kampf heraus. Nachdem ich zusammengebrochen war, hörte ich Rufe und Schreie. Ich schaute über mich, und was ich sah, schockierte mich. Über mir befanden sich Pelze, Seidenanzüge, Perlenketten und Aktenkoffer. Reiche Leute, die Geld bezahlen um barbarische Kämpfe zu sehen. Das gab mir den Rest und ich fiel in Ohnmacht.
In den folgenden Tagen fragte ich mich immer wieder: Warum? Warum? Warum machen Menschen solche Dinge?
Am Anfang haben sie mir versprochen, mich freizulassen. Ich habe daran geglaubt. Ich habe gekämpft um zu leben. Inzwischen habe ich gemerkt, daß dies nur leere Versprechen sind. Mit jedem weiteren Kampf ist etwas in mir gestorben. Nach und nach. Mein Wunsch zu leben wird immer kleiner. Wenn das hier Leben ist, ziehe ich den Tod vor.
Die Hoffnung auf Flucht habe ich bereits nach vier Tagen aufgegeben. Hier kommt keiner lebend raus. Draußen gelten wir als verschollen. Wenn sie nur ein bißchen vor ihrer Nase suchen würden. Ich habe nämlich das starke Gefühl, daß ich immer noch in meiner Heimatstadt bin. In meiner schönen, zivilisierten Heimatstadt.

Jetzt sitze ich in meiner Zelle und weiß, daß ich den nächsten Kampf nicht überleben werde. Es berührt mich nicht. Selbst wenn uns jetzt jemand freilassen würde, könnte ich nie mehr so leben wie früher. Ich habe fünf Menschen getötet. Also werde ich in den nächsten Kampf gehen und dabei sterben.
Diese Gleichgültigkeit schockiert mich ein wenig. Bin das wirklich ich? Nein, ich existiere schon lange nicht mehr. Ich habe einem Wesen Platz gemacht, daß sich selbst und anderen gleichgültig entgegenschaut.

Die Tür öffnet sich. Jetzt ist es also so weit. Mühsam stehe ich auf und wanke zur Tür. Heute werde ich die Erwartungen des Publikums nicht erfüllen. Das verschafft mir eine kleine Genugtuung.
Der kleine, schmierige Typ wartet schon draußen. Er führt mich zum Ring. Als ich ihn betrete, ist es dunkel. Doch bald wird das Licht angehen. Es ist schneller so weit, als ich dachte. Zuerst flackernd, dann immer stärker flammen die Scheinwerfer auf. Mir gegenüber steht ein junges Mädchen, vielleicht sechzehn Jahre alt. Es ist nicht ihr erster Kampf. Ich sehe es in den Augen. Diese Augen sind leer, schon fast tot. Ob meine wohl gleich aussehen?

Die Rufe und Schreie der Zuschauer scheinen mir unendlich weit entfernt. Alles außerhalb des Rings verschwimmt vor meinen Augen. Es gibt nur noch das Mädchen, mich und den Tod. Sie greift mich sofort an. Ich bleibe einfach stehen. Lasse es zu, daß sie anfängt mich zu würgen. Ich spüre, wie sie mir die Luft abschneidet. Ich habe furchtbare Angst vor dem Tod. So hatte ich mir mein Leben nicht vorgestellt. Mein Sichtfeld wird immer kleiner, schwarze Balken schieben sich vor meine Augen. Plötzlich wehre ich mich dagegen. Instinktiv. Ich klammere mich an sie, versuche sie wegzustoßen. Doch es ist zu spät. Meine Kräfte verlassen mich. Ich sinke zusammen. Sie läßt nicht los, drückt noch mehr zu. Wahrscheinlich will sie es schnell hinter sich bringen. Das bekomme ich nicht mehr mit. Vor meinen Augen tanzen farbige Lichter und mein Körper wird von einer wohligen Wärme ausgefüllt. Ein letztes Mal bäumt sich mein Körper auf.

Dann ist es vorbei.

Einfach vorbei.

 

Hallo Berian

Ich habe mir deine Geschichte durchgelesen und sie hat mir auf Anhieb gefallen. Klar, man kann auch eine Vorgeschichte und eine Nachgeschichte dazu schreiben, aber ich finde sie steht auch so allein ganz gut da. Sie gibt dem Leser was zu denken und ich konnte mir wirklich vorstellen wie es im Ring abgelaufen ist.
Vielleicht hättest du einen Kampf beschreiben können, wie die Hauptfigur kämpft und siegt? Die Atmosphäre würde nur noch mehr gesteigert! ; )

mfg

Warangel

 

Hallo Berian,

auch mir hat Deine Geschichte gut gefallen. Die Idee ist zwar nun wirklich nichts Neues (wurde auch schon angesprochen), aber darauf kommt es ja nicht an. Du hast es gut geschafft, aus Altem Neues zu machen. Dein Stil ist flüssig und spannend und mir hat es richtig Spaß gemacht, Deine Geschichte zu lesen. :)

Griasle,
stephy

 

@ Warangel
Danke für deine Kritik. Einen Kampf zu beschreiben finde ich für den Anfang etwas schwer. Die Gefahr, plötzlich in langwieriges Geschwafel auszuarten, ist ziemlich gross.

@ stephy

Auch dir Dank dafür, dass du meine Geschichte gelesen hast. Es freut mich, dass es dir Spass gemacht hat, sie zu lesen.

Liebe Grüsse!
Berian

 

Hey Bo!

Danke!!! Dein Lob bedeutet mir unglaublich viel. Ich bin froh, dass dir "Der Ring" so gut gefällt.

Liebe Grüsse!
Sandra

 

Schade, das ältere Geschichten dank des Foren Systems und des ständigen Nachschubs an neuem Material schnell in Vergessenheit geraten, und gut, das es dieser Geschichte erspart geblieben ist, dann sie gefällt mir!

Was ich vor allem gut finde ist die Tatsache, das Du auf viele Fragen keine Antwort gibst. Wer? Warum? Wo? Wie? Für wen? All das läßt Du bewußt offen! Lediglich zum Erzähler würde ich mir etwas mehr Hintergrundinformationen wünschen. Hat er Angehörige oder Freunde, durch die gerettet zu werden er hoffen kann? Und warum glaubt er, noch in seiner Heimatstadt zu sein? Die Informationen könnten mit ein oder zwei Sätzen eingestreut werden. Ansonsten ist die Geschichte, so wie sie ist, in Ordnung, denn sie beschränkt sich auf das Wesentliche.

Ich muß allerdings anderen Kritikern zustimmen, das Ende durch die Hände eines 16-jährigen Mädchens/jungen Frau ist etwas unwahrscheinlich.

Zwei Dinge zum Thema:

1. ist die Geschichte bei Fantasy/Märchen in der falschen Rubrik. In der Sparte Gesellschaft wäre sie besser aufgehoben.

2. gibt es solch barbarische Kämpfe tatsächlich. In Amerika gibt es Cage Fights (Käfig Kämpfe), die zwar extrem selten zum Tode führen, aber in denen alles außer Waffen erlaubt ist. In Deutschland sind diese Kämpfe wegen ihrer Brutalität verboten, und auch auch das Vertreiben von Videomitschnitten der Kämpfe ist untersagt. Wenn man also bedenkt, was manche Menschenhändler ihrer "Ware" antun, so ist es nicht undenkbar, das solche Kämpfe wie in Deiner Geschichte tatsächlich stattfinden. Aber ich befürchte fast, das man dafür keinen entführen müßte. Es würde Freiwillige geben!

Weiter so!

Kane

 

Es tut mir leid, dass ich von deiner Geschichte nicht ganz so begeistert bin, wie alle anderen hier, aber ich hab da schon noch was auszusetzen.
Dadurch, dass du das Ende vorweg nimmst (der prot sagt ja gleich, dass er beim nächsten kampf sterben wird), verhinderst du jedwedes Aufkommen von Spannung, und dér Tod ist nicht mehr so vielsagend. Bis zuletzt habe ich auf einen Umschwung gewartet, dann hast du ja auch einen Ansatz gemacht, asl er sich versucht zu wehren, aber dann wurde ich doch enttäuscht. ich hätte es interessanter gefunden, wenn er plötzlich doch zum Tier wird, und hinterher festestellt, dass er durch seinen eigenen Selbsterhaltungstrieb in diesem Leben gefangen ist... oder so.
Naja, der lächelnden Mehrheit scheints ja so gefallen zu haben. Aber ne konstruktive negative Kritik ist doch auch mal schön!
-Derfabi-

 

Toll, nach dem Urlaub so viel Feedback vorzufinden :-).

@Brother Kane
Ich finds toll, dass auch dir die Geschichte gefallen hat. Die Antworten auf all diese Fragen könnte ich ja gar nicht schreiben, da ich den Text aus der Sicht der Hauptperson geschrieben habe. Und sie/er weiss die Antworten ja selbst nicht.
(Fast) jeder hat doch Verwandte oder Freunde, die ihn vermissen. Vielleicht nicht sofort, doch ganz sicher nach einer Weile. Das erklärt auch die Hoffnung.

@ Annette
Danke für die Ankündigung :-). Bist ein Schatz.

@ fabi
Hey, es braucht dir nicht leid zu tun, wenn dir die Geschichte nicht so gefällt.
Ich hatte damals, als ich die Geschichte schrieb, keine Lust, sie/ihn am Leben zu lassen. Wenn ich eine Geschichte schreibe, dann denke ich immer so könnte ich es noch machen, oder so, oder so. Für eine Endlösung muss ich mich dann halt entscheiden. Das ist auch der Grund, weshalb ich manche Ideen nicht aufschreibe. Ich finde es dann einfach schade, dass der Text dann nur in einer Fassung existiert.
Und über deine sogenannte negative Kritik habe ich mich gefreut. Ich bin froh, dass es auch solche gibt, sonst wäre ja was nicht mehr in Ordnung.

@Bo
*rotwerd*

Liebe Grüsse euch allen!
Berian

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Berian,

die Geschichte hat mir ganz gut gefallen, aber der mangelnde Realismus hat auch mich gestört. Sicher, es ist eine Fantasy-Story - aber eine innere Logik muss da genauso vorhanden sein wie in jedem Genre. Sagen wir mal so: Wenn ich die Welt, in der die Handlung spielt, näher kenne und definitiv weiß wie die Charaktere dort beschaffen sind, sie z.B. leichter jemanden töten als bei uns, dann ist das in Ordnung. Hier dagegen bleibt mir nur Spekulation ... und ich habe keinerleih Hinweis, keinen Beleg im Text dafür, dass meine Theorie, dass die Welt dort anders beschaffen ist, richtig ist. Und ohne Belege zählt die beste Theorie - nichts.

Ich mag Erzählungen die in Arenen spielen, ich musste flüchtig an einen (zugegeben recht seichten <g>) Roman von Zimmer-Bradley denken.
Unrealistisch fand ich auch gar nicht mal soooo sehr, dass die Menschen so schnell zum Töten bereit sind, sondenr eher dass sie augenscheinlich ohne Waffen kämpfen und die Ich-Erzählerin in ihrem ersten Kampf einen jungen Mann mit bloßen Händen getötet hat - wenn ich das richtig verstanden habe. Wenn sie Waffen hätten, wäre das weitaus plausibler für mich.

Details:

Fünf Mal habe ich gekämpft.
Fünf Mal hatte ich Glück.
Fünf Mal habe ich überlebt.
Möglicherweise subjektiv, aber eine stärkere Wirkung würde bei mir erzielen, wenn die Reihenfolge wie folgt wäre:

Fünf Mal habe ich gekämpft.
Fünf Mal habe ich überlebt.
Fünf Mal hatte ich Glück.

Der Punkt ist nämlich der, dass aus dem zweiten Satz in deiner Version ja der Dritte quasi überflüssig geworden ist.
Bei einer Umstellung dagegen gibt der dritte Satz eine Information, die die beiden ersten Sätze noch nicht beinhalten - nämlich dass der Sieg auf Glück beruht.

Ob meine wohl gleich aussehen?
Meiner Meinung nach besser: "genauso" statt "gleich", weil "gleich" zu unscharf ist und Assoziationen zu "gleichgültig" weckt bzw als Synonym davon verwendet wird.

Dass die Protagonistin am Ende das Leben aushaucht gefiele mir besser, wenn es sich dabei nicht um eine Erzählung aus der Ich-Perspektive handeln würde, aber ... was will man machen. <g>

cu
Ginny

 

Hey Ginny!

Entschuldige, dass es so lange gedauert hat, aber ich war im Urlaub.
Ich danke dir für dein Feedback.
Nun, der mangelnde Realismus wurde ja schon häufiger angesprochen. Ich denke einfach, dass ich die Geschichte um einiges mehr ausbauen müsste, wenn ich alles genau darstellle wollte. Und das ist für mich nicht der Sinn der Geschichte. Sie soll nicht eine ganze Gesellschaft erklären, sondern eben nur die Geschichte des Hauptcharakters.

Deine Details finde ich gut, ich werde mir das mal überlegen.

Liebe Grüsse!
Berian

 

Die ist wirklich stark, Berian, und ich habe überhaupt nichts herumzumäkeln.
Die Geschichte ist richtig "knackig", von allem Überflüssigen befreit. Trotzdem wirkt deine Hauptfigur sehr lebendig.
Die Handlung hat Tempo, ist enorm spannend, der Bad-Utopia-Hintergrund kommt gut wie ein Endzeitfilm und der Schluß ist frei von Kitsch. Von dir lese ich gerne mehr!

Louis Cyphre

 

Hey Berian,

sprachlich habe ich an deiner Geschichte auch nichts mehr zu meckern gefunden, habe sie gern gelesen, aber ich bin der Meinung, dass sie nicht nach Fantasy gehört. Eher nach SciFi oder Gesellschaft.
Tut mir Leid, dass ich nichts wirklich konstuktives zu sagen habe. Vor dem Hintergrund, dass deine Handlung nicht wirklich innovativ bzw überraschend ist, war es trotzdem ein schöner Text.

Bitte setz dich baldmöglichst mit mir in Verbindung, wohin du die Geschichte nun haben willst. Denn für Fantasy ist sie mir nicht fantastisch genug.

gruß
gobbo
:bounce:

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom