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"Der rote Ritus" oder "Versagen"

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07.07.2004
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"Der rote Ritus" oder "Versagen"

Kurzgeschichte

"Der rote Ritus"

I

Zweifellos war Andreas ein einfältiger Mensch. Sei es auf Grund seiner abstrus hässlichen Frisur, sei es wegen seiner bayrisch angehauchten, fettbeschmierten Trachtenkleidung, oder einfach nur, weil sein Gesicht so treudoof blickte: In seiner ganzen Erscheinung spiegelte sich seine immense Einfalt wieder. Auch seine Um-gebung war von einer eminenten Groteske gezeichnet: Neben ihm standen, zu seiner Linken, der hagere, hoch gewachsene Matthias Schmidt (gewisse Ähnlichkeit mit einem Affen nicht zu verleugnen!) und zu seiner Rechten, der erschreckend schrecklich aussehende Felix Lanfermann.
Den kleinen Kreis der Drei umgab eine förmlich glühende Aura der Dummheit und des immerwährenden Versagens.
II

Es war noch früh am Tage, da standen die Drei schon wieder in ihrem kleinen Grüppchen auf dem dreckigen, verschmutzten und stinkenden Pausenhof. –Es war ein Ort des makabren Grauens; die Drei fühlten sich sichtlich wohl hier zu weilen. Der Grund für ihren Aufenthalt war die fünfzehnminütige Pause, welche leider auch intelligentere Leute dazu zwang mit minderwertigen Trotteln in Kontakt zu treten.
Ihre Gespräche, die sie zu führen pflegten, werden hier bewusst ausgelassen, da diese so abgrundtief uninteressant, einschläfernd und zeitverschwenderisch wären, dass in dieser Geschichte nur die wichtigsten Satzkonstruktion, die sie –mit Mühe und Not– konstruierten, Erwähnung finden sollen. Matthias Schmidt, von seinen einigen wenigen Freunden Schmiddy genannt, sagte gerade in diesem Moment etwas weltbewegend Prophetisches, welches auszulassen töricht wäre:
„Die Welt ist voller Versager.“, verkündete er in seiner geheuchelten Pseudomelancholie –er war sich der Tragweite dieser Aussage nicht ganz bewusst.
Felix Haare, in all ihrer unglaublichen Voluminösität, nickten eifrig.
So manch geschwätziges Plappermaul sagt, Felix’ Haarschopf hätte ein Eigenleben entwickelt; unbestreitbar ist allerdings der Fakt, dass sie anstatt in die Länge zu wachsen, lieber in die Breite gingen.
Auch das Haupt –oder besser gesagt– die exorbitant große Bollerbirne von Andreas ging in emsiger Zustimmung auf, sodass man sich des Gefühles nicht erwehren konnte, die Drei seien sich der Präsenz ihres eigenen Versagens gar nicht bewusst.
III

Dann, wie aus heiterem Himmel, trat eine Gestalt zu ihnen, die ganz und gar nicht in das Bild des Versagens passen wollte, allein die Intelligenz die diese ausstrahlte war von einer solchen Mannigfaltigkeit, dass dieses agile Wesen einen so herben Kontrast in das Bild zauberte, noch deutlicher und kontrastvoller als hätte es beispielsweise Leonardo Da Vinci gekonnt.
„Von Versagen gepeinigt und mit Dummheit bestraft!“, sagte das wundersame Wesen in latent dekadentem Tonfall, seine angenehm dünne Hand deutete mit einer gewissen Aversion auf die Gruppe.
„Ich habe von eurem schändlichen Plan erfahren, wieder eine solch abscheuliche Party zu feiern!“, fuhr es fort.
„Mögen euch diese Verse eine Warnung sein!“, und dann -umgeben von einer Aura der Rechtschaffenheit und der unbeugsamen Prinzipien- sprach es folgendes:

Möge das Feiern den Sinn euch verklären
Den Blick auf so manch Magisches gewähren
Doch Vorsicht soll geboten sein,
Der Tod, der liegt im Rausch allein!

Dann, so elegant es zu ihnen stieß, so gleichsam elegant und erhaben verließ es sie wieder, ließ die Drei mit dummen Gesichtern stehen.
Keiner der drei hatte auch nur eine Silbe verstanden.
IV

Alsbald kam es zu der Feier; Wasserpfeife und Massen an alkoholischen Getränken waren herangeschafft worden. Als Ort zum Feiern war die Garage eines Bekannten auserkoren worden; in Form des Gastge-bers durfte dieser selbstredend mitfeiern. -Er war töricht genug über die Gefahren des diabolischen Alkohols hinwegzusehen, mal von der Gefährlichkeit der Wasserpfei-fe ganz abgesehen. Doch so manches Wäs-serchen hatte ihm den Sinn verklärt, ließ Wahres mit dem Fiktiven verschwimmen, machte ihn zu einer willenlosen Marionette seiner niederen Gelüste. Passend zu seiner voluminös korpulenten Gestalt trug er den maskulinsten aller Namen Maria.
Um den Kreis des unbändigen Versagens noch ein wenig zu erweitern, wurden kur-zerhand noch zwei weitere Jugendliche eingeladen. Ersterer trug den hübschen Namen Hannes Jacobi, der Zweite war mit dem Allerweltsnamen Marcel gestraft.
Hinter vorgehaltener Hand wurde besagter Hannes aufgrund multipler Gesichtsdefor-mationen stets Marzipankartoffel genannt. Zugegeben, seine Kopfgröße war ein we-nig unnatürlich, sogar konkurrenzfähig mit der von Andreas, hinzukommend die Kopfform, doch war er nichtsdestoweniger der Schönste des Versagenskreises und dies war nicht zuletzt auf die gottgleiche Schönheit seiner Haarpracht zurückzufüh-ren. Viel schlimmer als die hinterfotzig stillosen Kommentare über dessen Kopfform, war das hinterlistige Intrigenspiel seitens Maria(s), der es auf seine gewohnt plumpe Art in kürzester Zeit schaffte, das Gerücht zu verbreiten, Hannes sei eine Art männliche Hure, die ihren Körper liebend gern für ihn hergab. In Kirchhellen, so hieß das zierliche, überschaubare Dörfchen, in dem sie ihr armseliges Leben fristeten, verbreiteten sich derlei Gerüchte wie vom Wind vorangetriebenes Feuer bei sengender Hitze. Natürlich war das, was Maria so verbreitete alles an den Haaren herbeigezogen, vielmehr bekam man den Eindruck, als seien seine Lüge geheime Wunschvorstellungen.
Der andere Extragast namens Marcel Hoffmann zeichnete sich eher durch seine auffällig auffällige Feigheit aus, die er stets an den Tag zu legen pflegte. Er war der typische Mafiaboss: Immer im Hintergrund versteckt, gibt er bösgesinnte Aufträge an Mittelsmänner weiter und würde dabei nie nur auf die Idee kommen, sich seine feinen Sportlerhände schmutzig zu machen! Wenn er gerade mal nicht Mafiaboss war, vertrieb er sich die Zeit mit einer der sinnlosesten Sportarten, nämlich Fußball. Mit ausschließlich gehirnlosen Kindern verbrachte er so manchen Tag auf dem Bolzplatz um seinen Fußballbody zu strählen.
Die beiden, Hannes und Marcel, –in ihrem jugendlichem Leichtsinn- nahmen die Einladung dankend an und fanden sich schon bald neben Andreas, Schmiddy, Felix und Maria in der Gerümpelgarage ein.
V

Die Party war schon voll im Gange: In einem kindergartenähnlichen Sitzkreis um die Wasserpfeife versammelt, lauschten sie der grotesk hässlichen Musik, die lauter als laut die Luft erfüllte. Dämmriges Licht beleuchtete die Feierstätte und erweckte eine gespenstische Atmosphäre. Wie ein Turm stand die orientalische Wasserpfeife mit zahlreichen Ornamenten verziert, in der Mitte des Kreises; anmutig, herrschsüchtig erhob sie sich scheinbar über alles und türmte königlich in all ihrer Zerbrechlichkeit. Ihr Korpus war nämlich aus feinstem Glas handgefertigt; ihre Erscheinung war beängstigend. Neben der ohrenbetäubenden Musik erfüllte nun auch ein benebelnder Duft die bereits stickige Luft.
„Komm lass mich mal ziehen!“, tönte es in prolliger Manie aus Andreas Mund. Reihum zog jeder einmal an dem Mundstück, welches mit einem ledernen Schlauch mit dem Körper der Wasserpfeife verbunden war.
Dazu wurde von Jägermeister über Ouzo bis zum gewöhnlichen Königspilsener alles literweise in sich hineingegossen. Es war das reinste Saufgelage. Doch der Alkohol verfehlte seine Wirkung nicht, nein, er machte allesamt zu willenlosen, nachlässigen und unachtsamen Figuren, die noch armseliger als sonst fast schon Mitleid ver-dient hätten (wohlgemerkt fast!!!). So achtlos wie sie waren, bemerkten sie auch nicht wie Maria in seinem Rausch einen Benzinkanister aus dem offenen Regal stieß und wie dieser Behälter dann auf den steinigen Boden der Garage knallte. Betäubt von dem Geruch des Wasserpfeifentabaks, konnten ihre Nasen noch nicht einmal das auslaufende Benzin registrieren. Unaufhaltsam, ohne Unterlass strö-mend, leerte sich der Kanister…
Die Szenerie wirkte beklemmend unheimlich: Das Benzin, das jetzt wie ein Ozean den kalten Steinboden verhüllte, warf im Dämmerlicht klare Spiegelbilder der düste-ren Umgebung; die Sitzkissen, welche als Stuhlersatz auf den Boden gelegt worden waren, wurden jetzt zu Booten, mit hilflo-ser, betrunkener Besatzung, die um den rettenden Leuchtturm in Form der Wasser-pfeife schwammen.
Nach einiger Zeit, war das polarisierende Licht des Leuchtturms allerdings verloschen: Es musste neuer Tabak gezündet werden.
Es war Marcel, der die Schönheit des Feu-ers wiederentdeckte: Seine Hand, durch den Alkohol ganz zittrig, griff nach dem Feuerzeug, das auf dem siebten, noch frei-en Sitzkissen gelegen hatte. Seine Hand umschloss es liebevoll, hob es und zündete dann die Flamme. Bevor er die Wasser-pfeife erneut entflammen wollte, ließ er das Flämmchen brennen. Gebannt starrte er auf das tanzende Licht; verführerisch und sinnverblendend erwiderte es seinen Blick. Die restlichen Sechs –im Vollrausch gefangen- wurden in diesem Moment noch nicht Zeugen der neu entflammten Liebe: Andreas zum Beispiel war bereits von sei-nem Sitzkissen geglitten, lag tief in Trance verfallen, in der Benzinlache.

Liebe nimmt manchmal komische Formen an.
In Marcels Fall waren dies Pyromanische: Mit der immer noch brennenden Flamme des Feuerzeuges wollte er eine unzertrenn-liche Verbindung eingehen, er wollte sie spüren; intensiv und nachhaltig am ganzen Körper spüren.
VI

Marcels Hochzeit mit dem Feuer wohnten sechs weitere Menschen bei: Die ganze Gruppe, immer noch im Kreise versammelt, betrachteten nun halb abwesend was da geschah; über allem thronte ohne Ver-änderung die Königin in Wasserpfeifen-form. Sie begutachtete von oben herab den roten Ritus auf ihre weise, majestätische Art.
Alsbald begann die Zeremonie und Marcel vereinigte sich mit dem Feuer. Erst begann er seine Kleidung zu entzünden, dann lachte er lauthals, mephistophelisch und irrsin-nig; jedwede Vernunft hatte seinen Körper verlassen, sein Geist war nicht nur vom Alkohol umnachtet.
Auch die anderen gestikulierten wahnsin-nig, geistesgestört und krank. Eigentlich hätte das Benzin schon lange in selber roter Pracht aufgehen wollen, doch war der Anblick, der sich ihm bot, so verzaubernd schön, dass es allen chemischen Gesetzen entsagte und gebannt die Zeremonie verfolgte.
Marcels dicker Pullover stand bereits in hellen, züngelnden Flammen, das heiße Licht wärmte ihn so innig, da entließ seine Hand das Feuerzeug, den Spender seiner Liebe, die jetzt mit ihm vereinigt war und ließ es –mit einem Gefühl alles erreicht zu haben- auf den Boden fallen.
Der kleine Funken, der beim Aufprall des Feuerzeuges den benzingetränkten Boden kitzelte, beschwor den Höhepunkt der Zeremonie herauf:
In einer roten Explosion wurde alles von schreienden, lachenden Flammen ver-schluckt; das apokalyptische Inferno voll-endete in roter Mannigfaltigkeit die Festlichkeit. Niemand würde die Aufschrift der provisorischen Tabakpackung je zu Gesicht bekommen: Der Schriftzug „Opium“ war nun wie alles andere nur noch Asche.
Die Droge machte den Sechs ihren Tod angenehm, die Qual selbst hatte sie nie gequält, der Rausch war ihnen ein Vater, lachend fanden sie die ewige, endgültige Schwärze.

Sanft und flackernd brennt das Feuer
Gemütlich warm und gar geheuer
Hüllt weich all das Versagen ein
Mag auch der Tod das Ende sein

VII

Noch lange darauf brannte das Feuer unbemerkt, bis endlich jemand die Feuerwehr rief.
Den Feuerwehrleuten eröffnete sich ein entsetzliches Bild, so furchtbar und markverzehrend wie sie es noch nie zuvor er-blickt hatten:
Eine beinahe ausgebrannte Garage, vermutlich sieben Leichen, allesamt bis zur Unkenntlichkeit verbrannt und inmitten dieser grausigen Szenerie thronte die schwarze Königin Shisha*1. Sie hielt sich ihren schwarzgekohlten Korpus vor Lachen: Ihr Lachen war grausam, gleichsam diabolisch und satanisch. Die Feuerwehrleute haben es nie gehört.
Auch der verbrannte Ringfinger Marcels verkohlter Leiche blieb ihnen im Verbor-genen. Diesen umgab ein tiefroter Ring, der sich von all der Aschenschwärze genau abhob. Ein letztes Mal der Liebe, so un-vergänglich, so immerwährend, selbst über den Tod hinaus.
Shisha triumphierte. Sie hatte erreicht, was sie begehrte. Das lästige Licht des Versagens war endgültig, unwiederbring-lich verloschen.

Schwarz und herrlich,
Verdorben und gefährlich,
Thront sie über allem,
Der Tod ist ihr Gefallen.

Erreicht ist ihr Ziel
Das Versagen verfiel
Stolz, in königlicher Pracht
Hat sie ihr Werk vollbracht!

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*1= „Shisha“ ist die arabische Bezeich-
nung für die Wasserpfeife

Alle Namen respektive Charaktere sind frei erfunden

 

Hallo Batzen und Herzlich Willkommen auf kg.de

Leider muss ich sagen, dass mir deine Geschichte nicht so wirklich zusagte. Es gab die eine oder andere Stelle (eher am Anfang), wo ich ein wenig lächeln musste, ansonsten hast du aber nicht meinen Humor getroffen. Störend wirkte sich vielleicht auch aus, dass sehr viele Wörter in deinem Text durch Bindestriche getrennt sind, wo definitiv keine hingehören. Das störte meinen Lesefluss schon nicht unerheblich. Auch die Unterteilung mit den römischen Ziffern fand ich nicht ganz so schön.

Gruss
Lemmi

 

Moin Batzen,

Erstmal Willkommen auf KG.de

Ja, deine Geschichte fand ich im Großen und Ganzen schon gelungen. Da ich ein großer Fan von ausladen langen Sätzen mit knuffigen Adjektiven bin (ich selbst mache das auch oft), hat mir der Stil deiner Geschichte gut gefallen.
Inhaltlich fand ich die Sache aber nicht so prickelnd. Der Plot ist recht einfach gehalten und der Schluß ist eher unspektakulär, da von langer Hand angekündigt (vom Überraschungsmoment her gesehen). Das Gedicht am Schluß fand ich auch eher unpassend.
Ein wenig genervt hat mich ehrlich gesagt am Anfang, wie oft du geschrieben hast, wie doof deine Protagonisten doch wären. Da hast du meiner Meinung nach den eigentlich guten Ansatz mit den vielen negativen Eigenschaften ein wenig überstrapatziert.
Richtig lustig fand ich die Geschichte eigentlich nicht, aber der Stil hat mir ziemlich gut gefallen.

Ach so: Lemmi hats angesprochen - du hast ziemlich oft Worte durch Bindestriche getrennt, wo keine hingehören. Da solltest du dringend noch mal rübergehen.

die noch armseliger als sonst fast schon Mitleid ver-dient hätten (wohlgemerkt fast!!!).
Die KLammer würde ich unbedingt weglassen
inmitten dieser grausigen Szenerie thronte die schwarze Königin Shisha*1.
Besser vielleicht "Sisha, die erste"

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich danke euch für eure Kritik, muss zugleich jedoch auch anmerken, dass die störenden Bindestriche nur auf Grund von WORDs automatischen Silbentrennung eingefügt wurden. Als ich die Kurzgeschichte hinterher hier einfügte, war praktisch alles getrennt... Aber genug der Ausreden; selbstredend werde ich die übrigen Trennstriche entfernen.
Und dann noch was zur Kategorie: Ich habe auch gemerkt, dass Humor (abgesehen von dem Anfang der Geschichte) nicht ganz die passende Kategorie ist, doch nun ist es zuspät...
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Zitat:
inmitten dieser grausigen Szenerie thronte die schwarze Königin Shisha*1.

Besser vielleicht "Sisha, die erste"


"*1" sollte ein Asterisk mit der Nummer 1 darstellen, der auf das unter dem Text Stehende hinweisen soll (die 1 ist eigentlich überflüssig)

 

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