Was ist neu

Der Schmerzvertilger

Mitglied
Beitritt
01.03.2004
Beiträge
19
Zuletzt bearbeitet:

Der Schmerzvertilger

Das Erwachen war purer Schmerz. Die tausend Stecknadeln in meinem Hirn stachen in meine Gedanken und machten sie zu leeren Hüllen, die an der Decke zerplatzten. Mit lautem Knallen so kam es mir zunächst vor, aber der Körper neben mir unter der Decke dachte nicht daran sich zu regen, also durfte das Zerplatzen kein Geräusch gemacht haben. Genaugenommen waren die einzigen außerhalb des Schmerzes wahrnehmbaren Geräusche Kinderstimmen und Autoverkehr auf der Strasse. Durch die Fensterscheiben drang nur wenig Licht, denn sie waren seit Ewigkeiten nicht gewienert worden. Kein Verlangen nach dem alles einnehmendem Frühling gehabt bisher. Schmutzschichten schienen ehrlicher zu sein. Moment mal, wer war der Mann dort neben mir? Der, von dem nichts sichtbar war außer der linke Fuß, der unter der Bettdecke herausgerutscht war und einem Büschel schwarzer Haare auf dem Kopfkissen. Mein Verstand versuchte sich durch den pochenden Nebel zu kämpfen. Nichts zunächst. Kein Signal.

Roch das Zimmer nach Sex? Schwer zu sagen. Die Luft stand im Raum wie das Wasser in einem modrigem Tümpel. Alkohol war auszumachen. Was sonst. Verbrauchter Sauerstoff. Schweiß. Staub. Ich schloß die Augen. Dahinter tanzten bunte Funken, die die Stiche verstärkten. Mit den Funken kam keine Erinnerung. Nicht ein Fetzen. Wenn er bloß nicht aufwachte. Zumindest nicht allzu bald. Vorher mußte sie zurück sein, die Erinnerung an die vergangenen Stunden. Meine Gedanken versuchten sich an die Melodie seines Atmens zu hängen, vielleicht fand ich dort etwas Vertrautes. Es klang gleichmäßig wie das Schnurren einer alten Nähmaschine. So eine mit schmiedeeisernen Füssen wie sie meine Großmutter früher besaß. Ich hatte ihr gerne beim Nähen zugesehen, saß auf dem Boden zu ihren Füssen und beobachtete den Takt, den sie am Tretpedal vorgab. Seinen Atem mochte ich ohne Zweifel. Er weckte Erinnerungen, nur leider nicht an ihn. Sich auf seinen Geruch zu konzentrieren war im Wirrwarr der Abgestandenheit schwierig, wollte mir nicht gelingen. Wenn ich aufstehen würde und ein Glas Wasser trinken könnte, würde der Schmerz vielleicht „Adieu!“ hauchen und die vergangenen Stunden zurück in mein Hirn transportieren, aber ich erwähnte ja bereits, daß ich nicht daran dachte ihn zu wecken und Aufstehen hätte ihn sicher geweckt.

Überraschend bewegte sich unter der Bettdecke sein Bein und landete auf meinem. Ich hielt für einen Moment den Atem an. Im Schlaf vollzog sein Körper eine halbe Drehung zu mir hin. Dicht an mich heran. Seinen Mund spürte ich an meinem Nacken, der daran dachte sich zugleich in ein Gefäß zu verwandeln, welches die Tropfen seines Mundes dankbar entgegennahm. Ein Arm hatte die Drehung auf meiner Hüfte beendet, welches jene mit Kribbeln quittierte. Wie kann mein Körper bloß derart reagieren, fragte ich mich fast schon panisch, wo mich mit diesem Mann nichts verbindet? Kein Hauch eines Bildes, noch nicht mal die Farbe seiner Augen in meinem Gedächtnis, kein geteiltes Lachen. Verschwunden waren die Kopfschmerzen immer noch nicht, aber sein unbewußtes Herandrängen machten sie erträglicher, nahmen ihnen die Schärfe. Die Hand auf meiner Hüfte begann ein Eigenleben zu entwickeln. Sie wanderte herunter zu meinem Bauch und streichelte ihn sanft und doch nachdrücklich. Unmöglich, daß dieser Mann noch schlief, oder? Ich versuchte nicht mehr Bilder heraufzubeschwören, spürte lediglich, daß ich genoß und das war gut. Der Mund hatte Zähne, diese gruben sich in meinen Nacken während der andere Arm sich unter meiner Hüfte hindurchkämpfte. Er gewann die Schlacht und tauchte auf der anderen Seite an meiner Brust wieder auf. Seine Hand umschloß diese und es fühlte sich an, als wäre diese Hand nur dafür erschaffen worden meinen Busen zu umschließen, keine andere Tätigkeit zu verrichten. Ein Seufzer entschlüpfte meinen Mund. Er taumelte im Raum umher, bevor er ermattet auf einem Bücherregal Platz nahm( dort sitzt er noch heute, da ich ja so selten Staub wische). Die Hitze seines Körpers wärmte meinen Rücken. Meine Rückseite mußte bereits glutrot sein. Das Feste, was sich weiter unten durch meine Schenkel bahnte, hatte ich vor Minuten schon erwartet. Es wurde von einem warmen Ozean empfangen. Von diesem Augenblick an waren wir keine zwei Körper mehr, sondern nur noch einer. Wir klatschten gegen die Wände unserer Häute, gegen die Wände dieses Zimmers, an die Grenzen unseres Seins und gegen das Ende der Welt und wieder zurück. Jetzt war ich froh darüber so unerfüllt von Gedanken zu sein. Es erleicherte die Reise durch alle Stufen von Rot , bei deren Ende wir von der Zimmerdecke glücklicherweise wieder in die Laken fielen. Ich wußte, wie er schmeckt. Salzig. Seine Augenfarbe blieb Geheimnis. Zu schwindelig war mir zumute, um sie fangen zu können. Seine Stimme würde ich nur im Stöhnen wiederfinden. Nach der Reise fiel ich in tiefen Schlaf. Zu erschöpft, um im Hiersein zu bleiben.

Die Strassenlaternen arbeiteten schon, als ich erneut erwachte. Keine Spur von ihm. Weit und breit. Außer der, wie ich später vorm Spiegel bemerkte, dunkelroten in meinem Nacken. Ein stolzes Reisesouvenir. Ich steckte die Haare hoch, damit es alle sehen konnten. Auch beim Kaffee am Küchentisch wollten keine Bilder erscheinen. Nie mehr. Ich hatte vergessen, wie es zu alldem kam. Weg. Schwarzes Loch. Grinsend stellte ich fest, daß der Schlagbohrer in meinem Kopf die Arbeit eingestellt hatte. „Danke!“ sagte ich in Richtung Tür.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo mia.mo und willkommen bei uns.

Deine Geschichte ist erotisch und lässt sich gut lesen. Manchmal empfinde ich sie in den Bildern und Sätzen aber etwas unpräzise und um Außergewöhnlichkeit bemüht. Das hätte sie gar nicht nötig.

Mit lautem Knallen so kam es mir zunächst vor, aber der Körper neben mir unter der Decke dachte nicht daran sich zu regen, also durfte das Zerplatzen kein Geräusch gemacht haben.
- Mit lautem Knallen (da eine feststehende Redewendung)
- Zwischen vor und aber würde ich eher einen Punkt machen, da du den Körper im Bett das erste Mal erwähnst.
- also dürfte
Durch die Fensterscheiben drang nur wenig Licht, denn sie waren seit Ewigkeiten nicht gewienert worden.
Vielleicht nur ein regionaler Unterschied. Aber unter Wienern verstehe ich eher das Polieren von Fußböden mit Bohnerwachs. Im Zusammenhang mit Fenstern erscheint es mir fremd.
Der, von dem ich nichts sichtbar war außer seinem linken Fuß, der unter der Bettdecke herausgerutscht war und einem Büschel schwarzer Haare auf dem Kopfkissen.
Hbe dir die Änderungen mal in das Zitat eingfügt. Mir war dein Satz etwas zu unpräzise formuliert.
Dahinter tanzten bunte Funken, die die Stiche verstärkten.
ein doppeltes die lässt sich auch durch "welche die" ersetzen.
So eine mit schmiedeeisernen Füssen
Füßen
aber sein unbewußtes Herandrängen machten sie erträglicher, nahmen ihnen die Schärfe.
machte sie erträglicher, nahm ihnen ... (da es sich auf das Drängen, nicht auf die Schmerzen bezieht)
Er taumelte im Raum umher, bevor er ermattet auf einem Bücherregal Platz nahm( dort sitzt er noch heute, da ich ja so selten Staub wische.)
Die Klammerbemerkung ist zwar recht humorvoll, stört aber irgendwie die Atmosphäre. Wenn sie aber sen soll, gehört der Punkt hinter die abschließende Klammer.
Die Hitze seines Körpers wärmte meinen Rücken. Meine Rückseite mußte bereits glutrot sein.
Mir Rücken und Rückseite hast du das Problem der Wiederholung leider nciht gelöst. Der musste bereits glutrot sein würde mE reichen.
Das Feste, was sich weiter unten durch meine Schenkel bahnte,
- Auch hier bist du etwas unpräzise. "Das Feste" stört mich, auch wenn ich da keinen besseren Vorschlag für dich habe.
- Durch meine Schenkel bahnte klingt, als bohrte es mitten hindurch (wie schmerzhaft). Es bahnte sich ja eher zwischen den Schenkeln durch.
Jetzt war ich froh darüber so unerfüllt von Gedanken zu sein.
Streich den Satz, denn den ganzen vorherigen Verlauf teilt sie uns doch auch haufenweise Gedanken mit, die sie über seine Anwesenheit überhaupt hat. Den nächsten Satz dann natürlich entsprechend umstellen. ;)
Zu erschöpft, um im Hiersein zu bleiben.
Wenn schon diese Floskel, dann um im Hier zu bleiben.
Die Strassenlaternen arbeiteten schon, als ich erneut erwachte.
arbeitende Straßenlaternen finde ich ein zu bemühtes Bild. Es schafft auch keine Atmosphäre, liest sich nur, als wolltest du es zwanghaft besonders ausdrücken.


Auf alle Fälle ein guter Einstand.
Einen lieben Gruß, sim

 

Hallo mia.mo.

Ich halte den Schmerzvertilger für eine gelungene Kurzgeschichte. Sie hat einen eigentümlichen Witz. Das Klischee sagt, dass Männer eher auf unpersönlichen Sex stehen, während Frauen unbedingt jemanden richtig kennenlernen wollen, bevor sie mit ihm ins Bett steigen. Nun, hier ist das Klischee widerlegt, aber nicht einfach so, sondern auf extreme Weise. Die Frau bekommt ihren Liebhaber nicht einmal zu Gesicht! Nun gäbe es noch die Variante zu moralisieren und in der Geschichte nachzuweisen, dass diese Art Sex nichts bringt und ein schale Leere zurücklässt oder so ähnlich. Alles Verdammenswerte trifft auf die Situation zu: Keine Erinnerung an den Abend zuvor, Alkohol, Kopfschmerzen, Anonymität, Verlassen ohne Abschied. Doch das Gegenteil ist der Fall. Ihre Kopfschmerzen wurden geheilt. Die Frau bedankt sich, und das Danke hat keinen Anflug von Ironie. Symphatisch fand ich auch, dass der Sex nicht so detailgetreu erläutert wurde. Es genügen Andeutungen. Das Klatschen für die Heftigkeit. Die Reise als schöne Metapher, dass es von hier nach dort ging, z.B. vom Bett bis an die Zimmerdecke. Am Schluss das Mal als Trophäe, als Beweis des Begehrtwerdens.

Vielen Dank für diese Geschichte und viel Spaß bei weiteren.

franck

 

Danke Franck,
ich bin gerührt, daß sie Dir so gut gefallen hat und Du meine Prot nicht moralisch bewertest.

Ein Handkuß für Dich, mia

 

Hallo sim,
ich danke Dir für Deine Kritik, obwohl ich den Eindruck hatte, daß sie Dir eigentlich überhaupt nicht gefallen hat, da Du jeden zweiten Satz zu bemängeln hattest. Nett, daß du das sich verlaufene "Ich" aufgestöbert hast und auch den falsch gesetzten Punkt!
Bei der Wortwahl sind wir jedoch nicht einer Meinung. Das Wort "bahnen" verbinde ich nicht im Geringsten mit Schmerz. Man sagt doch auch "Seine Finger bahnten sich geschickt einen Weg durch ihre Kleidung." klingt nicht besonders schmerzhaft. Meiner Prot ging es nicht anders, sie empfand dies als lustvoll, schließlich wurde sie nicht vergewaltigt.

Manchmal habe ich den Eindruck ihr Moderatoren seid dazu angehalten zu schreiben, daß Euch eine Geschichte gut gefallen hat. Besser könnte ich damit umgehen, wenn Du einfach schreiben würdest: "Ich mochte Deine Geschichte nicht, da Du für meinen Geschmack mit zu vielen überladenen Bildern arbeitest.....".

Gruß,mia

 

Hallo mia.mo,

meine Kritik war schon so gemeint, wie sie da steht. Wenn mir eine Geschichte nicht gefällt, schreibe ich es auch. Natürlich bemühe ich mich möglichst dabei, dann trotzdem zu zeigen, was mir dennoch gefällt. Aber ich bin da schon ehrlich.
Ich habe mich allerdings nicht an dem Wort "bahnen" gestört. sondern an dem "durch" ohne den Zusatz "zwischen". Dadurch vermittelst du trotz des Verbs bahnen und der Mehrzahl den Eindruck, die Schenkel wären nacheinander durchbohrt worden. Darauf bezog sich das schmerzhaft und darauf bezog sich der Kritkpunkt "in einigen Formulierungen unpräzise"
Aber auch wenn ich eine lange Liste solcher Anmerkungen zusammenstelle heißt das in der Regel nicht, dass mir eine Geschcihte nicht gefiele. Es sind halt einfach Hinweise. Und selbst wenn du sie nciht übernimmst, hast du dich darüber noch einmal mit dem was du geschrieben hast auseinandergesetzt und dir klar gemacht, warum du etwas wie geschrieben hast.

Lieben Gruß, sim

 

Eine mäßig erotische Geschichte

Deine Geschichte ist nicht schlecht, mia.mo, aber sie könnte besser sein. Zum Beispiel, wenn du sims Vorschläge befolgen würdest. Und vielleicht in dem du den ersten und den letzten Absatz streichst. Denn der erste wirkt aufgeblasen und hat mit dem Rest der Geschichte so gut wie nichts zu tun, und der letzte scheint nur eine Rechtfertigung für den ersten zu sein.

Aufgeblasen heißt in diesem Zusammenhang:
- purer Schmerz
- tausend Stecknadeln
- leeren Hüllen
- zerplatzten
- lautem Knallen
- pochenden Nebel

Der Rest könnte stehen bleiben, obwohl auch dort Schwachstellen zu finden sind:

Ich versuchte nicht mehr Bilder heraufzubeschwören, spürte lediglich, daß ich genoß und das war gut.
Also: entweder genießt man, oder man genießt nicht, hier vom Spüren zu reden ist überflüssig.


Seine Hand umschloß diese und es fühlte sich an, als wäre diese Hand nur dafür erschaffen worden meinen Busen zu umschließen, keine andere Tätigkeit zu verrichten.
Das ist ein Stolpersatz, der Nebensatz überflüssig.


Jetzt war ich froh darüber so unerfüllt von Gedanken zu sein.
Deine Prot lügt hier: die ganze Geschichte besteht aus fast nichts anderem als ihren Gedanken!

Dion

 

Ach Dion,
waren Fettbuchstaben denn wirklich nötig? Mußt Du so dick auftragen?

Anscheinend ja.

Süß, daß Du nochmal wiederholst, was sims bereits geschrieben hatte, wäre aber nicht nötig gewesen.

ich habe gerade Deine Geschichte "Jagdtrieb" gelesen und muß gestehen, daß ich sie auch nicht im geringsten erotisch finde. Wir haben wohl recht unterschiedliche Vorstellungen von Erotik und das ist letztlich ja auch gut so.

Es lebe die Verschiedenheit!

Gruß, mia

 

Hallo mia.mo,

nur die Überschrift und dein Name war mit Fettbuchstaben geschrieben, ich verstehe nicht, warum dich das stört.

Du hast von mir wahrscheinlich "Jagdfieber" und nicht "Jagdtrieb" gelesen.

Im Übrigen frage ich mich, warum du auf kg.de postest, wenn du nicht willst, dass man dir sagt, was einem gefällt und was nicht. Dass dabei Unterschiede offenbar werden ist klar, jeder hat seine Vorlieben. Doch über diese Vorlieben hinaus gibt es Dinge, die immer gültig sind: eine Geschichte sollte zum Beispiel nicht langweilen. Eine gute Regel hierzu ist: schreibe nie einen Satz, der für den Leser nichts Neues bringt.

Dion

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom