Der Sieg des Morgens, der kein Morgen ist
Der Sieg des Morgens, der kein Morgen ist
oder: Die Niederlage
Der willige Zuhörer wird Teil einer Unterredung, die nur augenscheinlich eine Konversation ist:
Woise: Vom rein objektiven Standpunkt her ist diese Diskussion grundlegend sinnlos. Ich bin deine Autorität.
Mauth: Is' schon klar, würd mich nur mal interessieren, was du mit der Scheisse bezwecken willst?
Woise: Frag nicht so viel, hast du früher auch nicht getan, lass dich gehen.
Mauth: Spiel dich bloß nicht auf, deine Fassade mag auf andere wirken, mich beeindruckst du so nicht. Deine Komplexe hast du gut verborgen, über all die Jahre, scheinheiliger Bastard, schau mich nicht so an.
Woise: Was tust du gegen meine Blicke? Nennst mich Bastard. Ich beende es jetzt. Fühle, wie ich dich überkomme, fliessend, und jetzt: Kontrolle.
Mauth: Deine Entscheidung, deine Verantwortung, ich seh' dich dann in der verdammten Stätte. Soll das Feuer dir dein Selbstmitleid austreiben.
Woise: Also gut, was willst du hören? Dass es nicht weiter geht, dass ich müde bin, alle Wege in die Nacht führen, ich sollte Hoffnung haben, wo keine Zukunft ist, sollte leben, wo Tod angenehmer scheint? Ihr Hass berührt dich nicht, du weißt nichts von diesen abartigen Gefühlen und dem Schmerz, der quälen will und quälen tut. Ich bin schon lange gegangen und du folgst nur.
Mauth: Kann man wissen, was Zukunft bringen wird? Ich mein', es kommt was, was du halt nicht erwartest und dann... und überhaupt... gehts halt weiter, shit, gib nicht auf!
Woise: Pff, gib du mir eine Zukunft!
Mauth: Liebe!
Woise: Muss schön sein, kenne den Zustand, aber all die Ablehnung ist doch vernichtend.
Mauth: Früher hast du gern geschrieben, ich war berührt!
Woise: Mittelmäßigkeit stinkt nach Unvermögen, wenig talentiert, keine Redegewandheit, Pseudo-Intelligenz, leerer Sinn.
Mauth: Träume?
Woise: Keine Träume. Mach dich nicht lächerlich.
Mauth: Halt warte! Was, wenn es ins Nichts führt? Du läufst hysterisch lachend in den Schlund des Wahnsinns. Wir leben im Paradies der existierenden Wirklichkeit! Denk doch mal!
Woise: Wenn dort, wo wir hingehen, alle leiden, finde ich vielleicht Freundschaft...
Mauth: Törichtes Stück Dreck, Freundschadft mit Verdammten, lass das, ich will es nicht, nein!
Woise: Mauth, deine Stimme klingt so verzweifelt. Deine Stimme, wie ein Hilfeschrei, den ich erhöre, lass mich dich erlösen. Deine Stimme macht mich traurig...
Mauth: Mein Gott!
Mit einem letzten schwarzen Gedanken springt er in die Leere der Finsternis. Ein kurzer Fall bis das Seil den Widerstand auf den blassen, langen Hals überträgt. Ruckartig schnürt der harte Druck jeglichen Lufteinstrom zu seinen Lungen ab. Kein Husten mehr, nicht mal ein Röcheln hat er noch für die beschissene kleine Welt übrig. Die Gewalt presst das Leben schnell und sauber aus seinem Leib.
Woise: Wo bin ich? Antwortet denn Keiner? Gibt denn Keiner, Niemand Antwort? Mein Gott...
Irgendwo in der Ferne tanzt die dreckige Fratze eines Geschöpfes über dem toten Stück Körpermasse, sie lacht und lästert über den alten Mann im Himmel, den es "Hure der Barmherzigkeit" und "König der Schwachsinnigen" schimpft.