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Der Sternenflüsterer

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19.03.2003
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Der Sternenflüsterer

Meine Füße frieren, als sie nackt den Steinfußboden berühren.
Die Nachtluft wiegt schwer. Es fällt mir schwer, zu atmen. Ob der Ring um meine Brust mit Edelsteinen besetzt ist?
Dort leuchtet einer. Glitzernd zieht er seine Bahn. Ist mein Sternenflüsterer. Gibt mir Hoffnung.

Ich erinnere mich an heute Morgen.
„Frau Cornels?“ Mehrere Augenpaare richten sich auf die Schwester, die den Namen aufgerufen hat.
„Kommen Sie, bitte!“, sagt sie zu mir.
Langsam fährt die schmale Bahre in die Röhre hinein. So eng hatte ich es mir nicht vorgestellt. Mein Herz flattert, wie ein kleiner Vogel. Ich habe Angst. „Denk an etwas Schönes!“, spreche ich mir Mut zu.
Unzählige Steine prasseln herunter. Kieselsteine, die auf Blech klicken. Dann ist es wieder ruhig.

Ich weine, will nicht fühlen, was ich längst schon weiß.
Langsam fährt der Schlitten mich hinaus. Der Blick des Arztes sucht meinen. Ich habe erwartet, er sähe auf den Boden. Trotzdem, seine Zuversicht erreicht mich nicht. Hoffnung und Vertrauen in die Kunst der Ärzte setzen, das kann ich nicht.

Mein Freund hat im Wagen gewartet. Er hatte den Knoten zuerst gefühlt.
Das Bistro am Markt ist gut besucht. Die Sonne wärmt schon und ein paar vorwitzige Krokusse säumen den Wegesrand. Fremde Menschen lachen sich an. Ich fühle mich hier wohl.
„Wollen wir etwas essen?“ Manuel zerrt mich auf einen Stuhl, zerknüllt mit den Händen irgendwas.
„Ich nehme einen Milchkaffee, mehr nicht.“
Wir sitzen uns gegenüber, vorsichtig darauf bedacht, nichts falsches zu sagen.

„ich habe gut gefrühstückt, heute morgen.“
„Ich dachte, du musstest nüchtern zur Untersuchung.“
Ich winke ab.
„Manuel bitte.“
„Wollen wir im Sommer an die Nordsee fahren?“

„An die Nordsee? Ich möchte das Cap Horn umsegeln!“, trumpfe ich auf.
Manuel weint.
Ich bin müde, schließe meine Augen.

Der Arzt hat gesagt, die Prognose sei gut. Es haben sich noch keine Metastasen gebildet. Sogar meine Brust werden sie erhalten können. Ich bin stark. Ich könnte es schaffen. Ich schaffe es.

 

Hi Goldene Dame,

mal wieder eine gefühlvolle und tiefgehende Geschichte von dir.

Du beschreibst eine enge seeliche Verbindung, zwischen Vater und Tochter.
Der Vater, einen Tumor im Kopf, "verlässt" seine Familie, fällt ins Koma.
Jahre später, erkrankt sein geliebtes Kind an Krebs.
Krebs bricht oft aus, wenn die Seele überfordert ist. (die Krankheit des Vaters)

Deine Prot erfährt, dass es nicht so schlimm ist, wie es hätte sein können.
Die Angst verlässt ihre Seele.
Die Seele des Vaters, verlässt seinen Körper.
- Licht umspielt seinen Kopf, wo eben noch Schatten war - ( ein wunderschöner Satz)
Er kann sterben, seine Tochter wird leben.
Sie hat nicht nur die Kraft, ihren Krebs zu besiegen, sie hat auch das Herz, ihren Vater loszulassen, sich über seine "Freiheit" zu freuen.

Sie werden sich begegnen, Nachts, wenn sie wieder schlafen kann.

Eine wunderschöne, melancholiche Geschichte. :)

Ganz lieben Gruß,
coleratio

 

Erzählperspektive

Hallo Kingofloss,
Vielen Dank fürs Lesen.
Der Wechsel war beabsichtigt, um eine Verbindung über den Tod hinaus zum Vater zu verdeutlichen. Ich gebe zu, der Lesefluß wird gestört. Daher habe ich nur noch den letzten Satz allwissend wiedergegeben.
Gefällt es dir jetzt besser?

Hallo coleratio, :)
du hast einfühlsam die Essenz meiner Geschichte erkannt. Hab Dank dafür.
Auch die Zuversicht, dass beide über den Tod hinaus verbunden bleiben, hast du gesehen.
Ich habe die Erzählperspektive der letzten zwei Absätze geändert. Meinst du die Verbindung zum Vater kann trotzdem noch erfühlt werden?

Alles Liebe für dich :kuss:
Goldene Dame

 

Die geänderte Erzählperspektive macht den Schluß flüssiger.
Es beeinflusst in keiner Weise, eher im Gegenteil, das gefühlsmässige Erfassen.
Für mich ist der alles entscheidende Satz, der Letzte.

-Licht umspielt seinen Kopf, wo eben noch Schatten war. Er stirbt. Endlich-

In diesem Satz, sind alle Gefühle des Vaters und der Tochter enthalten.
(sollte das jemand nicht so sehen, ich erkläre es gerne) ;)

Vielen Dank für den lieben Smiley :)

ganz lieben Gruß
coleratio

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Marius,
Danke für deine Verbesserungsvorschläge, die ich bis auf die Füllwörter, gerne übernehmen werde. Stilistisch bevorzuge ich es, Satzteile untergehen zu lassen. Doch deine Anregungen werde ich mir diesmal durch den Kopf gehen lassen.
Inhaltlich denke ich mal, hast du alles erfasst, auch wenn du meinen Sprüngen nicht folgen kannst. ;)

Zum Bühnenbild:
Die junge Frau sitzt am Fenster und hält Zwiesprache mit dem Sternenflüsterer, ihrem Vater, der im Koma liegt. Es folgt ein Bild im Bild. Lieben Gruß
Goldene Dame

 

Hallo Goldene Dame,

eine schöne Geschichte, die Hoffnung macht. Das Kind erkrankt an Krebs, so wie ihr Vater vorher. Während er aber stirbt, ist sie stark genug die Krankheit zu überwinden.

Meine Fragen:
Ist es richtig, dass der Vater sich umbringt, als die Mutter mit der Tochter weg ist, oder stribt er zufällig dann?
Warum darf der Vater nicht mehr bei der Mutter schlafen?
Wer sagt "Er hat dich geliebt?" Die Mutter?

Und noch was: Dieser Satz hat mich ein bischen gestört: "Wie erzählt man einer Mutter, dass ihr Kind krank ist?" Ich glaube nicht, dass ein Kind oder eine Jugendliche solche Gedanken macht.

Habe deine Geschichte sehr gern gelesen.

Gruß,
Ellen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ellen,
Meine Protagonistin ist eine junge Frau. Auch als junge Frau bist du aus der Sicht der Eltern immer deren Kind. Der Vater liegt nach seiner OP, hier war die Prot noch klein, bis zu seinem Tod über lange Jahre im Koma. Die Eltern hatten die Krankheit vor dem Kind geheimgehalten. Trotzdem fühlen Kinder: etwas stimmt nicht. Die Krankheit des Vaters hat ihn verändert. Das Kind versteht es nicht. Auf seine Fragen erhält es keine Antwort. Als die Tochter als junge Frau selbst erkrankt, befürchtet sie auch, sich wie ihr Vater zu verändern.
Ich habe deine Fragen durchaus als Kritik verstanden und inhaltliche Ergänzungen zum Textverständnis vorgenommen.
LG
Goldene Dame

 

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