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Der Traum vom Himmel.

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11.10.2004
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Der Traum vom Himmel.

Der Traum vom Himmel.


Ein wunderschönes, von blühenden Rosen umgebenes Tor schwebt zwischen weißen Wolken, irgendwo in einem unbekannten Universum, in einer anderen Dimension. Es müssen mehr als tausend Menschen sein die sich davor drängen und sich fragen, wie schnell ihr Leben vergangen und ob ihre Taten, in diesem Leben, überhaupt einen Sinn hatten. Was hat man alles getan um ein paar Jahre in Saus und Braus zu leben? Aber auch jetzt, nach ihrem sterben, sind einige noch nicht schlauer geworden. Sie stehen vor dem gigantischen Tor und warten ungeduldig auf Einlaß. Sie haben alle nur weiße Gewänder an. Man kann keine Klassenunterschiede erkennen. Das gefällt einigen Gestorbenen gar nicht, und so fangen sie an, ihren Mitmenschen zu erzählen wer sie waren, was sie hatten und was sie jetzt erwarten.

Entschlossen, geht ein Mann zum Tor und klopft mit seiner Faust drei mal dagegen: "Hallo, ist da jemand?", hört man ihn rufen. "Ich bin Jack Hardman, Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika."

"Ha", ruft ein anderer amüsiert dazwischen, "wir haben unseren eigenen Außenminister vorm Himmelstor."

Von weit hinten bahnt sich ein anderer Mann den Weg zum Tor. "Lasst mich doch bitte mal durch, Ha, Ha, Ha. Ich bin Kardinal Brühman, Ha, Ha, Ha", ruft er immer wieder mit einem gezwungenen Lachen.

"Macht doch mal Platz für seine Eminenz den Kardinal", ruft ein anderer Mann.

"Herr Kardinal, was geschieht jetzt mit uns?", ruft eine Frau aufgeregt.

Sofort versammelt sich eine Menschenmenge um den Kirchenmann um ihn mit Fragen zu überhäufen, die auch er nicht beantworten kann.

Der Kardinal stiehlt dem Minister die Show. Aber nicht nur der Minister möchte die erste Geige spielen. Auch andere versuchen sich mit großen Worten und Reden wichtig zu machen. Das Durcheinander ist gewaltig. Es ist wie im Leben; jeder möchte Häuptling sein und niemand Indianer. Es fallen aber auch viele auf die Knie nieder, und fangen ehrfurchtsvoll an zu beten. Es sind jedoch alles Menschen die glauben, dass es ein mächtiges Wesen gibt dem man imponieren muß um weiterzukommen; sie haben nie etwas anderes gelernt. Sie knien vor dem Himmelstor und imponieren um die Wette. Nur wenige beten wirklich, und von ganzem Herzen.

Einige Menschen laufen umher und berichten von ihren guten Taten die sie zu Lebzeiten begangen haben. Sie erzählen wie viel sie schon gespendet haben, wie viel Kirchensteuer sie bezahlt haben und, dass sie im Kirchenchor gesungen haben. Sie benehmen sich so wie sie sich immer benommen haben; niemand denkt nach. Das Durcheinander ist schlagartig beendet als die Tür aufgeht, und ein Mann mit einem langen weißen Bart erscheint.

"Das muss Petrus sein", ruft eine Frau begeistert.

Doch der antwortet: "Nennt mich wie ihr wollt! Ich habe viele Namen. Ich bin der, der geschlagen wurde. Ich bin der, der getreten wurde. Ich bin der, der getötet wurde. Ich bin der, der verehrt wurde. Ich bin der, dem viele Menschen folgten. Von mir aus nennt mich Petrus."

"Endlich", meint der Kardinal. "Ich habe schon einige ausgesucht die in den Himmel dürfen", erklärt er und geht ein paar Schritte auf Petrus zu. Der jedoch beachtet ihn gar nicht und kommt gleich zur Sache:

"Hinter dieser Tür herrscht Friedfertigkeit. Wer den Frieden so akzeptiert wie er ist, und danach leben möchte, der erhebe die Hand."

Natürlich melden sich die Gestorbenen alle mit voller Begeisterung und erwarten nun in den Himmel eingelassen zu werden.

"Natürlich wollen wir alle in Frieden leben", meint der Außenminister, und erklärt bei dieser Gelegenheit sofort seine wichtige Stellung in der Gesellschaft.

"Ich war Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika gewesen. Mein Name ist Jack Hardman.

"Ich bin Kardinal Brühman, und ich habe wohl das größere Recht mit diesem Mann zu reden, also überlassen sie die Verhandlungen ruhig mir", meint der Kirchenmann und wendet sich wieder an den Propheten. "Hochverehrter Petrus, ich habe hier zwanzig Leute ausgesucht die sofort in den Himmel dürfen. Die anderen muss ich erst noch überprüfen", entgegnet er großspurig.

"Was ist mit dem Afrikaner dort und was ist mit dem Mann aus Tibet?", fragt der heilige Mann ohne den Kardinal dabei anzusehen.

"Der Mann aus Tibet ist kein Christ, und bevor ich den Neger überprüfe wollte ich eigentlich noch ein paar andere Leute empfehlen", meint der Kardinal lächelnd.

"Der Neger ist bestimmt auch kein Christ", meint eine Frau empört. Sie erwartet natürlich auch besonders bevorzugt behandelt zu werden. Schließlich hat sie der Kirche eine Menge Geld gespendet. Sie besaß eine Häuserkette und hat sich dort wie eine Königin aufgeführt. Dabei hat sie alles von ihrem Mann geerbt. Sie hat nichts von diesem Wohlstand selbst aufgebaut.

"Ich will nicht mit einem Neger in den Himmel", ruft ein Mann, und ein anderer ruft: "Ich möchte gerne zu meinen Landsleuten wenn das möglich ist."

"Ich bin Generaldirektor", ruft ein anderer Mann und meint weiter, "ich möchte gerne mit Leuten zusammen gebracht werden die auch meinem Intellekt und meiner Würde entsprechen."

"Das sind doch alles Ungläubige", schreit ein anderer Mann wütend. "Es gibt kein Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet"

Plötzlich springt ein Mann neben Petrus auf die Treppe zum Tor und ruft: "Hört mal alle her! Ich bin Admiral Koch, und ich sage, wir sollten uns zuerst mal aufteilen. Alle Christen bleiben hier vorne stehen, Katholiken in der Mitte, Protestanten nach rechts! Neger, Indianer und so weiter nach links, und andere Glaubensrichtungen nach hinten. Sie können sich ja dann in weitere Gruppen aufteilen wenn Sie wollen. Ich fürchte nur es hat wenig Sinn.

"Und wo stehen die Deutschen?", ruft ein junger Mann mit einer strengen autoritären Stimme.

Aber kaum einer nimmt den Admiral wirklich ernst. Die Gestorbenen haben sich auch ohne seine Anweisungen in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Wüste Beschimpfungen, die fast in Schlägereien enden, werden ausgeteilt. Muslime und Christen geraten böse aneinander.

Petrus schaut dem Treiben lächelnd zu. Dann meint er schließlich:

"Ihr armseligen redet oft von Frieden und Freiheit, wenn es aber darauf ankommt danach zu handeln, macht sich der wahre Charakter bemerkbar." Dann wendet er sich an den Admiral und den Kardinal und erklärt:

"Und ihnen meine Herren möchte ich sagen; dies ist nicht nur der Himmel derer die sich Christen oder Muslime nennen."

Nach diesen Worten dreht er sich um und geht in den Himmel zurück. Er nimmt nur die mit, die sich die ganze Zeit über ruhig und bedächtig verhalten hatten. Es ist der Farbige, und der Tibeter und einige, deren Glauben so fest war, dass sie nicht nur für das lächerlich kurze Leben auf Erden gearbeitet haben. Er nimmt die mit die das Beten aus eigenem Willen beherrscht haben und die über ihre Sünden nachdenken und sie wirklich bereuen. Es sind nur wenige die das Himmelstor durchschreiten dürfen; die anderen stehen verdutzt davor und fühlen sich ungerecht behandelt.

"Wieso durfte dieser Straßenfeger durch?" hört man jemanden rufen.

"Wieso durfte diese ordinäre Person durch", ruft eine ältere Frau. "Ich kannte sie zu Lebzeiten; sie war Sängerin, aber wie die schon aussah mit ihren langen ungepflegten Haaren und den schäbigen Kleidern. Ich glaube die hat doch nie Seife benutzt."

Doch dann geschieht etwas unerwartetes. In der Ferne taucht eine furchterregende Gestalt, zwischen den Wolken, auf. Sie ist von schrecklichen Wesen umgeben deren Anblick jeden erschaudern lassen. Der Leibhaftige steht dort und spricht mit einer tiefen vibrierenden Stimme zu den Wartenden:

"Ihr Menschen wollt doch schnell in den Himmel. Damit ihr den heiligen Mann an der Pforte besser versteht, soll euer Spiegelbild die Form eures Charakters annehmen."

Er hat die Worte ausgesprochen und schon erscheint in der Nähe jedes wartenden ein Spiegel in dem man seinen wahren Charakter erkennen kann. Einige sehen so aus wie die schrecklichen Gestalten die um den Leibhaftigen herum schweben, aber einige nehmen auch angenehmere Formen an. Einige der Enttäuschten wollen ihren Spiegel aus Wut zertrümmern, doch sie bekommen ihn nicht zu fassen. Wie böse Geister schweben die Spiegel vor den Wartenden und zeigen ihnen wer sie sind.

Der Teufel verschwindet wieder und nimmt eine Gruppe armer Seelen mit. Ihre schaurige Gestalt ist jetzt auch ohne Spiegel zu erkennen. Es sind brutale Gewaltverbrecher die, in ihrem Leben, nie einen Gedanken an Gefühle und Harmonie verschwendet haben. Und es sind Menschen, die ihren Glauben mit Feuer und Schwert verbreiten wollten.

Die Wartenden laufen verstört umher und beschimpfen jetzt sogar Petrus. Einer schreit:

"Das ist unerhört, eine Unverschämtheit, ich möchte meinen Anwalt sprechen."

Der Kardinal steht betrübt neben einem alten Mann. Er kann nicht glauben, dass er nicht in das Reich Gottes durfte.

Der Alte spricht leise vor sich hin, aber doch so laut, dass der Kardinal seine Worte hören kann:

Die Letzten werden die Ersten sein.

Die Ersten werden die Letzten sein.

Die Untersten werden die Obersten sein.

Die Obersten werden die Untersten sein.

Der Kardinal schaut ihn böse an, sagt aber kein Wort. Als das Himmelstor ein zweites mal geöffnet wird darf der Alte, mit 100 anderen zusammen, in den Himmel. Der Kardinal und seine Gefolgschaft muss noch immer draußen bleiben. Die Wartenden versuchen vor den Spiegeln eine positive Veränderung festzustellen. Doch die Enttäuschung ist oft groß, und die Wut noch größer. Inzwischen haben noch mehr Menschen bemerkt, dass sie anderen Rassen, anderen Völkern und anderen Glaubensrichtungen angehören. Sie betrachten ihre eigene Herkunft und Weltanschauung als Idealismus; alles was anders ist wird als minderwertig betrachtet. Die Menschen haben gelebt um zu lernen, sie sind gestorben um zu lernen, und jetzt stehen sie vorm Himmelstor und haben immer noch nichts gelernt.

Der Leibhaftige erscheint wieder in seiner grässlichen Gestalt und nimmt die Hälfte der Streithähne mit. Dann geht das Himmelstor auf und Petrus tritt erneut aus dem Reich Gottes und spricht:

"Ihr möchtet also einen Himmel der eurer Würde und eurem Intellekt entspricht. Ihr wollt zu euresgleichen in den Himmel. Ihr wollt nicht zu Ausländern und ihr wollt auch nicht mit anderen Rassen, anderen Völkern, andern Glaubensrichtungen und anderen Gesellschaftsschichten zusammengebracht werden. Ihr habt euch mühevoll einen hohen Rang in der Gesellschaft erkämpft und erwartet jetzt natürlich dementsprechend behandelt zu werden. Nun gut, ich habe einen Platz gefunden der euren Vorstellungen entspricht und wo ihr euch bestimmt wohl fühlen werdet. Ihr dürft nun alle durch dieses Tor schreiten."

Das Gedränge ist groß. Und alle tun so als ob das bisher nur ein Spiel gewesen wäre. Petrus hat sie bestimmt nur testen wollen. Nun kommen sie ja doch noch in den Himmel. Sie haben auch nichts anderes erwartet; jedenfalls denkt das jeder Einzelne von sich. Man kann immer noch nicht verstehen wieso die anderen früher in den Himmel durften. Sie wissen nicht, dass nur die Menschen in den Himmel durften, die ein Bild vom Paradies malen konnten. Als die restlichen Gestorbenen das Tor durchschritten hatten, werden sie wieder geboren. Sie sind wieder an dem einzigen Ort den sie sich als Paradies vorstellen können. Sie sind auf der Erde, in einer Zeit vor dem 22. Jahrhundert.

www.janson-ruediger.de

 

Hallo Rüdiger,

vieles an deiner Geschichte hat mir gut gefallen. Von kleinen Unebenheiten, Komma- und Rechtschreibfehlern abgesehen (jage die Geschichte am besten noch mal kurz durch die Word-Korrektur), ist der Stil flüssig und angenehm zu lesen, die Dialogstellen lebendig.
Die Auflösung deiner Geschichte finde ich auch nicht schlecht: Ein paar kommen in die Hölle, ein paar in den Himmel, die große Masse muss wiedergeboren werden und bekommt eine neue Chance, es besser zu machen. Das deckt auch die Philosophie so mancher Religionen ab. Auch machst du klar, dass es nicht um die richtige Religion, sondern um die Menschen selbst geht, das gefiel mir auch. Ganz klar ist mir aber nicht geworden, wie sehr es zählt, wie sich die Menschen beim Warten benehmen. Während die Geschichte fortschreitet, entsteht der Eindruck, Gott und Teufel gucken sich die Sache eine Weile an und nehmen jeweils die, die sich im Laufe des Wartens für Himmel oder Hölle qualifizieren. Das erscheint nicht allzu gerecht.

Voll eingeschlagen hat die Geschichte aber nicht bei mir. Sie erscheint mir streckenweise unlogisch, zu sehr angesteckt von der simplen Weltsicht moralischer Traktate. So stehen über tausend Menschen vor dem Himmelstor, aber anscheinend ist nur ein einziger Schwarzer darunter. So, wie unsere Welt beschaffen ist, sterben aber täglich weitaus mehr (eher farbige) Dritte-Welt-Bewohner als (eher weiße) Erste- und Zweite-Welt-Bewohner. Vor deinem Himmel müsste sich also ein Haufen Schwarzer drängeln, davon eine Menge Kinder jeden Alters.
Kinder kommen in deiner Geschichte aber gar nicht vor und Frauen nur sehr vereinzelt. Zwar ist es logisch, dass eher die Leute, die sich für wichtig halten, agieren, und das sind nun mal meistens Männer, aber das Ungleichgewicht ist mir doch zu stark. Und aus Sätzen wie: „Einige von euch glauben sogar, wegen ihrer Taten im Leben, ein Recht zu haben an der Seite des Allmächtigen sitzen zu dürfen, womöglich noch umgeben von zahlreichen Jungfrauen“, quillt mir doch zu viel Bibel-Patriarchismus entgegen, wo die Menschheit nur aus Männern zu bestehen scheint und Frauen oder Kinder nicht angesprochen werden.

Zwar gefällt mir deine Idee, dass die Menschen versuchen, ihre Vorstellungen durchzusetzen oder zu organisieren, aber in einer Menge von mehr als tausend kann sich ein einzelner wohl nie bei allen Gehör verschaffen. Und der Kardinal, der schon mal Leute für den Himmel aussucht, ist ein bisschen dick aufgetragen. So dumm, Petrus (oder wem auch immer) die Arbeit abnehmen zu wollen, wäre wohl kein Kardinal.
Dass viele (Christen) ihn umringen und Antworten willen wollen, ist da schon weitaus realistischer.
Überhaupt sind mir die Menschen im Beisein des Heiligen (wer wird heilig? Aber das ist eine andere Geschichte ... ;-) ) reichlich forsch. Ich fände es realistischer, wenn sie länger mit sich allein wären und versuchen zu organisieren, sich streiten etc. Wenn „Petrus“ erscheint, werden sie sich wohl nicht mehr so trauen, sich aufzuspielen.
Zwar kannst du natürlich in deiner Geschichte nicht auf jeden möglichen Fall eingehen, aber einige Zwischentöne wären nicht schlecht. Was ist mit den Völkern, die keine Vorstellung von einem Himmelstor und einer Art Petrus haben? Und denen, die ohnehin mit Wiedergeburt rechnen? Es sterben nicht nur Christen und Moslems (wie es auch dein „Petrus“ sehr schön sagt). Wo sind die, die gelitten haben und nun den Himmel als Lohn für ihr Leid einfordern?
Kommen Gewaltverbrecher und Fanatiker in die Hölle, egal, wie der einzelne Fall beschaffen ist? Was ist mit dem 15-jährigen (Religions)terroristen, der sein Leben lang nur aufgehetzt wurde oder traumatisiert ist? Sind alle, die sich zurückhalten, gut? Kann nicht auch mal ein "Lauter" ein ganz guter Kerl sein, der viel Sinnvolles geleistet hat?
Und so weiter. Sicher, du kannst es nur anreißen, aber das würde ich an deiner Stelle noch tun. So bleibt das Ganze aus einem zu begrenzten Blickwinkel erzählt, um wirklich zu beeindrucken und zu berühren.

Daneben aber sind tolle Ideen drin (finde ich). Die mit dem Spiegel zum Beispiel oder die der Erde als Fegefeuer, während es für die meisten Menschen das einzig bekannte Paradies ist.
Überhaupt: Schöner Schluss!

Viele Grüße
Pischa

 

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