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Der Wanderer

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28.06.2013
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Der Wanderer

Das Blaulicht brach sich in den Wellen des kleinen Sees. Die Scheinwerfer der beiden Polizeiautos ließen die dunkle Tannenwand neben der Straße undurchdringlich erscheinen. Auf dem kleinen Parkplatz stand ein roter Fiesta im Schotter. Zwei Frauen warteten daneben. Wie unbeteiligt an dem Schauspiel, das sich in der Stille des warmen Herbstabends abspielte. Polizeifunk drang unverständlich aus den beiden Streifenwagen, die Beamten standen in einer kleinen Gruppe zusammen, einer gab Anweisungen. Ein Mann in seinen späten Vierzigern, breitschultrig mit leichtem Bauchansatz aber sonst nichts, was ein Hinweis auf mangelnde Härte sein könnte.

Klara und Andrea waren oft gemeinsam unterwegs in den Bergen. Ihre Männer verstanden sich, die Frauen mochten sich. Klara war ein paar Jahre älter als Andrea aber beide hatten eine ähnliche körperliche Fitness und eine Vorliebe für kräftezehrende Wanderungen. Naturnah nannte man das wohl. Für Andrea und Klara war wandern ein mehr als nur ein Sport. Die Berge waren ihre Zuflucht. Ein stiller und kraftvoller Ort, an dem man sich austauschen konnten. Ohne Andreas Kinder oder die Männer. Ohne den ganzen Alltagsmüll. Hier draußen in den Bergen war ihre Freiheit und sie suchten sie regelmäßig.
Klara lebte er seit ein paar Jahren im Dorf. Sie war nicht aus der Gegend und für die Meisten eine Fremde, die man vorsichtig aus der Ferne beäugte. Andrea mochte Klara sehr, sie wusste wie es war, hier neu anzufangen. Als Andrea ins Dorf gekommen war, war sie viel jünger gewesen und hatte mit nichts eine Familie gestartet. Das Haus war nicht mehr als ein Rohbau als das erste Kind kam, das Geld war knapp. Sie hatte sich durchgeschlagen. Taten es immer noch. Noch war die Älteste nicht mit der Schule fertig.

Klara hatte ihre Familie hinter sich gelassen als die vier Kinder erwachsen und ausgezogen waren. Sie hatte Paul geheiratet und war mit ihm hier in die Wildnis gezogen. Es gab nicht mehr viel in Klaras Leben, was ihre ganze Aufmerksamkeit gefordert hätte. Paul war nicht sehr anspruchsvoll und außer der Retrieverhündin Bella stellte niemand Ansprüche an sie. Nicht mehr. Sie war inzwischen 61 Jahre alt und hatte 7 Enkelkinder. Aber die kamen nur selten zu Besuch.

Die beiden waren an diesem Morgen früh aus dem Dorf und hatten den Fiesta schon kurz vor halb neun auf dem Parkplatz abgestellt. Klara trug wie immer Funktionswäsche und eine hellblaue Windjacke. Andrea, die gerade in der Mitte deutlich fülliger war als ihre Freundin, trug helle Jeans und wie meist ein T-Shirt mit einem kleinen weiblichen Hauch, einem winzigen femininen Detail, einer Rüschenleiste am Kragen, einer Schleife unter der Brust. Solche Sachen liebte sie zu ihrem sonst sehr schlichten Outfit. Klara hatte Bella heute zu Hause gelassen. Paul wollte mit ihr wegen der Wurmkur zum Tierarzt in die Stadt. Also rannte keine Bella neben ihnen auf den Weg auf und ab. Klara ertappte sich dabei, wie sie sich immer wieder unbewusst nach ihr umsah obwohl Bella gar nicht da war.

Auf dem Parkplatz hatte ein alter an den Ecken schon ziemlich rostiger beige-brauner Wohnwagen gestanden. Beide hatten ihn nicht weiter beachtet. Er schien leer gewesen zu sein. Die weißen Gardinen am Fenster hatten einen grauen und verlorenen Eindruck gemacht. Bestimmt Touristen, die hier zum wandern waren, hatte Klara gedacht und Andrea hatte sich gefragt, ob das ein Paar war, das mal eine Nacht allein sein wollte. Nichts deutete auf Camping hin, ein Abfall, keine Gasflasche. Nichts.

Sie waren kaum eine Stunde unterwegs gewesen, als sie zu ihm aufschlossen. Der Mann trug eine helle Treckinghose und eine leuchtend rote Goretex-Jacke. Auf dem Kopf hatte er eine dunkelblaue Strickmütze. Er trug keinen Rucksack und ging nicht schnell. Sie hatten ihn bald eingeholt. Der Mann konnte eigentlich nur zu dem Wohnwagen auf dem Parkplatz gehören. Das war der einzige Ort im Umkreis von einigen Kilometern, an dem man sein Fahrzeug abstellen konnte. Als er sich zu ihnen umdrehte schien es Klara und Andrea so, als hätte er auf sie gewartet. Der Mann lächelte ihnen entgegen und wartete, bis sie zu ihm aufgeschlossen hatten. Er hatte suchende Augen, die nie still zu stehen schienen während sein Gesicht weitgehend unbewegt blieb. Eine seltsame und befremdliche Kombination.

Sie hätten nicht mehr sagen können, wie es gekommen war, dass er sich ihnen angeschlossen hatte. Er hatte mit ihnen geplaudert, sich vorgestellt, war neben ihnen her gegangen und irgendwie hatte er sich in ihre Wanderung geschlichen. Gefragt hatte er nicht, er hatte sich aufgedrängt. Sich in die kleine Gruppe gezwängt. Die Höflichkeit der beiden Frauen hatte ihm dieses Eindringen leicht gemacht. Er hatte einen dieser dünnen, spärlichen Bärte, die den Hauch von Erbärmlichkeit im Gesicht verbreiten. Seine Haare waren unter der Mütze nicht zu erkennen. Große helle Augen zielten an einer langen Nasen entlang auf das Gegenüber. Sein Mund war klein mit einer schmalen Oberlippe. Ein bleiches Bibliothekarsgesicht, fand Andrea. Ein Langeweilergesicht dachte Klara. Er hatte sich als Klaus vorgestellt.

Sie gingen zu dritt neben einander solange der Weg noch breit genug war. Bald aber wurde er schmaler und Klaus ließ beide Frauen voran gehen. Sie spürten ihn hinter sich und hörten ihn reden. Klaus erzählte wenig aber war voller Fragen. Ob sie oft in den Bergen waren? Wie weit sie gewöhnlich wanderten? Ob sie immer gemeinsam gingen? Er wollte nichts über ihrer beider Leben wissen, nichts über die Familien oder ihre Berufe. Stattdessen fragte er, wann sie hatten aufstehen müssen, um so früh hier zu sein. Jede Antwort schien ihm von brennender Wichtigkeit. So als hätte er den ganzen Tag darauf gewartet. So als gäbe es gerade nichts, das wichtiger war.
Die beiden Frauen sahen sich an. Klara zog die Augenbrauen hoch und Andrea schüttelte den Kopf. Man konnte sie förmlich innerlich seufzen hören. Sie würden ihn so schnell nicht loswerden. Das war beiden inzwischen klar geworden. Einen nervigen Langeweiler im Schlepptau, der Tag schien schon jetzt trüber zu werden, als er am Morgen zu werden versprochen hatte.

Das disharmonische Trio hatte die erste Berghütte erreicht. Klara setzte sich auf die schmale Mauer, die sich um den Grillplatz zog und begann ihren Rucksack nach etwas zu durchforsten, auf das sie Lust hatte. Ihr war nach Obst. Klaus inspizierte die Rückseite der Hütte und Andrea stand einfach nur da und starrte ins Tal hinunter. Sie hatten gerade mal ein Drittel des Aufstiegs hinter sich gebracht und dieser Klaus ging ihr schon gewaltig auf die Nerven. Sie konnte nicht einmal genau sagen, warum. Es war so ein schleichendes Gefühl von Unwohlsein, das sie in seiner Gegenwart hatte.
Klara schien das nicht so zu gehen. Andrea sah sie dem Mann zuhören und gelegentlich nicken während sie sich weiter an ihrem Rucksack zu schaffen machte. Andrea ging zu ihnen hinüber. Sie redeten über Funktionswäsche und Klaus beschrieb was er wo auf der Haut trug und wo es rieb oder die Nähte drückten. Dann wollte er wissen, etwas für Unterwäsche sie trugen und ob sie beim wandern im Schnitt rieb. Andrea war kurz davor zu platzen aber so wie er es sagte, konnte man ihm nicht einmal sexuelle Anzüglichkeit vorwerfen. Er erkundigte sich schließlich nur nach ihrer Zufriedenheit mit der Funktionswäsche. Unanstößig eigentlich und dennoch nistete sich ein leichtes Unwohlsein ein. Andrea schnitt mit ihrem großen Messer die Tomaten in Scheiben und sah Klaus dabei direkt an. Ihre Augen sagten ihm, dass sie es bereit war zu nutzen, wenn es denn nötig sein sollte. Sie hatte allerdings nicht den Eindruck, dass diese Nachricht bei ihm ankam. Egal, schon das senden hatte ihr ein Gefühl von Stärke vermittelt. So als sei sie gänzlich Herrin der Situation. Klaus blasse Augen sahen an ihr vorbei in den Himmel.

Die Sonne schien warm als sie weiter gingen. Ein herrlicher Tag für die Berge. Klara ging voran. Der Pfad, der nun weiter zum ersten Kamm führte, war nun deutlich schmaler als der, auf dem sie gekommen waren. Er war ausgetreten, ausgewaschen und sehr trocken, es hatte seit Wochen so gut wie nicht geregnet. Die wenigen Laubbäume, die es hier oben noch gab, fingen gerade an, sich mit Herbstfarben zu tarnen. Ein leichter Wind kam von den Gipfeln, Wolken zogen. Friedlicher kann es nicht sein in den Bergen. Klara vermisste nichts außer Bella. Es war einer dieser Momente in denen das Leben für einen kurzem Moment still hält, um perfekt zu sein. Und dann gleich wieder zeigt, wie wenig perfekt es wirkllich ist.

Klaus schnäuzte sich die Nase und hustete ein wenig Schleim hoch. Er entschuldigte sich und dennoch war es widerlich. Es war etwas Unappetitliches an ihm. Die Art, wie er die Nase hochzog oder sein Taschentuch benutzte. Dann wollte Klaus wissen, wie oft sie beide krank waren, ob sie bei Fieber nackt schliefen und ob zu viel Husten bei Frauen Brustschmerzen verursachte. Ihr Ekel wuchs.

Sie hatten ihm mehrfach erzählt, wie gerne sie alleine wanderten. Er hatte es nicht verstanden. Sie bedauerten, nicht sein Tempo gehen zu können. Er gab vor es zu genießen, auch mal langsamer unterwegs zu sein. Was die beiden Frauen auch an höflichen Gründen vortrugen warum Klaus nun endlich verschwinden sollte, er hatte immer ein Argument dagegen oder er gab vor, die sanften Hinweise nicht verstanden zu haben. Und so hatten sie eine Patt-Situation, in der sich die beiden Frauen unwohl fühlten. Klaus schien sich immer mehr aufzudrängen, je mehr sich die beiden vor ihm zurückzogen.
Eine Gemse sprang auf dem gegenüber liegenden Hang aus dem Blickfeld. Wolkenschatten zogen träge dahin. Es roch nach Ginster und Erde. Insekten summten. Der Friede schien perfekt.

Andrea musste mal. Sie gab Klara ein Zeichen, die nickte und deutete an, dass sie auch mal musste. Klaus war einfach nicht loszukriegen. Als sie sich in die Büsche zurück ziehen wollten, philosophierte er über Freiheit und Scham und seinen Wunsch ihnen beim pinkeln zu zusehen. Der Gedanke daran hinterließ bei Klara ein würgendes Gefühl im Hals. Sie konnte nur den Kopf schütteln. Seine Aufdringlichkeit schien sie zu lähmen und das machte es schwer, sich zu widersetzen. Klaus war nur wenige Schritte von den Büschen entfernt stehen geblieben. Er würde hören können, wenn sie sich unterhielten. Vielleicht sogar, wenn sie flüsterten. Die beiden trauten sich nicht, trauten sich kaum zu pinkeln weil sie nicht wussten, ob er ihnen hinterher kommen würde oder ob er ihnen beim pinkeln zuhörte. Sie sahen sich an und beiden war klar, dass die Situation ihnen langsam über den Kopf wuchs. Sie konnten nur hoffen, dass sie bald noch ein paar Wanderer treffen würden, denen sie sich anschließen konnten. Sie brauchten nicht zu sagen, sie wussten, was die andere dachte und fühlte. Sie hatten Angst. Alle beide. Angst vor diesem freundlichen Klaus, der Dinge sagte, die immer merkwürdiger wurden. In einem ganz normalen Tonfall in einem ganz normalen Gespräch. So als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, zwei fremdem Frauen zu sagen, dass man ihnen gerne beim pinkeln zusehen möchte.
Sie waren alleine mit diesem unheimlichen Fremden am Berg. Hier konnte sie niemand sehen oder hören und die Handys hatten keinen Empfang. Nirgends. Das wusste Andrea noch vom letzten Mal, als sie diese Tour hier gemacht hatten. Die ganze Konsequenz der Situation wurde mit dem Satz klar, der beiden Frauen nun durch den Kopf ging. Sie waren auf sich selbst angewiesen, sie waren allein.

Der Weg war nun steil und steinig und wand sich in kleinen engen Serpentinen hinauf zum Grat. Dort gab es zwei Möglichkeiten zu gehen. An der schmalen Stelle des südlichen Wegs, der direkt auf dem Grat hinüber zur anderen Seite führte, hielten sie kurz an und ließen Klaus den Vortritt. Keine der Frauen wollte ihn in ihrem Rücken haben. Es ging zu beiden Seiten steil nach unten. Ein kleiner Schubs wäre genug.

Klaus ging mit großen Schritten los. Er machte Pläne. Sie könnten alle gemeinsam in der nächsten Berghütte übernachten. Zu dritt in einem Bett. Die natürlichste Sache der Welt. Alles offen. Alles easy. Seine Phantasien durchdrangen die kleine Gruppe dort oben auf dem Grat. Der Wind strich kühl über den Kamm. Die Sonne stand flach als sein entrüsteter Schrei den Hang hinab klang.

 
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Hallo nme2014,

dies ist dein erster Beitrag auf dieser Internetseite, daher heiße ich dich herzlich willkommen auf kg.de!

Und nun zur Sache:

Der Plot deiner Geschichte hat mir im Grunde genommen ganz gut gefallen. Die Idee, zwei eingeschworene Wanderinnen auf einen merkwürdigen Typen treffen zu lassen, ist zwar nicht neu, aber trotzdem immer noch gut genug, um eine spannende Geschichte daraus zu formen.
Aber genau das erreichst du mit deiner Darstellung nicht.

Ich habe mich die ganze Zeit über gefragt, ob nicht jede Menge wörtliche Rede mehr Lebendigkeit in die Geschichte bringen würde und ob nicht einige Passagen am Thema vorbei laufen.

Ich versuch es dir aufzuzeigen:

Gleich der erste Absatz ist überflüssig. Er führt sogar eher zu einer sehr frühen Vorhersagemöglichkeit für den Leser, dass die beiden Frauen auf jeden Fall zurückkehren werden, aber sehr wahrscheinlich der Mann nicht.
Da verschenkst du eine große Portion an Spannungsmöglichkeit.

Die Polizei und überhaupt die Szene ist auch nicht wichtig für die Geschichte überhaupt.
Diese beginnt ja erst im vierten! Absatz.
Davor erzählst du etwas über die Protagonistinnen, aber irgendwie ohne roten Faden.

Wichtige Aussagen sind doch: a) zwei gestandene Frauen, die Freundinnen sind und zwar echte und nicht nur vorgetäuschte Freundinnen,
b) sie wandern ausgehend von einem Parkplatz, wo ihr Wagen und ein Wohnwagen steht,
c) sie haben leider den Hund nicht dabei (wichtige Information, weil ja der Hund auch Schutz sein würde, aber nun nicht dabei ist),
d) sie sind wandererfahren und trainiert,
e) sie lieben die Natur und genießen diese Zweisamkeit darin,
f) es gibt unterwegs keine Hoffnung auf Hilfe, kein Handyempfang, keine weitere Hilfe durch eine bewirtschaftete Hütte bzw. Bauernhof,
g) der Antagonist ist merkwürdig, das steigert sich in unheimlich bis zur Bedrohlichkeit.

Darin besteht der Plot dieser Geschichte.

Alles andere, was du dazu beschreibst, macht nur dann Sinn, wenn es diesem Plot dient. Tut es das nicht, ist es nur Füllwerk und damit überflüssig.

Deine Geschichte beginnt also erst im vierten Absatz und hier könntest du, vielleicht sogar durch wörtliche Rede, alles das einbringen, was den Frauen durch den Kopf geht und was bisher passiert ist.

Also wo sie sich befinden, dass sie sich mögen, dass sie den Hund nicht dabei haben, dass sie wissen, dass es hier nirgends einen Handyempfang gibt und weit und breit keine Menschenseele, dass sie die Natur genießen und dass sie gerne in den Bergen abschalten und und und und. Ich würde sie reden und denken lassen.

Auf diese Weise könnte es dir auch gelingen, den beiden Frauen mehr eigenen Charakter einzuflößen. Sie wirken auf mich sehr blass und ich hätte jetzt, wenn mich jemand fragte, jede Menge Schwierigkeiten, dir zu sagen, wer Klara ist und wer Andrea.

Du bleibst mit ihren Charakterisierungen leider nur an der Oberfläche, während Klaus viel deutlichere Merkmale erhalten hat.

Wie ich schon anfangs sagte, würde ich deutlich mehr Spannung erzeugen, indem ich den Leser zum Stirnrunzeln bringen würde.
Einfach dadurch, dass du Klaus wörtlich reden lässt. Er sollte all diese Fragen stellen, ohne viele Antworten zu erhalten, er sollte anzüglicher werden, sich weiter in ungewöhnliche Fragen und Äusserungen steigern, die beiden Frauen könnten sich oft dabei fragend anblicken, um darzustellen, dass sie sich verstehen, aber den Mann nicht einzuschätzen vermögen.
Vielleicht flüstern sie sich etwas zu, erst wenn es zum Ende hin geht, getrauen sie sich nicht mehr zu flüstern.
Du kannst bei all diesen Fragen und Antworten all die Details mit reinbringen, die du vorher, quasi wie eine Art Vorlauf vor die eigentliche Geschichte gesetzt hast, nämlich dass sie Funktionswäsche tragen, aber die andere etwas rundlicher ist und verspielter gekleidet. Das könnte Klaus doch erkennen und anzüglich kommentieren z.B. Du könntest ihre Wandererfahrenheit darstellen, indem sie genau wissen, wo was liegt und wie weit etwas entfernt ist und so weiter. Das kann alles im Gespräch erfolgen, das aber nur eines zum Ziel haben muss: die Steigerung der Gefahr!

Und dann solltest du entscheiden, in welche Richtung deine Geschichte wirklich gehen soll. Das ist mir leider nicht klar geworden. Ich gehe zwar von der Bedrohungssituation aus, die aus meiner Sicht gemeint sein soll, aber es könnte auch etwas völlig anderes sein.
Was ist das Motiv der beiden, ihn zu töten?

Ist es Ekel, Abscheu, angewidert sein? Oder ist es eine Art Bedrohung, die von ihm ausgeht? Wenn es das sein soll, dann fehlt aber ein weiterer Hinweis für den Lesern, wieso zwei Frauen, die sich einig sind, sich von einem Mann bedroht fühlen können. Die sind ja in der Übermacht. Du könntest Hindernisse erdenken, die ihre Übermacht schwächt. Jedwede Steigerung der Aussichtslosigkeit der Situation, in der die beiden Frauen gefangen sind, hilft der Steigerung der Spannung. Wie wäre es mit einem Wetterumsturz, der sie zwingt so schnell wie möglich die nächste Hütte aufzusuchen, denn man fragt sich, wieso die beiden nicht einfach umkehren wollen, nachdem sie nur noch die Aussicht erblicken, mit dem Typen weiterlaufen zu müssen. Das wäre doch die erste Option, dass man einer miesen Situation ausweicht, indem man sie dem Ende zuführt.

Treibe die beiden Frauen in die Enge, erschwere ihnen mit jeder Minute die Möglichkeit aus der Gefangenheit heraus zu können. Du hast jede Menge tolle Möglichkeiten, die du ihnen in den Weg legen kannst. Die eine verliert ihre Sonnenbrille, die den Hang runterfällt, nun wird sie fast blind in der Sonnenglut, weil sie vielleicht besonders lichtempfindlich ist. Die nächste verknackst sich den Knöchel, der jetzt höllisch weh tut, die Salbe, die helfen soll, ist nicht im Rucksack, das Wasser wird knapp und die nächste Hütte ist weit weg. Es gibt, wenn du lange genug nachsinnst, genügend Möglichkeiten, um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen und immer mehr Bedrohung durch diesen Typen aufkommen zu lassen. Was, wenn er z.B. über eine Frau, die im letzten Jahr auf merkwürdige Weise abgestürzt ist, redet und die Frauen den Eindruck gewinnen, er weiß mehr davon.

Es fehlt also an wichtigen Punkten in deiner Geschichte, um sie glaubwürdig und vor allen Dingen spannend zu machen.

Und noch zwei weitere Punkte möchte ich ansprechen:

Die Überschrift ist zwar treffend, aber banal. Würdest du eine solch betitelte Geschichte anklicken, wenn du sie im Internet siehst? Der Titel ist doch dazu da, dem Leser einen Impuls zu geben. Wäre es anders, wäre es gewiss sinnvoller, wenn jeder seine Texte schlicht mit seinem Namen und einer fortlaufenden Nummer bezeichnen würde.

Darüber hinaus befinden sich einige Formulierungsfehler in deiner Geschichte und auch eine Handvoll mehr an Kommas würde nicht schaden.
Da ich aber hoffe, dass du die ganze Geschichte vielleicht nochmals anders angehen magst, habe ich dir die Fehler nicht weiter rausgesucht.

Fazit: Gute Ansätze, sehr laue Umsetzung. Aus dieser Geschichte könnte man etwas sehr viel Spannenderes und Lebendigeres machen.


Noch zum Abschluss ein Hinweis, weil du ja neu hier bist:
Natürlich erwarte ich nicht von dir, dass du diese Story in die Tonne drückst und eine neue nach meinen Vorgaben schreibst. Diese Erwartungshaltung habe ich nicht. Du bist und bleibst der Chef deiner Geschichte(n).

Ich würde mich freuen, wenn du verstehst, was ich meine und es dir gelingt, bei den Geschichten anderer User durch deine Kritiken heraus zu finden, was an den Geschichten gut und nicht so gut ist. Kritiken zu schreiben ist nämlich beinahe eine so gute Übung wie das Schreiben selbst.


Lieben Gruß

lakita

 

Hallo Lakita,

vielen Dank für die sehr ausführliche und ebenso konstruktive Kritik. Das hilft.

Ich denke du hast mit den meisten Dingen recht. Ich wollte ohne wörtliche Rede auskommen weil ich finde, sie wird in der Gegenwartsliteratur viel zu häufig verwendet.

Der Titel war bewußt neutral und sollte in keine Genre-Richtung führen, weil ich über eine KG Sammlung nachgedacht habe, die sich vor allem durch Schlichtheit und Vielfältigkeit auszeichnen soll. So im Stil von George Mackay Brown.

Kommata?
Mea culpa!
Ich bin gerade in zu vielen Sprachen unterwegs und beim Fernsehen verkümmert die Rechtschreibung ebenso wie die sprachlichen Feinheiten. Ich schätze ich bin dann doch zu "freestyle" geworden.

Ich werde überarbeiten und weiter machen. Danke für deine Zeit und Mühe!

Liebe Grüße

nme2014

 

Hallo nme2014,

weil ich über eine KG Sammlung nachgedacht habe, die sich vor allem durch Schlichtheit und Vielfältigkeit auszeichnen soll. So im Stil von George Mackay Brown.
Sorry, von diesem Autor habe ich bisher noch nichts gelesen.

Bitte erkläre mir daher, was du mit Schlichtheit meinst, bzw. was die Schlichtheit der Texte Browns sind, die dich offensichtlich sehr ansprechen, wenn du es ihm nachtun willst.
Ebenso runzele ich die Stirn bei dem Wort "Vielfältigkeit". Was genau meinst du damit? Vor allen Dingen in welchem Kontext meinst du das?

Ich wollte ohne wörtliche Rede auskommen weil ich finde, sie wird in der Gegenwartsliteratur viel zu häufig verwendet.

Es stimmt, in der heutigen Literatur wird deutlich öfter die wörtliche Rede verwendet als vor 100 Jahren. Aber das ist eine Entwicklung, die sich durchaus nachvollziehen lässt.
Während man in älteren Texten durchaus mal drei Romanseiten oder mehr dafür verwendete, die Landschaft, Vegetation, Kima, einzelne Gebäude und die Historie zu beschreiben, ist dies heute nicht mehr üblich.

Wir sind eine völlig andere Lesergeneration als unsere Altvorderen. Wir sind mit tausendfach mehr Sinneseindrücken täglich konfrontiert als die Generationen vor uns. In einer Zeit, in der ich weder Fernsehen, Kino, Radio erlebe, in der eine Reise nicht mal eben ein paar tausend Kilometer weit in wenigen Stunden möglich ist, sind meine Sinne viel mehr darauf erpicht über eine beschreibende Erzählung in die Welt des Romans hingezogen zu werden. Der Roman dient zur Erweiterung meines Horizonts.

Der heutige Leser hat kaum Zeit und ist vollgepackt mit jeder Menge Sinneseindrücken. Da bedarf es nur eines kleinen Impulses, also in der Literatur nur eines Satzes, und er hat das vor Augen, was der Autor beschreiben will. Wenn ich noch nie in den Bergen oder am Meer war, dann benötige ich eine genaue Beschreibung dieser Gegenden, um mich in die Handlung gut hinein versetzen zu können. Das alles entfällt heutzutage und wird als schlichtweg langweilig erlebt, wenn man Dinge ausführlich beschreibt als setze der Autor beim Leser nichts voraus.

Uns fehlt die Unerfahrenheit und damit Neugierde auf beschreibende Literatur und es fehlt uns die Zeit. Der heutige Leser will raus aus dem Alltag, will abtauchen in eine noch kaputtere Welt als seine echte. Oder er will reinschlüpfen in die Traumwelt des Heilen und Schönen.

Dialoge sind in der Lage schnell und direkt ins Geschehen zu ziehen. Sie entsprechen dem, was ein heutiger Leser erwartet. Schnell rein in die Handlung, Thrill und fix wieder raus.

Man muss selbstverständlich nicht zeitgeistig schreiben. Die Freiheit der Kunst umfasst auch all diejenigen Texte, die von den meisten Lesern als langweilig, zu langatmig, schlicht als unergiebig betrachtet werden. Aber man sollte sich dann auch nie beklagen, wenn man nicht oder nur von sehr sehr wenigen Menschen gelesen wird.

Ich bewundere Menschen, die furchtlos gegenzuhalten vermögen, weil sie Einsamkeit aushalten können, ja vielleicht sogar gezielt suchen.

Lieben Gruß
lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo mne2014,

deine Geschichte hat mir ganz gut gefallen. Vor allem die letzten paar Absätze, bei denen sich dann schon ordentlich Spannung aufbaut. Eigentlich war es auch mal interessant, eine Story zu lesen, die ohne wörtliche Rede auskommt. Für einen Roman oder eine ganze KG-Sammlung, wie du sie ja schreiben möchtest, fände ich das ermüdend und zu leblos. Diese Situation, die du erschaffst, ist schon sehr beklemmend. Allein auf diesen Berg, ohne Empfang, ohne Aussicht auf schnelle Rettung. Und den Psychopathen hast du sehr schön gezeichnet. Vielleicht ist es ja auch gar kein Psychopath, sondern nur ein sehr verdrehter, harmloser Typ. Gerade das und die Schlussszene machen deine Gesichte lesenswert. Man würde die ganze Zeit denken, dass die eigentliche Gefahr vom Klaus ausgeht, aber da erinnert man sich natürlich an die Retrospektive, was etwas den Überraschungsmoment verdürbt. Allerdings ist es ja am Anfang wichtig, den Leser gleich zu fesseln, und das würde dir nicht gelingen, wenn du mit den Absätzen anfängst, in denen du die beiden Protagonistinnen umfassend beschreibst. Mich hätte das fast wieder vertrieben, wäre der Anfang nicht gewesen, der da verrät: Nein, weiterlesen! Da kommt noch was. Also blieb ich dabei, was ich nicht bereut habe. Doch es hätte schon früher Spannung entstehen sollen. Die ewige Einleitung der beiden Protagonistinnen ist einfach unnötig. So etwas baut man in das Geschehen der Geschichte ein, wenn es diesem dient. Und auch die Bedrohung durch Klaus gewinnt nur langsam an fahrt.
Meine Meinung: du solltest noch mal kürzen, kürzen, kürzen. Natürlich will ich erfahren, wen ich da auf dieser schrecklichen Bergtour begleite, aber das muss besser mit der Handlung verstrickt werden.
Mein Tipp: Mach dir - teils vor, teils während - deiner Gesichte eine Art Steckbrief von deinen Charakteren. Schreib dort alles auf, was diese Person ausmacht. Schreib auch auf, dass sie eine Katze namens Tigger hat. Deshalb braucht das aber noch lang nicht in die Gesichte. Erst, wenn Tigger eine Rolle spielen sollte, oder sich ihre Gedanken auf ihn richten, sollte er Erwähnung finden.

Nun ein bisschen Textkram, der mir beim ersten Lesen auffiel:

breitschultrig mit leichtem Bauchansatz aber sonst nichts
Dieser Zusatz kann raus. Was soll das überhaupt bedeuten? Dass er keinen Kopf, keine Beine etc. hat? Ich steig da irgendwie aus.

an dem man sich austauschen konnten.
Entweder: an dem sie sich austauschen konnten. Oder: an dem man sich austauschen konnte. Die erste Vorschlag ist aber der Bessere.

Klara lebte er seit ein paar Jahren im Dorf.
erst

Klara hatte ihre Familie hinter sich gelassen als die vier Kinder erwachsen und ausgezogen waren.
gelassen, als

ein Abfall
kein Abfall

Als er sich zu ihnen umdrehte schien es Klara und Andrea so,
umdrehte, schien

Er hatte suchende Augen, die nie still zu stehen schienen während sein Gesicht weitgehend unbewegt blieb.
Warum so unschlüssig? Dieses es schien, als ob - so sollte keine Gesichte erzählt werden.

Ein Langeweilergesicht dachte Klara.
Langweilergesicht, dachte Klara.

Sie gingen zu dritt neben einander solange der Weg noch breit genug war.
nebeneinander, solange

Einen nervigen Langeweiler im Schlepptau
Das meinte ich mit: die Bedrohung durch Klaus gewinnt zu langsam an Schwung. Da stakst er ihnen schon ewig hinter her, und sie denken immer noch, dass Klaus nichts weiter als ein Langweiler ist. Wieso zeigt er nicht viel früher sein Gefahr ausstrahlendes Wesen?

und gelegentlich nicken während sie sich weiter an ihrem Rucksack zu schaffen machte.
nicken, während

Sie redeten über Funktionswäsche und Klaus beschrieb was er wo auf der Haut trug und wo es rieb oder die Nähte drückten.
beschrieb, was

Dann wollte er wissen, etwas für Unterwäsche sie trugen und ob sie beim wandern im Schnitt rieb.
was statt etwas; beim Wandern gehört großgeschrieben

Ihre Augen sagten ihm, dass sie es bereit war zu nutzen, wenn es denn nötig sein sollte.
Da stimmt was mit der Reihenfolge nicht - , dass sie bereit war, es zu benutzen, wenn ...

das senden
groß

Die Sonne schien warm als sie weiter gingen.
, als

wie wenig perfekt es wirkllich ist.
Da darfst du ruhig mal deutlicher werden. Dringe tiefer in deine Charaktere ein. Würde sie wirklich, wie wenig perfekt sagen? Oder doch eher: wie abgefuckt es wirklich ist. Na ja, das vielleicht nicht. :D Aber sicher doch: wie beschissen es wirklich ist.

Was die beiden Frauen auch an höflichen Gründen vortrugen warum Klaus nun endlich verschwinden sollte,
vortrugen, warum

Klaus schien sich immer mehr aufzudrängen, je mehr sich die beiden vor ihm zurückzogen.
Da ist es wieder. Klaus drängte sich immer mehr auf. Klingt besser, oder?

und seinen Wunsch ihnen beim pinkeln zu zusehen.
beim Pinkeln; zuzusehen

Seine Aufdringlichkeit schien sie zu lähmen
Und schon wieder erwischt. ;)

trauten sich kaum zu pinkeln weil sie nicht wussten,
pinkeln, weil

Sie brauchten nicht zu sagen
nichts

zwei fremdem Frauen
zwei fremden

Die ganze Konsequenz der Situation wurde mit dem Satz klar, der beiden Frauen nun durch den Kopf ging. Sie waren auf sich selbst angewiesen, sie waren allein.
Das ist wohl auch ein Problem, mit dem du zu kämpfen hattest. Du wolltest auf beide Frauen eingehen, hast dich aber dadurch nie richtig auf eine Perspektive fokussiert. Deshalb bleiben die tiefen Emotionen und Ängste auch etwas verborgen.
Die Idee zu der Geschichte fand ich klasse, und für einen Debüttext war das schon ganz ordentlich. Jetzt geht es noch darum, den Stil etwas zu verfeinern und zu wissen, was eine Erzählung vorantreibt und was nicht. Letzteres muss bei der Korrektur unbedingt gestrichen werden.

Ich hoffe, du kannst etwas mit meinen Vorschlägen anfangen.

Viele Grüße

Hacke

 

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