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Der Wettstreit

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08.01.2024
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Der Wettstreit

EINS

Silvia trat dem augenscheinlich stark alkoholisierten Mann, ohne zu zögern, zwischen die Beine. Obgleich auch sie viel getrunken hatte, fühlte sie sich im Moment unverhofft klar. Der Fremde schrie auf, dann sackte er auf die Knie.


Silvia war einer jungen Frau zu Hilfe geeilt, die zweifelsfrei von dem Betrunkenen belästigt worden war. Er hatte die auffallend hübsche Brünette zwischen zwei Geldspielautomaten gedrängt, ihr den kurzen Rock hochgeschoben und versucht, sie gegen ihren Willen zu küssen. Die Bluse der jungen Frau war aufgerissen und ihre Brüste zur Hälfte entblößt.


Ohne darüber nachzudenken, griff sie nach dem erstbesten Gegenstand. Ihre Finger schlossen sich darum, hoben ihn an und im nächsten Moment sausten er herab. Mit voller Wucht schlug der schwere, gläserne Aschenbecher auf den Schädel des Mannes. Silvia registrierte interessiert, welch enorme Menge Blut die mächtige Platzwunde zutage förderte. Schwankend stand sie da, als sie plötzlich von einem Paar kräftiger Hände bei den Schultern gepackt und zurückgezogen wurde. Silvia geriet ins Stolpern und mit einem Mal kehrte die Benommenheit der vielen Drinks mit Macht wieder. Der kurze Moment der Klarheit versank immer rascher im Nebel ihres Rausches.

Gregor und Mia kamen Sam zu Hilfe, gemeinsam beförderten sie Silvia eilends nach draußen.

„Nichts wie weg hier!“ und „Mann, hat die Kleine Temperament!“ drang es bruchstückhaft zu Silvia vor. Schubweise überkam sie die Übelkeit. Alles drehte sich, der Boden schwankte bedrohlich. Silvia hatte beinahe das Gefühl, dass sie fliegen würde. Nur dass dies seltene Erlebnis jetzt alles andere als angenehm war.


Zwei Straßenbiegungen weiter setzten sie Silvia auf dem Boden ab.


„Das war knapp!“, bemerkte Sam außer Atem. „Ich hoffe, der Typ überlebt Silvias Attacke“, ergänzte er halb scherzhaft.


„Geschieht dem Schwein ganz recht!“, bemerkte Mia bissig, ihre Augen funkelten zornig. „Ihr habt doch gesehen, was da los war. Ich hoffe, der kriegt sein Ding nie wieder hoch!“, keifte sie. „Ist ohnehin traurig, dass Silvia das erledigen musste. Was ist los mit euch Helden?!“ Sie schwankte mindestens genauso, wie die anderen. Sie hatten alle zu viel getrunken.


„Ich weiß nicht, wie es mit euch steht“, fiel Gregor ein, „aber ich brauch dringend was zu beißen. Lasst uns runter zum Schotten gehen, ’n paar eklige Burger verdrücken.“ Er deutete mit ausgestrecktem Arm die Straße hinunter, in einiger Entfernung zeigten sich die gelb leuchtenden Bögen.


Eine halbe Stunde später fand Silvia allmählich wieder zu sich. Ein vertrauter Geruch, bestehend aus penetrantem Frittenfett und dichtem Zigarettenqualm, drang ihr in die Nase. In den vergangenen zwei Wochen war sie fast täglich in einem dieser Restaurants gelandet. Sei es aus Sehnsucht, nach ein wenig Vertrautem, auf der Suche nach einem günstigen und dennoch genießbaren Cappuccino, oder schlicht, um sich auf einer der zumeist sauberen Toiletten waschen zu können. Genau wie für viele andere Rucksacktouristen, glichen die Filialen der großen Fastfootkette, kleinen, sicheren Häfen in deren Alltagsleben.


Einzig der warme, weiche Untergrund, auf welchem Silvias Kopf gebettet lag, verwunderte sie. Für Sekunden starrte sie auf ein tiefblaues, ausgebeultes Gebilde, ehe sie begriff, dass sie auf dem Oberschenkel eines Mannes lag und in dessen Schritt starrte. Ruckartig schnellte Silvia hoch, wobei sie heftig mit dem Kopf gegen die Unterseite der Tischplatte stieß.

„Jesses!“, entfuhr es Sam. Erschrocken verschüttete er den Großteil seines glücklicherweise bereits abgekühlten Kaffees. „Bitte nicht schlagen!“ meinte er amüsiert und hob dabei abwehrend beide Hände.
Vor Silvias Augen dunkelte es erneut, nur mit Mühe kam sie auf die Beine. Ihr Kreislauf war für solch eine abrupte Beanspruchung noch nicht gewappnet. Sie schwankte beträchtlich, drohte erneut umzukippen. Sam sprang geistesgegenwärtig auf und stützte sie.


Dankbar schenkte Silvia ihm ein halbes Lächeln, doch ihr wurde schon wieder übel. „Toilette! Wo?“, stieß sie, eine Hand auf ihren Mund gepresst, kaum verständlich hervor. Mehrere Hände wiesen ihr den Weg.
Als Silvia nach einer kleinen Ewigkeit von den Toiletten zurückkehrte, noch immer betrunken, jedoch halbwegs gefestigt, befanden sich zwei neue Gesichter am Tisch der kleinen Gruppe.



ZWEI

Zum zweiten Mal an diesem Abend betrete ich das Klueo, an der kleinen Küche vorüber, durch den Lieferantenzugang. Mein Glück scheint heute grenzenlos, er ist noch immer hier.

Gäste gibt es keine mehr, schon bei unserem fluchtartigen Abgang registrierte ich, dass wir zu den letzten zählten. Verborgen beobachte ich, wie der Wirt seinem Kumpanen einen frischen Beutel Eis reicht und dann in Richtung Lager verschwindet. Hielt er sich auch heute an sein übliches Prozedere, würde er nun für Minuten im Getränkelager beschäftigt und somit außer Sicht- und Hörweite sein. Das ist eine wage Einschätzung der Lage, dennoch will ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen.

Mit vier großen Schritten bin ich bei ihm. Dumpf trifft ihn der abgewetzte Todschläger. Er sackt auf seinem Stuhl zusammen, ich achte vor allem darauf, dass er nichts umstößt, keinen unnötigen Lärm verursacht. Routiniert stülpe ich die mitgebrachte Plastiktüte über seinen Kopf. Jetzt heißt es warten.

In Gedanken zähle ich die Sekunden. Ist es nicht erstaunlich, wie ähnlich Menschen auf diese Weise sterben? Zehn bis fünfzehn Sekunden Ruhe, dann beginnt das Zappeln. Mal mehr, mal weniger heftig währt dies weitere zehn bis fünfzehn Sekunden, dann gibt das Hirn auf. Macht man jetzt den Fehler, die Tüte abzunehmen, bleibt dem Opfer eine fünfzigprozentige Überlebenschance. Fünfzehn weitere Sekunden besiegeln sein Schicksal.

Rund eine Minute vom Leben in den Tod. Ich stecke die Tüte zurück in meine Jackentasche und verschwinde auf demselben Weg, den ich gekommen bin. Draußen gehe ich ohne Eile davon.

Das Leben hält die wundersamsten Umstände parat. Einfacher hätte der Job nicht laufen können. Meine Gedanken begleiten mich durch die Nacht, und als ich die leuchtend gelben Bögen wieder sehe, gehe ich wie selbstverständlich zu den anderen zurück. Warum ich das tue, vermag ich nicht zu beantworten. Vielleicht aus Neugierde, vielleicht aus Langeweile. Fest steht, dass ich Dank des glücklich-vorzeitigen Abschlusses für einige Zeit nichts zu tun habe, also lasse ich mich darauf ein.

Ich war längst nicht so betrunken, wie ich sie hatte glauben lassen. Einerseits erscheit mir ihr Vorhaben rundum schwachsinnig, andererseits irgendwie reizvoll. Eine Wette mit leidlichem Einsatz und der Aussicht auf geringen Gewinn.

Leon hatte sie vorgeschlagen. Er war zusammen mit der Rothaarigen an unseren Tisch getorkelt, beide mindestens genauso voll, wie wir alle. Na ja, wie fast alle.

„Leon! Natalie!“ Er hatte zuerst mit dem Finger auf sich, dann auf seine Begleitung gedeutet. Offenkundig überglücklich darüber, Deutschsprachige anzutreffen.

„Siehst du, hab’s doch gewuss“, lallte er, „Landsleute!“

Natalie hatte, wahrscheinlich schon vor Stunden, auf Dauergrinsen gestellt und wirkte dadurch irgendwie dämlich. Willkommenswünsche wurden ausgetauscht, rundum lag man sich in den Armen. Besoffene sind eben allerorts eine große Familie.

Nach den unumgänglichen Schilderungen Reisender, fand das Gespräch unverhofft zu finanziellen Themen. Werdegänge wurden offengelegt und Zukunftspläne verkündet. Und schon begannen die Sprüche: „Geld macht nicht glücklich!“, „Spießer!“ und „Falsche Werte!“, wurde gebellt. Alle waren froh darüber, sich diesem einfachen, abenteuerlichen Leben verschrieben zu haben. Dann kam das Aufschneiden: „Ich brauch keine ... , wozu denn ... , ich kann auch ohne den ganzen Scheiß glücklich sein!“ Und am Ende stand die Wette.

Alle waren begeistert, sogleich wurden die Bedingungen ausgehandelt. Die Regeln waren einfach. Noch in dieser Nacht würden sie gemeinsam das Rowlon betreten, und wer es zuletzt wieder verließ, würde Sieger sein. Das gesamte Hab und Gut, welches jeder bei sich trug, sollte zuvor in Schließfächern verwahrt werden. Nur die Kleider, die man am Leib trug, durften mitgenommen werden. Der Preis, der dem Sieger winkte, war das zusammengeworfene Bargeld, in Höhe von wenigen hundert Dollar.

DREI
Silvia elektrisierte diese Nacht.
Die vergangenen zwei Wochen waren furchtbar gewesen. Nahezu allen ergeht es anfangs so, hatte man sie gewarnt. Alleine, gänzlich auf sich gestellt, ein fremdes Land zu bereisen, ist kein Zuckerschlecken. Die ersten Tage werden die schlimmsten werden, prophezeite man ihr. Durfte man volle zwei Wochen noch zu den ersten Tagen zählen? Silvia hatte ihre Entscheidung zu diesem Trip bereits unzählige Male bereut. Nur all zu gern wäre sie in den nächst verfügbaren Flieger gestiegen und nach Hause geflogen. Nur würde das einer Kapitulation gleich kommen und dazu war sie nicht bereit.
Irgendwie war es die letzten Monate, vielleicht sogar schon Jahre, beständig mit ihr bergab gegangen.
Silvia war zweiunddreißig Jahre alt, weder sonders hübsch, noch unansehnlich. Sie war weder zu dick, noch konnte man sie als auffallend gut gebaut bezeichnen. Sie verfügte über keine nennenswerten Fähigkeiten, keine überdurchschnittliche Bildung. Sie kleidete sich unauffällig und benahm sich ihm Allgemeinen ihrem Umfeld entsprechend. Kurz gesagt, fristete Silvia ihr Leben in Mittelmäßigkeit.
Zuletzt hatte sie das Ruder jedoch an sich gerissen. Sie hatte ihre Stellung gekündigt, die längst überfällige Trennung von ihrem Freund vollzogen, hatte die gemeinsame Wohnung aufgelöst und sich anschließend ein Ticket zu grenzenlosen Abenteuern und dem Anbeginn ihres neuen Lebens gekauft.

Am Ziel angelangt, umgeben von hunderten fremder Menschen, fremder Geräusche, Gerüche und Eindrücken, schrumpfte ihre Hoffnung augenblicklich gen null. Unsicherheit und Einsamkeit waren von nun an ihre Begleiter. Der Auftakt zu ihrem neuen Leben, der Anbeginn ihrer abenteuerlichen Reise mit dem auserkorenen Ziel der Selbstfindung, ging fürs Erste mächtig in die Hose.
Gestern dann ein erster Lichtblick. In einem Park war ihr Mia begegnet. Eine quirlige, platinblonde Schweizerin, die Silvia darum bat, auf ihre Sachen zu achten, während sie sich in die Büsche schlug.
Die beiden verstanden sich auf Anhieb und verbrachten den Tag gemeinsam. Am Abend verstauten sie Rucksäcke und Taschen in Schließfächern, irgendwann strandeten sie im Klueo.

Mia schien in vielem das exakte Gegenteil von Silvia zu sein. Lebensfroh, draufgängerisch, alles andere als mittelmäßig. Die Sechsundzwanzigjährige gab beinahe ständig Vollgas. Allein ihr Äußeres – atemberaubend!
Das plakativ geschminkte, etwas burschikose Gesicht, umlockt von schulterlangem, platinblondem Haar. Zähne so weiß und perfekt gereiht, dass sie einer jeden Zahnpastewerbung gerecht würden. Sonnenverwöhnte, reine Haut. Wespentaille, schmale Hüften, kecker Po und kleine, stramme Brüste. Riesige, billige Plastiksonnenbrille mit blutroten Gläsern, Tiger-BH, extrem tief sitzende Camoflagehose und ansonsten wortwörtlich nichts am Leib. Keine Schuhe, keine Unterwäsche, kein Schmuck.
An der Seite ihrer neu gewonnenen Freundin kam Silvia sich regelrecht unsichtbar vor. Es verging kein halbe Stunde, ohne dass Mia von Männern angesprochen wurde. Nie um ein zuckersüßes Lächeln oder einen zweideutigen Kommentar verlegen, konterte Mia jeden noch so plumpen Annäherungsversuch.
Silvia bewunderte Mias Selbstsicherheit und über denn Tag hinweg färbte ein klein wenig davon auf sie ab.
Bei den Schließfächern einer Busstation verhalf Mia Silvia zu einem neuen Look. Ein Crashkurs im Schminken, die Frisur blieb fürs Erste verschont. Ein mit Schottenmustern bestickter Mini aus Mias Rucksack, in Kombination mit dem kürzesten Trägerhemd, das Silvia besaß. Keine Schuhe, denn barfuß zu laufen, sei ohnehin fast das Geilste, was man tun kann. Einzig zu dem absolut Geilsten, dem Verzicht auf Unterwäsche, ließ sich Silvia nicht überreden.
Mia versicherte ihr, dass sie wirklich klasse aussah! Und Silvia wagte es nicht, die steile These vor dem Spiegel der Bahnhofstoiletten zu hinterfragen. Mias eigene Vorbereitungen für den Abend bestanden darin, ihr Make-up aufzufrischen, sich die Zähne zu putzen und ihre Hose, die frech den Ansatz ihrer Poritze freigab, noch ein ganzes Stück weit nach unten zu streifen.
Anfangs fühlte sich Silvia endgradig unwohl. Mit der Zeit gewöhnte sie sich an ihr luftiges Outfit. Und die weiterhin stattfindenden Anzüglichkeiten, die nun offensichtlich beiden galten, waren Balsam für ihr verkümmertes Ego. Auf den letzten Metern zum Eingang der Kneipe spielte Silvia kurzfristig mit dem Gedanken, sich doch noch ihres Schlüpfers zu entledigen.

Ihre Ankunft im Klueo glich beinahe dem Erscheinen von Popstars. Zwar blieb das obligate Blitzlichtgewitter aus, aber ausnahmslos alle Augenpaare ruhten für Sekunden auf ihnen.
Es dauerte nicht lange, bis zwei Typen sie zu Drinks einluden. Sam und Gregor erwiesen sich als nett, sowie äußerst spendabel. Nach den ersten Gläsern Prosecco, bestellte Mia, Runde um Runde Bier und Tequila.
Silvia amüsierte sich prächtig. Angeregt unterhielt sie sich mit Sam, der sie unentwegt anlächelte.
Eineinhalb Stunden später, Gläser waren gekommen und gegangen, wies Mia Silvia dezent darauf hin, dass sie eine Spur zu breitbeinig im bequemen Sessel lehnte. In Jeans wäre das durchaus okay, im Mini jedoch–
Silvia korrigierte dies umgehend und war heil froh, ihrer letzten Versuchung, dem Verzicht auf Unterwäsche, nicht erlegen zu sein.
Sie war noch immer ein kleines Licht neben Mia. Dessen war sich Silvia bewusst. Dieses Mädchen hatte wahrhaft Feuer, steckte alles in Brand. Unentwegt züngelte gierige, lüsterne Blicke in Mias Richtung. Aber nun sahen sie auch Silvia an. Auch sie wurde des Öfteren von Augenpaaren begrapscht.
Silvia fühlte sich begehrt, anrüchig und ungezogen. Und sie gefiel sich in ihrer Rolle, solange es bei optischen Kontakten bleiben würde. Was ihr besonders gefiel, war, dass gerade Sam offenkundig Interesse an ihr zeigte. Auch seine Blicke klebten hin und wieder an Mias fesselnd-lächelnden Mund. Silvia entging dies nicht. Ihr Hochgefühl vermochte das jedoch kaum zu schmälern.
Die eben erst entflammte Kerze vermag es schlicht nicht, der Sonne das Wasser zu reichen.

Zwei Stunden später war Silvia vollends betrunken. Das Lokal hatte sich nahezu gelehrt, allmählich überkam sie eine angenehme Schwere. Als Mia sie auf den zudringlichen Typen aufmerksam machte, durchzuckte sie ein Blitz, der sie abrupt hellwach werden ließ. Ohne zu zögern, sprang sie auf und attackierte den Mann, bis sie von den anderen nach draußen gezerrt wurde.
In den wenigen Sekunden erlebte Silvia einen Moment der Klarheit. Sie wusste, was sie zu tun hatte, und war sich sicher, dass es gerecht war. Nie zuvor in ihrem Leben fühlte Silvia sich wacher und lebendiger, auch wenn die alkoholische Betäubung sie unmittelbar darauf komatös übermannte.

Jetzt, etliche Stunden danach, es war bereit halb drei Uhr morgens, hielt die Wirkung dieses Erlebniss´ auf eigenartige Weise noch immer vor. Wieder bei den Schließfächern fühlte Silvia sich nicht mehr als der Mensch, der ihre Sachen vor Stunden dort weggeschlossen hatte.


VIER
Als wir über den Zaun stiegen, fühlte ich mich an meine Jugend erinnert. Einmal empfing mich ein Rudel kläffender Hunde, ein anderes Mal durfte ich mich einem jungen Paar anschließen, das sich zu einem Stelldichein verabredet hatte. Das nächtliche Einsteigen in Badeanstalten war seiner Zeit eine beliebte Sache.
Nachdem die Wette beschlossen war, trennten wir uns fürs Erste, sodass jeder seine Vorkehrungen treffen konnte.
Ich verließ die Gruppe mit der Gewissheit, keinen von ihnen je wiederzusehen. Die Rolle des Rucksacktouristen war mir für diesen Job passend erschienen. Jetzt gab es keinen Grund, weiterhin als solcher zu verkehren. In zwei, drei Stunden hätte ich eine Maschine besteigen und zurück nach Europa fliegen können. Eine Laune hielt mich davon ab.
Dabei ist unklug, länger als nötig am Tatort zu verweilen. Damit brach ich mit einer der ungeschriebenen Regeln. Natürlich war mir längst klar, warum ich blieb. Das hatte weder mit Neugierde noch mit Langeweile zu tun. Lange wollte ich es mir nicht eingestehen. Aber ich habe mich verliebt. Die sprichwörtliche Liebe auf den ersten Blick. Unfassbar!
Emotionen trüben das Urteilsvermögen. Gefühle müssen in diesem Job streng separiert bleiben. Die Geschichte hält hierzu unzählige Beispiele parat. Ich habe selbst mitangesehen, wie kühne Köpfe wegen Gefühlsduseleien zugrunde gingen. Unzählige Klischees dümpeln um den geheimnisvollen Auftragsmörder. Die meisten davon gehören dem Reich der Fantasie an. Es ist nur ein Job. Kein Ausbildungsberuf oder Studiengang, aber dennoch eine Tätigkeit, die man erlernen kann. Die Prostitution ist ein vergleichbares Geschäft. Außergewöhnlich und sicher nicht jedermanns Sache. Noch vor wenigen Jahren verteufelt und nur sehr langsam der Illegalität entwachsen. Für die Mehrheit bleibt es unbegreiflich, wie man für Geld mit jemandem ins Bett gehen kann. Ihrer Meinung nach muss diesem Handeln eine finanzielle Notlage vorweggehen; Drogenprobleme und Zwangsprostitution stehen ganz oben auf ihrer Liste. Ein freiwilliges Betreiben dieses Geschäftes hallten sie für nahezu ausgeschlossen und die wenigen Ausnahmen, die sie zähneknirschend eingestehen, müssen einschlägigen Charakters sein, aufgewachsen in entsprechendem Milieu.
Diese Leute werden nie akzeptieren, dass in anderen Kulturen süße Kätzchen oder Hunde verspeist werden, mehr als nur ein Weib geehelicht wird, oder für den Glauben sich selbst und möglichst viele andere in die Luft jagt werden. Mein Glaube ist mein Wohlergehen. Für ein Leben weitgehend nach meinen Vorstellungen töte ich wahllos Menschen. Ein Kopf, ein Preis. Ob Männer, Frauen, Alte oder Kinder. In Revolvergeschichten wird dem bösen Auftragsmörder oftmals zu mehr Menschlichkeit und Sympathie verholfen, in dem er dem moralischen Ehrenkodex folgt, keine Frauen oder Kinder zu töten. Und tatsächlich gibt es solche Kollegen. Die gelten jedoch weniger als ehrenvoll, mehr als unprofessionell. Ein Kopf, ein Preis. Das ist alles.
Eines der vielen Klischees trifft jedoch zu. Ein über längere Zeit aktiver, professionell arbeitender Auftragsmörder fristet sein Dasein in Einsamkeit.


FÜNF
„Gleiche Bedingungen für alle!“, wiederholte Mia einmal mehr.
Es war ihr Vorschlag, der noch immer vorherrschende Alkohol ließ rundum alle einwilligen. Mit wenigen, flinken Handgriffen entledigte sie sich ihrer Sachen. Jetzt stand sie splitterfasernackt im Kreis der anderen. Sie schüttelte ihre Hose aus, ebenso das kurze Jäckchen, das sie seit ihrer Wiederkehr trug und rief: „Nichts! Keine Knete, keine Karten! Gleiche Bedingungen für alle.“ Schulterbreit stand sie im hellen Licht des vollen Mondes und blickte auffordernd von einem zu anderen.
Reihum vielen zögerlich die Klamotten. Und als alle nackt waren, spurtete Mia plötzlich quer über den Rasen. Ihre Pobacken hüpften keck über ihren langen Beinen und mit einem gekonnten Hechtsprung verschwand sie klatschend hinter der Kante des Schwimmbeckens.
Die meisten taten es ihr gleich, nur Natalie und Leon blieben zurück. Als Silvia aus dem kühlen, stark gechlorten Wasser auftauchte und zum Beckenrand schwamm, entdeckte sie die beiden, wie sie Hand in Hand eine andere Richtung einschlugen. Sam tauchte knapp zu ihrer Linken auf, eine Sekunde später Gregor rechts von ihr. Beiläufig streifte Sams Oberschenkel den ihren, ein verschmitztes Lächeln huschte über sein Gesicht.
„Was die Beiden da wohl treiben?“, bemerkte Gregor. Grinsend nickte er in die Richtung, aus der sie gekommen waren, ehe er sich rücklings von der gefliesten Umrandung abstieß. Silvia konnte sein Geschlecht sehen, das einer Flosse gleich kurz über die Wasseroberfläche hinaus ragte. Ein kindisches Kichern entfuhr ihr und im nächsten Augenblick schrie sie laut auf.
Zwei Hände hatten ihre Beine ergriffen, sich über ihren Hintern und ihren Rücken bis zu ihren Schultern hinaufzogen. Zu Tode erschrocken fuhr Silvia herum, Mias schminkeverlaufenes Gesicht grinste sie breit an. Silvia wollte sie rügen, aber Mia lachte nur, war eine Sekunde später schon wieder im Dunkel des Wassers abgetaucht.
„Unglaublich, diese Frau!“, bemerkte Sam, seine Augen funkelten. Der Schrecken und eine aufkeimende Eifersucht befähigten Silvia lediglich zu einem tonlosen: „Ja, schon.“
Sam stieß sich ebenso vom Beckenrand ab und verschwand schwimmend in die Nacht.
Na prima, dachte Silvia, dass hast du klasse hinbekommen. Alleine am Beckenrand sah sie zur Wiese hinüber. Von Natalie und Leon war weit und breit nichts zu sehen, auch alle anderen schienen ihren Spaß zu haben. Ein böig heiser Wind blies stramm von Westen her. Die Nächte kühlten hier um diese Jahreszeit kaum ab. Silvia war klar, dass es sicher noch fünfundzwanzig oder mehr Grad hatte, dennoch fröstelte sie. Sie wollte eben aus dem Wasser steigen, als Mia buchstäblich an ihrer Seite auftauchte.
„Ist dir kalt?“, fragte sie und strich Silvia dabei mit den Fingerspitzen über den Oberarm.
„Äh, ja, irgendwie schon“, stammelte Silvia irritiert.
„Na komm", sagte Mia, "ich wärm dich." Mia kam näher und schlang ihre muskulösen Arme und endlos langen Beine um Silvias Körper. Silvia spürte Mias feste Brüste an ihren und dann gar ihre kurz geschorene Wolle an ihrem Hüftknochen. Unwirsch stieß sie sie von sich und zog sich eilends aus dem Wasser.
„Schon okay“, sagte sie hastig, „ist nett von dir. Aber ich wollte eh gerade raus.“
„Immer locker bleiben, Silvia“, erwiderte Mia amüsiert. Lachend schwamm sie hinaus.


SECHS
Mit siebzehn hatte Natalie aufgehört zu zählen. Leon hatte die letzten Tage ihr Essen und den Alkohol bezahlt, daher war es nur rechtens, dass er sie fickte.
Stumm lag sie auf dem Rücken, während er sich abmühte. Natalie betrachtete die Sterne, sie mochte die klaren Nächte. Die meiste Zeit über hing dichter Smog über der Stadt, Hitze und Stickigkeit konnten im Sommer unerträglich werden.
Heute war ein guter Tag. Sie hatte genug im Bauch und der Alkohol verlieh ihr eine angenehme Beschwingtheit. Alkohol lies ihr Inneres tanzen. Er schaffte es, dass ihre Kopfhaut kribbelte und sie sich leicht und fröhlich fühlte. Mehr verlangte Natalie nicht.
Leon begann an Natalie zu zweifeln. Vor vier Tagen hatte er sie in der Innenstadt aufgegabelt, seitdem wiech sie ihm nicht von der Seite. Schön war Natalie nicht, aber hübsch. Eins siebzig groß, dunkle, lange Haare, sehr schlank, dennoch weibliche Formen. Und was bemerkenswert war, auffallend sauber, für jemanden, der augenscheinlich auf der Straße lebte.
Als er sie ansprach, lächelte sie angestrengt, sodass er zunächst glaubte, sie wolle ihn verarschen. Ihre ausgelatschten Halbschuhe, das knielange, abgetragene Sommerkleid und ihre dünnen, abgemagerten Ärmchen ließen ihn jedoch rasch zu dem Schluss gelangen, dass sie es sich nicht leisten kann, eine ihr wohl gesonnene Seele vor den Kopf zu stoßen.
Er spendierte ihr ein Eis, wollte mit ihr plaudern, etwas von ihr Geschichte erfahren. Leon war nicht der Typ des Samariters. Es war eine seltene Stimmung, die ihn dazu veranlasste. Anfänglich verspürte er ernsthaft den Wunsch, ihr helfen zu wollen. Bald stellte er jedoch fest, dass Natalie das perfekte Opfer für ihn darstellte.
Eine geschlagene Stunde lang versuchte er sich mit ihr zu verständigen. Aber weder auf Englisch, noch auf seine rudimentären Spanischkenntnisse sprang sie an. Unentwegt lächelte sie, weiter nichts. Nach Ablauf dieser Stunde gelangte Leon zu dem Schluss, dass sie taubstumm, dämlich wie ein Pfosten, oder beides zugleich war.
Als er sich zum Gehen wandte, fragte Natalie mit entsetzlich näselnder Stimme: „Willst du nicht ficken? Ich bin sauber. Und nicht zu fett.“
Leon erschrak, ihre Stimme klang fürchterlich. Lediglich die Einfachheit und Eindeutigkeit ihrer Aussage ließen ihn sie verstehen. Es hörte sich tatsächlich nach den unbeholfenen Sprechversuchen eines hochgradig hörgeschädigten Menschen an.
Für einen Moment war Leon regelrecht geschockt. Aber Natalie stand weiter vor ihm, lächelte ihn an. Und solange sie den Mund hielt, war sie, na ja, war sie hübsch.
„Doch doch, schon!“, sagte er und Natalie ergriff seine Hand und zog ihn mit sich. An einem geeigneten Ort öffnete sie den Reisverschluss seiner Hose, holte seinen Steifen heraus und streifte mit erstaunlichem Geschick ein Präservativ darüber. Natalie hob ihr Kleid an, stieg aus dem Schlüpfer, kehrte Leon den Rücken zu und beugte sich über ein Geländer. Die Frau schickt mir der Himmel, dachte Leon, gierig befriedigte er sich an ihr.
Ähnliches wiederholte sich in den folgenden Tagen. Wann immer ihm danach war, genügte eine Andeutung und Natalie war bereit. Der Deal war einfach: Er versorgte sie mit Essen und sie hielt hin.
Bald darauf war Leon dazu übergegangen, sich in seiner Muttersprache mit ihr zu unterhalten. Sie hörte zu und lächelte, und er kommentierte das Tagesgeschehen, so wie manche das tun, mit einer Art imaginären Begleiter.

Leon war Deutscher, ein mieser Typ. Zuhause hielt er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, darüber hinaus war er für nahezu jede Gaunerei zu haben. Achtundzwanzig Jahre alt, etliche Jugendstrafen, später zwei Jahre auf Bewährung. Leon war weder gewitzt, noch war er wagemutig oder geschickt. Seine Verbrechen hielten das Niveau, alten Damen die Handtasche zu entreißen. Er linkte Freunde, beklaute seine Mutter und vergriff sich mit Vorliebe an Wehrlosen.
Einzig ein Talent war ihm gegeben. Wie kaum ein Zweiter verstand er es zu blenden. Bis die Menschen sein wahres Wesen erkannten, war es meist zu spät.

Natalie war ihm ein Segen. Genau zur rechten Zeit lief sie ihm über den Weg. Seine Mittel waren nahezu aufgebraucht, irgendwie hatte nirgends Anschluss gefunden. In diesem Land schien sein Charme ohne Wirkung zu sein. Niedergeschlagen hatte er bereits den Rückflug in Betracht gezogen, als sie ihm plötzlich begegnete. Natalie polierte sein Ego, verhalf ihm zu neuem Antrieb.
Gestern Abend hatte er sich mit ihr volllaufen lassen. Später waren sie dieser heiteren Gruppe begegnet und Leon hatte Morgenluft gewittert.
Anfangs war er schlicht froh darüber gewesen, endlich mal wieder ein echtes Gespräche führen zu können. Und als sich dann diese aberwitzige Sache herauskristallisierte, war es ihm ein Leichtes gewesen, die Wette zu formulieren. Leon war augenblicklich klar gewesen, wer den Preis einsacken würde.

Jetzt, als er ein siebtes oder achtes Mal mit Natalie schlief, verlor es allmählich an Reiz. Seine aufgestaute Geilheit war längst abreagiert, in zunehmendem Maße begann ihn ihre Passivität zu nerven.


SIEBEN
Mit siebenundvierzig bekam Pamela Artris ihr drittes Kind. Zum Zeitpunkt der Geburt wog sie dreihundertfünfundzwanzig Pfund, bis zuletzt ahnte sie nichts von ihrer Schwangerschaft. Der Arzt, der sie wegen starker Unterleibsschmerzen untersuchte und augenblicklich ins Hospital überwies, diagnostizierte Pamela neben der unmittelbar bevorstehenden Niederkunft, 2,4 Promille.
Beide vorherigen Kinder, der über Jahrzehnte hinweg schwer alkoholkranken Mrs. Artris, waren hochgradig behindert zur Welt gekommen. Keines von beiden überlebte das erste Jahr. Nach dreijährigem Prozess entging die mittlerweile entmündigte Mrs. Artris einer Zwangssterilisierung nur Dank ihres fortgeschrittenen Alters. Niemand rechnete mit einer weiteren Schwangerschaft, am wenigsten Pamela selbst.
Die winzige Natalie erblickte das Licht der Welt zehn Wochen zu früh. Sechs Wochen Intensivstation, konstant auf Messers Schneide. Danach Monate in verschiedenen Krankenhäusern, dannach einige Pflegefamilien. Rückschläge, Komplikationen, niemand wollte Natalie haben. Erneut Intensivstation, Krankenhaus, Rehaklinik. Neue Pflegefamilien, weitere Komplikationen, mit viereinhalb Jahren die Einweisung in ein Heim für geistig behinderte Weisen.
Die Alkoholexzesse ihrer Mutter bescherten Natalie eine nachhaltige Schädigung des Sprachvermögens. Weitere Untersuchungen prophezeiten den Stillstand ihrer geistigen Entwicklung auf dem Stand einer Vier- oder Fünfjährigen.
Natalie bekam ihre Mutter nie zu Gesicht. Wer der Vater war, wusste, wenn überhaupt, nur Gott oder doch eher der Teufel.

Mit elf landete Natalie auf der Straße. Heimlich war sie zwei älteren Mädchen bei deren Ausbruch aus dem Heim gefolgt. Kurze Zeit später verlor sie beiden aus den Augen und geriet an eine Frau, die sich ihrer annahm. Die Frau war eine Illegale aus Kuba, vor vier Jahren auf beschwerlichem Weg eingereist, mit einem Herz so groß wie ihr Heimatland. Trotz ihrer eigenen Armut kümmerte sie sich vorbildlich um Natalie, bis sie eines Tages einfach verschwand.
Mit dreizehn wandte sich Natalie an eine Fremde, die ihrer verschollenen Wohltäterin entfernt ähnelte. Diesmal hatte sie kein Glück.
Die Frau war eine schlimme Säuferin. Sie zwang das Kind für sie zu arbeiten, prügelte es regelmäßig, ließ ihren Weltschmerz, den sie nicht länger im Alkohol zu ertränken vermochte, an dem Mädchen aus.
Nach Monaten machte die Frau Bekanntschaft mit Claudio; und Natalie die ihrer ersten Vergewaltigung. Von da an bezogen beide Prügel, zudem fand sich Claudio allnächtlich bei Natalie ein.
Ein Jahr verstrich, bis die Situation eines Winterabends eskalierte. Claudios Züchtigungen hatten ein unkontrolliertes Ausmaß angenommen, er fügte Pamela Kopfverletzungen zu, die sie nicht überleben sollte. Panisch raffte er alles Brauchbare zusammen und verabschiedete sich ein letztes Mal gebührend von Natalie. Ehe er sich endgültig aus dem Staub machte, gab er ihr einige, wohlwollende Ratschläge: „Kind, du bist dumm wie Scheiße! Sie zu, dass du nicht zu fett wirst, halt dich schön sauber und lächle. Solange die Typen dich ficken wollen, wird es dir gut geh’n.“
Natalie nickte eifrig und lächelte ihn an.
„Dumm wie Scheiße“, wiederholte er kopfschüttelnd. „Sie zu, dass du von hier verschwindest!“

Von da an lebte Natalie auf der Straße. Sie hielt sich sauber und lächelte. Nicht zu dick zu werden, war nicht schwer. Hunger blieb ihr treuer Gefährte. Mit Anfang siebzehn hatten zehn Finger mal fünf Hände sie gefickt; weiter vermochte Natalie nicht zu zählen. Ob es ihr gut ging, wusste Natalie nicht. Aber sie tat, wozu man ihr geraten hatte, und die Männer wollten sie noch immer. Somit musste es ihr gut gehen.


ACHT
Ein nahes Klirren beendete den Akt. Leon sah ohnehin kaum mehr Sinn in seinem Tun, für Natalie machte es keinen Unterschied. Achtlos stieg er von ihr, kommentarlos verschwand er nackt in Richtung des verklungene Geräusches. Natalie stand auf, ging zu den Becken hinüber und wusch sich.
Bei einer kleinen Gebäudeansammlung entdeckte Leon ein zerbrochen Fenster, beinahe währe er in auf dem Boden befindliche Scherben getreten. Aus dem Inneren vernahm er ein vertrautes Rauschen. Kurz darauf fand er Mia duschend vor.
„Chlor ist Gift für meine zarte Haut“, empfing sie ihn, wie immer charmant lächelnd.
„Soll ich dir den Rücken schrubben?“, fragte Leon plump. Mia wandte sich ihm zu und ihre Augen verharrten demonstrativ für Sekunden auf seiner abklingenden Erektion. Dann verschwand alles Liebliche von ihrem Gesicht und sie sagte ernst: „Halt dich im Zaum Kleiner, du könntest dir weh tun!“ Dann lächelte sie wieder zuckersüß und tat einen halben Schritt in seine Richtung.
Sichtlich verunsichert glotzte Leon sie an. Er zögerte, nicht wissend, wie er reagieren sollte. Dann zog er wortwörtlich den Schwanz ein, fuhr herum und verschwand.
Ehe er das Gebäude wieder verließ, sah er sich noch ein wenig um.
In einem Aufenthaltsraum entdeckte er eine Art Kaffeekasse. Die kleine Beute von knapp dreißig Dollar klemmte er sich, kurz bevor er am Schwimmbecken auf die anderen traf, zwischen die Hinterbacken. Ein kleiner Vorteil konnte nie schaden.

Am östlichen Eingang des Rowlon Megacenters angelangt, bemerkte Silvia erstmals den drastischen Wandel Mias. Im grellen Neonlicht gewahr sie die um zwei Drittel geschrumpften, jetzt pechschwarzen, glatten Haare und das weit bezauberndere, jetzt ungeschminkte Gesicht. Die natürliche Ausstrahlung Mias war ohne jeden Zweifel noch fesselnder, als ihr greller, perückter Partylook. Etwas verspielt mädchenhaftes mischte sich mit Vamp und Entschlossenheit. Verdutzt bemerkte Silvia erst dann, dass sie sie anstarrte, als Mia ihr direkt in die Augen sah und ihr zuzwinkerte.
„Okay“, sagte Gregor, „dann bis morgen Mittag, wie abgemacht.“ Er grinste in die Runde und trollte sich ins Center.
„Ladys“, begann Sam, „ich wünsche eine angenehme Nacht.“ Er verbeugte sich bühnenreif, dann verschwand auch er.
Leon schnalzte mit der Zunge, formte mit Daumen und Zeigefinger eine Pistole und feuerte symbolisch auf Mia und Silvia. Dann nahm er Natalie bei der Hand und ging mit ihr durch den Eingang.
„Vollidiot“, zischte Mia, ehe sie sich Silvia zuwandte. „Wir sehen uns“, sagte sie kurz angebunden und ging hinein.
Silvia blieb aim Eingang stehen, bis alle außer Sicht waren. Im Osten begann es zu dämmern, noch immer strich ein lauer Wind durch ihr Haar. Eine innere Stimme warnte sie leise, aber eindringlich. Silvia hörte sie nicht. Einen Herzschlag lang zögerte sie noch, dann trat auch sie ein.
Der Wettstreit begann.


NEUN
Es bestand kein Zweifel, ich hatte mich verliebt. Ich hätte auf direktem Wege das Einkaufscenter durchqueren und augenblicklich auf der gegenüberliegenden Seite verlassen sollen. Aber das tat ich nicht. Ich schlenderte gut gelaunt durch die Gänge, vorbei an Boutiquen, Schuhgeschäften, Diskountern, Restaurants und anderem. Beschwingt spazierte ich umher, betrachtete die Auslagen, unfähig einen rationalen Gedanken zu fassen. Nach einer Weile verspürte ich Hunger.
Mir gegenüber betrat eine gut gekleidete Frau die Kabine eines Fotoautomaten. Ich lehnte an der Wand gegenüber und achtete auf den Rhythmus des Blitzlichtes. Sechs Sekunden trennten den zweiten Blitz vom ersten. Der dritte folgte nach weiteren sechs Sekunden und mit dem vierten schlüpfte ich in die Kabine.
Die Arme auf richtige Weise verschränkt, ist man im Stande, enormen Druck zu auszuüben. Der gleichzeitige Einsatz des Knies auf dem Brustkorb des Opfers macht ein Schreien unmöglich. In der Regel genügen wenige Sekunden und es verliert das Bewusstsein.
Behutsam positioniere ich die Frau so, dass sie von außen nicht sogleich zu erkennen ist. Gut einhundert Dollar sind weit mehr, als ich erwartet hatte. Mit etwas Glück, würde sie später derart verwirrt sein, dass sie nicht unmittelbar zur Polizei rennt. Einzige Alternative wäre, sie jetzt zu töten, was ich jedoch verwerfe.
Ein verborgener Blick durch den Vorhang zeigt mir, dass sich in Sichtweite der Kabine lediglich zwei Passanten befinden. Beide wenden mir den Rücken zu.
Über eine Rolltreppe verlasse ich das Erdgeschoss auf die nächsthöhere Etage.

6 Stockwerke, nahezu 8 Quadratkilometer Verkaufsfläche. 11 Ein- und Ausgänge, und an 365 Tagen im Jahr, 24 Stunden, rund um die Uhr, geöffnet. Das Rowlon Megacenter ist das gewaltigste Einkaufsparadies des gesamten südamerikanischen Kontinents.
Um ein Uhr nachts, also noch vor der nächtlichen Leibesvisitation im Schwimmbad, hatten wir an dessen nördlichsten Ende, dem ältesten und heruntergekommenen Teil des Komplexes, die Summe von 462 Dollar, verborgen in einem Rucksack, in einer Gitterbox deponiert. Diese Boxen bieten Platz für ganze Einkaufswägen oder auch Fahrräder. Die meisten der Pfandschlösser waren defekt, die Kundschaft verwandt eigens mitgebrachte Ketten und Schlösser. Wir erstanden zwei vierstellige Zahlenschlösser, welche einmalig, individuell programmiert werden konnten. Die jeweils erste Zahl bestimmten wir mit null, die restlichen wurden reihum geheim festgelegt. Dadurch sollte es keinem von uns möglich sein, den Siegespreis zu entwenden.

„Du bleibst jetzt hier stehen und passt gut auf. Und solltest du einen der anderen sehen, kommst du sofort zu mir!“ Leon sprach mit erhobenem Zeigefinger und betont langsam. „Hast du das begriffen?“
Natalie lächelte, nickte, lächelte.
„Na wollen wir’s hoffen“, sagte Leon skeptisch.
„Sofort!“, schärfte er ihr nochmals ein, dann ging er los.
An den Boxen angelangt, sah er sich zunächst prüfend um. Da sich nichts Verdächtiges zeigte, machte er sich sogleich ans Werk. Er hatte schon eine Menge dieser Schlösser geknackt. Aber die Dreh-Zug-Rüttel-Methode war zumeist nur bei älteren, viel gebrauchten Zahlenschlössern von Erfolg gekrönt. Folglich misslang sein erster Versuch. Leons Enttäuschung hielt sich in Grenzen, er hatte damit gerechnet. Schlösser aus gehärtetem Stahl waren leicht mit einigen harten Schlägen, beispielsweise mit einem Hammer, zu öffnen. Ketten aus weicheren Metallen, wie es hier der Fall war, stellten kein allzu großes Problem dar, nahm man einen Bolzenschneider zur Hand. Mit den kürzlich erst erbeuteten 30 Dollar hätte Leon sicher ein derartiges Gerät im Kaufhaus erwerben können. Auch Diebstahl käme natürlich in Frage. Gewiefte Entwickler traten dieser Methode jedoch dadurch entgegen, dass sie die Kettenglieder derart groß dimensionierten, sodass sie von keinem handelsüblichen Schneidgerät umfasst werden konnten. Gleiches galt auch hier.
Leon verwarf sein Vorhaben, gefrustet kehrte er zu Natalie zurück. Die nur wenige Millimeter dicken Gitterstäbe der Box zu durchtrennen, um dadurch das Schloss zu entfernen, auf diese simple Lösung kam er nicht.

Gemeinsam schlenderten sie durch die Gänge des Rowlon, bis Natalie plötzlich stehen blieb und Leon am Ärmel zupfte. Lächelnd deutete sie mit dem Finger auf einen Imbissstand ganz in ihrer Nähe.
„Hast du Hunger? Da geht’s dir, wie mir. Aber erinnere dich, wir haben kein Geld!“ Deutlich lag Ärger in Leons Stimme. „K e i n G e l d“, sagte er mit lang gezogenen Silben, „k e i n E s s e n.“ Er wollte weitergehen, aber Natalie zog noch immer an seinem Ärmel. Sie lächelte ihn an und meinte: „Willst du mich ficken? Ich bin sauber und ...“
„Nicht zu fett“, unterbrach er sie wirsch, „ich weis, ich weiß. I c h b i n s a u b e r u n d n i c h t z u f e t t“, äffte er ihre unbeholfene Sprechweise nach.
Ein erstes Mal, seit er Natalie begegnet war, begann ihr Lächeln zu flackern. Noch aber hielt es.
Rüde stieß er ihre Hand beiseite und sagte im Befehlston: „Du bleibst genau hier! Ich seh` zu, was sich machen lässt.“ Mit diesen Worten lies er sie stehen.

Leon ging an der Imbissbude vorüber und verschwand um eine Biegung. Als er sich davon überzeugt hatte, dass Natalie ihm nicht gefolgt war, zog er das geklaute Geld aus seiner Unterhose. Einige Meter weiter bestellte er zwei Burger, eine extra große Portion Pommes, Coke und Eiscreme bei einem hawaiianischen Imbiss.
Nach kurzer Weile reichte ihm ein übermüdet wirkender Asiat seine Bestellung. Routiniert wünschte er einen guten Appetit und entschwand durch die Tür, durch die er gekommen war.

Natalie empfing Leon mit einem besonders hellen Lächeln.
„Wie es aussieht“, meinte Leon, „ müssen wir heute wohl hungrig zu Bett gehen. Diese Typen sind echt fies, die wollen einfach nichts rausrücken.“ Leon wollte noch etwas ergänzen, aber ein deftiger Rülpser kam ihm zuvor. Er grinste ein wenig verlegen, dann wandte er sich um und ging davon. Natalie folgte ihm stumm.
„Gott, was gäbe ich jetzt für eine Zigarette“, nuschelte er, musste noch einmal aufstoßen, vielleicht hatte er zu schnell gegessen.


ZEHN
Vor 15 Minuten, beim Zählen des Leerguts und dem Zusammenstellen der morgigen Bestellung, hatte Toni sich einmal mehr über Mauro gewundert. Dieser durchgeknallte Itaker war ein selten dämlicher Hund. Nicht nur, dass er sein Leben nicht auf die Reihe bekam, dieser Idiot ließ wahrhaft keine Gelegenheit aus, sich Ärger einzuhandeln. Die Tracht Prügel, die er von der Kleinen bezogen hatte, geschah ihm ganz recht.
Mauro dann tot vorzufinden, war für Toni keine Überraschung. Natürlich wusste er sogleich, dass dessen Ableben nicht auf das Konto des Mädchens ging. Dafür waren andere verantwortlich.
Mauro hatte in der letzten Zeit zu vielen Leuten ans Bein gepisst. Dabei hatten ihn die Gebrüder Ricardo mehr als einmal gewarnt. Mauro hatte nur gelacht, sie weiter verarscht. Einmal zu viel, wie es nun schien.
Dass sie ihn dafür bezahlen ließen, war unausweichlich und gerecht. Toni störte das wenig, Mauro war ersetzlich. Aber sie haben ihn in seinem Laden bezahlen lassen, auf seinem Terrain. Das war ein Umstand, den er nicht so stehen lassen konnte. Hätten die Ricardobrüder bei ihm angefragt, hätte man sich sicher geeinigt. Wahrscheinlich hätte er sein Einverständnis gegeben, ganz so, wie es Sitte war. Auf diese Weise aber hatten sie die Regeln gebrochen. Toni hatte einen Ruf in der Stadt, den galt es jetzt zu wahren.

Das Telefonat, das Toni spät in dieser Nacht führte, war für ihn von besonderer Art. Er verständigte höchstselbst die Polizei, denn er wollte den Mann, der Mauro erledigt hatte. Toni wusste zu gut, dass die Ricardobrüder solche Dinge nicht persönlich erledigten. Er glaubte auch zu wissen, dass es keiner ihrer Schläger war. Der Mord trug die Handschrift eines Profis. Und wenig verabscheute Toni mehr, als diese ehrlosen Feiglinge. Die ohne Wertvorstellungen, Tradition oder Loyalität jeden hinterrücks umlegten, solange sie dafür bezahlt wurden.
Detailliert schilderte Toni den Polizeibeamten die Geschehnisse des Abends. Warum sollte er die Gesetzeshüter nicht auch einmal für sich arbeiten lassen? Gegen ihn taten sie es andauernd. Die Vorstellung, den miesen Schweinehund auf diese Weise zu bekommen, gefiel Toni besonders. Und er wollte ihn auf jeden Fall. Das war ein persönliches Anliegen.

Inspektor Gross stand überdeutlich ins Gesicht geschrieben, dass er seinem Gegenüber am liebsten an die Gurgel gesprungen wäre. Zwei seiner Kollegen machten sich an der Leiche zu schaffen, während er diesem selbstgefällig grinsenden Itaker gegenübersaß, den alle Toni nannten.
Toni füllte meterweise Regale mit überquellenden Aktenordnern. Aktuell wurde in vier Fällen zugleich gegen ihn ermittelt. Dreiundzwanzig eingestellte Verfahren in den letzten zehn Jahren, und das alleine in diesem Staat. Für Gross war Toni nur Abschaum. Einer der das Gesetz mit Füßen trat. Ein bösartiges Geschwür, das sich an der Gesellschaft festgesetzt hatte, das sie aussaugte, das es unschädlich zu machen galt. Und Gross wäre all zu gern derjenige, der es herausschneiden, auf den Boden werfen und zerstampfen würde.
Und jetzt besaß dieser Tumor die Frechheit, ihm dies Lügenmärchen aufzutischen.
Gross glaubte kein Wort von dem, was Toni erzählte. Mauro Nogarelli war kein unbeschriebenes Blatt. Gross glaubte keine Sekunde, dass er an den Folgen dieser harmlosen Kopfverletzung gestorben war. Alles, was Toni ihm aufgetischte, war verdammter Bockmist.
Was Gross jedoch stutzig machte, war, warum Toni sich die Mühe machte? Nogarelli war ein Gauner wie er. Wahrscheinlich wurde er von seinesgleichen umgelegt, gut möglich von Toni selbst. Für Toni wäre es ein Leichtes gewesen, die Leiche verschwinden zu lassen. Gleiches geschah in diesem Land Tag ein, Tag aus. Da machte sich Gross nichts vor. Nogarelli wäre tot, verscharrt und vergessen. Wer sollte schon nach ihm fragen? So aber brachte das Ganze eine Menge Unannehmlichkeiten mit sich. Was also wurde hier gespielt?
„Inspektor!“, ein uniformierter Beamter riss Gross aus seinen Gedanken, „wir haben eben was rein bekommen. Das sollten sie sich anhören.“
Inspektor Gross musterte Toni einen Augenblick lang, dann wandte er sich ab und ging nach draußen. Toni hielt seinem Blick spielend stand. Neugierde lag in den dunklen, unergründlichen Augen des Italieners.

Gross wurde darüber informiert, dass vor wenigen Minuten ein Anruf eingegangen war, der den Fund einer weitern Leiche zum Inhalt gehabt hatte. Eine Tote Frau war vom Reinigungspersonal aufgefunden worden, noch war unklar, ob sie einen natürlichen Tod gestorben oder einem Verbrechen zum Opfer gefallen war.


ELF
„Halt dein dummes Maul! Schwing deinen faulen Arsch ins Auto und hol’ mir mein Zeug!“
„Franco, solltest du nicht ein wenig netter zu ihr sein, sie ist krank.“
„Fängst du jetzt auch noch damit an? Die blöde Ziege verascht uns doch nur! Die überlebt uns alle, wirst schon seh’n.“
Pablo hob und senkte seine Schultern und meinte: „Du musst es wissen.“ Sein massiger Körper sackte tiefer in die Kissen, während Sofia Ricardo die Tür ins Schloss feuerte und die Treppen hinabstürmte.
Nachdem sie im Wagen saß und die Tür zugezogen hatte, griff sie sich an die Brust. Die Schmerzen waren in den letzten Wochen schlimmer geworden, besonders wenn sie sich aufregte.
Einst hatte sie Franco geliebt, doch das war längst vorbei. Franco liebte auch sie, dessen war sich Sofia sicher. Aber das lag schon so lange zurück, dass er ihr wie in einem anderen Leben vorkam. Heute verbrachte Franco die meiste Zeit vor dem Fernseher. Zusammen mit seinem Bruder Pablo saß er auf dem Sofa, trank und fraß, und sah sich jeden x-beliebigen Mist an, der lief.
Früher war Franco ein Macher gewesen. Draufgängerisch, mit faszinierender Selbstsicherheit. Mit der Hilfe seines Bruders hatte er sich zielstrebig nach oben gearbeitet. Das hatte Sofia beeindruckt, hatte sie an ihm geschätzt. Irgendwann waren die Brüder dann träge und faul geworden. Fettbäuchig saßen sie nun den Tag über vor der Glotze, ehe sie sich spät abends auf den Weg machten, um noch mehr zu saufen und zu fressen, sich wichtig zu tun und mit Huren zu vergnügen.
Sofia machte sich nichts vor. Ihr war klar, dass ihr Mann sie seit jeher betrog. Dass er fremd ging, war ihr heute beinahe egal. Was Sofia Ricardo kränkte, war, dass ihr Mann ernsthaft glaubte, sie würde ihr Herzleiden nur vorgaukeln.
Franko war längst nicht mehr der Mann, in den sie sich verliebt hatte. Es kümmerte Sofia wenig, was er tat oder über sie dachte. Nur dass er glaubte, sie würde ihn in solche einer Sache belügen, das tat doch immer noch weh.

Als Sofia Ricardo wenig später das Rowlon Megacenter von Westen her betrat, kam ihr in den Sinn, dass ihr Ausweis unlängst abgelaufen war. Sie würde bald einen neuen beantragen müssen und dafür bräuchte sie entsprechende Bilder. Bei einem Coffeeshop wandte sie sich nach links, wenige Schritte weiter befand sich ein Fotoautomat.


ZWÖLF
Eine halbe Stunde später blieb ich in Sichtweite eines Restaurants stehen.
Der nobel wirkende, japanische Sushi-Imbiss befand sich in einem schlauchartigen Raum. Zuvorderst, hinter einer großzügig-gläsernen Front, befanden sich zwei gleich große Theken. Die teils durch hohe Kunststoffpalmen voneinander getrennten Tische verteilten sich dahinter bis zu der rund fünfzehn Meter zurückliegenden Rückwand, in welcher sich die Türen zu den Toiletten zeigten. Gewohnheitsgemäß wählte ich einen Platz, von welchem aus ich die Toiletten rasch erreichen und zugleich den Eingang im Blick behalten konnte.
Während ich auf mein Essen wartete, was, bedachte man, dass ich der einzige Gast war, unverschämt lange dauerte, nahm ich den restlichen Inhalt des Portmonees in Augenschein. Als ich ihren Führerschein in die Finger bekam, stockte mir der Atem. Sofia Ricardo. Konnte das ein Zufall sein? War das möglich?
Ich leerte alles auf den Tisch und fand ihren Personalausweis. Die Adresse stimmte, das durfte nicht wahr sein! Plötzlich durchfuhr mich ein anderer Gedanke, der mich erschaudern ließ.
Wusste ich’s doch! Wie kann man nur so blöd sein? Ich packte alles zusammen, steckte das Portmonee in die Tasche und ging nach vorn. Lauter als gewollt erkundigte ich mich nach dem Verbleib meines Essens. Zur Antwort erfuhr ich, dass es mir noch in dieser Minute aufgetischt werden würde. Ich lies den kleinwüchsigen Kellner wissen, dass mir nun nicht mehr die Zeit blieb, es hier zu verzehren und wies ihn an, es mir zum Mitnehmen einzupacken.
Drei Minuten später eilte ich die Gänge entlang, gedanklich versuchte ich mir zu erklären, wie ich so nachlässig hatte sein können. Mit dem letzten Aufblitzen war ich hineingeschlüpft, somit war es durchaus möglich, dass ich auf der vierten Aufnahme zu erkennen bin.
Ich hatte es geahnt, diese Gefühlsduselei würde mir nichts als Ärger einbringen.
Unweit der Rolltreppen blieb ich stehen, sah mich um. Ich fand das Treppenhaus und beschloss, darüber nach unten zu gehen. Aber noch ehe ich es betrat, vernahm ich von unten Stimmen, die mich sogleich stutzig werden ließen.
Der Fotoautomat befand sich in unmittelbarer Nähe der Rolltreppen, dennoch war es mir nicht möglich, den Platz von meiner jetzigen Position aus einzusehen. Unschlüssig darüber, was ich nun tun sollte, verweilte ich eine weitere Minute, als plötzlich zwei junge Männer zu mir nach oben kamen. Ich wandte mich ab und kramte in der Tasche mit dem Essen. Als sie vorüberliefen vernahm ich die Worte: „Glaubst du, die wurde ermordet?“ „Na was meinst du? Der Bulle sagte doch, dass ihre Papiere und das Geld weg sind.“
Ich wartete einen Augenblick, dann ging ich in entgegengesetzter Richtung davon. Was war da unten los? Ich habe die Frau nicht getötet, dessen war ich mir sicher. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass sie an einem Schock krepierte. Aber kann das sein, war das wirklich der Fall? Allmählich beschlich mich der Gedanke, dass heute vielleicht doch nicht mein Glückstag war.


DREIZEHN
Verborgen hinter einem Zeitungsständer beobachtete Sam Gregor. Er hatte ihn vor wenigen Tagen in einem Bagpacker kennengelernt, er erwies sich als nett und umgänglich. Aber irgendetwas an ihm stimmte nicht. Viel Zeit hatten sie seither miteinander verbracht, dennoch wusste Sam fast nichts über ihn. Gregor hatte kaum etwas von seiner bisherigen Reise erzählt und das Wenige, was er darüber berichtete, klang unschlüssig, wenn nicht sogar erfunden. Schon rein äußerlich war Gregor nicht der Typ, der auf diese Weise Urlaub machte. Seine Sachen waren allesamt erst vor kurzem gekauft worden, dennoch wollte Gregor Sam weiß machen, dass er schon seit Jahren immer mal wieder trampend umherzog.
Im Augenblick unterhielt sich Gregor, scheinbar belanglos plaudernd, mit der Verkäuferin einer Boutique. Sam konnte nicht hören, worüber die beiden sprachen. Gregor redete in einem fort. Allein das kam Sam seltsam vor, weil Gregor die vergangenen Tage eher schweigsam war.
Die Frau lächelte unentwegt, blickte von Zeit zu Zeit verlegen dreinschauend zu Boden. Dann sah sie Gregor unverhofft direkt an, blickte kurz auf die Uhr an ihrem Handgelenk, sagte etwas, worauf Gregor mit dem Kopf nickend ihre Schulter tätschelte, ehe er sich verabschiedete und davon ging.
Eine kurze Weile blieb Sam stehen, wunderte er sich über Gregor und das, was er eben mit angesehen hatte. Dann streite er ziellos umher, begleitet von dem Gedanken, was er nun anfangen sollte.
Fünf Minuten später traf er auf Silvia, was seine Stimmung sogleich verbesserte.
„Schon einen der anderen getroffen?“, empfing er sie strahlend.
„Ne“, entgegnete Silvia, “du?“
Sam zögerte den Bruchteil einer Sekunde, dann verneinte auch er: „Du bist die erste.“
Einen Augenblick lang standen sie sich gegenüber, verlegen lächelnd wusste keiner von beiden, was er tun oder hätte sagen sollen.
„Ich bin froh darüber“, sagte Sam schließlich, „dass du es bist.“ Er lächelte scheu. „Ich meine, ähm –“
„Ja“, half ihm Silvia, „geht mir genauso.“
Sams Lächeln wurde heller und er fragte: „Was hast du jetzt vor?“
Silvia hob ihre Schultern und blickte sich zu beiden Seiten um. Sie senkte sie wieder meinte ratlos: „Keine Ahnung.“
„Hast du Hunger?“, wollte Sam wissen.
„Nein, eigentlich nicht. Mir ist noch immer etwas –“, sie legte eine Hand auf ihren Bauch, „na du weißt schon.“
„Ja, das war eine Menge Alkohol.“
Allmählich wurde ihre Unterhaltung unbefangener und nach einer Weile meinte Silvia: „Am liebsten wäre es mir, könnte ich mich irgendwo schlafen legen.“
„Oh ja, schlafen wär toll. Wir könnten doch gemeinsam –“
„Nah“, erklang plötzlich eine Stimme, „was macht ihr beiden Hübschen hier?“
Silvia und Sam wirbelten herum, Leon und Natalie standen urplötzlich hinter ihnen.
Schuldig dreinschauend begrüße Silvia die beiden und Sam meinte bemüht beiläufig: „Wir wollten eben weiter.“ Er tat einen halben Schritt zurück, zwinkerte Leon zu.
„Ja“, sagte Leon breit grinsend, „dann wollen wir euch nicht aufhalten.“ Natalie stand teilnahmslos daneben und lächelte wie gewohnt.
Als sie sich verabschiedet und voneinander entfernt hatten, sagte Silvia zu Sam: „Ist dir das aufgefallen? Natalie war –“
„Was?“, fragte Sam, da sie nicht weiter sprach.
„Weis nicht. Irgendetwas war komisch an ihr.“
„Ja, die ist schräg.“
„Nein, das mein ich nicht. Sie war irgendwie –, anders.“
„Kann scho sein“, bemerkte Sam. Dann schwiegen sie.
Nach einer Weile, sie waren ein gutes Stück weit nebeneinander hergegangen, fragte Silvia: „Was wolltest du eigentlich vorhin vorschlagen?“
Sam wurde aus seinen Gedanken gerissen, er benötigte einen Augenblick, um sich zu sammeln. Dann meinte er freudig: „Ich war schon mal hier. Oben im ersten Stock gibt es einen Möbeldiscounter. Da könnte es doch sein, dass wir –“ Er lies seinen Satz unvollendet und blickte Silvia vorsichtig an.
Sie grinste, hakte sich bei ihm unter und meinte: „Das ist eine gute Idee.“

Wenig später schlenderten sie durch die Gänge des Möbeldiscounters, ehe sie vor einer gut fünf Meter hohen, knallbunten Hüpfburg, in der Form eines Märchenschlosses, stehen blieben. Sie sahen sich um, überzeugt sich davon, dass niemand sie beobachtete. Dann kletterten sie rasch auf die schwankende Plattform und schlüpften auf allen Vieren durch die schmale Öffnung ins Märchenschloss. Im Inneren roch es nach Plastik, war es finster, und das beständige Surren des Kompressors dämpfte die Geräusche der Außenwelt.
„Perfekt“, flüsterte Sam und Silvia stimmte ihm kichernd zu.
Unbeobachtet blieben sie dabei nicht.

Auf dem Rücken liegend, Seite an Seite, begann Silvia auf der kühlen Kunststoffplane zu frösteln. Ihr Minirock bedeckte wenig mehr als ihren Hintern. Als Sam dies bemerkte, fragte er: „Ist dir kalt?“ Ohne auf Antwort zu warten, setzte er sich auf, zog seit Hemd aus und legte es um Silvias Beine. Ein Schauer überzog seinen Körper, als er sich wieder neben sie legte.
Keiner tat ein Auge zu, obgleich sie hundemüde waren.
„Sam“, flüsterte Silvia.
„Ja.“
„Ich“, begann sie und wandte sich ihm zu. Sam tat es ihr gleich, schweigend sahen sie einander an. Er schob sich einen Hauch zu ihr und sie kam ihm ganz nahe. Dann küssten sie sich. Ihre Küsse wurden rasch leidenschaftlicher, schon lag sie auf ihm. Sam stemmte sich von der Plane hoch, sodass sie mit gespreizten Beinen auf ihm zum Sitzen kam. Silvias Rock rutschte hoch, deutlich spürte sie seine Erektion. Die Hüpfburg schwankte weit mehr als erwartet. Silvia schien es nicht zu bemerken und Sam nahm es nur am Rande war. Als sie ihm ihr Becken entgegenschob, als er ihre Pobacken mit seinen Händen umfasste, interessierte es auch ihn nicht länger.
Erst als ein dumpfes Poltern ertönte, und eine Erschütterung unter ihnen hindurchwellte, schraken beide auf.
Mit ängstlichem Blick sah Silvia zunächst Sam an, dann wechselte ihr Blick hektisch zwischen ihm und dem Durchschlupf. Eilig stieg sie von ihm und streifte ihren Rock nach unten. Mit dicht an den Körper gezogen Beinen saß sie neben ihm und fixierte den Eingang.
Sam sprang auf und flüsterte: „Mach dir keine Sorgen, ich regle das.“ Er lächelte Silvia aufmunternd zu, wandte sich um und kroch durch das Loch.


VIERZEHN
„Ja, er ist eben hier raus. Ja, in seinem blauen Chrysler. Er fährt in westlicher Richtung. Häng dich dran, ich will wissen, wo er hinfährt.“
Als Inspektor Gross sich anschickte, das Klueo zu verlassen, griff Toni sogleich zum Telefon.

Allmählich verlor ich die Kontrolle. Hätte ich mich nur nie darauf eingelassen. Rache oder Eifersucht sind schlechte Ratgeber. Handelt man emotional, sind Fehler vorprogrammiert.
Hecktisch blickte ich mich um, während ich den schweren Körper mühevoll mit mir schleifte. Mit dem Fuß schob ich die Tür auf, dann zerrte ich ihn hinein. Außer Atem ließ ich den reglosen Körper los, er sackte zur Seite, stieß mit dem Kopf dumpf gegen die geflieste Wand.
Rasch schritt ich die Kabinen ab und glaubte bereits, ich hätte Glück. Bei der letzten angelangt, vernahm ich ein Geräusch. Hektisch blickte ich mich um, suchte ich nach einer Alternative. Aber schon rauschte die Spülung, es war zu spät. Die Tür schlug auf und der Mann, der noch damit beschäftigt war, seine Hose zuzuknöpfen, sah mich mit großen Augen fragend an. Einen Augenblick stand er wie versteinert da, dann schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht und ich schlug zu.
Es war ein Deja-vu. Genau wie vor Minuten trafen die Knöchel meiner rechten Faust seinen Kehlkopf. Außerstande zu schreien griff er sich an den Hals, rang er nach Atem. Mein linker Fuß traf mit voller Wucht sein rechtes Knie, mit einem erstickten Schrei ging er zu Boden. Er kippte nach vorn, ich riss den Oberschenkel hoch. Aber diesmal verfehlte mein Knie die Stirn. Er wurde nach hinten geschleudert, krachte gegen die Toilettenschüssel, blieb jedoch bei Bewusstsein. Mit einem Schritt war ich bei ihm, packte seine Ohren und schlug seinen Hinterkopf hart gegen die Keramikschüssel. Eine Platzwunde öffnete sich an seinem Schädel, Blut spritzte gegen die Fliesen, er verdrehte die Augen und rührte sich nicht mehr.
Ich eilte zum Eingang zurück und vergewisserte mich, dass auch der andere noch außer Gefecht war. Ich leerte den Mühleimer, der unter dem Waschtisch stand und machte mich auf dem Weg zur letzten Kabine. Bei dem Mann angekommen zog ich die schwarze Plastiktüte aus dem Behältnis und stülpte sie über seinen Kopf.
Jetzt warten, lauschen und hoffen, dass keine weiteren Schwierigkeiten hinzukommen.
Nach einer Minute nahm ich die Tüte von seinem Kopf und ging damit zu dem Mann am Eingang. Sam war rasch zu Boden gegangen, seine Stirn hatte mein Knie nicht verfehlt. Trotzdem hatte er mich erkannt.
Während sich das schwarze Plastik über seinem Gesicht hob und senkte, überlegte ich, was als Nächstes zu tun war.


FÜNFZEHN
So hatte Pablo seinen Bruder noch nie erlebt. Kreuzten die Bullen bei ihm auf, verhieß das nie Gutes. Weswegen sie heute hier waren, musste besonders schlimm sein.
Pablo hatte nicht hören können, worüber sie mit seinem Bruder sprachen. Er hatte es vorgezogen im Wohnzimmer zu bleiben, während Franco missmutig zur Tür ging.
Jetzt saß Franco still da, tränen rannen über seine Wangen, und er antwortete auf keine seiner Fragen. „Was ist los?“, fragte Pablo einmal mehr. Sein Bruder schien sich allmählich zu fangen. Mit leiser Stimme, die keinen Widerspruch zuließ, sagte er: „Hol den Wagen, wir fahren in die Stadt.“

Als Katys Schicht endete, sie im Aufenthaltsraum die Schuhe wechselte und ihre Sachen nahm, dachte sie mit gemischten Gefühlen an den Mann, mit dem sie sich verabredet hatte. Einerseits freute sie sich auf das bevorstehende Treffen, denn er gefiel ihr wirklich gut. Andererseits war sie beunruhigt, kannte sie den Mann doch gerade einmal zehn Minuten. Freudestrahlend verabschiedete sie sich von ihrer Kollegin, dann ging sie hinaus.
Vor dem Laden sah sie sich um, er war nirgends zu sehen. Katy sah auf ihre Armbanduhr, es war bereits zehn nach, eigentlich hätte er längst da sein sollen.
Weiter zehn Minuten verstrichen, dann fünfzehn, aber er kam nicht. Das Lächeln verschwand von Katys Gesicht, gekränkt ging sie nach Hause.

Erneut schwankte die Hüpfburg, Silvia bemerkte es nicht. Sie war unlängst eingeschlafen, lange hatte sie im Halbdunkel auf Sams Rückkehr gewartet.
Jemand bewegte sich auf der Plattform, gleichmäßig schwankte Silvia auf und ab. Die Schwankungen wurden weniger, als der Neuankömmling durch den Durchschlupf kroch.
Ein spitzer Schrei riss Silvia aus dem Schlaf. Sie sprang auf, wirbelte herum und erblickte Mia, die halb im Durchschlupf steckend zu ihr rüber sah.
„Scheiße, hast du mich erschreckt!“
„Ich dich?“, erwiderte Silvia mit entgeistertem Blick. „Ich hätte mir eben beinahe in die Hose gemacht!“
Einen Augenblick lang sah sie Mia mit vorwurfsvoller Miene an, dann begann sie zu grinsen und als Mia vollends zu ihr gekrochen war, kicherten sie beide Frauen ausgelassen.
„Hast du Sam getroffen?“, fragte Silvia lachend.
„Sam? Nein, wieso? Ich habe ihn nicht gesehen.“ Mia bemerkte, das Silvias Beine mit Sams Hemd umwickelt waren. „Nee, oder?“ Mia legte den Kopf schief und Grinste vielsagend.
„Hör auf“, meinte Silvia und senkte den Blick.
„Na du bist mir ja eine!“, meinte Mia mit gespielter Entrüstung.
„Hör auf“, wiederholte Silva breit grinsend, „da war nichts!“
Mia hob die Augenbrauen und sah Silvia eindringlich an.
„Okay, okay“, gestand Silvia mit rot gefärbten Wangen, „ein Bisschen vielleicht.“
Erneut kicherten die beiden Frauen, als plötzlich mehrere, laut knallende Geräusche zu hören waren.


SECHZEHN
Toni öffnete die Tür seines Wagens und stieg aus. Sein Cousin hatte ihn vor Minuten darüber informiert, dass Inspektor Gross ins Rowlon Einkaufscenter gefahren war. Und als er ihm sagte, um wen es sich bei der Leiche, die im Einkaufscenter gefunden wurde, handelte, beschloss Toni, sich selbst ein Bild davon zu machen.
Er parkte den Wagen im Osten, da sein Cousin ihn darüber informierte, dass die Bullen den Gebäudekomplex von Westen her betreten hatten.
Toni sah sich um. Er zog seine Hose hoch, die wegen des schweren Revolvers, der in seinem Bund steckte, nach unten gerutscht war. Seit Jahren hatte Toni keine Waffe mehr getragen. Dennoch war es ein vertrautes Gefühl. Ohne Eile ging er hinein.

„Si, todo. Todo tú quieres.
„¿Tiene enfermedades?“
„No, no enfermedades. Todo está bien, no te preocupes.”
“Dijiste trenta y puedo hacer con ella todo lo que quiero.”
“Si solamente trenta, pero trenta cada uno, eso está claro.”
Die beiden Männer sprachen nun sehr schnell miteinander, sodass Leon sie kaum verstehen konnte. Aber er hatte das Gefühl, dass sie sehr interessiert waren. Er blickte zu Natalie hinüber, die etwas abseits stand, grinste breit und zeigte ihr seinen erhobenen Daumen. Dann wandte er sich wieder den beiden Männern zu, die sich noch immer nicht einig waren.

Am vereinbarten Treffpunkt, bei den Rolltreppen im ersten Geschoss, gleich über besagtem Fotoautomaten, wartete Roberto, Tonis Cousin. Roberto beobachtete interessiert die drei Männer und das danebenstehende Mädchen. Er schmunzelte, glaubte zu wissen, dass der Ausländer im Begriff war, den beiden Gringos das Mädchen anzubieten.
Die Gebrüder Ricardo bemerkte er erst in der Sekunde, in der er auch Toni sah, der nur mehr zwanzig Schritte von ihm entfernt war.

Franko und Pablo hatten den gesamten Weg über kein einziges Wort gesprochen. Als sie die beiden den Italiener unweit vor sich erkannten, blieben sie abrupt stehen und Pablo nuschelte verdutzt: „Das darf doch nicht wahr sein.“
Auch Toni hatte die Brüder bemerkt, auch er war stehen geblieben. Weniger als dreißig Schritte trennten die Ricardos von Toni, und dazwischen, exakt in der Mitte, stand Roberto. Verunsichert wandte er den Kopf von einer, zur andern Seite.
Toni war klar, wie die Situation für Franco aussehen musste. Er sah es seinem Gesicht an, dass er es ihm nicht würde erklären können. Langsam, ganz langsam ging er mit kleinen Schritten seitwärts. Bis sich seinen Cousin in direkter Linie zwischen ihm und den Ricardo Brüdern befand. Roberto bemerkte dies wohl, bedachte Toni mit einem fragenden, verächtlichen Blick. Toni lächelte, dann zog er seinen Revolver.
Natürlich durchschauten auch Franco und Pablo das Manöver, noch ehe Toni seine Waffe vollends auf sie hatte richtet können, donnerten die ersten Projektile aus ihren Kanonen.
Roberto besaß keine Schusswaffe. Aber er hielt sein Stilett in fester Hand, als er rasch hintereinander in den Hals, die Brust und den Rücken getroffen wurde.
Auch Pablo Ricardo fing sich eine Kugel ein. Sie durchschlug seine Stirn, riss ihn von den Beinen.

Leon wirbelte herum, als die Schüsse ohrenbetäubend im Raum widerhallten. Die beiden Männer machten sich augenblicklich aus dem Staub, Natalie blickte verdutzt über ihre Schulter, zum ersten Mal sah Leon sie nicht lächeln. Er eilte zu ihr, während weitere Schüsse knallten, am Rand seines Blickfeldes erkannte er, wie uniformierte Männer die Rolltreppe emporstürmten.
Toni hatte sich hinter einer breiten Säule fürs Erste in Sicherheit gebracht. Blut rann seinen Arm hinab, eine Kugel hatte ihn an der Schulter erwischt. Franko feuerte noch einmal in Tonis Richtung, dann wurde auch er getroffen. Das Projektil zertrümmerte sein linkes Schulterblatt, er taumelte und stürzte.
Inspektor Gross erreichte eben das obere Ende der Rolltreppe, als einer seiner Kollegen mit lautem Aufschrei zurücktaumelte und ihn mit zu Boden riss. Toni hatte seinen Revolver nachgeladen und den Mann aus der Deckung heraus erschossen.
Ein zweiter Uniformierter wollte Gross zu Hilfe eilen, ein Fehler, für den er sofort bezahlte. Franko Ricardo hatte sich berappelt, zwei Mal auf den Mann gefeuert, dann verriet ihm ein Klickgeräusch, dass er seine letzte Kugel verschossen hatte.
Auf wackligen Beinen stand er da, jetzt befand er sich wehrlos in der Mitte zwischen Toni und Gross.
Die Kugeln trafen ihn beinahe gleichzeitig. Mit ausdrucksloser Miene hatte Franko auf den Inspektor angelegt, obgleich er wusste, dass sein Magazin leer war. Gross feuerte zwei Mal, beide Kugeln fanden ihr Ziel. Zur selben Zeit schoss Toni Franko in den Rücken und eröffnete im Anschluss sofort das Feuer auf Gross. Der Inspektor war zu überrascht, der erste Schuss traf seinen Kiefer, der zweite sein linkes Auge.

Schlotternd vor Angst kauerte Leon hinter Natalie, an der er sich festkrallte, die er schützend vor sich hielt. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgte er die Geschehnisse, mehrfach schrie er auf, ein dunkler Fleck zeigte sich vorn an seiner Hose.
Als die Kugeln den Kopf des Inspektors zerrissen, stieß er einmal mehr einen spitzen Schrei aus. Toni schnellte herum und schoss. Die Kugel durchschlug Natalies Schulter und bohrte sich in Leons Hals. Toni drückte noch einmal ab, aber die Trommel seines Revolvers war leer. Er lächelte Natalie zu, die ihm mit ausdrucksloser Miene entgegensah. Dann hörte er eilige Schritte, wandte sich um und ging langsam davon.

Zu ihren Füßen lag Leon. Seine Hände umklammerten seinen Hals, dunkles Blut quoll unaufhaltsam durch seine Finger. Flehentlich blickte er zu ihr auf und Natalie lächelte. Lächelnd zog sie seine Hände von der blutsprudelnden Wunde.
Auch als Natalie davon ging, lächelte sie. Aber dies Lächeln war nun anderer Art.

SIEBZEHN
Als wir den Ort erreichten und die vielen Toten vorfanden, ging ich ein kleines Stück hinter ihr. Ich schreibe es dem Geruch zu, der in der Luft lag, und dem Anblick, der sich uns bot. In einiger Entfernung sah ich den Italiener davongehen, gewahr seinen verwundeten Arm. Ich sah die toten Polizisten und erkannte die Gebrüder Ricardo, die mich angeheuert hatten. Ich entdeckte auch die blutige Spur, die von Leon wegführten. Einen Moment blickte ich in sein verzerrtes Gesicht und empfand nichts dabei.
Silvia blieb stehen, weinte mit bebenden Schultern, die Hände auf ihren Mund gepresst. Im Geiste hörte ich bereits die kommenden Sirenen, mir war klar, dass die Zeit drängte.
Als ich zuschlug, war da kein Mittleid, keine Verliebtheit mehr. Sie sackte zusammen und ich lief zu den Uniformierten hinüber. Ich suchte und fand die Bilder, einen Augenblick lang lächelte ich, dann ging ich mit der Waffe des toten Polizisten in der Hand zu Silvia zurück.
Bäuchlings lag sie vor mir, somit musste ich nicht in ihr Gesicht schauen. Aber auch das hätte nichts geändert. Die Gewohnheit lies mich zweimal abdrücken. Ein Schuss in den Bauch, ein zweiter in die Brust. Niemals ins Gesicht, damit der Kunde erkennbar bleibt.
Ich wischte die Waffe an Sams Hemd ab, das sie mit sich genommen hatte. Dann verlies ich zügig den Ort, folgte der blutigen Spur, die von Leon wegführte.

***

 

Hallo @Sammis ,

ich finde den Einstieg recht gelungen. Es geht sofort mit (viel) Action los, ich befinde mich mitten im Geschehen.

Ich habe bisher nur den ersten Abschnitt gelesen und möchte dir ein paar Hinweise geben. Nimm das, was du brauchst.

Der Wettstreit
DER WETTSTREIT
EINS Silvia trat dem augenscheinlich stark alkoholisierten Mann, ohne zu zögern, zwischen die Beine.
Zur Formatierung:
Den Titel muss du nicht erneut oben angeben (sonst erscheint er wie hier doppelt), der wird automatisch eingefügt. Kannst du also gerne löschen.
Die Abschnittsnummer (hier: EINS) würde ich in einer separaten Zeile schreiben.

Am Ende sollte/könnte es dann so aussehen:
Der Wettstreit

EINS

Silvia trat dem augenscheinlich stark alkoholisierten Mann, ohne zu zögern, zwischen die Beine.

Silvia trat dem augenscheinlich stark alkoholisierten Mann, ohne zu zögern, zwischen die Beine. Auch sie hatte viel getrunken, im Moment fühlten (fühlte) sie sich jedoch unverhofft klar. Der Fremde schrie auf, dann sackte er auf seine Knie.
Silvia war einer jungen Frau zu Hilfe geeilt, die zweifelsfrei von dem Betrunkenen belästigt worden war. Er hatte die auffallend hübsche Brünette zwischen zwei Geldspielautomaten gedrängt, ihr den kurzen Rock hochgeschoben und versucht, sie gegen ihren Willen zu küssen.
Hier ein Beispiel für die vielen Adverb/Adjektive, die du im Allg.
verwendest.
Weniger ist da manchmal mehr. Durch Streichen (vieles wird auch so klar) oder Ersetzen durch andere Begriffe machst du den Text prägnanter, flotter.
Gerade in actionreichen Szenen halten viele Beschreibungen und Relativierungen nur auf.

Beispiele:

Sofort trat Silvia dem alkoholisierten Mann zwischen die Beine. Obwohl auch sie viel getrunken hatte (Noch besser: Trotz ihrer Angetrunkenheit), fühlte sie sich im Moment unverhofft klar. Der Fremde schrie auf, dann sackte er auf seine Knie. ("die" Knie reicht, wessen sonst? Einsetzen von Personalpronomen nur falls erforderlich)
Silvia war einer jungen Frau zu Hilfe geeilt, die von dem Betrunkenen belästigt worden war. Er hatte die hübsche Brünette zwischen zwei Geldspielautomaten gedrängt, ihr den Minirock hochgeschoben und versucht, sie gegen ihren Willen zu küssen.

Für Silvia war die Situation eindeutig. Sie hatte laut gerufen und ihn dadurch auf sich aufmerksam gemacht. Und als er von der Frau abließ und sich ihr zugewandte, trat sie zu.
Hier wiederholst oder erklärst du das bereits Geschehene nur. Alles Wichtige kannst du oben einbauen.

und zurück gezogen wurde.
und zurückgezogen wurde

Silvia lächelte ihr zu, dann hatte sie große Mühe, sich nicht zu übergeben.
Die Anderen kamen Sam zu Hilfe, gemeinsam beförderten sie Silvia eilends nach draußen.
„Nichts wie weg hier!“ und „Mann, hat die Kleine Temperament!“ drang es bruchstückhaft zu Silvia vor.
Die anderen
Wer sind denn die anderen? Wer ist Sam?
Ich bekomme hier kein Bild vor Augen, wieviele Personen da herumschwirren, sich wo aufhalten.
Der Fokus ist hier nicht eindeutig. Von Silvia auf die anderen, dann auf Sam. Vielleicht besser von Silvia auf Sam, dann auf die anderen.

Nur dass dies seltene Erlebnis im Moment alles Andere als angenehm war.
alles andere als
Wofür brauchst du auch hier erneut dieses "im Moment"? Wann denn sonst, wenn nicht jetzt?

Zwei Straßenbiegungen weiter setzten die beiden Männer Silvia auf dem Boden ab.
„Das war knapp!“, bemerkte Sam außer Atem. „Ich hoffe, der Typ überlebt Silvias Attacke“, ergänzte er halb scherzhaft. Sie hat ihm ganz schön zugesetzt.“
„Geschieht dem Schwein ganz recht!“, bemerkte Mia bissig, ihre Augen funkelten zornig.
Zwei Männer?
ich würde da schon vorher klar machen, wer da anwesend ist.

Ach, sie kennen also Silvia, da sie ihren Namen nennen.
Für mich klangen "die anderen" wie Fremde, wie ihr unbekannte, zufällig anwesende Leute

Wer zum Teufel ist auf einmal Mia? Es war doch die Rede von zwei Männern.

Sie schwankte mindestens genauso, wie die Anderen.
die anderen

Ein vertrauter Geruch, bestehend aus penetrantem Frittenfett und dichtem Zigarettenqualm, drang ihr in die Nase. Der unverwechselbare Charme der weltweit vertretene Imbisskette,
vertretenen
"weltweit vertreten" kann man kürzen. Ist es überhaupt wichtig? Reicht nicht nur Imbisskette?

Und: Gibt es überhaupt weltweit agierende Imbissketten? Ich stelle mir unter einem Imbiss so ne schäbige Fritten-Ranch vor, die es an jeder Ecke gibt, jedoch nicht in Form einer Kette oder eines Konzerns.

Du meinst sicher Fastfood-Ketten.
Aber vielleicht liege ich da falsch.

Als Silvia nach einer kleinen Ewigkeit von den Toiletten zurückkehrte, noch immer betrunken, aber doch halbwegs gefestigt, befanden sich zwei neue Gesichter am Tisch der kleinen Gruppe.
"aber doch": kürzen auf "jedoch"
Schönes Ende für Abschnitt/Kapitel 1.

Klingt vielversprechend.

Viel Spaß noch und einen tollen Tag.
Liebe Grüße, GoMusic

 

Hallo GoMusic,

Herzlichen Dank für deine Anregungen und deine Zeit. Vieles davon leuchtet mir ein und fand sogleich Verwendung.

All die Personen (letztlich sind es nur 4 von Bedeutung) nach nur einem Kapitel einzuordnen ist nicht einfach. Nach dem zweiten sollten jedoch alle Unklarheiten beseitigt sein. Ich wollte ihre Einführung schlicht nicht in den Auftakt pressen, der möglichst flott daherkommen soll.

Beste Grüße und viel Freude beim Schreiben und Lesen

 

Hallo Sammis,

freut mich, dass du mit meinen Anregungen etwas anfangen konntest.

All die Personen (letztlich sind es nur 4 von Bedeutung) nach nur einem Kapitel einzuordnen ist nicht einfach. Nach dem zweiten sollten jedoch alle Unklarheiten beseitigt sein. Ich wollte ihre Einführung schlicht nicht in den Auftakt pressen, der möglichst flott daherkommen soll.
Da habe ich mich vielleicht nicht richtig ausgedrückt.
Klar sollen/müssen die 4 Protas nicht sofort nach einem Kapitel einzuordnen sein, darum ging es mir nicht.
Was ich meinte war, dass mir unklar, wieviele Personen da überhaupt zugegen sind.

Im Einzelnen:

Schwankend stand sie da, als sie plötzlich von einem Paar kräftiger Hände bei den Schultern gepackt und zurückgezogen wurde.
Silvia & kräftige Hände (wohl ein Mann)

Die Anderen kamen Sam zu Hilfe, gemeinsam beförderten sie Silvia eilends nach draußen.

Silvia & "andere" (wer? wieviele?) & der Mann mit den kräftigen Händen und Sam?
Oder ist Sam der Kräftige? (Das wird aber erst später klar. Zwischen dem Auftauchen des kräftigen Mannes und Sam vergeht so viel Zeit, dass man das nicht unbedingt kombinieren kann.)

Zwei Straßenbiegungen weiter setzten die beiden Männer Silvia auf dem Boden ab.
Silvia & Mann_1 & Mann_2, wobei einer der Männer Sam sein muss.
Demnach sind "die anderen" zwei Männer.

Geschieht dem Schwein ganz recht!“, bemerkte Mia bissig, ihre Augen funkelten zornig.
Jetzt haben wir noch eine weitere Figur:
Silvia & Mann_ohne_Namen & Sam & Mia
Sind die drei Letztgenannten nun "die anderen" oder kommen noch weitere hinzu, frage ich mich da.

Für mich ist das verwirrend. Ich würde das direkt an Anfang elegant lösen.
Z.B. erwähnen, dass Sam, Mia und XYZ die Sache beobachten, bevor sie in Aktion gehen.

Zwei Straßenbiegungen weiter setzten die beiden Männer Silvia auf dem Boden ab.
„Das war knapp!“, bemerkte Sam außer Atem. „Ich hoffe, der Typ überlebt Silvias Attacke“, ergänzte er halb scherzhaft. Sie hat ihm ganz schön zugesetzt.“
„Geschieht dem Schwein ganz recht!“, bemerkte Mia bissig, ihre Augen funkelten zornig. „Ihr habt doch gesehen, was da los war. Ich hoffe, der kriegt sein Ding nie wieder hoch!“, keifte sie. „Ist ohnehin traurig, dass Silvia das hatte erledigen müssen. Was ist los mit euch Helden?!“ Sie schwankte mindestens genauso, wie die anderen. Sie hatten alle zu viel getrunken.
„Ich weiß nicht, wie es mit euch steht“, viel Gregor ein, „aber ich brauch dringend was zu beißen. Lasst uns runter zum Schotten gehen, ’n paar eklige Burger verdrücken.“
Bei Perspektiv-, Sprecher- und Zeit-Wechsel setzt man eine neue Zeile.

Also:
(mehrere) Zwei Straßenbiegungen weiter setzten die beiden Männer Silvia auf dem Boden ab.
(Sam) „Das war knapp!“, bemerkte Sam außer Atem. „Ich hoffe, der Typ überlebt Silvias Attacke“, ergänzte er halb scherzhaft. Sie hat ihm ganz schön zugesetzt.“

(Mia) „Geschieht dem Schwein ganz recht!“, bemerkte Mia bissig, ihre Augen funkelten zornig. „Ihr habt doch gesehen, was da los war. Ich hoffe, der kriegt sein Ding nie wieder hoch!“, keifte sie. „Ist ohnehin traurig, dass Silvia das hatte erledigen müssen. Was ist los mit euch Helden?!“ (Hier kann man neue Zeile setzen, kein Muss) Sie schwankte mindestens genauso, wie die anderen. Sie hatten alle zu viel getrunken.
(Gregor)„Ich weiß nicht, wie es mit euch steht“, viel fiel Gregor ein, „aber ich brauch dringend was zu beißen. Lasst uns runter zum Schotten gehen, ’n paar eklige Burger verdrücken.“

Silvia trat dem augenscheinlich stark alkoholisierten Mann, ohne zu zögern, zwischen die Beine. Obwohl auch sie viel getrunken hatte, fühlte sie sich im Moment unverhofft klar. Der Fremde schrie auf, dann sackte er auf die Knie.
Silvia war einer jungen Frau zu Hilfe geeilt, die zweifelsfrei von dem Betrunkenen belästigt worden war. Er hatte die auffallend hübsche Brünette zwischen zwei Geldspielautomaten gedrängt, ihr den kurzen Rock hochgeschoben und versucht, sie gegen ihren Willen zu küssen. Die Bluse der jungen Frau war aufgerissen und ihre Brüste zur Hälfte entblößt.
Für Silvia war die Situation eindeutig. Sie hatte laut gerufen und ihn dadurch auf sich aufmerksam gemacht. Und als er von der Frau abließ und sich ihr zugewandte, trat sie zu.
Hier könntest du noch nachbessern.
Der Leser erlebt die Szene live mit, wie Silvia den Mann tritt.
Dann wird das Ganze nochmal nacherzählt. Vieles wiederholt. Das ist ermüdend und verwirrt nur, finde ich.

"Trat zwischen die Beine" & "trat sie zu"
"zweifelsfrei belästigt" & e"indeutige Situation"

Und dann kommt am Ende der Nacherzählung auch noch eine neue Lage, nämlich, dass Silva laut gerufen hat. Das kommt definitiv nach vorne.

Wünsche dir einen tollen Tag.
Liebe Grüße, GoMusic

 

Hallo GoMusic,

jetzt verstehe ich, was dich stört. Mal sehen, wie und ob ich das lösen kann.

Die Sache mit den Zeilenumbrüchen ist eigenartig. Die gab es exakt so, wie du es vorschlägst. Als ich das überarbeitete Kapitel mittels copy/paste überschrieb, verschwanden sie jedoch. Vielleicht fiel dir auf, dass genau an diesen Stellen die Leerzeichen fehlten. Wie auch immer – habs neu formatiert.

Vielen Dank für deine Hilfe!

Beste Grüße,
Sammis

 

Hallo GoMusic,

habe den Beginn erneut überarbeitet.
Es ist wahrlich nicht leicht, sich von lieb gewonnenen Zeilen zu trennen. Wer kennt es nicht. Aber Einsicht ist auf dem Vormarsch!

Nun hoffe ich natürlich, dass du oder ein anderer (nein, viele andere) mir weiter auf die Finger klopfen.

Beste Grüße,
Sammis

 

Hallo Sammis,

weiter geht’s.

Silvia registrierte interessiert, welch enorme Menge Blut die mächtige Platzwunde zutage förderte.
Das ist eine interessante Reaktion in ihrer Lage.
So etwas würde ich schreiben, wenn man im Chemieunterricht einem Versuch zuschaut, aber nicht, wenn man besoffen jemanden erschlagen hat :lol:

Ein vertrauter Geruch, bestehend aus penetrantem Frittenfett und dichtem Zigarettenqualm, drang ihr in die Nase.
Ein erster Hinweis auf Zeit und/oder Land. Soll heißen, zumindest nicht heutiges Deutschland.

Ruckartig schnellte Silvia hoch, wobei sie heftig mit dem Kopf gegen die Unterseite der Tischplatte stieß.
„Jesses!“, entfuhr es Sam.
Da fehlt ein Zeilenumbruch.

Für Sekunden starrte sie auf ein tiefblaues, ausgebeultes Gebilde, ehe sie begriff, dass sie auf dem Oberschenkel eines Mannes lag und in dessen Schritt starrte. Ruckartig schnellte Silvia hoch, wobei sie heftig mit dem Kopf gegen die Unterseite der Tischplatte stieß.
„Jesses!“, entfuhr es Sam. Erschrocken verschüttete er den Großteil seines glücklicherweise bereits abgekühlten Kaffees. „Bitte nicht schlagen!“ meinte er amüsiert und hob dabei abwehrend beide Hände.
Vor Silvias Augen dunkelte es erneut. Ihr Kreislauf war für solch eine abrupte Beanspruchung noch nicht gewappnet. Sie schwankte beträchtlich, drohte erneut umzukippen. Sam sprang geistesgegenwärtig auf und stützte sie.


Sie haut mit dem Kopf von unten gegen die Tischplatte.
Da steht nicht, dass sie aufsteht, wie kann sie da drohen, umzukippen?

ZWEI

Zum zweiten Mal an diesem Abend betrete ich das Klueo, an der kleinen Küche vorüber, durch den Lieferantenzugang.
Hier bist du im Präsens, später wechselst du im selben Kapitel in die Vergangenheitsform.

nicht entgehen lassen.
Mit vier großen
Formatierung

Fest steht, dass ich Dank des glücklich-vorzeitigen Abschluss´ für einige Zeit nichts zu tun habe, also lasse ich mich darauf ein.
Abschlusses

Offenkundig überglücklich darüber, deutschsprachige anzutreffen.

Groß, die Deutschsprachigen.

e: „Geld macht nicht glücklich!“ KOMMA „Spießer!“ und „Falsche Werte!“, wurde gebellt.

Dann kam das Aufschneiden: „Ich brauch keine– , wozu denn– , ich kann auch ohne den ganzen Scheiß glücklich sein!“ Und am Ende stand die Wette.
Was bedeuten die Bindestriche? Ggf. durch drei Auslassungspunkte ersetzen?

Nur die Kleider, die man Leib trug, durften mitgenommen werden.
am Leib

Die Sache mit den Zeilenumbrüchen ist eigenartig. Die gab es exakt so, wie du es vorschlägst. Als ich das überarbeitete Kapitel mittels copy/paste überschrieb, verschwanden sie jedoch.
Ja, das passiert beim Reinkopieren. Einfach vor dem Speichern noch mal durchgehen.

Interessanter Anfang, macht neugierig.
Vielleicht wäre das auch, weiter ausgearbeitet, Stoff für einen Roman?

Liebe Grüße, GoMusic

 

Hallo GoMusic,

Das ging ja schnell – und ich dachte, ich säße noch spät vor dem Rechner …

Fehler und Unstimmigkeiten sind behoben.
Die Bindestriche sind Gedankenstriche. Dachte immer, das wäre als Auslassungszeichen ebenfalls gültig. Habe sie dennoch ersetzt.

Little spoiler: Der Wechsel ins Präsents soll dies (und weitere) Kapitel vom übrigen Text abheben. Hier handelt der Mörder. Später im Kapitel geht es dann ja um Vergangenes, daher der Wechsel innerhalb des Kapitels. Zu verwirrend? Würde ich gern so belassen. Einige Sätze waren jedoch tatsächlich in der falschen Zeit. Wurden ebenfalls geändert.

Aktuell umfasst die Geschichte gut 10.000 Wörter. Und mir dünkt, bis sie ausgemistet ist, wird sie 10 - 15% davon verlieren. Einen buchfüllenden Roma gibt die Story, glaube ich, nicht her.

Vielen Dank für deine Hilfe. Und das um die Zeit.

Beste Grüße,
Sammis

 

Hallo @Sammis

So viele Figuren unter einen Hut zu bringen ist wahrscheinlich schlimmer als einen Sack Flöhe zu hüten. Das gelingt dir, wie ich finde, über den größten Teil der Geschichte hinweg erstaunlich gut und mir gefällt, dass du den meisten eine glaubhafte Lebensgeschichte zuordnest. Auch einige prägnante witzige Formulierungen sind mir aufgefallen.

Das Finale Furioso aber mit dem blutigem Ende hat mich verwirrt zurückgelassen. Roberto, Ricardo, der Inspektor, Franco, Pablo, Silvia. Wer erschießt da wen und wenn ja, warum? Und der Killer bleibt im Dunkeln.


Achtung: SPOILER-ALARM


Sam kann es nicht sein, Silvia auch nicht, Leon auch nicht, Natalie? Nein. Mia? Die weilt am Ende immerhin noch unter den Lebenden. Sie geht ja offenbar hinter Sylvia her, als die sich den Toten nähert, oder nicht? Aber wo ist dann der falsche Bagpacker Gregor abgeblieben? Eigentlich kann doch nur er es gewesen sein, denn der Ich-Erzähler lässt die Leser ja wissen, dass er sich als Tarnung unter die Bagpacker gemischt hat. Demnach auch nicht Mia. Wo ist die dann abgeblieben? Doch tot?

Also nicht nur Finale furioso sondern auch Verwirrung molto forte.

Grüße
Sturek

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo, Sturek

es freut mich, dass du dir die Zeit genommen hast, die Geschichte zu lesen.

Danke dafür!

AB HIER SPOILER
Roberto (Tonis Cousin) steht zwischen Toni und den Ricardo Brüdern. Und als die das Feuergefecht eröffnen wird er in die Brust und den Rücken getroffen. Somit sollte klar sein, von wem er erschossen wird. Die Frage nach dem Warum stellt sich hier, glaube ich, nicht. Oder?

Bei der gleichen Aktion stirbt auch Pablo Ricardo. Der einzige, der auf ihn schoß, war Toni. Demnach auch klar. Grund ist der selbe wie oben.

Wenig später wiederholt sich das Szenario. Diesmal befindet sich Franko Ricardo zwischen Toni und dem Inspektor. Dabei lässt er sein Leben, kurz darauf der Inspektor. Franko stirbt im Kreuzfeuer, der Inspektor durch die Hand Tonis.

Leon stirbt, weil er zur falschen Zeit am falschen Ort ist, und es ohnehin verdient. Er wird unmissverständlich von Toni erschossen.

Jetzt zum Killer: Wer es nicht sein kann, liegt auf der Hand. Tote morden nicht. Hierzu zählt auch Gregor. In der Toilette sterben zwei Männer. Einer davon ist Sam, das ist eindeutig. Warum? Aus Eifersucht. Der zweite Mann ist Gregor. Zwar wird er nicht namentlich genannt, dennoch gibt es Hinweise. Er erkennt den Killer. Der Killer will ihn nicht töten, sieht jedoch keine Alternative. Er erscheint nicht zum Treffen mit der Verkäuferin. Zugegeben, das ist dünn, ich wollte es aber auch nicht zu deutlich machen.

Bleiben nur mehr Mia und Natalie. Natalie ohne jeden Hinweis ins Gegenteil zu verkehren, wäre mehr als unglaubwürdig.

Du schreibst ja selbst, dass Mia hinter Silvia hergeht. Und das erfährst du aus der Ich-Perspektive. Genauso den Rest. Warum Mia letztlich auch Silvia tötet? Weil sie, nachdem ihre Verliebtheit (wofür es ebenso Hinweise gibt) verpufft, professionell arbeitet.

Somit sollte alles, bis auf Gregor, unmissverständlich benannt sein. Würde ich auch ihn deutlicher machen, würde das Geheimnis zu früh offenbart. Und darum dreht sich ja alles.

Trotzdem ich glaube, dass alles hinreichend ausgeführt ist, stimmt es mich doch nachdenklich, dass es für dich nicht ersichtlich war. Sollten auch andere das so empfinden, muss ich nochmals ran.

Beste Grüße,
Sammis

 

Hallo @Sammis,
Noch Mal zu Deinem Krimi, den Du auch gerade veröffentlicht hast, dann brauche ich nicht noch extra einen Kommentar dazu zu schreiben. Eine spannende Story fand ich. Leider wusste auch ich zum Schluss nicht mehr, wer gerade auf wen geschossen hat und warum. Ich denke trotzdem, die Geschichte hat großes Potential. Irgendwie interessiert man sich für die handelnden Personen. Wie sind die Aussteiger bloß ausgerechnet nach Südamerika in ein Einkaufszentrum geraten? Für Abenteuerlustige vielleicht nicht die richtige Umgebung. Das könnten sie auch hier bei Ikea haben. Aber das ... der Killer war, darauf wäre ich auch nicht so einfach gekommen. Und warum erschoss ... eigentlich S? Weil sie nichts von ihr wollte? Ich finde es interessant, dass sich immer wieder die Stimme des Auftragkillers meldet, ohne das man weiß, wer er ist.
Gruß Frieda

 

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