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Der Wicht

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12.01.2004
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Der Wicht

Als Axel Schmitz morgens um acht Uhr das Gebäude der Firma Usur und Co. betrat, war er gut gelaunt. Es war Freitag, die heutige anstehende Arbeit ließ sich locker in vier Stunden erledigen, dann würde er einen Außentermin vorschieben und mittags konnte er schon ins Wochenende starten. Axel war 37 Jahre alt, schlank, hatte volles, hellblondes Haar und er war Single. Er sah sich selbst als Frauenschwarm, die meisten Frauen bezeichneten ihn aber eher als schmierig und etwas ordinär. Kurz, Axel war das beste Beispiel für einen „Hoppla-jetzt-komm-ich-Typen“, der glaubte, keine Frau könne ihm widerstehen.
Er pfiff vor sich hin, warf Frau Denkinger am Eingang eine Kusshand zu, die sich mit ihren achtundfünfzig Jahren geschmeichelt fühlte, wenn ein junger, gutaussehender Mann sie so behandelte.

Als er im sechsten Stock den Aufzug verließ, sah dies schon anders aus. Frau Lang, die Empfangsdame war noch keine Vierzig und gegen seine ständigen Versuche sie anzumachen, völlig immun.
„Herr Schmitz, sofort zum Chef!“, sagte sie mit klirrender Stimme. Seine Laune fiel schon leicht ab, als er sagte: „Kein Bitte, Frau Lang?“
Sie sah ihn mit hochgezogenen Brauen an.
„Nein, Herr Schmitz, kein Bitte. Das war eine klare Anweisung von Herrn Özcan, keine Bitte.“
Sofort versuchte Axel die Wogen wieder zu glätten.
„Ist ja schon gut, Frau Lang, sie können ja nichts dafür. Ich bringe nur schnell meine Tasche in mein Büro, dann stehe ich dem Chef zur Verfügung.“
„Falsch, Herr Schmitz. Herr Özcan hat darauf bestanden, dass sie sofort zu ihm kommen, sobald sie einen Fuß hier hereingesetzt haben. Ohne Umweg über ihr Büro.“
Axel fühlte sich plötzlich unbehaglich. Was um alles in der Welt konnte so wichtig sein? Die Verträge mit der Baureiser GmbH lagen noch in seinem Schrank, die Knoll und Co. Unterlagen wegen der Brisanz sogar im Banksafe, darüber konnte der Chef also nichts wissen.
Na ja, dachte er, vielleicht geht es nur um ein neues, wichtiges Projekt. Gleich besser gelaunt, drehte er auf dem Absatz um, winkte Frau Lang in seinem Rücken zu und sagte: „Ich eile, Frau Lang, ich eile!“
Als er vor der dunklen, schweren Holztür stand, überprüfte er noch mal den Sitz seiner Krawatte, räusperte sich und klopfte an. Sofort hörte er von innen ein kräftiges: „Herein“
Er öffnete die Tür, trat ein und sagte: „Sie wollten mich sprechen, Herr Özcan?“
„Ah, Herr Schmitz.. Schön, dass sie so schnell gekommen sind. Setzen Sie sich doch bitte.“
Schmitz kannte seinen Chef seit vier Jahren, seit der Usur-Konzern damals die marode, deutsche Baufirma übernommen und von Grund auf saniert hatte. Özcan war Türke, etwa 50 Jahre alt, ein klein wenig übergewichtig und verheiratet. Er hatte nichts von der Art Türken, die Schmitz sonst kannte. Er verkörperte den modernen, aufgeschlossenen Geschäftsmann, auf der ganzen Welt zu Hause, der fließend Deutsch und Englisch sprach und bei allen Mitarbeitern als harter, aber gerechter Chef bekannt war.
Özcan stand auf und ging zur kleinen Hausbar in der Ecke. Er nahm sich eine Flasche Bitter Lemon und füllte ein Glas damit. Dann setzte er sich auf die Kante seines Schreibtisches und sah Schmitz an, der langsam doch ein mulmiges Gefühl bekam.
„Heute ist Freitag, Herr Schmitz. Haben Sie schon Pläne für das Wochenende?“
„Pläne? Nein Herr Özcan, nichts Konkretes, mal sehen, was sich so ergibt.“
Irgendwie wollte das mulmige Gefühl aus seinem Bauch nicht verschwinden. Noch nie hatte Özcan ihn nach seinen Plänen für das Wochenende befragt.
„Bei mir fällt das Wochenende leider aus, ich muss morgen früh nach Ankara fliegen und werde erst am Dienstag zurück kommen“, sagte Özcan und stellte sein Glas ab.
„Darum hab ich mir gestern ein paar freie Stunden gegönnt und war Golf spielen. Spielen Sie Golf, Herr Schmitz?“
Axels Angespanntheit fiel langsam etwas ab, scheinbar ging es doch nur um ein rein privates Geplauder.
„Nein, Golf ist mir zu, verzeihen Sie mir das Wort, zu privilegiert“, erklärte er und lächelte dabei, „ich spiele nur regelmäßig Squash und ab und zu ein wenig Tennis, um in Form zu bleiben.“
„Privilegiert? Interessant“, sagte Özcan und schien ein wenig erstaunt.
„Sie sollten mal darüber nachdenken, Herr Schmitz, ab und zu eine Runde Golf zu spielen. Man trifft auf dem Golfplatz immer recht interessante Leute. Gestern zum Beispiel fiel mein Freund und sonstiger Golfpartner aus und ich habe mich in Ermangelung eines anderen Mitspielers zwei Geschäftsleuten angeschlossen, die sie auch kennen dürften.“
Schmitz fühlte, wie ihm heiß und kalt wurde. Was wurde das hier?
„Geschäftsleute, die ich kenne?“, fragte er. Er war nahe dran, seinen Chef auch um ein Glas Bitter Lemon zu bitten, sein Mund fühlte sich plötzlich trocken an.
„Ja, Herr Schmitz. Und zwar Herrn Kovacs von der Baureiser GmbH und Herr Knoll von Knoll und Co.“
Schmitz fiel praktisch in einen Abgrund. Er begann zu schwitzen, seine Hände zitterten.
„Wir hatten ein sehr interessantes Gespräch, bis zum dreizehnten Loch, da hatte ich plötzlich keine Lust mehr, weiter zu spielen.“ Özcans Ton war spürbar härter geworden.
Er sah seinen Mitarbeiter an, der immer tiefer in seinen Sessel rutschte und wie ein Häufchen Elend aussah.
„Machen wir es kurz, Herr Schmitz. Die beiden Herren haben mir eröffnet, dass sie nicht mehr bereit sind, weiterhin horrende Summen an Sie zu bezahlen, um an unsere Aufträge zu kommen. Ich fiel natürlich aus allen Wolken, als ich das hörte. Aber eine erste kurze Überprüfung von mir ergab, dass sie in den letzten drei Jahren praktisch 250.000 Euro von vier verschiedenen Subunternehmern kassiert haben. Dafür haben sie diesen Firmen Aufträge zugeschanzt. Haben Sie dazu etwas zu sagen?“
„Das, das muss ein Missverständnis sein...“, stammelte Axel, „...ich weiß nicht, wie die beiden so etwas behaupten können. Ich habe noch nie irgendwelche Gelder...“
„Ach Herr Schmitz, lassen Sie doch dieses Theater!“ Özcan war vom Verhalten Axels förmlich angewidert. „Bis diese leidige Sache geklärt ist, sind sie vorerst beurlaubt.“

Die Unterlagen von Baureiser lagen noch in seinem Schrank, 70.000 Euro sollte er kassieren. Axel wusste keinen Ausweg, er musste unbedingt sein Büro noch einmal betreten können, um das brisante Material zu entfernen.
„Herr Özcan, ich kann mir das Ganze nicht erklären“, wagte er einen letzten Versuch. „Berger! Berger hat die Verhandlungen mit Baureiser und auch Knoll geführt. Bestimmt hat er die Gelder kassiert und versucht jetzt, mir die Sache in die Schuhe zu schieben.“
Man sah Herrn Özcan an, dass ihm der Auftritt seines Mitarbeiters fast schon peinlich war. Er ging um seinen Schreibtisch herum und setzte sich.
„Ihr Büro ist versiegelt, morgen früh kommt ein Mitarbeiter aus unserer Zentrale und wird alle Unterlagen prüfen. Bitte geben Sie Frau Lang den Büroschlüssel. Wir lassen sie wissen, wenn die Untersuchung abgeschlossen ist.“ Özcan öffnete eine Mappe und las darin. Er ignorierte Axel völlig, als sei dieser gar nicht mehr vorhanden. Axel kroch förmlich aus seinem Sessel. Er war völlig durchnässt, seine Augen hingen wirr ins Gesicht. Nichts war mehr zu sehen von dem jungen dynamischen Mann, der vor wenigen Minuten das Büro betreten hatte.
„Berger! Es kann nur Berger gewesen sein. Ich, ich habe nie...“
Özcan sah ihn an und brachte ihn zum Verstummen.
„Sie sind ein Wicht, Schmitz. Ein armseliger, kleiner Wicht. Raus aus meinem Büro!“

Frau Lang sah Axel sehr nachdenklich an, als dieser seine Büroschlüssel bei ihr abgab. Sie sagte kein Wort, sondern nahm nur die Schlüssel entgegen und legte sie in eine Schublade. Sie weiß es, dachte Axel. Jeder hier weiß es. Er hat allen gesagt, dass ich ein kleiner armseliger Wicht sei.
Jedem.

Das schlanke, dunkelhaarige Mädchen tanzte völlig in sich gekehrt vor sich hin, als sei sie alleine auf der Tanzfläche. Seit mehr als einer Stunde hatte sie keinen einzigen Tanz ausgelassen, egal ob es ein langsamer oder ein schneller Rhythmus war. Ihre leicht gebräunte Haut war feucht vom Schweiß, ihre dunklen, fast schwarzen Augen schienen von innen heraus zu leuchten. Der Mann an der Bar, der sie schon längere Zeit beobachtete, fiel ihr gar nicht auf. Erst als er sich direkt vor ihr aufbaute und sich ungelenk zur Musik bewegte, sah sie ihn an. Er war groß, hatte sehr helle Haare und war zwischen dreißig und vierzig Jahre alt. Desinteressiert drehte sie ihm wieder den Rücken zu und tanzte mit geschlossenen Augen weiter.
„Wie heißt du denn?“, hörte sie plötzlich vor sich. Sie öffnete die Augen und sah ihn erneut vor sich. Ohne ein Wort zu sagen, drehte sie sich herum und verließ die Tanzfläche. Kurz bevor sie an ihrem Platz angekommen war, fühlte sie eine feuchte Hand auf ihrer Schulter.
„Du redest wohl nicht mit jedem?“ Wieder dieser schmierige Kerl. Verärgert drehte sie sich herum und suchte unter den vielen Gesichtern ein ihr Bekanntes. Als sie niemanden entdeckte, griff sie zu einer List. Sie rief einfach in die Menge: „Thomas? Kommst du mal?“
Sofort nahm der Kerl die Hand von ihrer Schulter und verschwand. Den Rest des Abends blieb sie unbehelligt. Als sie gegen drei Uhr die Diskothek verließ, war der Parkplatz schon ziemlich leer. Sie ging bis zum Rand des Platzes, schloss die große Kette an ihrem Mofa auf und machte sich auf den Heimweg. Immer noch klang die Musik in ihrem Ohr, kaum achtete sie auf den Weg, geschweige denn auf das dunkle Cabriolet, dass ihr folgte.
Normalerweise wäre sie nicht durch das kleine Waldstück gefahren, aber es war schon spät, sie war ziemlich müde und vom Gewerbegebiet bis in die Innenstadt würde sie zwanzig Minuten sparen, wenn sie abkürzte.
Viel zu spät bemerkte sie, dass ein Auto ohne Licht hinter ihr herfuhr und ihr auf den schmalen Feldweg folgte. Sie fühlte einen heftigen Schlag an ihrem Bein, als der Wagen sie seitlich rammte und sie mit dem Mofa ins Gebüsch beförderte. Dabei verlor sie das Bewusstsein. Sie kam wieder zu sich, als sie hörte, wie Stoff riss, wie jemand ihr ins Har griff und daran zerrte. Sie sah sich um und schrie um Hilfe.
„Schrei nur, die mieses Miststück, hier ist kein Thomas, der dir helfen kann“, kam da gepresst aus seinem Mund. Hart schlug er ihr mit der Faust ins Gesicht und brach ihr dabei den Unterkiefer. Sie wimmerte vor Schmerz.
„Bitte nicht. Bitte, tun sie es nicht“, brachte sie undeutlich hervor. Doch da hatte er ihr schon die Reste der Kleidung vom Leib gerissen und zerrte an ihrem Slip. Mit Gewalt drängte er ihre Beine auseinander und ohne Vorwarnung drang er hart in sie ein.
Sie fühlte den unglaublich brennenden Schmerz in ihrem Unterleib und schrie, so laut es ihr gebrochener Kiefer zuließ. Doch sie erntete nur weitere Schläge, ohne dass die hämmernden Stöße abebbten. Es dauerte keine zwei Minuten, kam ihr aber wie eine Ewigkeit vor, bis ihr Peiniger in ihr unter heftigem Stöhnen ejakulierte.
„Das wolltest du doch, du Türkenschlampe, nicht wahr? Das ist es, was Ihr alle wollt. Verdammtes Türkenpack, ich werd es euch allen zeigen!“ Er erhob sich, zum ersten Mal konnte sie sein gerötetes Gesicht sehen. Sie schluchzte laut vor sich hin. Während er über ihr stand und seine Hosen schloss, wollte sie sich umdrehen, mit den Händen versuchte sie, ihre Blöße zu verdecken, um ihm nicht länger ihre nackte Scham zu zeigen. Er trat nach ihr. „Wo willst du denn hin, du türkische Nutte? Glaubst du etwa, das war schon alles? Jetzt fangen wir doch erst richtig an, du Miststück.“ Sein Gesicht war zur Grimasse verzerrt, nichts Menschliches fand sich mehr in ihm.
„Ich werde es dir zeigen, wer ich bin, du türkisches Stück Dreck“, schrie er und prügelte auf das blutende, zuckende Stück Mensch vor ihm ein.
„Niemand nennt mich einen armseligen, kleinen Wicht, hörst du?“, brüllte er, Speichel rann ihm aus dem Mund, während er in seine Tasche fasste und ein scharfes Springmesser herausholte.
„Niemand!“

 

Nur eine kleine Anmerkung:

Das war eine klare Anweisung von Herrn Öczan
:lol:
Es wurde eigentlich erst richtig lustig, als ich bemerkte, dass es gar kein Tippfehler war.
Der fehlgeschlagene Versuch einer Annäherung an die Völkerverständigung...

Ähm, ja: Özcan, der Name ist Özcan!


Nichts für ungut...

 

Geschrieben von Hendek
Nur eine kleine Anmerkung:

:lol:
Der fehlgeschlagene Versuch einer Annäherung an die Völkerverständigung...
Nichts für ungut...


Ja, danke :D

 

Geschrieben von Marius Manis
Hallo, Du!

ich hatte sofort den Eindruk, es ginge nicht um die Geschichte, sondern um eine AutorIN und irgendwas Persönliches.


Hmmm, das versteh ich nicht so ganz.

Es scheint als wolltest Du irgendjemandem erklären, dass es eben nicht nur die eine "Art" Türken gibt, sondern auch gebildete.

Nein, ich wollte es aus der Sichtweise von Axel Schmitz erklären, nicht aus meiner.


Mir fielen noch zwei Dinge während des Lesens ein:
Vor kurzen gab es im Fernsehen einen Bericht über einen sehr erfolgreichen Geschäftsmann, einen Türken. Hab ich nur so im Ansatz gesehen. Du vielleicht auch?

Nein, hab ich nicht gesehen.

Vor kurzem las ich eine KG mit dem Titel: "Ein wirklich guter Fick". Es geht dabei um eine Vergewaltigung. Ich hatte den eindruck, Du wolltest noch was dazu beitragen...

Ebenfalls nein. Hab ich nicht gelesen.


Dank dir fürs lesen.

 

Hallo Marius

Nein, der Autor ist keine Frau.

Bei dem Satz: >>Er hatte nichts von der Art Türken, die Schmitz sonst kannte.<< denke ich schon, dass ich klar mache, dass das aus Der Sichtweise des Protagonisten ist und nicht aus meiner.
Dabei war die Grundidee, deutlich zu machen, dass Schmitz, zumal es eine Baufirma ist, "seine Art Türken" immer nur auf der anderen Seite der Karriereleiter kennen gelernt hat.

Pornografie wollte ich nicht unbedingt schreiben, aber es ging eben darum, wie aus einem kleinen, schmierigen Loser, der sich hinter seiner Fassade versteckt, der wahre Kern rauskommt, ein Vergewaltiger daraus wird. Und eben das wollte ich darstellen. Jeder sieht das eben anders.
Wenn eine Leserin eines anderen Forums sich erstmal setzen musste, bevor sie mir ein Lob schreiben konnte, dann hab ich genau das erreicht, was ich erreichen wollte. Aber vielleicht sehen das Männer und Frauen auch unterschiedlich.

Aber danke fürs lesen.

 

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