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Der Wolf
„Orc’s End“ stand auf dem Messingschild, die Funzel darüber spendete gerade genug Licht, um die Gravur entziffern zu können. Ich atmete tief ein und würgte, als mir der Mief der Müllberge und fauligen Pfützen in die Lunge kroch. Eine Assel sagte mir kurz Hallo und verschwand wieder in der Ritze neben der Tür.
Ich zog meinen Zopf stramm und trat ein. Der Geruch von Schweiß und Blut versetzte meine Muskeln in Kampfbereitschaft. Anscheinend war gerade kein Training. Nur ein einzelner Troll verdrosch einen Sandsack, während sich in einem der beiden Ringe zwei Elfen umtänzelten. Ansonsten waren die Matten leer, die Pratzen lagen unbenutzt in einer Ecke.
„Kann ich dir helfen?“ Neben mir stand eine Zwergin in Shorts und Tanktop, zwei Haarschnecken schmiegten sich an ihren Kopf. Sie lächelte mich an.
„Ich würde gerne trainieren.“ Meine Zunge machte sich auf die Suche nach etwas Spucke. „Ich war noch nie hier.“
Die Zwergin strahlte. „Klar. Komm mit.“ Sie ging zu einem Tresen und kramte einen Zettel hervor. „Hier, das musst du ausfüllen und unterschreiben.“ Ihr Zeigefinger tippte auf das Blatt. „Da und da anhaken, wegen Datenschutz und so.“
Ich zögerte. „Ich habe keine Empfehlung.“
„Oh.“ Die Zwergin verzog die Lippen nach links. „Moment, dann muss ich kurz jemanden holen.“
Meine Finger trommelten auf das Holz. Hoffentlich kam ich damit durch.
Ein Nachtelf mit hochgezogenen Brauen kam auf mich zu. Mit der Arroganz der Elfen wusste ich umzugehen, aber aus den grauen Augen schlug mir pure Ablehnung entgegen. Zu nah vor mir blieb er stehen und schleuderte seine Haare mit einem Ruck nach hinten. Ich trat einen Schritt zurück und schwitzte.
„Wir nehmen keine neuen Leute auf.“ Er schnaufte.
„Ich kann kämpfen.“ Ich hoffte, meine Stimme hörte sich außerhalb meines Kopfes tiefer an. „Wir können voneinander profitieren.“
„Wir sind voll“, sagte der Elf und wandte sich ab.
Meine Ohren rauschten. Nein, ich würde jetzt nicht einfach wieder gehen. Ich würde mir nicht von einem schnöseligen Elfen meinen Traum zerstören lassen.
Er war schon ein paar Meter entfernt, also nahm ich zwei Schritte Anlauf und sprang ihm mit einem Fußkick in den Rücken. Schlangenhaft duckte er sich weg, die silbernen Strähnen flossen durch die Luft. Ich landete, wie eine gespannte Feder bereit zum nächsten Angriff, doch der Elf hielt mir nur die flache Hand vor die Nase.
„Ich kämpfe nicht gegen dich.“
Dieser Arsch mit spitzen Ohren ging weiter, als wenn nichts gewesen wäre! „Verdammt, gib mir wenigstens eine Chance! Ich weiß, dass ihr eine Amazone gebrauchen könnt.“
Der Elf blieb stehen.
„Was kann ich tun, um euch zu überzeugen?“
Er schaute mich an und lächelte.
Ich folgte dem Elf, der sich als Galad vorgestellt hatte, durch die Gassen, vorbei an heruntergekommenen Wohnblöcken und Clubs, vor denen sich leichtbekleidete Nymphen räkelten.
„Wohin gehen wir?“
Galad ignorierte mich genauso wie die zwei Halbriesen, die uns als Begleitschutz flankierten. Nicht, dass der Elf oder ich das nötig gehabt hätten, aber die Demonstration von purer Kraft schien uns hier Ärger vom Hals zu halten.
An einer Wellblechhalle blieben wir stehen und Galad klopfte gegen das Metall. Klopf-klopf-klopfklopfklopf–klopf.
Eine lange Nase schob sich durch den Türspalt und schnüffelte. Unser Geruch schien zufrieden zu stellen, denn der Goblin ließ uns eintreten. Es stank nach nassem Hund. Der Eingangsbereich war düster, ein Vorhang versperrte den Blick in das Innere der Halle. Dahinter war einiges los, ich hörte Schreie, Pfiffe, Poltern. Ein Wolf jaulte.
Entsetzt schaute ich Galad an. „Das kann nicht dein Ernst sein!“
Der Elf zuckte mit den Schultern.
„Was ist das für eine Scheiße? Werwolfskämpfe sind illegal!“
„Stell dich nicht so an. Ist doch nur ne kleine Mutprobe.“ Galad betrachtete seine Fingernägel. „Die Wölfe zwingt keiner dazu.“
Die Menge grölte, Fanfaren und Musik wurden gespielt.
Ich schaute zum Vorhang. „Als wenn sie ne Wahl hätten.“
„Dann gehen wir halt wieder.“ Er bewegte sich Richtung Tür.
Verdammt, im „Orc’s End“ versammelten sich die besten Kämpfer der Welt. Ich musste dazugehören. „Ich mach’s.“
Ohne ein Wort zu sagen, ging Galad an mir vorbei auf den Goblin zu. Der nickte und zeigte an, ihm zu folgen. Wir zwängten uns vorbei an bis zur Decke gestapelten Kartons und Stühlen, gelangten in eine Art Umkleidebereich. Auf einem Tisch türmten sich Bandagen, Trinkflaschen und Rucksäcke.
Der Goblin schaute mich an. „Schon mal hier gekämpft?“
„Nein, aber ...“
„Die Regeln sind: Keine verzauberten Waffen, keine Flüche, kein immerwährender Tod. Sonst ist alles erlaubt. Noch Fragen?“
„Äh ...“
Er kletterte auf einen Stuhl, fegte ein paar Klamotten vom Tisch und schüttete eine Kiste darauf aus. Messer, Schwerter und Peitschen purzelten hervor, sogar ein Morgenstern war dabei. „Such dir was aus.“
„Ich kämpfe ohne Waffe.“
Der Goblin zog die Augenbrauen hoch, also warf ich einen Blick auf das Arsenal und griff schließlich zu einem versilberten Messer. Das konnte ich zur Not im Stiefel verstauen.
„Du bist die Nächste. Der aktuelle Kampf dürfte nicht mehr lange dauern.“ Ein Schrei zerriss das Gejohle, welcher dann von noch lauterem Klatschen und Getrommel übertönt wurde.
„Alles klar.“ Ich schaukelte meine Arme hin und her, versuchte, die Schultern zu lockern. Was sollte ich von diesem Kampf halten?
Nicht, dass ich Angst davor gehabt hätte. Werwölfe waren keine ernstzunehmenden Gegner. Die armen Kreaturen waren meistens Opfer ihrer Hormone, aggressiv und orientierungslos. Aber ich hatte auch noch nie in nem Ring gegen einen gekämpft. Das fühlte sich verdammt falsch an.
Ein anderer Goblin watschelte auf mich zu, winkte mich heran. Er schob mich an einen schwarzen Vorhang. Mein Magen grummelte, dem schien das hier auch nicht zu gefallen. Vielleicht sollte ich doch nicht - es ertönte Musik und schon wurde ich nach draußen geschubst. Die Menge buhte.
Ich folgte ein paar Stufen durch die Masse zum Ring. Dort tigerte schon der Wolf hin und her. Die Zunge hing heraus und Sabber tropfte. Zwei Hauselfen wuselten über den Boden, um rote Schlieren wegzuwischen.
Durch die Seile stieg ich in den Ring. Ich nickte dem Wolf zu, er nickte zurück.
Der Kampfrichter stellte uns vor. Bevor ich darüber nachdenken konnte, ob ein Rückzieher jetzt noch zu peinlich wäre, bimmelte es und der Wolf sprang mich, ohne zu zögern an. Er schnappte nach meiner Schulter. Ich wich aus, wirbelte durch die Luft und kam hinter ihm zum Stehen. Das Publikum raunte.
Der Wolf beobachtete argwöhnisch das Messer in meiner Hand. Ich schoss nach vorne, eine Schnittverletzung mit dem Silber würde ihn so sehr schwächen, dass der Kampf bald beendet sein würde. Er entkam, nur ein paar Haare rieselten hinab. Wir umkreisten uns immer schneller. Das Publikum pfiff, wollte endlich Blut sehen. Ich musste nicht mehr nur auf meinen Gegner achten, sondern auch Bierbechern und abgenagten Knochen ausweichen.
Seine Klauen schnellten auf mich zu, doch ich konterte mit einem Roundhouse-Kick und brachte das Tier so wieder auf Abstand. Der Wolf schoss vor, bekam mein Handgelenk zu fassen, verbiss sich und schüttelte den massigen Kopf, so dass mir das Messer aus der Hand flog und aus dem Ring rutschte. Ich kickte ihm mit dem Knie in die Rippen, er jaulte auf und ließ meine Hand los. Sein Maul war rot und mir tropfte das Blut von den Fingern. Verdammt, Werwolfbisse brannten wie Sau.
Die Augen des Wolfs leuchteten, das Blut stachelte ihn an. Ich presste die nasse Faust an die Innenfläche der anderen Hand, um Energie zu sammeln. Dann stieß ich mich in die Luft und ließ mich aus drei Meter Höhe hinabfallen. Meine Faust war hart wie Stahl, prallte auf, um so Kraftwellen in Richtung des Wolfes zu schicken. Der konnte nicht mehr entkommen, schleuderte durch den Ring und blieb benommen liegen. Der Ringrichter lief zu ihm, zählte ihn an, doch der Wolf berappelte sich. Er sprang, dann kugelten wir über den Boden. Als sich meine Nase in das dichte Fell bohrte, ließ mich der muffige Geruch würgen. Ich schaffte es, seine Schnauze von mir fernzuhalten, aber die Klauen rissen mir den Rücken auf. Schmerzsterne funkelten vor meinen Augen. Ich bündelte Energie an der Stirn und verpasste ihm einen Kopfstoss. Schwankend konnte sich das Tier grade noch auf den Beinen halten. Sein Körper waberte, Wellen schossen über das Fell.
Der Wolf schrumpfte, die Haare verschwanden und schließlich lag ein nackter Mann vor mir. Narben und frische Wunden übersäten seinen Körper. Er warf mir einen kurzen Blick zu, der mir die Galle in den Mund trieb, dann brach er zusammen.
Der Goblin ernannte mich zum Sieger. Er holte eine Trittleiter, kletterte darauf und hielt meine Hand in die Höhe. Das Publikum grölte und ich schaute auf den Mann, der wie tot auf dem blutbeschmierten Boden lag.
Als ich in den Backstagebereich stolperte, stand dort schon Galad und klatschte. „Herzlichen Glückwunsch. War doch gar nicht schlimm.“
„Wie könnt ihr diese Kämpfe nur unterstützen?“ Am liebsten hätte ich ihm vor die Füße gespuckt.
Galad steckte die Hände in die Hosentaschen. „Morgen ist Training. Sechs Uhr.“
„Viel Spaß dabei.“ Ich drehte mich um und ging.
Silber, Mutprobe, Ablehnung, rauschen, kontern