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Des Kusses Erinnerung

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13.11.2003
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Des Kusses Erinnerung

Es wäre falsch zu glauben, dass ich noch jedes Detail, jede Einzelheit von jenem Tag wisse.
Es wäre falsch zu glauben, dass ich jedes Detail, jede Einzelheit von jenem Tag in Worte fassen könne.
Aber es wäre nicht falsch zu glauben, dass ich jedes Detail, jede Einzelheit von jedem Moment an jenen Tag wisse und in Worte fassen könne.
Denn ich kann es.

Es war Herbst.
Einer dieser Herbste, an denen man sich wünscht, dass der Sommer endlich endet und der Winter nie anbricht.
Der Wind striegelt mal stark, mal schwach die goldbraunen Blätter über die Straßen und es wirkte wie ein goldener Teppich, der schier endlos in die Weite lief und man dachte er würde die Welt wie ein geschnürter Gürtel zusammen halten.
Ich ging wie jeden Nachmittag nach der Schule - ich war erst fünfzehn – zu unserer dorfeigenen Windmühle.
Es war nicht so sehr die Mühle, die mich magisch anzog, sondern viel mehr die still schweigende Ruhe, die über den weiten Feldern wie eine unsichtbare Grenze zum stressigen Alltag lag.
Einmal betreten war es schwer ihr wieder zu entkommen und oft war es wie ein brutaler masochistischer Akt, wenn ich zu Abendessen gehen musste.
Nun, an jenem Tag, betrat ich wieder diesen süchtigmachenden Platz der Stille... da saß sie!

Da saß sie, als hätte sie sich nie in ihrem Leben bewegt.
Ihre goldblonden langen Haare, die offen im Wind wehten, verlangten geradezu nach Freiheit als wollen sie hoch in den Horizont steigen und für die Ewigkeit den Himmel küssen.
Ihre zartbleiche Haut zog geradezu förmlich die Strahlen der Nachmittagssonne in sich auf und gab ihrem Antlitz eine unerreichbare Sinnlichkeit, die Krieg oder Frieden vollbringen mochte.
Ich liebte sie nicht. Nicht das sie dass jetzt denken.
Nein, es war mehr dieses unvorstellbare Verlangen, etwas besitzen zu wollen, für immer an sich zu binden und nie wieder herzugeben.
Sie kennen das Gefühl sicher. Es wäre Schade wenn nicht.
Ich war nicht überrascht sie dort zu sehen, gerade an der Stelle, an der ich sonst meine Gedankenfreiheit ausleben konnte.
Schon öfters sah ich sie in der Nähe der Mühle, wie ein scheues Reh, was wild herumstreunte.
Ein sehr unpassender Vergleich, wie ich heute finde. Sie glich mehr einer stolzen Königin, welche die Schönheit der Natur befeierte und umgekehrt.
Jedenfalls kannte ich sie gut.. Sie ging mit mir in die gleiche Klasse, wohnte nebenan und aß ab und zu mit mir an einen Tisch.
Dennoch hab ich kaum, fast gar nicht, ein Wort mit ihr gewechselt, geschweige denn ein Gespräch geführt.
Doch an jenem Tag war es unausweichlich.

Es war keine schüchterne Begrüßung. Ich setzte mich einfach neben ihr.
Auch die Scharm, die sonst als eine unüberwindbare Mauer zwischen uns stand, war vollkommen zerbröselt und zusammengebrochen.
Wir redeten über dies und das, aber hauptsächlich über nichts.
An solchen Ort sollte, und das wussten wir, die Ruhe einzig und allein das Wort haben, doch in mir wühlte eine brodelnde Masse unbekannter Gefühle und ich dachte jeden Moment, dass ich wie ein verrückter losrennen werde, um diese innerliche Gewalt entkommen zu können.
Die Berührungen unserer Hände kam plötzlich und unbewusst, aber dennoch vernahm keiner von uns die Anstalten die körperliche Kette zu zerreißen.
Da saßen wir nun, schweigend und doch redend.
Als sich die Sonne langsam zu ihrer nächtlichen Abendruh aufmachte, war auch meine Zeit des Abschieds gekommen.
Ich stand auf wie ich mich hinsaß. Schweigend.
Sie erhob sich ebenfalls und ihr lächeln brachte mich fast um den Verstand.

Dann tat sie es.
Sie tat es ohne zu Zögern.
Sie tat es ohne Bedenken.
Sie tat es einfach.

Sie spitzte ihre Lippe, schloss ihre Augen und obwohl es wie ein schneller Reflex war, kam mir ihre Annäherung langsam und endlos vor. Der Kuss selbst war unspektakulär, wie es meistens bei den ersten Küssen eines jungen Lebens ist.
Doch die Gefühle danach türmten sich unaufhaltsam in mir auf. Verwirrung, Liebe, Hoffnung, Hochfreude, Verständnislosigkeit und Pein. Ich war verloren, und doch... Ich genoss diesen kurzen Moment.

 

Hallo!

Erst mal muss ich dir sagen, dass ich es schön fand, wieder einmal von solch einer erfrischenden Erzählung in den Bann gezogen zu werden. Vor seinem inneren Auge wieder entstehen lassen zu können, wie man sich selbst gefühlt hat, als Gesschehnisse, wie diese, zum ersten Mal passiert sind. Auch schön zu lesen, dass manche Gefühle wohl ziemlich gleich sind, egal ob männlich oder weiblich.

Zu den Kommentaren des Autors: Ich persönlich finde es sehr nett, irgendwie das Gefühl zu haben, mit dem Autor so quasi du-per-du zu sein, auch wenn das hier öfter bekrittelt wird. Die Gefahr dabei ist nur, dass man irrsinnig aufpassen muss, dass man diese Kommentare nicht an irgendeiner Stelle anbringt, wo sie den Leser aus dem Lesefluss reißen.

Nein, es war mehr dieses unvorstellbare Verlangen, etwas besitzen zu wollen, für immer an sich zu binden und nie wieder herzugeben.
Sie kennen das Gefühl sicher. Es wäre Schade wenn nicht.
An dieser Stelle bespielsweise, fand ich die Frage etwas holprig, denn ich für meinen Teil war schon gespannt darauf, was denn jetzt mit diesem Mädchen war und wollte eigentlich nicht darüber gefragt werden, ob ich dieses Gefühl auch kenne... Aber wie gesagt, darüber kann man diskutieren!

vernahm keiner von uns die Anstalten die körperliche Kette zu zerreißen.
heißt das nicht eher "Anstalten machen"? So quasi "niemand machte Anstalten, die körperliche Kette zu zerreißen"

Ich setzte mich einfach neben ihr.
Das klingt meiner Meinung nach ein bisschen komisch, ich würde eher sagen: Ich setzte mich einfach neben sie. Der Sinn ist zwar klar, aber ich würds trotzdem umformulieren.

Ich stand auf wie ich mich hinsaß.
Ist nicht ganz klar formuliert. Ich würde eher sagen "Ich stand auf GLEICHE WEISE auf" und dann natürlich die Zeit "wie ich mich hingesetzt hatte".

Wie auch immer, ein paar kleine Fehlerchen, wie diese findet man überall, totzdem war's mir ein Vergnügen, diese Geschichte lesen zu können, und in Erinnerungen schwelgen zu können, ohne im Hinterkopf, wie bei so vielen anderen Geschichten (die natürlciha cuh nciht schlecht sind), irgendwelche negativen Gedanken auf die Folgen der Handlungen der Protagonisten, zu haben!

Hat mir gut gefallen!

Liebe Grüße,
Merdania

 

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