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Die Anatomie der Begierde
Die Anatomie der Begierde
Ich sitze in dem schwarzen Ledersessel, der mit seiner Imprägnierung schon so oft unsere Säfte hat abperlen lassen, und schaue hinunter auf die Stadt, die im Nebel zu versinken scheint. Ich nehme vage Deinen Duft wahr; nicht das blasse Gespenst eines toten Parfüms: den Geruch Deines Körpers, der dem Leder, auf dem ich sitze, eine Note vergangener, aber nicht verschwundener Gier verleiht.
Einen Moment lang meine ich, die Reflexion Deiner Gestalt im Glas des Panoramafensters wahrzunehmen, aber dann wird mir klar, dass es nur eine Projektion meiner Wünsche war, kombiniert mit Nebel draußen und den einsamen Schatten hinter mir.
Ich spüre den Verlust, der meine Sinne einschnürt wie eine seelenlose Würgeschlange.
Ein Stück Papier, ein Stift.
Der Anatomie der Begierde zu folgen, hieße mit deinem Haar zu beginnen, um mich, wie ich es stets tue, dann nach unten zu arbeiten; der Anatomie einer Geschichte folgend, beginne ich dort.
Deine Füße sind zwei blasse Kleinode mit unlackierten Nägeln, der Farbe von Sahne und der Geschmeidigkeit kleiner nackter WildtiereSie schmecken wie fremdes Konfekt, wenn ich an ihnen sauge.
Deine Beine sind samtweiche Fesseln um meinen Hals, die sich winden können wie Reptilien, ohne deren Kühle zu haben; wenn sich der Schweiß unter Deinen Schenkeln sammelt, möchte ich dich immer auf den Rücken drehen, um ihn zu kosten wie die Flüssigkeit eines umgestoßenen Kelchs. Gierig, nichts zu vergeuden, aber wissend, das dieser Becher sich nie ganz leert.
Dein Hintern ist die exotischste Frucht meiner Welt, ein zartes, aber federndes Gebirge, das sich zusammenzieht, wenn der Sturm kommt, den es selbst provoziert hat. Der Hügel, den ich wie im Wahn erklimme, um ihn hinter dem Gipfel als Kissen zu benutzen.
Die Anatomie nennt ihn Glutheus Maximus, ein Name, der nach einem Gladiatoren klingt, aber Frieden in sich birgt, wenn man bereit ist zu kämpfen.
Deine Vagina ist eine Orchidee des Verderbens.
Ich bin ihr zu nah gekommen, und ihr Saft benebelt seitdem meine Sinne; ich muss ihr nicht Namen wie »Muschi« oder »Pussy« geben, denn das hat sie nicht nötig; wäre sie namenlos, würde ich sie trotzdem anbeten und strapazieren; sie ist ein benutzbarer Tempel, eine dehnbare Kathedrale der Nässe. Ich kann nicht von ihr ablassen. Wenn die Hölle ständige Wiederholung ist, will ich des Teufels sein.
Dein zarter Bauch macht mich zum Höhlenmann.
Feine Härchen bewachsen diese Ebene, aber mein prähistorischer Beißreflex nimmt darauf keine Rücksicht; wenn meine Lippen ihn berühren, fordern meine Zähne alles, und ich könnte lutschen und knabbern bis in die Ewigkeit. Dein Bauch ist reine Nahrung, obwohl ich verhungern würde, wenn ich nicht von ihm ablasse, aber die Haut über ihm duftet wie die Öle eines talentierten Parfumeuers.
Deine Brüste sind die Götzen, die ich anbete.
Züchtig in Stoff gepresst lassen sie Klingen aus meinen Fingern wachsen, um sie frei zu schneiden. Dann befreit, wünsche ich mir alle Nervenenden in den Spitzen meiner Finger; sie zu betasten, sie zu beißen und an ihnen zu saugen ist meine Religion, und der Schweiß auf ihnen mein Weihwasser. Ihnen eine Maßeinheit wie »85 B« zuzuteilen ist, als würde Jesus ein Trikot mit der »1« tragen, als müsste man in der Kirche eine Nummer ziehen; die totale Entweihung eines straffen goldenen Kalbes, das mich abwechselnd in Raubtier und Kind verwandelt.
Dein Hals, dieser schwanengleiche Sockel Deiner Schönheit; durch ihn strömt sichtbares Leben - Leben, ohne das meines sinnlos und leer wäre. Ich genieße ihn wie ein zögerlicher Vampir, indem ich berauscht an ihm nasche und nasche.
Dein Gesicht war das erste, was ich von Dir sah, ein Eindruck, der sich wie ein Kupferstich in meine Seele trieb. Deine Lippen sind entzückend universell: sie machen mich glücklicher als jedes Buch, jeder Film, jedes Gebet und jede Sünde.
Sie können mich zum weinen bringen, zum schreien, zum stöhnen zum verzweifeln. Ein Werkzeug der Lust, das Liebesschwüre ebenso wie derbste Seemannsprache beherrscht, eine nasse Höhle, die nimmt und gibt.
Dein Haar ist der Traum der Medusa; füllige, blonde Seide in Vollendung und Verschwendung; geordnet und gekämmt, um die Nacht zu erobern sind sie ebenso reizvoll, wie zerzaust und feucht auf den Kissen oder dem Boden.
Trotzdem: Dein Körper ist nichts als die Hülle Deiner Seele, ein Universum in sich, das unsere Geheimnisse birgt, neue gebiert wie ein Vulkan, meine Beherrschung frisst, wenn sie bereits wie Honig zu Boden tropft, eine Grube der Liebe, ein Kerker der Vernunft - dessen Türen wir eingerannt haben, während wir gemeinsam schrieen.
Der Taxameter meiner Begierde hat sich einmal überschlagen, um erneut bei Null zu beginnen.
Zum Duft unserer Sekrete mischt sich ein anderer.
Feuerzeugbenzin.
Ich werde diese Zeilen verbrennen, jetzt, da ich sie niedergeschrieben habe.
Sie sind nichts als der kindische Versuch, Gottes Namen zu scrabbeln, nichts weiter als das idiotische Vorhaben, zum Himmel zu sehen und die Sterne mit einer Strichliste zu zählen.
Um mein Feuerzeug zu holen, müsste ich mich erheben.
Mein Körper will das nicht.
So bleibe ich sitzen, und mein Kumpan, der Sessel, duftet weiter nach Dir, während ich die Augen schließe und einatme.