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Die Gabe

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31.08.2003
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Die Gabe

Schon als Kind hatte sie ihn fasziniert. Die Macht, über Leben und Tod zu entscheiden. Mit zwölf hatte er seinen ersten Menschen getötet. Nein, nicht getötet, erlöst. Das beliebteste Mädchen der Schule, drei Jahre älter als er. Ihre Fröhlichkeit, die Unbekümmertheit, war nur aufgesetzt gewesen. Ihre Schreie, wenn auch niemand außer ihm sie gehört hatte, hatten in seinem Kopf gedröhnt und waren erst verstummt, als er sie im Wald erschlagen hatte. Damals hatte er noch einen Stein benutzt, heute bevorzugte er Messer zur Erfüllung seiner Pflicht. Er fand, dass sie die effektivere und sauberste Waffe waren.
An diesem Tag hatte er verstanden, dass er eine Gabe hatte und das Gefühl der Macht hatte sich seinen Weg durch alle Nerven und Venen in jeden, noch so verborgenen Winkel seines Körpers gebahnt.
Er war auserwählt. Die Schreie, die er immer wieder hörte, waren die verzweifelten Hilfeschreie der Menschen, die ihn so sehr anwiderten. Sie waren schwach und zu feige, ihrem elenden Leben selbst ein Ende zu machen.
Aber sie war anders.
Er war ihr gefolgt, hatte sie lange beobachtet. Sogar in die Kirche war er gegangen, um ihr zuzusehen. Sie betete zu Gott, bat Ihn um Hilfe. Sie wusste nicht, dass Gott ihre Schreie nicht hören konnte, dass Er nicht entschied, wer erlöst wurde und wer nicht.
Sie würde es bald herausfinden.
Aber erst wollte er ihr ein Geschenk machen. Lächelnd streifte er sanft wie ein Sommerwind ihre Stirn mit seinen Lippen, atmete ihren Geruch ein, genoss es, ihre weiche Haut zu berühren.
Er konnte kaum glauben, dass sie hier unter ihm lag, fast nackt. In seinem Bett. Es war so einfach gewesen, sie einzuladen, oder hatte sie ihn ... ?
Es war nicht wichtig, wer wen zuerst angesprochen hatte, er schob die Gedanken beiseite und legte seine Lippen auf ihre. Sie waren sanft und sinnlich, schmeckten süß. Er konnte es kaum abwarten, wollte sich in ihr verlieren und sie endlich erlösen, aber er zwang sich zur Zurückhaltung. Sie war etwas besonderes, heilig. Ihr Tod durfte nicht so gewöhnlich sein wie die Anderen. Dieses Mal würde er sich wirklich Zeit lassen und es genießen dabei zuzusehen, wie das Leben aus ihren unschuldigen Augen wich.
In den letzten Jahren hatte seine Gabe fast angefangen, ihn zu langweilen. Bei ihr entdeckte er sie neu.
Schreie drangen wieder in seinen Kopf, wie ein regelmäßiges Pochen. Mit einem Finger strich er über ihren Hals, verharrte an der Halsschlagader und lächelte.
Bald. Schon bald würde sie von diesem Leben erlöst sein ...


***


Die Schreie waren so laut, dass er glaubte, sein Kopf würde jeden Moment zerspringen. Sein Mund brannte, während er aus seinem traumlosen Schlaf aufwachte.
Das Licht schmerzte in seinen Augen, er wollte sie wieder schließen, aber das durfte er nicht. Er hatte noch eine Pflicht zu erfüllen, aber so sehr er sich auch anstrengte, er konnte sich einfach nicht bewegen. Sein ganzer Körper fühlte sich taub an, sogar seine Zunge war schwer.
Plötzlich war ihr Gesicht über ihm, ihr süßes Lächeln. Sie erinnerte ihn an einen Engel. Sie hatte anscheinend geduscht und sich angezogen.
„Es wird bald vorbei sein“, drang ihre sanfte Stimme zu ihm durch. „Weißt du, es gibt Spinnen, die ihre Männchen nach der Paarung auffressen. Ich bevorzuge Gift, ist einfacher.“
Den Kuss, den sie ihm zum Abschied gab, spürte er nicht, aber er erinnerte sich wieder.
Sie hatte etwas zu trinken geholt, nachdem er sie lange geliebt hatte. Aber sie hatte doch wohl nicht ... . Nur er hatte die Gabe, sie musste sterben, nicht er.
Das Atmen fiel ihm immer schwerer. Als er aus den Augenwinkeln sah, wie sie das Zimmer verließ, begriff er, dass die Schreie in seinem Kopf dieses Mal seine eigenen waren.

 

Hi gori!
Ich finde deine Geschichte eigentlich recht gut. Sie ist spannend und gut beschrieben, aber ich verstehe nicht, was jetzt genau diese Gabe sein soll. Und "gegruselt" habe ich mich, im wahrsten Sinne des Wortes, eigentlich auch nicht. Ok, es kann sein, dass das an meinem zarten Alter liegt (wenn man das jetzt noch so sagen kann), aber gefallen hat mir die Geschichte trotzdem gut.
Bye,

Jenny

 

Hi gori!

Ganz gute Geschichte! Aber das mit der Gabe versteh ich auch nicht ganz. Ist das nicht eher ein Verlangen, als ne Gabe?

 

Hallo ihr beiden,

wollte eigentlich noch ein wenig abwarten, aber wenn es schon zwei sind, die es nicht verstanden haben ... :heul:
So, jetzt mal im Ernst. Der Text ist geschrieben aus der Sicht eines Serienkillers, der denkt er hätte eine Gabe. Viele dieser Menschen behaupten tatsächlich, Gott hätte ihnen die Morde befohlen und ähnliches.
Natürlich ist das vollkommener Unsinn, aber da ich ja aus seiner Sicht geschrieben habe, muss ich ja auch seine Gedankengänge benutzen.

@Mausilein:
Nee, so richtig gruselig ist der ganze Text wirklich nicht. Hast schon Recht, dein Alter hat damit nichts zu tun ;)

Aber danke für's Lesen und kommentieren. Ich freu' mich, dass es euch trotzdem gefallen hat.

Alles Liebe,
gori

 

Gut, jetzt versteh ichs! Aber trotzdem find ich die Geschichte gut, auch wenn se nicht so richtig gruselig ist.

 

Grüße Gori,

Deine Geschichte hat mir gefallen, sie war gut und flüssig zu lesen. Das der Text aus der Sicht des Massenmörders geschrieben ist, finde ich lässt sich auch deutlich an bestimmten Textstellen erkennen.

Das am Ende das angestrebte Opfer ihn umbringt, war meiner Ansicht nach leider schon zu erahnen - tut aber der Geschichte keinen Knicks. ;)

Was mich nur etwas wundert, die Frau lag also freiwillig bei ihm.. und ihm ist nicht aufgefallen, wie sie ihm Gift verabreichte? Oder hat sie das erste nach dem "Akt" getan? Es ist doch etwas verwunderlich, das ein geübter Serienkiller so unaufmerksam handelt, auch wenn die Frau ihm ja schon seeehr gefällt. ;)

liebe Grüße,
Thorn :D

 

Hallo Thorn,

Danke für's Lesen und den Kommentar!

Oder hat sie das erste nach dem "Akt" getan?

Das hast du aber schön formuliert :D , und so ist es auch. Es war danach, da war er noch zu... sagen wir mal, fasziniert, um etwas zu ahnen.
Außerdem denkt er, dass ihn niemand etwas antun könnte. Ist also ein wenig eingebildet. Ich hatte eigentlich gehofft, dass man das rauslesen könnte :(

Alles Liebe,
gori

 

Hi gori,
fand die Geschichte ausgesprochen kurzweilig, obwohl das Ende bald vorhersehbar war. Macht aber nicht das Geringste aus, da sie so spannend geschrieben wurde, dass man trotzdem gerne weiterliest. Seine Unvorsichtigkeit empfinde ich nicht als untypisch. Serienkiller sind doch meist sehr intelligent, aber da ja bekanntlich Genie und Wahnsinn nah beieinander liegen scheint es mir logisch, dass er sich für so überlegen (hier die Intelligenz) hält, dass ihm nie etwas Gleichartiges passieren könne, da er diese Gabe hat (hier nun der Wahnsinn)!
Fazit: Schön geschriebene Geschichte mit Gruselpotential, dass man ausbauen könnte, aber nicht nötig ist. Hab sie gerne gelesen und würde das auch wieder tun!
Liebe Grüße Susie

 

Ui, was ist denn hier los :eek:

Hallo ihr beiden!

Freut mich, dass es Euch gefallen hat. Ich weiß, es ist nichts wirklich gruseliges, ich glaube, sowas kann ich auch gar nicht schreiben und wohl auch vorhersehbar. Das war mal wieder einer dieser Texte, die ich aus einem Gefühl heraus geschrieben habe.

Liebe Grüße,
gori

 

Hi gori,

Schon als Kind hatte sie ihn fasziniert. Die Macht, über Leben und Tod zu entscheiden. Mit zwölf hatte er seinen ersten Menschen getötet.
Das ist mir, ehrlich gesagt, etwas zu laff. Du stellst hier eine Tatsache dar, die durchaus ausbaufähiger sein könnte und auch sollte. Ich denke, gerade bei diesen Mörder-Geschichten, ist es wichtig, dass sich der Leser in den Protagonisten hineinversetzen kann.
Das gelingt mir hier aber nicht. Warum hat ihn diese Macht fasziniert? Wie kam es dazu? Und das schon mit zwölf?
Ein Vorschlag: Vielleicht hat er die Lust auf die Macht entdeckt, als er zum ersten Mal eine Ameise zertrat; er hat vielleicht eine angefahrene Katze am Straßenrand gefunden und ihr durch einen gekonnten Genickbruch das Leiden erspart. Irgendwann hat ihm das dann nicht mehr gereicht ...
Verstehst du, was ich meine?!

So ist es lediglich eine Geschichte, die es schon zu Hauf hier auf der Seite gab. Mörder trifft seinen eigenen Mörder, der ihn am Ende kalt macht.

Auch die Schreie, die er (vor jedem Mord?) in seinem Schädel hört, überzeugen mich nicht. Sind es die Schreie seines ersten Opfers?

Du siehst, dein Prot bleibt mir fremd. Und daher ist es leider nur eine Geschichte, die man mal so nebenbei liest.

So, jetzt genug gemeckert! ;)
Was mir sehr positiv aufgefallen ist, ist dein durchaus flüssiger Schreibstil; deine gekonnte Wortwahl:

und das Gefühl der Macht hatte sich seinen Weg durch alle Nerven und Venen in jeden, noch so verborgenen Winkel seines Körpers gebahnt.
Sehr schön beschrieben!!!
Lächelnd streifte er sanft wie ein Sommerwind ihre Stirn mit seinen Lippen, atmete ihren Geruch ein, genoss es, ihre weiche Haut zu berühren
:thumbsup:

Fazit: durchaus ausbaufähiger Plot; guter Schreibstil, der auf mehr hoffen lässt.

Hoffe, ich habe dich jetzt nicht zu sehr geschockt.

Bis dahin! Salem

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Salem,

nee, geschockt hast Du mich auf keinen Fall, denn solange ich lese, dass der Schreibstil okay ist, kann ich immer gut auch mit solchen Kritiken gut leben :)

Die Schreie, die er sich einbildet zu hören, sollen so etwas wie Hilfeschreie von den jeweiligem Opfer sein.

Ich weiß, man könnte das noch viel weiter ausbauen. Vielleicht mache ich es ja mal. Irgendwann :) Ist schon ein älterer Text und momentan bin ich nicht mehr richtig "drinnen".

Liebe Grüße,
gori

 

Gut geschrieben muss ich sagen. :) ich hätte denn tetzt am schluss geändert, aber drotzdem is es gut :thumbsup:

Weiter so! :schiel:

 

Schon wieder ausgegraben ? :shy:

Hallo Grace,

das freut mich, dass es Dir gefallen hat und Dein erster Beitrag mir gilt :)

Liebe Grüße,
gori

 

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