Die Geehrte
Da sitzt sie am langen Tisch. Darauf die Blumen ganz leblos gelegt. Sie und ihr Leben beargwöhnen sich. Geschuftet hat sie doch und nach langer schwerer Zeit mit Freude die Einladung entgegengenommen. Den Kopf hat sie gesenkt und eine Träne bahnt sich den schweren Weg über das faltige Gesicht um dann tief auf den hölzernen gar nicht feierlichen Tisch zu fallen. Ihre Schultern hängen auch hinab. Hat sie nun diese Ehrung zu ernst genommen, Lob erwartet für etwas, das so viele tun. Alle ihre Freundinnen haben doch auch gearbeitet, hart, vielleicht härter als sie. Sie fragt sich ob sie auch Geehrte sind, an diesem Feiertag; so stand es in der Einladung. Vielleicht war es auch eine Urkunde, die eines Morgens zwischen den Zeitungen lag. Hatte sie das ganze Leben auf diesen Augenblick hingearbeitet, wollte sie ein Lob für ihr Tun, für ihr Sein, das durch Arbeit definiert war, und nur dadurch. Erwartet hatte sie das nie, umso größer war die Freude als sie die Einladung fand. Oder hat sie vielleicht doch von Anbeginn ihrer Arbeit darauf gewartet?
So liegen die Blumen da, auf dem Tisch. Ganz trocken sind sie, kein Wasser verbreitet sich auf der Oberfläche aus Pressholz. Stille steht im Raum, der schon so viele wilde Feiern der Arbeitsgemeinschaft, in der sie organisiert war, mitgemacht hat. Kein Bier diesmal. Schon gar nicht Wein.
Noch hat sie die Menschen im Ohr, die ihr vorhin gratulierten. Noch hört sie sie; stets an dieser Minute der Feierlichkeit zehrend. Und merkt sie doch ganz langsam, dass der Höhepunkt ihrer Arbeit, sei er erwünscht oder nicht, zu einer lächerlichen Veranstaltung verkommt. Ihr Kleid ist ein Spielzeug der Jacken der Kollegen geworden und ihr Leben war der Weg, auf dem sie nur das Ziel vor Augen hatte, ob sie es nun sehen konnte oder nicht. Der Weg aber war zu lange Nebensache.
Sie verschwindet aus diesem Brei, denn die polsterlosen Stühle, die staubige Kunstblume und die hellbraunen Schränke mit quitschenden Türen fressen sie auf und aus dem Schornstein weit draußen qualmen weiter die Seelen der Geschändeten.