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Die Geehrte

KFK

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29.06.2004
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Die Geehrte

Da sitzt sie am langen Tisch. Darauf die Blumen ganz leblos gelegt. Sie und ihr Leben beargwöhnen sich. Geschuftet hat sie doch und nach langer schwerer Zeit mit Freude die Einladung entgegengenommen. Den Kopf hat sie gesenkt und eine Träne bahnt sich den schweren Weg über das faltige Gesicht um dann tief auf den hölzernen gar nicht feierlichen Tisch zu fallen. Ihre Schultern hängen auch hinab. Hat sie nun diese Ehrung zu ernst genommen, Lob erwartet für etwas, das so viele tun. Alle ihre Freundinnen haben doch auch gearbeitet, hart, vielleicht härter als sie. Sie fragt sich ob sie auch Geehrte sind, an diesem Feiertag; so stand es in der Einladung. Vielleicht war es auch eine Urkunde, die eines Morgens zwischen den Zeitungen lag. Hatte sie das ganze Leben auf diesen Augenblick hingearbeitet, wollte sie ein Lob für ihr Tun, für ihr Sein, das durch Arbeit definiert war, und nur dadurch. Erwartet hatte sie das nie, umso größer war die Freude als sie die Einladung fand. Oder hat sie vielleicht doch von Anbeginn ihrer Arbeit darauf gewartet?
So liegen die Blumen da, auf dem Tisch. Ganz trocken sind sie, kein Wasser verbreitet sich auf der Oberfläche aus Pressholz. Stille steht im Raum, der schon so viele wilde Feiern der Arbeitsgemeinschaft, in der sie organisiert war, mitgemacht hat. Kein Bier diesmal. Schon gar nicht Wein.
Noch hat sie die Menschen im Ohr, die ihr vorhin gratulierten. Noch hört sie sie; stets an dieser Minute der Feierlichkeit zehrend. Und merkt sie doch ganz langsam, dass der Höhepunkt ihrer Arbeit, sei er erwünscht oder nicht, zu einer lächerlichen Veranstaltung verkommt. Ihr Kleid ist ein Spielzeug der Jacken der Kollegen geworden und ihr Leben war der Weg, auf dem sie nur das Ziel vor Augen hatte, ob sie es nun sehen konnte oder nicht. Der Weg aber war zu lange Nebensache.
Sie verschwindet aus diesem Brei, denn die polsterlosen Stühle, die staubige Kunstblume und die hellbraunen Schränke mit quitschenden Türen fressen sie auf und aus dem Schornstein weit draußen qualmen weiter die Seelen der Geschändeten.

 

hi lukas

die geschichte ist nicht ganz einfach, das gebe ich zu. es geht um die frage, die sich dir frau in selbstzweifeln stellt, ob sie gearbeitet hat um des arbeitens willen oder um der ehrung willen. hatte sie das ziel der ehrung vor augen oder nicht? hätte sie lieber die arbeit(den weg, das leben) genießen sollen anstatt auf verdienste zu hoffen oder zu warten? eine lebensfrage offenbart sich und entwächst dieser arbeitsgesellschaft, in der sie lebt. die ehrung der frau ist eine farce, ist sie nicht individuell genug? ist individualität in solcheiner gesellschaft möglich? alles fragen, die diese KG aufwirft und mit der die frau urplötzlich, auf der veranstaltung, die für sie etwas feierliches ehrendes haben sollte, konfrontiert wird.
die schornsteine hast du richtig damit gedeutet, dass du sagst, dass arbeitskräfte verheizt werden. und so wurde sie verheizt und nur des guten willens wegen nachträglich geehrt.
das kernproblem, das herausgestellt werden kann, ist vielleicht der untergang des menschen im brei aus profit, rauchenden schornsteinen, maschinen, entindividualisierung und unmenschlichkeit.
frank

 

Hallo KFK,

ach ja, wie schön wäre es doch, wenn wir Menschen unsere Sucht nach Anerkennung und Wertschätzung unserer Mühen aufgeben könnten. Aber wir sind nunmal soziale Wesen, die sich irgendwoher ihre Bestätigung holen müssen ;) Dennoch, um es wie du auf das Arbeitsleben zu beziehen: Es ist schon erschreckend, wie selbstverständlich Engagement und harte Arbeit vorausgesetzt wird. Dann wird es nicht nur nicht gewürdigt, nein: es wird noch nichtmal wahrgenommen. Du siehst also: ihc konnte mit dem Thema deiner Geschichte viel anfangen.

Ich habe eine Weile überlegt, ob ich das was Lukas über die Sprache in deiner Geschichte sagt auch so empfunden habe. Ich glaube, nach meinem Gefühl hast du bestimmte Stilmittel (fehlende Wörter in Sätzen, untypische Satzstellung) zu häufig verwandt, so dass es etwas bemüht wirkte. Aber das ist glücklicherweise ja Geschmackssache :)

Liebe Grüße
Juschi

 

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