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Die japanische Vase

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11.12.2001
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Die japanische Vase

Langsam schlenderte er über den Markt. Für ihn gab es keinen Grund, sich zu beeilen. Nicht mehr, seitdem er fortgezogen war aus der Stadt. Eigentlich seitdem seine große Liebe ihn verlassen hatte. Oder er sie. Oder beide sich. Er wusste es nicht mehr genau oder wollte es nicht mehr so genau wissen. Schuld oder Unschuld waren Kategorien, die für ihn keine Bedeutung mehr hatten. Wer war schon schuldig im eigentlichen Sinne. Nur der, der weiß was er tut, kann auch Schuld haben. Und er war zu der Überzeugung gelangt, dass eigentlich keiner weiß, was er tut. Jeder ist Gefangener seiner Selbst, und wer das nicht mehr ist, ist sowieso entweder Mönch oder hat dem Streben entsagt und gab somit der Schuld keine Gelegenheit mehr, ihm die Fallstricke des Handelns über die Holzwege des Lebens zu spannen.
Für ein mönchisches Leben fühlte er sich zu schwach, so gut kannte er sich. Aber trotzdem suchte er innere Einkehr, um sich von der lauten Welt zu erholen und seine Wunden zu pflegen. Alle Erkenntnis hatte sich im Kopf abgespielt, doch die Kraft, das Wissen in Taten umzusetzen, fehlte ihm. Überhaupt fehlte ihm alle Kraft. Die Farbe war aus dem Leben gewichen, dem Singen der Vögel fehlte der Klang, selbst das Essen war ein schales einerlei, egal wie luxuriös und köstlich es sich zunächst darbot. Alles war bedeutungslos geworden. Er hatte sich verloren, und der Umzug war sein Versuch, den ersten Schritt auf der Suche zu sich selbst zu tun.
Er hatte das Haus auf einer seiner ziellosen Autofahrten gefunden. Eine kleine Holzhütte mit zwei Zimmern, eingerahmt von einem kleinen Bach und einem ausgedehnten Wald, durch den ein staubiger Feldweg an dem Grundstück vorbei führte, hinaus auf die Felder. Er war sofort angetan gewesen, besonders nachdem er festgestellt hatte, dass die Fenster ursprünglich vernagelt gewesen, die Bretter jedoch herabgefallen waren, das Haus also anscheinend schon längere Zeit unbewohnt war. Nachdem er sich auf dem nächsten Bauernhof erkundigt hatte, dessen Bauer die Hütte zufällig gehörte, unterschrieb er sofort den Mietvertrag. Genau danach hatte er gesucht, aber das war ihm erst bewusst geworden, als er das kleine Häuschen vor sich sah. Er wollte abspannen, fern der Stadt, in der ihn alles an glückliche Tage erinnerte.
Drei Monate war das mittlerweile her. Er hätte nicht sagen können, das er sich besser fühlte als vorher. Zumindest anders. Er las viel, malte, ging viel spazieren und genoss die Stille und Harmonie, die er Morgen für Morgen vor seiner Tür fand.
Heute war der Beginn eines Frühlingsfestes, das in dem kleinen, nicht weit entfernten Ort stattfand. Zum Auftakt gab es einen kleinen Markt, bei dem jeder das, was er nicht mehr brauchen konnte, seinem Nachbarn verkaufte, der es dann seinerseits im darauffolgenden Jahr weiterverkaufte. Es herrschte eine entspannte Atmosphäre. Die Leute unterhielten sich freundlich, feilschten ein wenig hier, tranken Kaffee mit dem anderen Nachbarn dort. Die Sonne schien und tauchte alles in ein warmes, gelbes Licht, kitzelte den Duft aus den bunten Blüten der Blumen, die allüberall mit kräftigen Farben um die Wette strahlten. Ein entspannter Sonntagvormittag, dachte er bei sich und betrachtete den Krimskrams, den die Leute, mehr zum Vergnügen als um Geld damit zu verdienen, feilboten.
Er ließ sich so treiben, als sein Blick im Vorbeigehen auf eine Vase fiel. Er blieb stehen, ging die zwei Schritte zurück zum Stand und nahm die Vase in die Hand.
Sie war halb von einem Tuch verdeckt gewesen, so dass es tatsächlich nur ein flüchtiger Blick war, den er von ihr hatte erhaschen können. Die Vase zeigte eine minimalistische japanische Landschaft. Dünne Pinselstriche formten eine Seenlandschaft mit dichtem Schilfbewuchs und In weiter Ferne verloren sich Berge im Dunst. Alles nur angedeutet, mit dünner Farbe auf das zarte Porzellan gehaucht, aus dem die Vase geformt war. Er war sich nicht sicher, ob da eine Hütte zwischen dem ganzen Schilf zu erkennen war. Auf jeden Fall gefiel ihm die Vase – Obwohl, es war kein Gefallen im eigentlichen Sinne. Er wollte sie haben. Nicht, weil er ein ausgewiesener Kunstkenner gewesen wäre. Vielleicht war es auch nur eine billige Kopie aus Hongkong oder Taiwan. Womöglich war es einfach das Motiv, das ihn in der Darstellung von erhabener Einsamkeit ein wenig an seine Situation erinnerte.
Egal. Er wollte die Vase haben, bezahlte den geforderten Preis, ohne auch nur den Versuch zu machen zu Handeln, und setzte seinen Weg über den Markt fort.
Als er alles gesehen hatte machte er sich langsam wieder auf den Rückweg. Sein Häuschen lag ein gutes Stück außerhalb. Wenn er langsam ging, und er sah an so einem Tag wie diesem keine Veranlassung, sich zu beeilen, würde er am Nachmittag wieder zuhause sein. Er ging einen kleinen Umweg, indem er zunächst abbog und ein gutes Stück Weg zum Bach lief, der ihn, wenn er ihm folgte, direkt zu seiner Hütte führen würde, bevor dieser plätschernd im nahen Wald verschwand. Er genoss die Stille an diesem sonnigen Frühlingstag, zu der auch das gurgelnde Geräusch des Baches gehörte. Hin und wieder bemerkte er ein paar Meter vor sich ein Rascheln und Huschen im hohen Gras, als sich kleine Tiere vor ihm in Sicherheit brachten. Gedämpfte Kühle umfing ihn, als er ein kleines Wäldchen durchquerte, das fast bis an den Bach heranreichte. Beim Verlassen bemerkte er im höher werdenden Gras eine Bewegung, stärker als von einem davonhuschenden Tier wie einer Maus oder einem Frosch verursacht werden konnte. Und es wiederholte sich. Als er innehielt hörte er ein leises Wimmern. Mit ein paar Schritten war er bei der Stelle und sah ein kleines Kätzchen, das um eine tote Katze strich. Wohl seine Mutter, die wohl einem Hund oder Fuchs zum Opfer gefallen war, wie er aus den blutigen Bisswunden am Nacken schloss. Er packte das kleine Kätzchen, das ihn mit großen Augen verängstigt anstarrte, am Kragen und steckte es in seine Jacke. Es war abgemagert und roch erbärmlich. Es musste schon mehrere Tage hier den Tod seiner Mutter betrauert haben und hatte wohl die Orientierung verloren. Er beschleunigte seinen Schritt und erreichte gute zwanzig Minuten später sein Haus.
Sosehr sich das Kleine dagegen sträubte und so leid es ihm tat, das kleine Geschöpf noch mehr quälen zu müssen, nachdem es unfreiwillig in die Einsamkeit der Welt gestoßen worden war, war mehr als nur eine Katzenwäsche nötig, um aus dem kleinen verdreckten Fellklumpen einen kleinen sauberen und zitternden Fellklumpen zu machen, der erbärmlich miaute. Er stellte ein Schälchen mit Milch neben eine kleine Holzkiste, die er mit einer Decke und ein paar Stoffresten ausgelegt hatte.
Nachdem er sich am Bach erfrischt hatte bereitete er sich eine kleine Mahlzeit. Endlich hatte er Gelegenheit sein Beutestück, das er ob der ganzen Aufregung schon fast vergessen hatte, zu betrachten.
Als er das milchig schimmernde Porzellan betrachtete und seine Augen über die dargestellte Landschaft schweifen ließ, hatte er das Gefühl sich darin zu verlieren. Es lag eine eigentümliche Weite darin, und bisweilen glaubte er zu sehen wie sich das Schilf langsam im Wind wog. Er betrachtete die Vase lange und eingehend, drehte sie dabei langsam um sich selbst. Seltsam. Dort, wo er schon am Vormittag die Darstellung einer Hütte vermutet hatte, schien sich tatsächlich etwas hinter dem Schilf zu verbergen. Doch je genauer er hinsah, desto undeutlicher wurden die Konturen. Nur wenn er sozusagen daran vorbeisah, das Motiv als Ganzes betrachtete, konnte er sie mehr oder weniger deutlich erkennen. Als er das Gefühl hatte, die ganze Landschaft würde verschwinden, sah er auf und stellte fest, dass es an der untergehenden Sonne lag, deren schummriges Licht die Unwirklichkeit der Darstellung noch verstärkte.
Er musste wohl mehrere Stunden damit zugebracht haben, die Vase zu betrachten. Ihn fröstelte. Er stellte die Vase, deren Betrachtung ihn mit einem Gefühl innerer Zufriedenheit und Losgelöstheit erfüllte und deren Entdeckung er für einen echten Glücksfall hielt, den ersten seit langer Zeit, zur Seite.
Im Vorbeigehen warf er einen Blick in die Kiste und sah das kleine Kätzchen, dass sich darin eingerollt hatte. Es atmete flach und schnell und die Ohrenspitzen zuckten dabei. Er nahm an, dass das Kleine träumte und die Aufregung der vergangenen Tage verarbeitete. Keine schlechte Idee, wie er fand, und ging zu seiner Schlafstatt im Nebenzimmer. Mit den Bildern der geheimnisvollen Landschaft im Kopf tauchte er in einen angenehmen Schlaf.
Er hörte sich selbst schreien, als er ruckartig hochfuhr nachdem er etwas auf seinem Gesicht gespürt hatte. Im selben Moment wurde ihm klar, dass es sich nur um die kleine Katze handeln konnte, die er tatsächlich mit einem gewagten Sprung aus dem Bett sich in Sicherheit bringen sah. Er musste lachen, packte den kleinen Streuner und holte ihn zu sich ins Bett. Bilder der Nacht kamen ihm in den Sinn. Tatsächlich schien er von einer Landschaft, ähnlich der auf der Vase abgebildeten, geträumt zu haben. Oder vielleicht war es die Landschaft selber ? Er erinnerte sich, auf einem Pfad gelaufen zu sein, der entlang des Ufers eines gewaltigen Sees verlief. Weit entfernt verloren sich im Dunst gewaltige Berge, die sich fast über den gesamten Horizont spannten. Kleine, vom Wind verursachte Wellen kräuselten sich entlang des Ufers. Der Weg folgte der gekrümmten Uferlinie und verschwand linkerhand hinter mannshohem Schilf, um sich mehrere hundert Meter entfernt wieder ins Blickfeld des Betrachters zu schlängeln. An der Stelle, an der sich der Weg ein zweites Mal den Blicken entzog, schien sich eine Siedlung zu befinden. Im Traum wollte er wohl dem Pfad dorthin folgen, als er glaubte, von einem Schilfrohr im Gesicht getroffen worden zu sein und lauthals aufschrie, was zu seinem Erwachen geführt hatte. Dies war aber wohl nur die Reaktion seines Gehirns auf die Katzenpfoten in seinem Gesicht gewesen war, wollte es diesen Eindruck, im wahrsten Sinne des Wortes, doch ins Traumgeschehen einbringen.
Langsam verschwanden die Traumbilder und er hatte nur noch die Erinnerung daran, die aber auch mit jeder Minute zu schwinden schien. Er drückte die Katze, die sich von dem Schreck erholt zu haben schien, feste an sich, was diese mit einem wohligen Schnurren quittierte. Er machte sich und der Katze Frühstück und beschloss, im Bett zu bleiben. Er holte sich die Vase, die ihn so zu beeindrucken schien, und betrachtete sie im hellen Schein der Vormittagssonne. Tatsächlich betrachtete er sie mit dem Blick, mit dem man das Foto eines vertrauten Ortes betrachtet. Er hatte das Gefühl den Ort zu kennen, wirklich zu kennen, nicht nur seine Traumbilder auf die Vase zu projizieren, nein, er kannte diesen Ort tatsächlich. Ein Gänsehautschauer überlief ihn und er stellte die Vase beiseite.
Er verbrachte den Tag damit, abwechselnd zu lesen und zu dösen. Zwischendurch kuschelte er ausgiebig mit der Katze, die sich eng an ihn gedrückt hatte. Sie schien es zu genießen und er hoffte, sie würde sich bald erholen und ihm hier draußen ein wenig Gesellschaft leisten. Nicht das ihm langweilig gewesen wäre, doch so ein kleines süßes Kätzchen, mit dem man schmusen konnte und die seine zärtliche Zuneigung als uneigennützig erkannte und ebenso uneigennützig, so hoffte er zumindest, erwiderte, würde ihm gut tun. Die nächsten Tage konnte er sie natürlich noch nicht hinauslassen. Erst sollte sie sich ein wenig erholen und wieder zu Kräften kommen. Dass sie zu Kräften kam, dafür würde er mit viel Liebe und Milch sorgen.
Er genoss es, sich um jemanden kümmern zu können, noch dazu jemand, der seiner Hilfe tatsächlich bedürftig war, und tat es mit aller Hingabe derer er fähig war.
Die nächsten Tage verbrachte er viel Zeit damit, zu lesen und die Vase zu betrachten.
In der letzten Nacht hatte er wieder überdeutlich von der Szenerie auf der Vase geträumt. Er fühlte sich geborgen, Wärme umfing ihn und er ging wieder auf dem Pfad. Diesmal schien er näher an dem Gebäude zu sein, an dass er sich vom letzten Mal noch undeutlich erinnerte. Er glaubte jemanden winken zu sehen und seinen Namen zu rufen, als er von einem lauten Klopfen erwachte. Er schüttelte den Kopf und versuchte in der vermeintlichen Realität anzukommen, als wieder jemand seinen Namen rief und laut gegen die Tür pochte.
Er stand auf und öffnete. Der Briefträger begrüßte ihn mit einem freundlichen Guten Morgen und fing an zu erzählen, wie lange doch schon niemand mehr hier draußen gewohnt hätte und er gar nicht gewusst hätte das dass Haus wieder vermietet sei als er ihm den Brief aus der Hand nahm mit dem der Postbote ihm die ganze Zeit vor dem Gesicht herumgefuchtelt hatte. „Darum geht’s, vermute ich ?“ „Äh, ja richtig, Entschuldigung wenn ich sie geweckt habe, sie scheinen gerade aufgestanden zu sein ? Ich wollte Sie nicht überfallen...“ „Schon gut, Danke für den weiten Weg, den Sie auf sich genommen haben....“ „Ich bitte Sie, keine Ursache, dafür...“ „Dafür sind sie da, ich weiß, war auch nur so dahingesagt. Dürfte ich wohl wieder in..“ „Aber natürlich, also, einen schönen Tag wünsche ich ihnen..“ „Dito“ Er schloss die Tür und betrachtete den Umschlag. Es war das erste Mal, das er hier draußen Post bekam. Er hatte nur einer Person diese Adresse mitgeteilt. Er hatte seiner Schwester eingeschärft, diese Adresse unter keinen Umständen jemandem preiszugeben. Nur für den Fall der Fälle, von dem er nicht wusste was es sein konnte, aber auf jeden Fall wünschte dass er nicht eintrat, wollte er, dass wenigstens eine Person seines Vertrauens wusste wo er sich aufhielt.
Er begab sich wieder ins Bett und öffnete den Brief. Als er den Brief überflogen hatte, hörte er ein Rascheln. Er dachte zunächst dass es die Katze gewesen sei, doch die saß mit gespitzten Ohren auf dem Bett und schien auch etwas gehört zu haben. Wahrscheinlich in Geräusch draußen im Wald oder ein Ast, der über das Dach streift, dachte er sich.
Nun, seine Schwester kündigte einen Besuch für Übermorgen an. Seine Schwester kannte ihn gut genug, damit so lange zu warten und ihn vor mehr oder weniger vollendete Tatsachen zu stellen. Noch vor vier Wochen hätte er alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Besuch zu verhindern. Er hätte selbst seine Schwester nicht sehen wollen. Nicht gewollt, dass seine gerade in Reinigung befindliche Welt von was auch immer beschmutzt werden würde. Doch mittlerweile fühlte er sich entspannt und gefestigt genug, sich zumindest mit seiner Schwester zu treffen, ja er war sogar ein wenig neugierig, was seine Schwester zu berichten hatte. Im Brief hatte sie geschrieben, dass es keinen besonderen Anlass gäbe, sie wolle ihn einfach nur mal wieder sprechen und sehen wie es ihm geht. Auch er wollte seine Schwester sehen. Auf einmal. Da war das Verlangen sich mitzuteilen, obwohl sich nicht viel ereignet hatte, von der Vase und der Katze einmal abgesehen.
Diese saß immer noch da und lauschte ins Zimmer. Er beschloss, den heutigen Tag noch im Bett zu verbringen und morgen aufzuräumen und ein wenig einzukaufen. Ein Glas Wein, oder zwei, oder mehr, dazu würde seine Schwester sicher nicht Nein sagen. Er freute sich richtiggehend darauf, griff sich Katze und Vase, streichelte die eine und versenkte sich in die geheimnisvolle Landschaft, die ihn so gar nicht mehr loslassen wollte.
Aufgeschreckt wurde er wieder durch diese raschelnde Geräusch, dass er schon am Vormittag wahrgenommen hatte. Es schien doch im Haus zu sein. Na wenn schon, dachte er sich, allzu groß kann es nicht sein, was auch immer das Geräusch verursacht. Und schließlich habe ich hier eine Katze, die für ein wenig Abwechslung sicherlich auch dankbar ist. Ein bisschen Training für ihren Jagdinstinkt, dachte er sich und begab sich wieder ins Bett. Er wollte früh schlafen gehen, um am nächsten Morgen zeitig aufzustehen. Schließlich musste er ins Dorf und einkaufen.
Tatsächlich wachte er mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Mit Fingern aus Licht griff der Tag nach ihm, und in den Strahlen, die in sein Zimmer fielen, vollführte der Staub einen Tanz zu Ehren des Schöpfers, der ihn zum Substrat und Begleiter unseres Lebens gemacht hatte. So dachte er, und musste Schmunzeln über die pathetischen Momente, in die er sich manchmal versetzt fühlte.
Er stand auf, wusch sich und frühstückte und verließ das Haus, nicht ohne darauf zu achten die Türe sorgfältig zu verschließen. Schließlich wollte er nicht, das sich die Kleine unbeaufsichtigt auf Erkundungstour begab.
Am frühen Nachmittag war er von seiner Einkaufstour zurück. Er schleppte zwei Taschen voller Wein, Gebäck und Nahrungsmitteln nach Hause. Er freute sich wirklich darauf, seine Schwester wiederzusehen. Sie genoss sein uneingeschränktes Vertrauen. Alle wichtigen Entscheidungen in ihrem Leben hatten sie miteinander besprochen. Und in der Zeit bevor er sich hierher zurückgezogen hatte war sie ihm die letzte Stütze gewesen die ihm geblieben war. Ja, er freute sich.
Als er das letzte Paket verstaut hatte, sah er im Augenwinkel tatsächlich ein kleines Tier durchs Zimmer huschen und die Katze stolperte tollpatschig hinterdrein. Von ihrer eigenen Geschwindigkeit überrascht, hatte sie Schwierigkeiten, alle vier Pfoten und den Schwanz zu koordinieren und gleichzeitig das Objekt der Begierde nicht aus den Augen zu verlieren. Er überlegte, ob er die Maus selbst fangen sollte, entschied sich aber dagegen. Er gönnte der Katze die Abwechslung und die Herausforderung. Alle Lebensmittel waren in einem Hängeschrank aufbewahrt, so dass die Maus keine Gelegenheit hatte, sich über die Vorräte herzumachen. Er beschloss, dem Lauf des Lebens freie Bahn zu lassen. Nur die Vase brachte er von dem Schränkchen, unter das die Maus sich geflüchtet hatte, in Sicherheit und stellte sie in seinem Schlafzimmer neben das Bett.
Den Rest des Tages verbrachte er damit, die Hütte auszukehren und das kreative Chaos in und um sein Bett herum in Ordnung zu bringen. Nicht das seine Schwester eine Ordnungsfanatikerin gewesen wäre. Außerdem kannte sie ihn schließlich lange genug. Aber er fühlte sich einfach danach, ein wenig Ordnung zu schaffen. Außerdem entspannte es ihn, ließ seine Gedanken ein wenig zur Ruhe kommen.
Die Vase stellte er dekorativ auf den großen Tisch, um den sie morgen sitzen würden. Er war erschöpft vom langen Fußmarsch mit den schweren Taschen, erfrischte sich am Bach und ging schlafen.
Er erwachte, als er warmes Wasser an seinen Zehen spürte. Oder er glaubte zu erwachen, denn als er die Augen aufschlug sah er sich deutlicher als je zuvor nur wenige Dutzend Meter von der Hütte, die er auf der Vase zu erkennen glaubte und die er schon einmal aus der Entfernung im Träume gesehen hatte, entfernt. Er blickte zu Boden und sah, wie er im flachen Wasser des großen Sees stand. Er machte ein paar Schritte, zunächst unschlüssig, dann ging er zielstrebig auf die Hütte zu. Das musste ein Klartraum sein. Er hatte viel davon gelesen, aber er hatte nicht geglaubt, dass der Eindruck so überwältigend sei. Er war bei klarem Verstand, so dachte er , klarer als an so manch anderem Tag im Wachzustand. Er wollte dem Rätsel auf den Grund gehen. Es musste eine Bedeutung haben, die ganze Geschichte mit der Vase, die Hütte und überhaupt. Er lief weiter, und als er ungefähr zehn Meter von der Hütte entfernt war, öffnete sich die Türe und heraus trat ein alter Mann. Er war in einen blauen Stoff gehüllt und benutzte zum Gehen einen Stock. Der Stock gab ihm aber nicht den Anschein von Gebrechlichkeit, im Gegenteil, obwohl er gebeugt ging, strahlte er eine natürliche Autorität aus, eine Autorität, die auf Wissen und Liebe gegründet war, so schien es, nicht eine Autorität der Unterwerfung.
„Nun also hast du es geschafft, zu mir zu kommen“, sprach der Alte. Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. „Oder eigentlich sollte ich sagen, zu Dir zu kommen. Deine Fragen, mit denen Du dich solange schon quälst, haben in ihrer Lösung Gestalt angenommen. Du kanntest nicht die Fragen, nicht die wirklichen Fragen, die Du stellen solltest, und du kanntest nicht die Antworten, die Antworten, die immer schon da sind. Merke Dir, die Wahrheit liegt jenseits der Worte.“ Nun ja, zumindest waren das ein paar interessante Aspekte, über die es sich lohnen würde, auch einmal im Wachen nachzudenken, dachte er bei sich, als der Alte weitersprach: „Dein gebrochenes Herz ließ dich glauben, alle Liebe sei aus der Welt und vor allem aus dir gewichen. Aber du hast dich selbst eines besseren belehrt. Zumindest bist du gerade dabei. Denk dir über mich was du willst. Ob ich ein Produkt deines Gehirns bin, das seine eigene ewige Weisheit anzapft und durch mich zum Ausdruck bringt oder ob du mich für einen Interessanten Traum im Zusammenhang mit der Vase hältst...einerlei...Du kennst Liebe, du hast sie erfahren und du kannst sie geben, dass weißt Du..Denk nur an das kleine Kätzchen, dessen Du dich angenommen hast. Liebe, echte wahre Liebe ist überall um uns herum, wir sind Liebe, sie ist die Essenz des Seins, ist das Licht......“ Als er das sagte schien die Welt zu erbeben. In ihren Grundfesten erschüttert bebte die Erde, das Meer schien zu kochen, und aus der Tiefe jedes Dings, aus der Hütte, aus den Brettern, aus denen die Hütte erbaut war, aus den Nägeln, die die Hütte zusammenhielten, aus dem Gesicht des Alten, aus jeder Faser seines Stockes drang gleißendes, helles Licht.
Das letzte was er sah, waren die Strahlen des Lichts, die aus seinen Handflächen drangen, als er sie zum Himmel hob, der ein Vorhang aus Licht geworden war.
Zum dritten Male klopfte sie. Diesmal sehr heftig. Er war zuhause, das wusste Sie. Sie hatte im Ort nach dem Weg zu der Hütte ihres Bruders gefragt, und die Leute zeigten sich zunächst erstaunt darüber, dass dieser Einsiedler so hübschen Besuch bekam. Nachdem sie sich als seine Schwester vorgestellt hatte, erzählte ihr der Kaufmann, dass er gestern groß eingekauft hätte. Er musste also zuhause sein.
Als immer noch kein Geräusch aus dem Inneren der Hütte zu hören war, ging sie um das Haus herum und versuchte, einen Blick durch ein Fenster zu werfen.
Erschrocken starrte sie durch ein Seitenfenster. Es war durch ein Tuch als provisorischer Sonnenschutz halbverdeckt, aber sie sah ihren Bruder auf dem Boden liegen.
Nachdem sie zurück ins Dorf gerast war und dem örtlichen Schlosser klargemacht hatte, dass es sich um einen Notfall handelt, hatte der seinen Werkzeugkoffer gepackt und war mit ihr wieder zum Haus gefahren.
Es war eine seltsame Position, in der sie ihren Bruder gefunden hatten, was auch im Dorf Anlass zu Spekulationen gegeben hatte, was wohl passiert war. Er lag auf dem zerschmetterten Tisch, Arme und Beine waren verdreht und abgewinkelt, Blut schien aus allen Poren geflossen zu sein. Porzellanscherben lagen verstreut um den Körper und auch zwischen Körper und Tisch, hatten dem Körper aber keine Schnittverletzungen beigebracht . Das Bett im Nebenzimmer war nicht zerwühlt, nein, es schien fast, als würde noch jemand unter der Bettdecke liegen. Auch der Abdruck auf dem Kopfkissen war deutlich zu erkennen.
Die Katze nutzte die Aufregung und den unbeobachteten Augenblick, und huschte mit einer fetten Maus, ihrer ersten Beute, die sie heute Nacht nach einer großen Verfolgungsjagd zur Strecke gebracht hatte, aus der Tür.

 

Hallo WoWoDaDa

Deine Story erinnert mich an ein Buch von Stephen King.

Deine Geschichte gefällt mir. Die Grundlage, die Vermischung von Real und Traum ist dir gelungen.

Ich habe aber Mitleid mit deinem Prot, dass er - als er endlich die Antworten hat - stirbt.

Ich gehe mal davon aus, dass er beim Versuch seine Vase zu retten - als die Katze die Maus jagte - gestorben ist.

Also hat er die Vase doch mehr geliebt als ein Lebewesen....

Hoffe, du schreibst weiter!

Lieber Gruss
Muchel

 

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