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Thema des Monats Die neue Ordnung

Seniors
Beitritt
10.11.2003
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Die neue Ordnung

Alex verabschiedete sich von seinem Leibwächter und zog mich mit in den angrenzenden Raum, wo sogleich Beifall aufbrandete. Aber der galt nur ihm, mich kannte sicher niemand der Anwesenden. Alex und ich waren dagegen Freunde schon seit Kindheitstagen. Auch als Erwachsene kamen wir immer mal wieder zusammen, doch als er die Landesregierung verließ, wo er ein ziemlich hohes Amt innehatte, wurde der Kontakt intensiver. Das mag an seinem Engagement für die neue Partei gelegen haben, die er von Anfang an liebte. Aber auch sie liebte ihn – der Beifall zeigte, wie sehr.
Während ich zurückblieb und mich nahe des Eingangs auf den letzten noch freien Platz setzte, ging Alex zielstrebig zum Kopf des U-förmigen Tisches. Dort blieb er stehen und wartete lächelnd, bis der Beifall weniger wurde. Schließlich hob er wie zur Abwehr beide Hände und sagte:
„Meine Dame, meine Herren, vielen Dank für die freundliche Begrüßung. Ihr werdet euch vielleicht gewundert haben, dass wir uns heute Abend in einem so kleinen Ort treffen, aber er liegt in der Mitte Deutschlands und ist gut erreichbar. Doch das Wichtigste ist: Hier sind wir, ist Björn zu Hause, so können wir leicht erkennen, ob ein Fremder hier rumspioniert. Ihr wisst ja: Die Systempresse würde unsere Zusammenkunft sofort an die große Glocke hängen, wenn sie davon Wind bekäme.“
Erneutes Klatschen unterbrach ihn.
„Weil wir gerade bei Fremden sind – der nette Herr, den ich mitgebracht habe, ist Rainer, ein guter Freund von mir. Und ja: Ich bürge für ihn.“
Während sich alle Augen auf mich richteten, versuchte ich ins Nirgendwo zu schauen. Ich gehörte ja nicht wirklich zu diesem erlauchten Kreis der Landesparteichefs – ich war nicht einmal in der Partei. Aber Alex hatte mich überredet mitzukommen, damit ich sähe, wie es bei ihnen zugeht. Natürlich musste ich ihm versprechen, über alles Stillschweigen zu bewahren, selbst meiner Frau hatte ich nicht gesagt, wo ich mich heute aufhalten und übernachten werde.
„Ich hoffe, ihr habt alle eure Getränke erhalten?“
Zustimmendes Gemurmel kam, und ich bemerkte erst jetzt, dass auch vor mir eine Karaffe Weißwein, Mineralwasser und zwei Gläser standen: Es waren Waldgläser, wie sie einst auch Goethe hatte. Ich freute mich still über diese kleine Aufmerksamkeit, die natürlich von Alex kam – wer wüsste sonst in diesem gottverlassenen Dorf von meiner Vorliebe für historische Dinge. Andererseits: Vielleicht hatte er uns gerade deswegen in diesen uralten Gasthof geladen?
„Apropos Systempresse. Carl von Ossietzky sagte mal: 'In Deutschland gilt derjenige als viel gefährlicher, der auf den Schmutz hinweist, als der, der ihn gemacht hat.'“
Bei der Nennung des Namens wurde es kurz stiller im Raum, doch sogleich klatschten die Leute erneut, diesmal sogar kräftiger als zuvor.
„Gut. Bevor wir über unsere Ziele reden, die wir nach der Wahl in Angriff nehmen wollen, möchte ich an unsere Grundsätze erinnern, die zwar nicht ganz von uns sind, die aber bis heute nichts von ihrer Richtigkeit und Aktualität verloren haben. Ganz im Gegenteil, denn ohne uns, die nach diesen Grundsätzen leben und handeln, würde Deutschland schon lange den Bach runtergegangen sein.“
Wieder zustimmendes Gemurmel.
„Also erstens: Deutschland ist unser Land. Wir können auf eine sehr reiche Kultur zurückblicken, haben bürgerliche Freiheiten und einen Wohlstand erreicht, um den uns die Nachbarländer beneiden. Es wäre und ist fahrlässig, das alles aus der Hand geben zu wollen mit der Begründung: Unsere Zukunft heißt Europa! Und …“
„Scheiß Europa!“, schrie jemand aufgeregt dazwischen. Und ein anderer: „Scheiß Euro!“ Und weniger laut ein dritter: „Wir wollen unsere D-Mark wieder haben!“
„Und zweitens“, sagte Alex, als sich die Gemüter etwas beruhigt hatten: „Wir wollen keine verantwortungslosen Experimente mit und an unserem Volk. Nur hirnlose Ideologen glauben, dass eine Gesellschaft ohne die Institution Familie funktionieren kann. Oder dass jeder zu einem Deutschen wird, wenn er nur lange genug in unserem Land lebt und unsere Sprache spricht. Wir sagen nein zu Multikulti, und wir sagen ja zur Familie, der Kernzelle jeder Gesellschaft. Wer sie abschaffen will oder für entbehrlich hält, der wird uns kennenlernen.“
„Jawohl – der wird uns kennenlernen!“
Das kam wieder aus der gleichen Ecke wie vorhin der Ruf nach der D-Mark. Ich konnte den Rufer nicht sehen, weil zwischen uns inmitten der Längsseiten des U-Tisches zwei die Decke stützende Pfosten standen.
„Drittens: Wir müssen wieder selbstbestimmt handeln! Deutschland kann weder die innere noch die äußere Sicherheit garantieren, während die Bundeswehr in der ganzen Welt fremden Interessen dient. Eine politische Führung, die sich aus Rücksicht auf die Nachbarn nicht traut, eigenständige Entscheidungen im nationalen Interesse zu treffen, ist keine Führung, sondern ein Werkzeug in den Händen dieser fremden Interessen!“
„Höchste Zeit, dass sich das ändert!“ rief der kurzgeschorene Mann neben mir. Ich beugte mich zu ihm und wollte ihm schon sagen, dass die Bundeswehr laut Verfassung nicht im Innern eingesetzt werden kann, als Alex in seinem Vortrag fortfuhr.
„Viertens: Die so genannte System- und Lügenpresse hat sich ihren Namen redlich verdient. Das gebührenfinanzierte Staatsfernsehen betrachtet uns als Gegner, weil wir sagen, was offenbar nicht gesagt werden soll. Die politische Korrektheit liegt wie Mehltau auf unserem Land. Es ist ein Irrtum zu glauben, mit der Nichtbenennung von Missständen würden diese einfach verschwinden. Aber wir hielten uns bisher nicht daran und werden uns weiterhin nicht daran halten. Wer, wenn nicht wir, sind der Garant für die freie Rede und die schonungslose, ehrliche Analyse der Lage?“
„Hört, hört!“
„Fünftens. Deutschland war die Heimat unserer Vorfahren, deswegen muss Deutschland als Heimat unserer Kinder erhalten bleiben. Deutschland ist unsere Heimat, Deutschland ist unser Land, Deutschland ist unsere Nation!“
„Deutschland, Deutschland, Deutschland …“
Jetzt trampelten sie mit den Füßen und skandierten. Alle. Alle, bis auf einen. Mich. Ich hatte noch nie derartige Gefühlsausbrüche. Okay, früher als Jugendlicher, ja. Und wenn bei Fußballspielen die deutsche Nationalmannschaft gewinnt, freue ich mich heute auch. Aber mir würde zum Beispiel nie einfallen, die Nationalhymne mitzusingen. Es spielt ja nie Deutschland als Staat gegen einen anderen Staat, es spielen lediglich zwei Nationalmannschaften gegeneinander. Ihr einziger Unterschied: Reisepässe der Spieler.
„Doch Deutschland, meine lieben Freunde“, sagte Alex, „Deutschland ist gefährdet. Nicht nur wegen der Flüchtlinge, sondern auch wegen der mangelnden Bereitschaft deutscher Frauen, Kinder auf die Welt zu bringen. Erst Karriere, dann Kinder – so denken viele. Und verkalkulieren sich dabei: Wenn sie zu alt dafür sind, kriegen sie keine mehr, und wenn doch, sind diese oft von minderer Qualität. Ich glaube, wir sind uns einig, dass das nicht mehr so weitergehen kann. Daher eine Frage an euch alle: Wie können wir dem abhelfen?“
Zunächst sagte keiner was, bis dann ein ziemlich korpulenter Mann, der mir gegenüber saß, die Hand und Stimme hob.
„Ein Kind heutzutage großzuziehen kostet viel Geld, das viele nicht haben. Deswegen verzichten sie auf Kinder. Man müsste also das Kindergeld deutlich anheben.“
„Nein“, sagte ein anderer. „Das würde nichts bringen. Seit der Einführung des Kindergeldes wurde der Satz ständig erhöht, und die Natalität sank trotzdem weiter oder ist auf dem gleichen niedrigen Niveau geblieben.“
„Schon, aber ohne das Kindergeld wäre die Situation noch schlimmer!“
Eine lebhafte Diskussion entwickelte sich, der ich aber keine Aufmerksamkeit schenkte, weil ich wusste, dass Alex sie mit einem Vorschlag, den wir beide in vielen Gesprächen ausgearbeitet hatten, beenden würde. Und so kam es auch.
„Meine lieben Freunde, so geht das nicht. Lasst uns doch vernünftig über das Für und Wider reden. Tatsache ist, trotz Kindergeld und Kitas schrumpft Deutschlands Bevölkerung seit Jahrzehnten. Noch mehr Kindergeld würde nur die Falschen animieren, Kinder zu kriegen: Die, die schon jetzt von Hartz-IV und Kindergeld leben, ohne sich groß um ihre Kinder zu kümmern. Da kann eine fünfköpfige Familie schon jetzt auf fünfzehnhundert Euro monatlich kommen, plus Wohnungsmiete und Heizung. Und für jedes weitere Kind, kommen noch mal vierhundertfünfzig Euro dazu. Um dieses Geld mit ehrlicher Arbeit zu verdienen, tun sich viele schwer, also lassen sie es gleich bleiben. Nein, das Problem wird so nicht zu lösen sein.“
„Richtig“, sagte der, der vorhin gegen die Erhöhung des Kindergeldes war. „Ich muss Alexander in diesem Punkt zustimmen: Auf diese Weise bekämen die Falschen noch mehr Kinder. Und damit würde Deutschland langsam aber sicher verblöden, wie das schon vor Jahren unser Freund Sarrazin prophezeit hatte.“
„Na ja, so richtig blöd sind die Hartz-IV-Empfänger ja nicht, wenn sie diese Leistungen des Staates in Anspruch nehmen, ohne dafür was zu tun, oder?“
„Ach, du weißt genau, wie ich das meine!“
„Ruhig, ruhig, meine Freunde“, fuhr Alex dazwischen. „Ich habe heute nicht ohne Grund meinen Freund Rainer eingeladen, denn er hat eine Idee, die es in sich hat. Bitte, Rainer.“
„Zuviel der Ehre, Alex“, begann ich. „Die Idee ist ja nicht nur von mir, du hast daran ebenso großen Anteil. Aber okay, hier ist sie: Wir müssen erreichen, dass die richtigen Leute mehr Kinder bekommen. Und wer sind die Richtigen? Die, die arbeiten und gut verdienen. Die sind in der Regel gut ausgebildet und haben im Beruf bewiesen, dass sie's drauf haben. Sie hängen sich voll rein und halten so die deutsche Wirtschaft am Laufen. Und was erhalten sie vom Staat dafür? Nichts. Ganz im Gegenteil: Sie zahlen horrende Steuern, um diesen Staat zu finanzieren. Einen Staat, der mit diesem Geld nur so um sich wirft – siehe Wirtschaftsflüchtlinge, siehe Hartz-IV und Kindergeld.“
„Das wissen wir bereits“, kam von irgendwo hinter dem Pfeiler. „Aber was konkret willst du tun?“
„Die Steuern proportional zur Kinderzahl senken: Je mehr Kinder eine Familie hat, desto weniger Steuern zahlt sie. Wir, das heißt Alex und ich, haben mal grob geschätzt, dass bei sechs Kindern keine Steuern mehr bezahlt werden müssten. Für den Staat würde das ein Nullsummenspiel sein, vorausgesetzt natürlich, dass das Kindergeld drastisch reduziert würde.“
Erst mal sagte keiner was. Vielleicht rechneten sie im Stillen nach, wie viel Steuern sie sparten, wenn der Vorschlag Gesetz würde.
„Keine Steuern, egal wie hoch das Einkommen wäre?“
„Ja. Natürlich müsste man das noch genauer kalkulieren. Im Prinzip dürfte das bei einer Kinderzahl von fünf bis sieben greifen.“
„Fünf wären ungünstig“, sagte Tatjana. Sie saß rechts vom Alex und führte das Protokoll, weil Alex meinte, Frauen wären dazu geeigneter als Männer.
„Wieso ungünstig?“, fragte jemand von meiner Tischseite.
„Wegen der Assoziation mit Hitler, natürlich“, sagte Tatjana. Das klang ein wenig von oben herab, weil sie gar nicht den Fragenden anschaute, sondern weiter so tat als schriebe sie im Protokoll.
„Hitler? Was haben wir mit ihm zu tun?“
„Okay, nicht direkt mit ihm. Aber mit dem Mutterkreuz. Er hat es gestiftet, um die Geburtsfreudigkeit der deutschen Frauen zu steigern.“
„Aber das Mutterkreuz gab es erst ab dem achten Kind!“
„Das goldene, ja. Das bronzene schon beim Fünften.“
„Und wenn schon. Die Franzosen haben das auch. Heute noch.“
„Ja, aber sie haben den Krieg gewonnen. Deswegen können sie machen, was sie wollen. Wir dagegen …“
Tatjana sprach nicht zu Ende, aber jeder wusste, was sie meinte. Ich kannte sie aus dem Fernsehen, hielt sie bisher für kaum fünfzig Jahre alt. Aber hier, in Natura, sah sie älter aus. Wahrscheinlich wegen der nach hinten gezogenen und zu einem Dutt zusammengebundenen Haaren wirkte sie streng wie eine aus der Zeit gefallene Gouvernante.
„Stimmt, die Assoziierung mit dem Mutterkreuz wäre ungünstig für uns“, sagte Alex. „Schon jetzt werden wir von der Lügenpresse als Nazis diffamiert, und das wäre ein gefundenes Fressen für sie.“
„Was soll ich nun aufschreiben: Fünf oder sechs?“, sagte Tatjana.
„Sechs“, sagte Alex. „Oder gibt es noch Einwände?“
„Na ja“, sagte der alte Mann, auf dem äußersten Ende des Kopftisches. „Einen Einwand habe ich nicht. Aber einen Gedanken. So ins Generelle gehend.“
„Lass' hören, Reinhard!“
„Hm, ja. Also wenn Frauen der für uns interessanten sozialen Schicht weiter so spät ihr erstes Kind bekommen, werden sie schon rein zeitlich kaum in der Lage sein, fünf und mehr Kinder zu gebären.“
„Wieso?“, kam es von einer jungen Stimme auf der anderen Seite des Tisches.
„Die Menopause wird sie daran hindern, junger Mann“, sagte Reinhard und lehnte sich mit einem Lächeln selbstzufrieden zurück. „Um das zu wissen, muss man nicht Arzt sein wie ich.“
„Okay, okay“, tönte es zurück. „Man wird ja mal fragen dürfen.“
Dieses kleine Intermezzo zwischen alt und jung gefiel mir. Der eine wahrscheinlich schon über siebzig, der andere knapp über dreißig, ja, das war die richtige Mischung für eine Partei, die nicht nur mitreden, sondern auch gehört werden will. Die Piraten sind ja an ihrem jugendlichen Leichtsinn gescheitert. Nur Hitzköpfe mit Geltungsdrang, das konnte nicht gut gehen.
„Und Reinhard, hast du, hat irgendjemand einen Vorschlag, wie man das Problem lösen könnte?“, warf Alex in die Runde.
„Na ja“, sagte Reinhard nach einer Weile und richtete sich in seinem Stuhl wieder kerzengerade auf. „Eine Möglichkeit wäre es, das Heiratsalter weiter zu senken.“
„Unsinn!“, kam es wieder wie geschossen von der anderen Seite. „Wenn die Leute nicht heiraten und Kinder kriegen, wenn sie zwanzig sind, warum sollten sie das mit sechszehn tun.“
„Jedes zusätzliche Kind zählt“, antwortete Reinhard ruhig. „Wir sollten uns an den muslimischen Ländern ein Beispiel nehmen: Sie haben auch aufgrund des niedrigen Heiratsalters – wenn ich mich nicht irre, liegt dieses in Iran bei dreizehn Jahren – eine so große Natalität. Und im kanonischen Recht der katholischen Kirche stehen ohnehin nur vierzehn Jahre als Mindestalter drin, da wären wir mit unseren sechszehn zwei Jahre drüber. Das frühe Kinderkriegen hätte übrigens einen schönen Nebeneffekt: Eine so junge Mutter kann schwerlich die Ausbildung beenden, was sie automatisch vom Arbeitsmarkt fernhält, was natürlich ebenso automatisch bedeutet, dass es mehr Arbeit für Männer gibt und diese, weil dann Mangelware, besser bezahlt werden müssten. Damit hätten wir zwei Probleme auf einmal gelöst: Die Arbeitslosigkeit würde sinken, während das Lohnniveau stiege. Beides ließe sich gut im Wahlkampf verwenden. Auf jeden Fall wäre unser Ziel erreicht: Frauen blieben zu Hause, um weitere Kinder zu bekommen, was sich aufgrund der progressiven steuerlichen Erleichterungen erheblich auf das dann ohnehin höhere Familieneinkommen auswirken würde.“
„Alles schön und gut“, sagte jemand von meiner Seite. „Aber es gibt die Pille und Abtreibungen.“
„Klar, doch das kann man ändern. Zum Beispiel, indem man eine Abtreibung wieder wie Mord bestraft.“
„Ja, und dann gehen Frauen, die abtreiben wollen, wieder wie früher nach Holland oder England. Und was wäre die Folge? Es würden wieder die Unterschichtmädchen, die sich das nicht leisten können, Kinder bekommen. Was wir ja gerade verhindern wollen, oder?“
„Man könnte auch das Abtreiben im Ausland in der gleichen Weise bestrafen.“
„Das würde nicht gehen!“
„Wieso nicht? Beim sexuellen Kindesmissbrauch haben wir das bereits.“
„Das ist aber was anderes!“
„Anderes? Das sehe ich nicht: Mord ist Mord, egal wo er geschieht.“
Ich war zunächst erschrocken über Reinhards Vorschlag, aber je länger die Diskussion dauerte, desto einleuchtender wurden mir seine Argumente. Und wenn es den Grünen im Hamburg gelungen ist, das Wahlalter auf sechszehn Jahre zu senken, dann dürfte auch kein Problem sein, das gleiche für Heiratsalter durchzusetzen, schließlich kann man nicht argumentieren, jemand sei reif genug, an politischen Entscheidungen mit weit reichenden Folgen mitzuwirken, aber nicht reif genug, um zu heiraten und Kinder zu kriegen. Und die Abtreibung als Mord zu definieren dürfte ohnehin nicht schwierig sein, schließlich fordert die katholische Kirche das schon seit ewigen Zeiten. Mit Recht möchte man sagen, denn Leben ist Leben, wer es mutwillig vernichtet, mordet.
„Aber um wirklich eine Abschreckung zu bewirken, müsste man die Todesstrafe wieder einführen. Für Mord und sexuellen Kindesmissbrauch. Einsperren für immer, das reicht nicht. Es verursacht nur unnötige Kosten. Dass wir solche Leute bis zum Tod durchfüttern müssen, ist ein Skandal.“
„Das geht in der EU nicht“, sagte Alex ruhig und bestimmt.
„Klar, die Statuten sind dagegen. Aber was sollte die EU machen, wenn wir sie trotzdem einführen? Uns ausschließen?“, sagte Reinhard und ließ seinen Blick über die Runde wandern. Als niemand antwortete, sagte er förmlich: „Ich beantrage, folgende drei Punkte ins Parteiprogramm aufzunehmen: Heiratsalter für Frauen wird auf sechszehn Jahre gesenkt, mit Zustimmung der Eltern und der zuständigen Stellen vom Jugendamt kann ein Mädchen schon mit vierzehn heiraten. Zweitens: Abtreibung wird als Mord gewertet und bestraft. Dies gilt auch für Abtreibungen im Ausland. Drittens: Die Todesstrafe wird für Mord und sexuellen Kindesmissbrauch wieder eingeführt.“
Darauf sagte niemand was. Tatjana schaute Alex an, der sich einige Augenblicke Zeit nahm, bevor er nickte. Als Tatjana mit dem Schreiben fertig war, sagte er: „Sonst irgendwelche Vorschläge?“
„Schon, ja“, sagte Björn, der links von Alex saß. „Um den geänderten Ansprüchen an Frauen gerecht zu werden, schlage ich vor, dass wir anregen, in den Schulen wieder eine Geschlechtertrennung einführen. Es ist bekannt, dass Mädchen bessere Ergebnisse erzielen, wenn sie ohne männliche Dominanz lernen. Es wäre zudem unsinnig, Mädchen mit höherer Mathematik zu belasten, die sie zu Hause bei den Kindern niemals brauchen werden. Viel wichtiger wären so Fächer wie Ernährung, Gesundheit oder Glück.“
„Glück? Was sollte da unterrichtet werden?“, kam von meinem Nachbarn. Es war eine Frage, die ich auch stellen wollte.
„Na, Anleitung zum Glücklichsein“, sagte Björn. „Sinn des Lebens erklären, zum Beispiel. Von der Antike bis heute. Ein bisschen Philosophie und ein bisschen C. G. Jung, Traumdeutung und so was. Das haben die Weiber gern.“
„Schon“, sagte mein Nachbar. „Aber das darf nicht zu Lasten der höheren Mathematik gehen, schließlich ist sie nur dazu da, um diejenigen, die sich keine Nachhilfe leisten können, vom Gymnasium und Studium abzuhalten. Ich meine, niemand, außer den späteren Ingenieuren, braucht zu wissen, wie Differentialgleichung geht. “
„Gut, dann eben zu Lasten eines anderen Fachs. Geografie wäre dazu geeignet, denke ich. Die ist entbehrlich. Wer wissen will, wo Hawaii liegt, braucht er das nur bei Google eintippen. Im Grunde muss er das nicht mal eintippen, es reicht schon, Hawaii laut zu sagen. Aber das sind Details. Wie das umgesetzt wird, sehen wir später. Wichtig ist zunächst die Absicht, in diese Richtung gehen zu wollen.“
„Stimmt“, sagte Alex und nickte abermals Tatjana zu. Als sie fertig mit dem Schreiben war, fragte er erneut: „Weitere Vorschläge?“
„Flüchtlinge“, sagte ein Mann, der mir gegenüber saß. „Was sagen wir zu Flüchtlingen?“
„Da haben wir schon unsere Meinung kundgetan“, antwortete Alex. „Sobald Frieden im Nahen Osten einkehrt, gehören sie abgeschoben. Und zwar alle.“
„Und wenn sie sich hier schon integriert haben? Wenn deren Kinder besser Deutsch können als arabisch?“
„Egal. Wenn die Eltern arbeitslos sind und abgeschoben werden, werden Kinder mit abgeschoben. Das sind wir dem Familiengedanken einfach schuldig. Wir können nicht sagen, Familie ist uns heilig, und dann reißen wir sie bedenkenlos auseinander.“
„Und die sonstigen Migranten? Ich meine die Wirtschaftsflüchtlinge?“
„Auch die müssen weg. Wer länger als ein halbes Jahr arbeitslos ist, wird abgeschoben.“
„Und wenn sie deutsche Staatsbürgerschaft haben?“
„Dann nur, wenn sie auch eine zweite besitzen. Franzosen machen das bereits, wir könnten uns dem einfach anschließen.“
„Und wer wird dann unseren Müll allwöchentlich wegfahren? Du weißt doch: Unsere Müllabfuhr ist zu neunzig Prozent in türkischer Hand.“
„Schon klar. Aber weil kaum ein Deutscher diese Arbeit machen will, werden sie auch nicht arbeitslos. Damit stellt sich das Problem gar nicht.“
Das hörte sich alles hart an, aber es hatte Hand und Fuß. Und Tatjana schrieb wieder fleißig mit.
„Also ich hätte noch was“, sagte der alte Reinhard.
„Ja?“, sagte Alex.
„Ja. Die Erziehung von so vielen Kindern in der Familie könnte schwierig werden. Ich meine, alles wird auf den Schultern von Frauen liegen, die damit leicht überfordert sein könnten.“
„Ja, und?“
„Man müsste ihnen wieder mehr Freiraum verschaffen.“
„Ja, ja - und?“
„Zum Beispiel, indem wir das Züchtigungsverbot, das ohnehin erst seit 2000 gilt, aufheben.“
„Ausgeschlossen!“, sagte Alex. „Schon mit den jetzt beschlossenen Änderungen werden wir Schwierigkeiten mit den Frauenverbänden bekommen, aber das würde einfach zu viel werden – das werden sie auf keinen Fall schlucken.“
„Wenn du dich da nicht täuschst. Die Emanzen, diese Männerhasserinnen und Lesben, die haben häufiger als die Heterosexuellen Sado-Maso-Beziehungen, bei denen das Schlagen eine große Rolle spielt. Sie werden vielleicht pro forma dagegen sein, aber heimlich werden sie es begrüßen, wenn sie dann ungestraft so junge Dinger verdreschen können.“
„Das glaub' ich nicht.“
„Ist aber wahr. Ich bin Arzt und habe als solcher Dinge gesehen, die sich außerhalb des Vorstellungsvermögens eines Normalsterblichen befinden.“
„Aber es ist doch bekannt, dass Alice Schwarzer und die ihren dagegen sind.“
„Vergisst Alice, diese vertrocknete Männerhasserin. Auf sie hören die Frauen schon lange nicht mehr.“
„Trotzdem. Mir ist unwohl bei dem Gedanken.“
„Unwohl? Wenn der Heilige Vater die würdevolle, planmäßige körperliche Bestrafung befürwortet, dann kann das nicht so schlimm sein.“
„Die Kirche hat natürlich Erfahrung in diesen Dingen. Da hast du Recht.“
„Glaube mir: Es geht in der Gesellschaft wieder zurück zu mehr Disziplin und überhaupt zu den sogenannten Sekundärtugenden. Fleiß, Treue, Gehorsam, Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ordnungsliebe, Höflichkeit, Sauberkeit, das sind Tugenden, die zunehmend wieder gefragt werden. Es wird sogar überlegt, das Benehmen als Schulfach einzuführen. Ich wollte das schon vorher in die Diskussion einbringen, aber hier passt es besser, finde ich.“
„So gesehen, ja, könnte gehen“, sagte Alex schließlich. Während Tatjana schrieb, schaute er auf die Uhr.
„Wir sollten langsam zu einem Ende kommen. Noch Wortmeldungen?“
„Ja, ich habe noch einen Punkt, der noch nicht erwähnt wurde.“
Die Stimme kam von der anderen Seite, den Sprecher sah ich jedoch nicht: Er war hinter der zweiten Säule versteckt. Aber ich hatte keine Lust mich zur Seite zu neigen, um ihn zu sehen, und versuchte allein durch die Stimme einen Eindruck von ihm zu bekommen.
„Es geht um das Internet. Oder genauer: Um uneingeschränkten Zugriff auf beliebige Inhalte dort. Insbesondere denke ich hier an Kinder, die mit ein paar Klicks grässlich entstellte Leichen betrachten können, um vom sexuellen Dingen mit allen möglichen Perversionen gar nicht zu reden.“
„Ja, und?“
„Das muss verhindert werden.“
„Das wird schon verhindert“, sagte Alex. „Sofern diese Dinge im Bereich des deutschen Rechts liegen, wohlgemerkt. Bei Inhalten, die auf ausländischen Servern liegen, sind wir machtlos.“
„Machtlos?“ die Stimme wurde lauter. „Wieso sind die Chinesen in diesen Dingen nicht machtlos? Die können die sogenannten unliebsamen Wahrheiten offenbar unterdrücken. Für sie spielt auch keine Rolle, wo diese Wahrheiten liegen: Ob im Inland oder im Ausland, die Chinesen bekommen sie nicht zu Gesicht, wenn die Regierung es nicht will.“
„Ja, die haben eine Zensurbehörde mit mehreren tausend Leuten, die nichts anderes tun als das Netz zu kontrollieren. Aber das geht bei uns nicht. Weil wir keine Diktatur sind und uns an das Recht halten müssen.“
Ich bewunderte Alex für diese Erwiderung, denn das war genau auch meine Meinung.
„Aber dieser Unrat im Netz verdirbt uns. Von klein auf verdirbt er uns.“
„Verzeihung, aber das ist Ansichtssache!“, meldete sich Björn zu Wort. „Ich freue mich, dass zum Beispiel Amerikaner praktisch keine Zensur kennen. Nur so kann ich auf Seiten zugreifen, die bei uns aus unerfindlichen Gründen verboten sind. Oder was glaubt ihr, woher ich die vielen Ideen habe, für die ich auf unseren Demos so viel Beifall bekomme?“
„Gut, in dem Fall ist das natürlich günstig. Aber was ist, wenn wir die Regierung stellen? Wollen wir dann auch den ganzen Schmutz dulden, die bei jeder Kleinigkeit auf uns regnen wird. Selbst wenn wir die Presse im Land unter Kontrolle bekommen, was ich natürlich hoffe, bliebe dann noch das Ausland. Von da aus könnten wir angegriffen werden, müssten uns dauernd rechtfertigen. Ich bezweifle, ob wir das wirklich zulassen sollen.“
Die Stimme hatte zweifellos recht, und ich wollte jetzt doch sehen, wem sie gehörte. Es war ein kleiner, unscheinbarer Mann mit Brille und Bart. Der war zwar ordentlich gestutzt, aber ein Mann mit Brille und Bart hat gewöhnlich etwas zu verbergen. Will offenbar nicht, dass man in seinen Gesichtszügen liest. Gut, als Student hatte ich auch einen Vollbart gehabt, aber das war Mode damals. Jetzt waren andere Zeiten, und so fiel dieser bärtige Mann unter lauter glattrasierten schon auf.
„Nun“, sagte das Männchen. „Wir hatten ja schon das sogenannte Zugangserschwerungsgesetz, mit dem sich beliebige Internetseiten sperren ließen, aber die damalige Politik hielt es für opportun, das Gesetz gar nicht in Kraft treten zu lassen.“
„Wir könnten es wieder aufleben lassen, oder?“
„Sicher. Aber zuerst müssten wir unsere Presse so knebeln, wie Ungarn und Polen es bereits getan haben. Danach könnten wir jeden, der noch dagegen wär', der Kinderpornografie verdächtigen, mit allem, was noch dazu gehört: Hausdurchsuchung, Beschlagnahme von internetfähigen Geräten. Und ganz wichtig: Was geschehen ist, müsste durch gezielte Indiskretion bei den Nachbarn und den Arbeitgebern bekannt werden. Derjenige ist dann erledigt, egal ob sich später seine Unschuld herausstellt oder nicht. Das würde Angst ohne Ende erzeugen – ich bin sicher, das Gesetz wäre in Nullkommanix durch und in Kraft.“
„Schon. Aber nicht alle sind Angsthasen. Es würden sich Leute finden, die dagegen klagten.“
„Sicher. Und das ist schon der nächste Punkt: Nach der Presse, der sogenannten vierten Gewalt, müsste auch die Justiz, die dritte Gewalt, unter die Kontrolle der Exekutive, das heißt unter unsere Kontrolle gebracht werden.“
„Und wie, wenn ich fragen darf?“
„Wie Orban, Erdogan und Kaczyński es gemacht haben. Durch die Besetzung der leitenden Positionen mit unseren Leuten. Sobald das erfolgt ist, fügen sich die anderen. Orban hat als Erster ein paar Jahre dafür gebraucht, Erdogan und Kaczyński nur noch ein paar Wochen. Sie beide wussten: Wenn du schmerzliche Einschnitte vornehmen musst, mach' sie sofort und schnell, damit die Gegner keine Zeit haben, sich zu formieren.“
„Bleibt noch das Bundesverfassungsgericht.“
„Das ist kein Gegner, den man beachten müsste. Das hat schon der ehemalige bayerische Ministerpräsident und ehemalige Kandidat für das Bundeskanzleramt gewusst, als er zum Kruzifixurteil sagte: ‘Wir respektieren das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, aber wir akzeptieren es nicht.’ Und in der Tat: Das Gericht hatte und hat keine Handhabe, seine Urteile durchzusetzen, wenn das vom Volk gewählte Parlament es nicht will.“
„Aber das Recht und die Verfassung!“
„Das Recht ist zwar wichtig, aber über dem Recht steht das Wohl des Volkes. Es wird im Namen des Volkes Recht gesprochen, nicht im Namen des Rechts. Das Recht hat dem Volk zu dienen, nicht umgekehrt. Wenn das Recht dem Wohl des Volkes widerspricht, dann darf das Volk, in dem Fall wir als seine Stellvertreter im Parlament, es missachten oder ändern. Wir dürfen nicht vergessen: Es gibt nur einen Souverän im Staat. Und das ist nicht das Recht, auch nicht die Verfassung, es ist allein das Volk. Und das ist konkret immer derjenige, der die Mehrheit des Volkes vertritt. Wenn Gott will, werden das nach den Wahlen wir sein.“
Als das Männchen geendet hatte, herrschte ein langes Schweigen. Ich wusste, er hatte Recht, trotzdem wagte ich eine Frage: „Das läuft in Richtung einer Diktatur, nicht?“
„Diktatur würde ich's nicht nennen. Eher eine gelenkte Demokratie.“
„Du meinst, wie in Russland?“
„So ungefähr. Aber besser, wir Deutsche sind keine Stümper. Alles, was wir machen, ist wohl überlegt und geplant. Deswegen werden wir ja von allen bewundert.“
„Und gefürchtet.“
„Ja, und gefürchtet. Und das ist auch gut so.“
Als ich entgegnen wollte, dass das Fürchten, das ich meinte, einer Zeit entstammte, auf die wir nicht stolz sein können, sagte Alex: „Gut, ich denke, wir sind am Ende für heute. Falls es noch Fragen oder Vorschläge geben sollte, behaltet sie erst mal für euch und tragt sie morgen vor. Wir treffen uns wieder hier um zehn Uhr morgens.“
Alle standen auf.
„Noch etwas: Von dieser Sitzung darf außer dem, was Tatjana geschrieben hat, keine Aufzeichnungen geben. Auch keine Gedächtnisprotokolle. Nichts. Deswegen habt ihr auch eure Handys draußen abgeben müssen. Erzählt das bitte auch niemand von euren Freunden, auch nicht Parteifreunden. Wann der Zeitpunkt für die Bekanntgabe sein wird, werden wir morgen oder noch später beschließen.“

 

Hallo Dion!

„Was für Konflikt? Wenn wir an der Macht sind und das Gesetz wie besprochen beschließen, wirst du auch Vierzehnjährige ficken können.“
An diesem Beispiel wird die eindimensionale Sichtweise der Beifallklatscher und die Doppelmoral der Wortführer entlarvt.
Eine fiktive Erzählung darf diesen extremen Kunstgriff selbstverständlich anwenden. Man sollte halt, bei aller Realitätsnähe, die diese Geschichte zeigen mag, sie am Ende nicht als Nonfiction beurteilen.

Die Figur Rainer ist nicht unbedingt überzeugend. Ich meine, ihr müsste noch ein bedeutender Vorteil für die Partei verliehen werden und ebenso, oder damit verknüpft, ein bedeutender Grund, warum er kein Parteimitglied ist. Für solche Figuren gibt die Realität auch Beispiele.

Gern gelesen!

Lieben Gruß

Asterix

 

Insgesamt doch lang und nicht ganz glaubwürdig für mich. Super finde ich, dass Du ein politisches Thema nimmst. Unsere Demokratie ist nicht selbstverständlich.
Ja, oheim, Politik ist mein Thema. Andererseits: Was ist keine Politik?

Ich habe mir nur ein paar Dinge aus dem reichen Vorrat der Themen herausgepickt, um zu zeigen, dass hinter manchen rechten Parolen Ernsthaftigkeit steckt, die man auf den ersten Blick nicht sieht. In den Publikationen der sogenannten Neuen Rechten werden durchaus Argumente hin und her gewälzt, aber am Ende bleiben eben nur Parolen übrig, auch weil das „einfache“ Volk keine komplizierten Antworten auf komplizierten Fragestellungen haben will.

oft von minderer Qualität
finde ich nicht passend, "behindert"?
Behindert ist gemeint, ja, aber wer rechts ist und/oder rassistisch denkt, der bedient sich eines anderen Vokabulars – siehe auch „unwertes Leben“ der Nazis für geistig Behinderte.

Natalität
kannte ich selbst nicht, in dem Kontext zu wissenschaftlich? einfach "Geburtenrate"?
Ja, schon, aber die hier versammelten Länderparteichefs sind durchweg studierte Leute.

Deine anderen Vorschläge habe ich bereits eingearbeitet.


An diesem Beispiel wird die eindimensionale Sichtweise der Beifallklatscher und die Doppelmoral der Wortführer entlarvt.
Eine fiktive Erzählung darf diesen extremen Kunstgriff selbstverständlich anwenden.
Danke, Asterix, für diese Erklärung.

Die Figur Rainer ist nicht unbedingt überzeugend. Ich meine, ihr müsste noch ein bedeutender Vorteil für die Partei verliehen werden und ebenso, oder damit verknüpft, ein bedeutender Grund, warum er kein Parteimitglied ist.
Ich habe in der Geschichte angedeutet, warum Alex daran gelegen sein könnte, Rainer mit einzubeziehen: Der Kontakt ist erst wieder enger geworden, seitdem Alex in der neuen Partei ist. Als solcher ist er natürlich bemüht neue Mitglieder zu werben, und was liegt näher, als alte Freunde bzw. Parteifreunde (aus der CDU, die damals dieses Papier mit Steuerbefreiung bei 6 Kindern ausgearbeitet haben) anzubaggern.

Ich danke euch für die Mühe des Kommentierens.

 

Hallo Dion,

da hast du ja wirklich fast alle politischen Themen im Text untergebracht.
Und ich frage mich: Wieso?

Ein paar Kleinigkeiten habe ich noch gefunden:

Es wäre zudem Unsinnig, Mädchen mit höherer Mathematik zu belasten,
unsinnig

Sie werden vielleicht pro Forma dagegen sein,
pro forma

die würdevolle, planmäßige körperliche Bestraffung
Bestrafung

„Machtlos?“, die Stimme wurde lauter.
„Machtlos?“ Die Stimme wurde lauter.
Oder:
„Machtlos?“, wurde die Stimme lauter.

Hier bist du bei Zitaten unterschiedlich. Mal ohne, mal mit Anführungszeichen:

Carl von Ossietzky sagte mal: In Deutschland gilt derjenige als viel gefährlicher, der auf den Schmutz hinweist, als der, der ihn gemacht hat.
ehemalige Kandidat für das Bundeskanzleramt gewusst, als er zum Kruzifixurteil sagte: ‘Wir respektieren das

Wie steht die Story im Zusammenhang zum Thema des Monats? Ich sehe hier keinen letzten Ausweg etc.

Das effekthaschende Ende ließe sich auch mit nur einem Bruchteil des Textes erzeugen. Denn dadrauf läuft es in meinen Augen hinaus. Vom ganzen politischen Inhalt hingegen wird dem Leser nicht viel in Erinnerung behalten, da es viel zu viel ist. So ergeht es mir zumindest,

Leider kann ich mit der Story nichts anfangen. Das politische mag tatsächlich aktuell sein und auf Parteitagen der AfD und/oder anderer Parteien gesagt werden, doch ich möchte mich jetzt hier nicht über Politik unterhalten, sondern über Kurzgeschichten.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Lieber Dion,

beim Lesen Deines Textes habe ich gedacht, der Rainer hat da doch irgendein kleines Gerät mit und hat ein Wortprotokoll erstellt und mit seinen Erinnerungen vervollständigt. Da ist angesichts des Schlusses auch nachvollziehbar: Einfach nur austeigen reicht da nicht mehr. Obwohl eine Veröffentlichung auch nicht viel bringen würde. Die Vorschläge liegen alle auf dem Tisch und sind jederzeit nachlesbar. Also, was tun?

Liebe Grüße

Jobär

 

da hast du ja wirklich fast alle politischen Themen im Text untergebracht.
Und ich frage mich: Wieso?
Es sind genau 2 politischen Themen (Geburtenrate, Flüchtlinge), die hier behandelt werden. Das sind keinesfalls „fast alle“. Aber okay, GoMusic, wenn dir das so vorkommt, dann ist es eben so.

Das effekthaschende Ende ließe sich auch mit nur einem Bruchteil des Textes erzeugen.
Beabsichtigt war das nicht – die paar Zeilen sind nur dafür da, um einen Kontrast zu hehren Worten in der Versammlung zu setzen. Eigentlich sind sie so zu werten wie dieses Bekenntnis zur Familie, das auf zynische Weise dazu benutzt wird, ganze Familien abschieben zu können. Aber natürlich gilt hier auch: Wenn man das Ende als effekthaschend ansieht, dann ist das eben so. Ist wie bei Bildern. Da sagt man auch: Die „Schönheit“ liegt im Auge des Betrachters.

Wie steht die Story im Zusammenhang zum Thema des Monats? Ich sehe hier keinen letzten Ausweg etc.
Ich schon: Wenn die Gesellschaft weiter so nach rechts driftet wie bisher, wird eine Diktatur der letzte Ausweg sein. In meiner Geschichte, die in naher Zukunft spielt, ist es fast so weit, denn diese Partei steht unmittelbar vor dem Wahlsieg.

Das ist natürlich nur meine Meinung. Soll heißen: Wenn die Moderation auch deiner Meinung ist, dann habe ich nichts dagegen, wenn sie aus dem "Thema des Monats" verschoben wird.


beim Lesen Deines Textes habe ich gedacht, der Rainer hat da doch irgendein kleines Gerät mit und hat ein Wortprotokoll erstellt und mit seinen Erinnerungen vervollständigt. Da ist angesichts des Schlusses auch nachvollziehbar: Einfach nur austeigen reicht da nicht mehr. Obwohl eine Veröffentlichung auch nicht viel bringen würde.
Das Ende ist nicht so klar, wie du ihn siehst, jobär, denn man weiß nicht, ob Rainer weiter mitmachen oder empört abreisen wird.

Danke euch beiden fürs Lesen und Kommentieren.

 

Hallo Dion,
für mich ist das eine sehr gelungene Dystopie, nur ein Wimpernschlag entfernt von der Realität.
Im Moment verdaut alles noch eine Weihnachtsmildtätigkeit und den Gänsebraten, die Flüchtlingsströme haben witterungsbedingt ein bisschen nachgelassen. Spätestens am Mai hat die Partei Deiner Geschichte wieder beste Voraussetzungen gegen das aktuelle Einparteiensystem.
Beklemmend, an manchen Stellen vielleicht ein bisschen überzeichnet, aber ausgesprochen real und aktuell.
Hut ab.
Liebst, Gretha

 

Hallo Dion,

Frohes Neues Jahr!

Für einen Aspekt der Geschichte hast du meinen Respekt - die Recherche. Klar, wer regelmäßig Nachrichten schaut oder Zeitung liest, wird die Programmpunkte und den Sprachgebrauch wiedererkennen, aber um das in einer Geschichte selber so detailliert nachempfinden zu können, muss man sich bestimmt ziemlich intensiv mit den realen Vorbildern der Partei in der Geschichte befassen, und das macht sicher keinen Spaß. Es ist ein ehrenwertes Anliegen, ganz deutlich zu zeigen, was für abstoßende und ewiggestrige Ideen sich da hinter der bürgerlichen Fassade verbergen. Also quasi als "journalistische" Leistung habe ich Achtung vor der Geschichte.

Aber als literarisches Werk fällt sie leider durch. Ich finde den Text staubtrocken. Zum größten Teil besteht er aus einer Aneinanderreihung von politischen Äußerungen. Dass diese Äußerungen zum Teil lächerlich, zum Teil ärgerlich und zum Teil erschreckend sind, ist kein Ersatz für eine Handlung und für Charaktere, die mein Interesse wachhalten würden.

Es gibt hier keinen Konflikt, der die Handlung vorantreibt. Der Erzähler ist zwar nicht ganz einverstanden mit jedem Punkt im Parteiprogramm, aber das gilt ja auch für andere Anwesende. Im Grunde ist der Hauptteil der Geschichte eine einzige Diskussion über Details, die in dieses Wahlprogramm aufgenommen werden oder eben nicht. Sorry, aber das ist langweilig!

Vielleicht mal als Beispiel: Organisiertes Verbrechen ist ein reales Problem, und gleichzeitig ein potenzieller Ausgangspunkt für spannende Geschichten. Das heißt aber nicht, dass jede Geschichte über organisiertes Verbrechen automatisch spannend ist. Würdest du eine Kurzgeschichte lesen wollen, in der sich Mafiabosse darüber austauschen, wie sie ihr Territorium aufteilen und welchen Typ Maschinenpistole sie ihren Handlangern kaufen sollen? Ich nicht.

Der einzige Teil, der nicht zu dieser Sammlung unerfreulicher politischer Äußerungen gehört, macht die Geschichte dann auch nicht besser. Das empfinde ich ähnlich wie bei deiner Papstgeschichte.
Du schilderst ein reales Problem, aber es ist, als ob du dem Leser nicht zutrauen würdest, zu erkennen, wie problematisch das ist, und würdest den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen benutzen, um zu zeigen, dass diese Leute wirklich, wirklich furchtbar sind.

Aber wenn diese Parteioberen in deiner Geschichte nun ein ganz gewöhnliches Sexualleben hätten, und nach dieser geheimen Sitzung direkt zu ihren Ehepartern zurückkehren würden, um ein sechstes Kind zu zeugen, das würde die Dinge, die sie in dieser Sitzung beschlossen haben, doch keinen Deut besser machen.

Also wozu dieser Schluss? Klar, das ist ein Thema, was garantiert die Leser aufregt. Aber lenkt diese Aufregung nicht vom eigentlichen Kern deiner Geschichte ab?

Na ja, abgesehen davon bin ich auch noch über einige Fehler gestolpert. Hier ist eine Liste:

Andererseits: Vielleicht hat er uns gerade deswegen in diesen uralten Gasthof geladen?
hatte

Wir können auf eine sehr reiche Kultur zurückblicken, haben bürgerliche Freiheiten und einen Wohlstand erreicht, um das uns die Nachbarländer beneiden.
den

Das klang ein wenig von oben herab, weil sie gar nicht den Fragenden anschaute, sondern weiter so tat als schriebe sie im Protokoll.
Komma nach tat

„Wenn die Leute nicht heiraten und Kinder kriegen, wenn sie zwanzig sind, warum sollten sie das mit sechszehn tun.“
sechzehn. Das kommt auch noch woanders vor, aber ich habe es jetzt nicht wiedergefunden, am besten machst du einmal Strg+F.

Ich meine, niemand, außer den späteren Ingenieuren, braucht zu wissen, wie Differentialgleichung geht.
Differentialrechnung? Ich habe in der Schule nämlich nur das gehabt (Funktionen ableiten) und Integralrechnung. Differentialgleichungen sind wirklich noch mal einen Zahn schärfer, die tauchten bei mir erst im Studium auf, weil man sie vorher echt nicht braucht.

Unsere Müllabfuhr ist zu neunzig Prozent in der türkischen Hand.“
"in türkischer Hand" wäre üblicher

Ich bin Arzt und habe als solcher Dinge gesehen, die sich außerhalb des Vorstellungsvermögens eines Normalsterblicher befinden.“
Normalsterblichen

Grüße von Perdita

 

für mich ist das eine sehr gelungene Dystopie, nur ein Wimpernschlag entfernt von der Realität.
Danke, Gretha, genau das wollte ich mit dieser Geschichte bringen.


Es ist ein ehrenwertes Anliegen, ganz deutlich zu zeigen, was für abstoßende und ewiggestrige Ideen sich da hinter der bürgerlichen Fassade verbergen. Also quasi als "journalistische" Leistung habe ich Achtung vor der Geschichte.

Aber als literarisches Werk fällt sie leider durch. Ich finde den Text staubtrocken. Zum größten Teil besteht er aus einer Aneinanderreihung von politischen Äußerungen.

Ja, Perdita, staubtrocken ist der Text und enthält auch eine Aneinanderreihung von politischen Äußerungen. Das ist nun mal so bei Tagungen.

Im Grunde ist der Hauptteil der Geschichte eine einzige Diskussion über Details, die in dieses Wahlprogramm aufgenommen werden oder eben nicht. Sorry, aber das ist langweilig!
Findest du? Ich fand es spannend.

Aber ich gebe zu, dass sich das mehr für ein Theaterstück als für eine Kurzgeschichte eignet. Ich habe zwar viel gesellschaftlichen Konfliktstoff drin, aber nicht zwischen den Tagungsteilnehmern. Der Widerspruch des Ich-Erzählers findet nicht wirklich statt, wird jedenfalls nicht öffentlich. Mit dem Auftritt des Chefideologen habe ich versucht, die Radikalität in den Äußerungen zu steigern – Stichwort: Diktatur bzw. gelenkte Demokratie -, aber als Folge davon habe ich es versäumt, zu einem Eklat kommen zu lassen. Schade, denn der Ich-Zähler wäre als Außenstehender gut dafür geeignet gewesen.

Du schilderst ein reales Problem, aber es ist, als ob du dem Leser nicht zutrauen würdest, zu erkennen, wie problematisch das ist, und würdest den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen benutzen, um zu zeigen, dass diese Leute wirklich, wirklich furchtbar sind.
(…)
Also wozu dieser Schluss?
Na ja, so einfach ist das nicht, es gibt reale Vorbilder. In der gesamten westlichen Welt ist der GV mit Minderjährigen verboten, aber in den USA gibt es Bundesstaaten, in denen genau das erlaubt ist, wenn es in der Ehe geschieht – siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Ehemündigkeit#Vereinigte_Staaten

Ich danke dir für Lesen und Kommentieren. Die von dir genannten Fehler habe ich behoben.

PS: In Bayern stand zumindest in den 90er-Jahren die Differentialgleichung auf dem Lehrplan für Gymnasien: http://won.mayn.de/lehrplan/M-GK13.html (ganz nach unten scrollen). Ob es das noch gibt, weiß ich nicht.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Dion

Puh! Was mir an deinem Text besonders gefällt, ist der Versuch die innere Logik des rechten Denkens nachzuzeichnen. Es gibt zwar auch die dumpfen Zwischenrufe, aber im Wesentlichen wird argumentiert und ich finde es wichtig, dass man weiss, wie die dabei vorgehen. Sich über das rechte Denken lustig zu machen ist eine Möglichkeit. Du hast eine andere Herangehensweise gewählt.
Der Preis, den du dafür bezahlst, ist mehrfach genannt worden. Der Text hat wenig erzählerische Elemente und kann wenig Spannung aufbauen. Da kämpft man sich durch. Aber ich habe mich auch durch die 150 Seiten von Bolanos Roman "2666" durchgekämpft, auf denen er von Morden an Frauen in Mexiko erzählt - etwa eine halbe bis eine Seite pro Opfer: Name, Fundort, Todesurssache. Das ist einfach furchtbar zu lesen, aber ich habe bald begriffen, dass Bolano mich mit diesem Text nicht unterhalten will. Das ist mir eingefallen, nachdem ich deinen Text gelesen habe. Die zweite Assoziation, die ich habe, ist die Schlussszene von "Dr. Strangelove", in der ebendieser vorschlägt, das Verhältnis von Männern und Frauen, die nach der nukelaren Katstrophe in den Bunker dürfen, müsse etwa 10:1 betragen - was u.a. zu interessierten Nachfragen der versammelten Herren führt. Insofern fand ich den Schluss deines Textes, wenn auch plakativ, so doch nicht unpassend.

Es gibt m.E. Passagen, bei denen du optimieren könntest:

Ihr werdet euch vielleicht gewundert haben, dass wir uns in einem so kleinen Ort treffen, aber er liegt in der Mitte Deutschland und ist gut erreichbar. Doch das Wichtigste ist: Hier sind wir, ist Björn zu Hause, so können wir leicht erkennen, ob ein Fremder bzw. nicht zu uns Gehörender rumspioniert. Ihr wisst ja: Die Systempresse würde unsere Zusammenkunft sofort an die große Glocke hängen, wenn sie davon Wind bekäme.

oder

Es spielt ja nie Deutschland als Staat gegen einen anderen Staat, es spielen lediglich zwei Nationalmannschaften gegeneinander. Ihr einziger Unterschied: Reisepässe der Spieler.

Das ist mir jeweils zu erklärend, die zweite Passage auch zu didaktisch.


Erst mal sagte keiner was. Vielleicht rechneten sie im Stillen nach, wie viel Steuern sie sparten, wenn der Vorschlag Gesetz würde.

Für mich das Highlight.

Aber der galt nur ihm, mich kannte sicher niemand der Anwesenden. Alex und ich kannten uns dagegen schon seit Kindheitstagen. […]
Das mag an seinem Engagement für die neue Partei gelegen haben, für die er von Anfang an schwärmte. Er schwärmte nicht nur für sie, sie schwärmte auch für ihn - der Beifall zeigte, wie sehr.

Vielleicht kannst du hier jeweils variieren.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Dion.

Die Steuern proportional zur Kinderzahl senken
Da dachte ich, hey, das ist doch mal eine echt coole Idee. Mal sehen wie sie das verkaufen wollen.
Und dann kommt das ganze Elend hinterher. Kein Wort mehr von dieser Idee bei den ganzen Diskusionen um die Konsequenzen und Maßnahmen.

Ich kann mich daher den Kritikern Deines Textes nicht anschließen. Ich finde den Text großartig, weil Du es bei mir geschafft hast von dem Gedanken: "Coole Visionäre - bin gespannt was die aushecken", mich zu dem Gedanken: "verdammtes Dreckspack - was die nur aushecken" zu bringen.
Und am Ende lieferst Du noch die persönliche Motivation hinterher.

wollte ich Dir gesagt haben :)

Gruss
pantoholli

 

Was mir an deinem Text besonders gefällt, ist der Versuch die innere Logik des rechten Denkens nachzuzeichnen.
Ja, Peeperkorn, es gibt bei den Rechten nicht nur Dumpfbacken. Deswegen kann man ihre Ideen nicht einfach abtun oder sie lächerlich machen. Aber als Gabriel den Versuch unternahm, mit Pegida-Anhängern zu sprechen, gab es gleich Shitstorm: Man könne mit diesen Leuten nicht reden, damit wertet man sie damit nur auf, etc. Ähnlich hatte man in den 20er Jahren auch über die NSDAP gedacht, und als man begriffen hatte, die verschwinden nicht von alleine, war es zu spät.

Mag eine Idee noch so krude sein, wenn tausende oder millionen Menschen an sie glauben, dann ist sie das Normale. Damit verhält es sich so wie mit Gesetzen: Verstößt einer oder nur wenige gegen ein Gesetz, dann werden sie bestraft, verstoßen sehr viele dagegen, dann ist mit dem Gesetz was nicht in Ordnung.

Der Text hat wenig erzählerische Elemente und kann wenig Spannung aufbauen.
Ja, die meisten Kommentatoren sehen das so.

Die zweite Assoziation, die ich habe, ist die Schlussszene von "Dr. Strangelove", in der ebendieser vorschlägt, das Verhältnis von Männern und Frauen, die nach der nukelaren Katstrophe in den Bunker dürfen, müsse etwa 10:1 betragen - was u.a. zu interessierten Nachfragen der versammelten Herren führt. Insofern fand ich den Schluss deines Textes, wenn auch plakativ, so doch nicht unpassend.
Ja, so können Männer sein – bei mir ist aus Gründen der politischen Korrektheit auch eine Frau dabei. :D

Da dachte ich, hey, das ist doch mal eine echt coole Idee. Mal sehen wie sie das verkaufen wollen.
Und dann kommt das ganze Elend hinterher. Kein Wort mehr von dieser Idee bei den ganzen Diskusionen um die Konsequenzen und Maßnahmen.
Naja, pantoholli, das mit den gesparten Steuern pro Kind ist halt nur ein Punkt von vielen. Und außerdem ist er selbsterklärend – ich schätze, jeder der heute ordentlich Steuern zahlt, würde ihn begrüßen, denn je mehr einer verdient, desto mehr würde er durch Kinder absetzen können. Das ist einfach so, wenn man mit Prozenten statt mit fixen Beträgen rechnet. So werden die Erfolgreichen gefördert und die Erfolglosen bestraft werden. Steht übrigens schon so beim Lukas und Matthäus in der Bibel: „Wer hat, dem wird gegeben werden; wer nicht hat, dem wird genommen werden.“ – in meiner Geschichte ist es genauso: Den Reichen wird Steuernachlass gewährt und den Armen das Kindergeld genommen. Also zumindest Christen dürften nichts dagegen haben. :D

Ich kann mich daher den Kritikern Deines Textes nicht anschließen. Ich finde den Text großartig, weil Du es bei mir geschafft hast von dem Gedanken: "Coole Visionäre - bin gespannt was die aushecken", mich zu dem Gedanken: "verdammtes Dreckspack - was die nur aushecken" zu bringen.
Freut mich echt, dass du den Text anders beurteilst als die meisten Kommentatoren bisher. Hab mich schon fast damit abgefunden, den Text in ein Theaterstück umzuarbeiten. Ist halt ein bisschen zu sehr dialoglastig und hat viele Sprecher, obwohl nicht alle Anwesenden sprechen.


Ein Dank an euch beide fürs Lesen und Kommentieren.

 

Hallo Dion

Zunächst einmal, die Idee finde ich spannend. Ich denke, vieles von dem, was du schreibst, ist – auch wenn es ja offenbar in einer nahen Zukunft spielt – nah dran an der Realität. Erschreckend nah. Und um es gleich klarzustellen, einen kinderpornografischen Text oder was auch immer sehe ich hier keinesfalls. Das ist auch keine Satire, die du hier bringst, und ich glaube, die Thematik ist stark genug, um als „ernsthafter“ Text präsentiert zu werden.

Trotzdem war es auch bei mir so, dass mir der Text bei der Lektüre einige Schwierigkeiten gemacht hat, weil es für mein Empfinden einfach zu viel Input (Parteiprogramm, Diskussion darüber) und zu wenig Geschichte drum herum ist. Ich habe nicht alle Kommentare gelesen, aber vielleicht ist es schon gesagt worden: Die Figuren wirken teilweise etwas blass und konstruiert, die Figur des Reinhards erscheint mir sogar fast austauschbar. Das hat natürlich mit den Dingen zu tun, die du hier vermitteln willst, und das gelingt dir zum Teil auch durchaus so, dass man das Ganze hier mit einem unangenehmen Bauchgefühl liest (was ja wahrscheinlich durchaus so gewollt ist). Aber gerade bei Reinhard glaube ich, dass du noch mehr rausholen könntest. Irgendwie gibt mir der Text immer das Gefühl, der ist total wichtig und irgendwie ist er es dann doch nicht. Wenn du Reinhard mehr zweifeln ließest, dann käme eventuell auch die TDM-Aufgabenstellung noch deutlicher raus.

Erstaunlicher Weise hatte ich bei der Geschichte ein Problem mit der Zeitform. Vielleicht liegt meine Distanz beim Lesen auch ein Stück weit am Präteritum. Dass musst du jetzt natürlich überhaupt nicht teilen, aber ich glaube, in Präses wäre der Text stärker, weil er mich als Leser einfach unmittelbarer in die Situation mitreinschiebt. Du müsstest auch die Figuren dann weniger erklären und könntest mehr auf die emotionale Ebene gehen. Aber wie gesagt: Keine Ahnung, ob es funktioniert, ist nur so ein Gefühl.

Letzte Sache: Beim Lesen (und zwar gerade im ersten Teil, wenn Alex schwadroniert) ist mir mehrmals der Gedanke in den Kopf gekommen: Es wäre spannend, diese Geschichte anders aufgebaut zu lesen. Als Redemanuskript, wo ich als Leser, die Änderungen sehen kann, durch durchgestrichene oder hinzugefügte Passagen. (So könntest du dann quasi die Diskussion innerhalb des inneren Zirkels darstellen.) Verstehe das jetzt bitte nicht als einen Musst-du-machen-so-wird-dann-ein-Bombentext-Vorschlag, ich habe einfach nur beim Lesen gemerkt, dass ich diese Variante sehr spannend fände – und mit großem Interesse gelesen hätte.

Ein bisschen Textkram:

Aber auch sie liebte ihn - der Beifall zeigte, wie sehr.
Langer Gedankenstrich vor der Beifall
Während ich zurückblieb und mich nahe dem Eingang auf den letzten noch freien Platz setzte
Jetzt bin ich echt etwas verunsichert, aber müsste hier nicht der Genitiv hin? Also „nahe des Eingangs auf den...“? Ja, müsste es wohl!
aber er liegt in der Mitte Deutschland und ist gut erreichbar.
Hier bin ich mir sicher ;)... Genitiv: „in der Mitte Deutschlands“
„Weil wir gerade bei Fremden sind - der nette Herr, den ich mitgebracht habe, ist Rainer, ein guter Freund von mir.
Langer Gedankenstrich vor der nette Herr
„Apropos Systempresse. Carl von Ossietzky sagte mal: 'In Deutschland gilt derjenige als viel gefährlicher, der auf den Schmutz hinweist, als der, der ihn gemacht hat.' Bei der Nennung des Namens wurde kurz stiller im Raum, doch sogleich klatschten die Leute erneut, diesmal sogar kräftiger als zuvor.“
Ossietzky hier anzubringen finde ich clever. Den Nachsatz ebenfalls. Allerdings fehlt ein es vor dem kurz...

„Jawohl, der wird uns kennenlernen!“
Geschmackssache, aber ich hier ein für sich stehendes Jawohl oder ein Richtig so! stärker als das Jawohl, mit dem wiederholenden Nachsatz gekoppelt...

Sie waren zwar aus Holz und passten daher zu den holzvertäfelten Wänden. Aber anders als sie, waren die beiden Pfeiler schmucklos, wohl nachträglich eingebaut, um die kunstvoll geschnitzte, aber altersschwache Deckenkonstruktion abzusichern.
Mich hat diese Beschreibung aus dem Text rausgezogen. Ist dir die wichtig?
Die, die schon jetzt von Hartz vier und Kindergeld leben, ohne sich groß um ihre Kinder zu kümmern.
Hartz IV, wenn du es korrekt haben willst, wird die vier nicht ausgeschrieben...

Einen Staat, der mit diesem Geld nur so um sich wirft – siehe Wirtschaftsflüchtlinge, siehe Hartz vier und Kindergeld.
Hartz IV, s.o.


Viel wichtiger wären so Fächer wie Ernährung, Gesundheit oder Glück.“
Kein witziger Text, gewiss nicht, aber hier musste ich lachen!


Weil wir keine Diktatur sind und uns an das Recht halten müssen.“
Der Satz kommt irgendwie überraschend klein und gemein daher, und entfaltet dann so eine richtig fiese Wirkung. Respekt.

Oder was glaubt ihr, woher ich die vielen Ideen habe, für die ich auf unseren Demos so viel Beifall bekomme?“
Den Satz würde ich streichen, der lässt Alex total schwach erscheinen. Wie einen Schulbuben, der seine Thesen bei google herausfiltert.

Ich kann nicht behaupten, dass der Text mir Spaß gemacht hat, aber die Auseinandersetzung damit war spannend. Und ich denke, dass ist auch mehr die Richtung, die du als Autor in Sachen Wirkung beim Schreiben im Blick hattest…

LG svg

 

Zunächst einmal, die Idee finde ich spannend. Ich denke, vieles von dem, was du schreibst, ist – auch wenn es ja offenbar in einer nahen Zukunft spielt – nah dran an der Realität. Erschreckend nah.
Das, svg, finde ich auch, denn kaum habe ich hier von gelenkter Demokratie nach dem Muster Russlands geschrieben, schon sagt das der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz auf Polen gemünzt auch. Ob er hier mitliest? :bib:


Und um es gleich klarzustellen, einen kinderpornografischen Text oder was auch immer sehe ich hier keinesfalls. Das ist auch keine Satire, die du hier bringst, und ich glaube, die Thematik ist stark genug, um als „ernsthafter“ Text präsentiert zu werden.
Schön, dann sind wir einer Meinung.


Die Figuren wirken teilweise etwas blass und konstruiert, die Figur des Reinhards erscheint mir sogar fast austauschbar.
Reinhard sollte jedermann darstellen, also jemand, der im Großen und Ganzen mit der gegenwärtigen Politik zufrieden ist, aber unzufrieden mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und daher geneigt, denen zuzustimmen, die z.B. einen Aufnahmestopp und mehr Schärfe gegenüber Flüchtlingen verlangen. Eine Partei wie die AfD, die auch Gutes oder Annehmbares im Programm hätte, die wäre wählbar auch für Leute, die sonst CDU/CSU oder SPD wählen.

Darin sehe ich eine ernste Gefahr für die Demokratie in Deutschland – in Polen haben die Konservativen ja genau mit dem Schüren der Angst vor Fremden und dem offenen Nationalismus die Wahlen gewonnen. Und in Frankreich haben sich die beiden großen Parteien, die sich sonst spinnefeind sind, beim zweiten Wahlgang zusammentun müssen, um einen Erfolg des Front National zu verhindern.

Ich habe übrigens erst hierdurch begriffen, wozu der zweite Wahlgang gut ist: Um den Wählern die Gelegenheit zu geben, ihre (vielleicht zu spontane) Entscheidung zu korrigieren.

Aber gerade bei Reinhard glaube ich, dass du noch mehr rausholen könntest. Irgendwie gibt mir der Text immer das Gefühl, der ist total wichtig und irgendwie ist er es dann doch nicht. Wenn du Reinhard mehr zweifeln ließest, dann käme eventuell auch die TDM-Aufgabenstellung noch deutlicher raus.
Mehr Zweifel wären gut, klar, aber hat ein jedermann diese Zweifel? Wenn man die Onlinekommentare zu den Zeitungsberichten liest, dann werden mehrheitlich weit radikalere Maßnahmen gefordert als in diesem Text thematisiert. Vom Reinhard gibt es zu den Vorschlägen meistens Zustimmung, aber ob er am Ende diese Partei wählen würde, ist offen.


Erstaunlicher Weise hatte ich bei der Geschichte ein Problem mit der Zeitform. Vielleicht liegt meine Distanz beim Lesen auch ein Stück weit am Präteritum. Dass musst du jetzt natürlich überhaupt nicht teilen, aber ich glaube, in Präses wäre der Text stärker, weil er mich als Leser einfach unmittelbarer in die Situation mitreinschiebt.
Vielleicht hast du recht, aber ich halte Präsens für etwas Künstliches, um einen schwachen Text aufzupeppen. Im Präsens kann man nicht wirklich erzählen, auch im realen Leben nicht, allerdings benutzt man da auch wenig Präteritum, das der Schriftsprache – und dem Bildungsbürgertum – vorbehalten scheint.


Letzte Sache: Beim Lesen (und zwar gerade im ersten Teil, wenn Alex schwadroniert) ist mir mehrmals der Gedanke in den Kopf gekommen: Es wäre spannend, diese Geschichte anders aufgebaut zu lesen. Als Redemanuskript, wo ich als Leser, die Änderungen sehen kann, durch durchgestrichene oder hinzugefügte Passagen.
Keine Ahnung, ob das funktionieren würde. Beim Lesen vielleicht, aber nicht beim Vorlesen.


Ein bisschen Textkram
Hier bin ich deinen Empfehlungen meistens gefolgt, obwohl mir nicht klar ist, warum z.B. die arabischen Zahlen ausgeschrieben werden sollen, die römischen aber nicht.


Ossietzky hier anzubringen finde ich clever.
Danke. Ich habe ursprünglich noch andere Zitate gehabt – z.B.: „Je weiter sich eine Gesellschaft von der Wahrheit entfernt, desto mehr wird sie jene hassen, die sie aussprechen.“ (George Orwell) – habe sie aber gelöscht, weil redundant oder überfrachtend. Ich wollte damit nur zeigen, dass die sogenannte Neue Rechte keine Berührungsängste mit dem ursprünglich linken Gedankengut hat – natürlich nur, wenn es ihr nutzt.


Kein witziger Text, gewiss nicht, aber hier musste ich lachen!
Es gibt wirklich diese Pläne, Ernährung, Gesundheit oder Glück in den Schulen zu unterrichten. Habe vor ein paar Jahren gelesen, dass es bundesweit an die 100 Schulen gibt, die das bereits realisiert haben.


Den Satz würde ich streichen, der lässt Alex total schwach erscheinen. Wie einen Schulbuben, der seine Thesen bei google herausfiltert.
Das hat nicht Alex, sondern Björn gesagt. Es ist eine Tatsache, dass sich rechte Populisten aus den alten Nazi-Schriften bedienen, die im Internet, meist auf US-Servern, die für die deutsche Justiz unerreichbar sind, zu finden sind.


Ich kann nicht behaupten, dass der Text mir Spaß gemacht hat, aber die Auseinandersetzung damit war spannend. Und ich denke, dass ist auch mehr die Richtung, die du als Autor in Sachen Wirkung beim Schreiben im Blick hattest…
Ja, das ist wahr. Ich kann das rechte Pack – die katholische Kirche gehört auch dazu – nicht ausstehen. Und bin immer wieder erschrocken, wie selbst in meinem erweiterten Bekanntenkreis Manches gern geglaubt wird, was da sagt wird. Und wenn sich herausstellt, dass sie die Sachen erfunden oder schlicht gelogen haben, dann kommt es: Ja, in diesem Fall, stimmte es nicht, aber …

Dir vielen Dank für die Kritik, der ich Nützliches entnehmen konnte.

 

Hey Dion,

der Text macht mir zu einigen Teilen Angst. Das soll er ja auch, insofern macht er gut, was er machen will. Mir wurde stellenweise übel beim Lesen, zum Teil konnte ich nur die Augen verdrehen und zum Teil habe ich sie nicht mehr für voll nehmen können. Je weiter die Versammlung ihren Verlauf nahm, je absurder die Ideen, je weiter rückte der Text bei mir aus dem aktuellen Fokus und je mehr bekam ich Abstand, bis auf einige Ausnahmen zum Ende hin wieder. Natürlich haben irgendwelche Menschen vielleicht genau solche kranken Gedanken, natürlich ist nicht gesagt, dass dies alles irgendwann auch kommen könnte, gelänge es diesen Menschen und so weiter, aber mir hat es vor allem dann die Kehle zugeschnürrt, wenn ich dachte, ja, so fängt man Mäuse. Damit packen die das.

Das Ende gefällt mir überhaupt nicht. Ich hätte es viel schlimmer gefunden, wenn die eine Reihe von Schulhoffesten geplant hätten oder die Auswertung der "eigenen" Jugendclubs in Sachsen und Brandenburg dazu geführt hätte, weitere Jugendclubs in anderen Bundesländern aufzubauen, dass sie für eine geplante Kinderzeitschrift große Spielzeughersteller als Anzeigenkunden gewinnen konnten - so was hätte mir Angst gemacht. Jungendarbeit, die nächste Generation, die nächsten Wähler hernzüchten ...
Dass sie Arschlöcher sind, wusste ich vorher ja auch schon. Da bringt mir das Ende keine neue Erkenntnis, kein Gewinn. Sind sie halt noch größere Arschlöcher.
Ich habe echt Angst vor den Intelligenten, den Strippenziehern, den Rethorikern; die, denen man "eigentlich" gar keinen Makel andichten kann. Und wenn da in einem Dorf eine handvoll von diesen Leuten ein Programm bereden und Marketingstrategien für ihre Idee entwickeln, ich glaub, da sitzt Du mit dem Thema auf einem mächtigen Pulverfass. Aber für mich müssten sie dann auch bis zum Ende als gesellschaftlich integere Personen glaubhaft sein. Dann machen sie mir richtig, richtig Angst.
Und jetzt komme nicht damit, dass das eine das andere nicht ausschließt, sich in der Praxis wahrscheinlich genau so verhält. Der nette Herr von nebenan und so. Das ist aber eine andere Geschichte, hier finde ich schadet dieser "Abgang" dem Persönlichkeitsbild, es schmiert den Herren widerlichen Dreck auf die Weste. Und damit sind sie nicht mehr mein Feindbild. Oder eben ein anderes. Verstehst Du, was ich sagen will?

Text

Die politische Korrektheit liegt wie Mehltau auf unserem Land. Es ist ein Irrtum zu glauben, mit der Nichtbenennung von Missständen würden diese einfach verschwinden. Aber wir hielten uns bisher nicht daran und werden uns weiterhin nicht daran halten. Wer, wenn nicht wir, sind der Garant für die freie Rede und die schonungslose, ehrliche Analyse der Lage?“

Das sind so Sprüche, da läuft es mir kalt den Rücken runter. Klar kann daran glauben, wer daran glauben will. Und wollen, wollen viele. Das machts gefährlich.

„Fünftens. Deutschland war die Heimat unserer Vorfahren, deswegen muss Deutschland als Heimat unserer Kinder erhalten bleiben. Deutschland ist unsere Heimat, Deutschland ist unser Land, Deutschland ist unsere Nation!“

Schüttel.

„Deutschland, Deutschland, Deutschland …“

Ist mir zu dick aufgetragen, wenn hier die Elite zusammensitzt.

„Richtig“, sagte der, der vorhin gegen die Erhöhung des Kindergeldes war. „Ich muss Alexander in diesem Punkt zustimmen: Auf diese Weise bekämen die Falschen noch mehr Kinder. Und damit würde Deutschland langsam aber sicher verblöden, wie das schon vor Jahren unser Freund Sarrazin prophezeit hatte.“

Das sind so Gedanken - ja, die machen mir Angst.

Dieses kleine Intermezzo zwischen alt und jung gefiel mir. Der eine wahrscheinlich schon über siebzig, der andere knapp über dreißig, ja, das war die richtige Mischung für eine Partei, die nicht nur mitreden, sondern auch gehört werden will.

Auch gut. Eine jedermann Partei. Niemand ausgeschlossen. Sehr volksnah.

„Na ja“, sagte Reinhard nach einer Weile und richtete sich in seinem Stuhl wieder kerzengerade auf. „Eine Möglichkeit wäre es, das Heiratsalter weiter zu senken.“

Das habe ich nicht verstanden. Erst ging es darum, dass die "richtigen" Frauen ja erst arbeiten, Karriere machen und dann zu alt für sechs Kinder sind. Aber genau darin zeigt sich doch, dass dies die "richtigen" Frauen sind. Jetzt will man dem mit der Absenkung des Heiratsalters beikommen?

Auf jeden Fall wäre unser Ziel erreicht: Frauen blieben zu Hause, um weitere Kinder zu bekommen, was sich aufgrund der progressiven steuerlichen Erleichterungen erheblich auf das dann ohnehin höhere Familieneinkommen auswirken würde.“

Der steuerliche Vorteil würde ein zweites Monatseinkommen ausgleichen? So ganz kann ich der Rechnung nicht folgen. Und wie wollen die Herren dem beikommen, dass die Frauen eben arbeiten wollen? Wie wollen sie ihnen das alte Rollenbild wieder schmackhaft machen? Den Mutti-und Hausfrauenjob? Indem sie den Männern Steuervorteile verschaffen? Warum sagt Tatjana dazu nichts?

"Es ist bekannt, dass Mädchen bessere Ergebnisse erzielen, wenn sie ohne männliche Dominanz lernen. Es wäre zudem unsinnig, Mädchen mit höherer Mathematik zu belasten, die sie zu Hause bei den Kindern niemals brauchen werden. Viel wichtiger wären so Fächer wie Ernährung, Gesundheit oder Glück.“
„Glück? Was sollte da unterrichtet werden?“, kam von meinem Nachbarn. Es war eine Frage, die ich auch stellen wollte.
„Na, Anleitung zum Glücklichsein“, sagte Björn. „Sinn des Lebens erklären, zum Beispiel. Von der Antike bis heute. Ein bisschen Philosophie und ein bisschen C. G. Jung, Traumdeutung und so was. Das haben die Weiber gern.“

Das dagegen finde ich gefährlicher. Das alte Rollenbild im neuen Gewand verkaufen. Bildungspolitisch darauf hinarbeiten, so hätte es für mich Sinn gemacht. Also, dieses als Antwort auf eine ganz andere Frage.

„Gut, dann eben zu Lasten eines anderen Fachs. Geografie wäre dazu geeignet, denke ich. Die ist entbehrlich. Wer wissen will, wo Hawaii liegt, braucht er das nur bei Google eintippen. Im Grunde muss er das nicht mal eintippen, es reicht schon, Hawaii laut zu sagen.

:)
„Und wer wird dann unseren Müll allwöchentlich wegfahren? Du weißt doch: Unsere Müllabfuhr ist zu neunzig Prozent in türkischer Hand.“
„Schon klar. Aber weil kaum ein Deutscher diese Arbeit machen will, werden sie auch nicht arbeitslos. Damit stellt sich das Problem gar nicht.“
Das hörte sich alles hart an, aber es hatte Hand und Fuß. Und Tatjana schrieb wieder fleißig mit.

Mir gefällt übrigens auch nicht, dass Tatjana hier nur die Tippse ist. Klar, bei dem Frauenbild ... aber so in der Realität, ich halte gerade da die Frauen für sau gefährlich. Schade, dass Du ihnen hier diese Rolle zukommen lässt. Auch so ein Punkt, wo Du für mich "Gruselfaktor" verschenkst.

„Zum Beispiel, indem wir das Züchtigungsverbot, das ohnehin erst seit 2000 gilt, aufheben.“
„Ausgeschlossen!“, sagte Alex. „Schon mit den jetzt beschlossenen Änderungen werden wir Schwierigkeiten mit den Frauenverbänden bekommen, aber das würde einfach zu viel werden – das werden sie auf keinen Fall schlucken.“

Nicht nur die Frauen. Da werden auch die Männer verkannt. Schlagen von Kindern, dass kann man nicht so eins, zwei fix wieder salonfähig machen. Das ist mir zu weit weg.

„Es geht um das Internet. Oder genauer: Um uneingeschränkten Zugriff auf beliebige Inhalte dort. Insbesondere denke ich hier an Kinder, die mit ein paar Klicks grässlich entstellte Leichen betrachten können, um vom sexuellen Dingen mit allen möglichen Perversionen gar nicht zu reden.“

Ich weiß nicht. Ich habe mehr und mehr das Gefühl mit irgendwelchen katholischen Fanatikern am Tisch zu sitzen, als mit Rechtsextremisten. Klar ist Internet ein Problem für diese Leute, aber doch nicht deswegen. Doch eher dieses weg von der Gesellschaft, hin zum Individualismus, Selbstverwirklichung - das sind doch Punkte, die ihnen im Weg stehen.
Frau - Karriere - keine Kinder ... Ich komme da nicht mehr mit. Ich weiß nicht, was die Typen da wollen, aber sie scheinen mir irgendwie ziellos in alle Richtungen zu schießen und dieses ziellose, naja, davor habe ich nicht wirklich Angst.

Wollen wir dann auch den ganzen Schmutz dulden, die bei jeder Kleinigkeit auf uns regnen wird. Selbst wenn wir die Presse im Land unter Kontrolle bekommen, was ich natürlich hoffe, bliebe dann noch das Ausland. Von da aus könnten wir angegriffen werden, müssten uns dauernd rechtfertigen. Ich bezweifle, ob wir das wirklich zulassen sollen.“

Das dagegen leuchtet mir viel eher ein.

„Sicher. Aber zuerst müssten wir unsere Presse so knebeln, wie Ungarn und Polen es bereits getan haben. Danach könnten wir jeden, der noch dagegen wär', der Kinderpornografie verdächtigen, mit allem, was noch dazu gehört: Hausdurchsuchung, Beschlagnahme von internetfähigen Geräten. Und ganz wichtig: Was geschehen ist, müsste durch gezielte Indiskretion bei den Nachbarn und den Arbeitgebern bekannt werden. Derjenige ist dann erledigt, egal ob sich später seine Unschuld herausstellt oder nicht. Das würde Angst ohne Ende erzeugen – ich bin sicher, das Gesetz wäre in Nullkommanix durch und in Kraft.“

Das hat auch wieder Gruselfaktor.

„Bleibt noch das Bundesverfassungsgericht.“
„Das ist kein Gegner, den man beachten müsste. Das hat schon der ehemalige bayerische Ministerpräsident und ehemalige Kandidat für das Bundeskanzleramt gewusst, als er zum Kruzifixurteil sagte: ‘Wir respektieren das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, aber wir akzeptieren es nicht.’ Und in der Tat: Das Gericht hatte und hat keine Handhabe, seine Urteile durchzusetzen, wenn das vom Volk gewählte Parlament es nicht will.“

Das auch.

Hätte ein Text sein können, nachdem ich ein paar Nächte schlecht schlafe. So ist er mir irgendwie zu unentschieden. Mir ist das stellenweise nicht konsequent genug. Da sitzen Typen, die sich nach einem alten Rollenbild sehnen, um was eigentlich damit zu erreichen? Wo wollen sie hin? Das erschließt sich mir nicht ganz. Zu viele Fäden, die da angesponnen werden, und die ich nicht ganz zusammenbekomme.

Interessanter Text trotzdem. Gibt viel, über das man nachdenken und reden kann. Zündstoff bietet er auf jeden Fall genug. Und rütteln tut er auch am Gemüt. Und zwar unangenehm.

In diesem Sinne, beste Grüße Fliege

 

Als Erstes, Fliege, möchte ich dir danken für die tiefgehende und umfangreiche Auseinandersetzung mit dem Text. Ich werde mich bemühen, zu allen deinen Einwänden eine Antwort zu finden.


Natürlich haben irgendwelche Menschen vielleicht genau solche kranken Gedanken, natürlich ist nicht gesagt, dass dies alles irgendwann auch kommen könnte, gelänge es diesen Menschen und so weiter, aber mir hat es vor allem dann die Kehle zugeschnürrt, wenn ich dachte, ja, so fängt man Mäuse. Damit packen die das.
Ja – wie die Beispiele Ungarn und Polen zeigen, kann man damit Erfolg haben.


Das Ende gefällt mir überhaupt nicht.
Mir inzwischen auch nicht besonders, aber als ich das schrieb, fand ich das Ende in Ordnung.


Jungendarbeit, die nächste Generation, die nächsten Wähler hernzüchten …
Wie die Geschichte zeigt, ist das nicht notwendig: Die Menschen gehen anscheinend gern sehenden Auges ins Verderben, wenn ihnen dieses Verderben als der Himmel verkauft wird.


Das sind so Sprüche, da läuft es mir kalt den Rücken runter. Klar kann daran glauben, wer daran glauben will. Und wollen, wollen viele.
Ja, zu viele wollen.


„Fünftens. Deutschland war die Heimat unserer Vorfahren, deswegen muss Deutschland als Heimat unserer Kinder erhalten bleiben. Deutschland ist unsere Heimat, Deutschland ist unser Land, Deutschland ist unsere Nation!“
Schüttel.
Noch mehr würdest du dich schütteln, wenn du wüsstest, wer diese 5 Punkte, die ich natürlich umformuliert habe, ursprünglich verfasst hatte.


Ist mir zu dick aufgetragen, wenn hier die Elite zusammensitzt.
Du vergisst: Die sind überzeigt davon, mit ihrem Programm Deutschland zu helfen. Jedenfalls kann man ihnen den Patriotismus nicht absprechen.


„Richtig“, sagte der, der vorhin gegen die Erhöhung des Kindergeldes war. „Ich muss Alexander in diesem Punkt zustimmen: Auf diese Weise bekämen die Falschen noch mehr Kinder. Und damit würde Deutschland langsam aber sicher verblöden, wie das schon vor Jahren unser Freund Sarrazin prophezeit hatte.“
Das sind so Gedanken – ja, die machen mir Angst.
Nun, einer gewissen Logik kann man dem Gesagten nicht absprechen – Sarrazin hat nicht umsonst 1,5 Millionen Bücher verkauft und hat nach wie vor sehr viele Anhänger, auch oder vor allem im Bildungsbürgertum. Sie sagen: Nicht alles, was er sagt, stimmt, aber der Grundtenor geht in die richtige Richtung.


Das habe ich nicht verstanden. Erst ging es darum, dass die "richtigen" Frauen ja erst arbeiten, Karriere machen und dann zu alt für sechs Kinder sind. Aber genau darin zeigt sich doch, dass dies die "richtigen" Frauen sind. Jetzt will man dem mit der Absenkung des Heiratsalters beikommen?
Indirekt, ja. Wenn Frauen früher heiraten und Kinder kriegen, können sie im viel geringeren Masse eine Ausbildung bekommen bzw. eine berufliche Kariere anstreben. Und wer die „richtige“ Frau ist, entscheidet laut Sarrazin die Erbanlage. Er sagt, die Intelligenz würde zu 80% vererbt, d.h. die Ausbildung spielte dabei nur eine geringe Rolle.


Der steuerliche Vorteil würde ein zweites Monatseinkommen ausgleichen? So ganz kann ich der Rechnung nicht folgen.
Erstens: Weil weit weniger Frauen beruflich arbeiten würden, wären viele Arbeitsstellen frei, und um die zu besetzen, müssten Unternehmen Männer besser bezahlen, auch weil die dann mehr arbeiten müssten. Zweitens: Viele verheiratete Frauen arbeiten heutzutage nur halbtags, weil sich die Mehrarbeit aus steuerlichen Gründen nicht lohnt. Ihr Einkommen dient – zumindest bei der angepeilten Klientel – vor allem dem Luxus, u.a. dem Zweitwagen, der (teuren) Kleidung, den Reisen, etc.


Und wie wollen die Herren dem beikommen, dass die Frauen eben arbeiten wollen? Wie wollen sie ihnen das alte Rollenbild wieder schmackhaft machen? Den Mutti-und Hausfrauenjob? Indem sie den Männern Steuervorteile verschaffen? Warum sagt Tatjana dazu nichts?
Die Steuervorteile bekämen nur Familien mit Kindern, die andern würden wahrscheinlich noch stärker besteuert. Der Druck der (staatlich kontrollierten) Medien könnte mühelos das alte Rollenbild wieder zum Null-Plus-Ultra erheben. Beispiel: Statt Eva Herman für ihre Äußerungen, würde der Moderator Kerner gefeuert. Das geschah bereits in Polen: Weil sie einen Minister mit ihren Fragen angeblich zu sehr bedrängte, wurde die Journalistin am nächsten Tag gefeuert. Und Tatjana denkt wahrscheinlich wie Eva Herman, dass das Berufsleben der Frauen schuld sei an der geringen Geburtenrate in Deutschland. Siehe dazu auch das Eva Prinzip.


Das alte Rollenbild im neuen Gewand verkaufen. Bildungspolitisch darauf hinarbeiten, so hätte es für mich Sinn gemacht.
Dazu habe ich schon gestern in meiner Antwort an svg was gesagt.


Mir gefällt übrigens auch nicht, dass Tatjana hier nur die Tippse ist. Klar, bei dem Frauenbild ... aber so in der Realität, ich halte gerade da die Frauen für sau gefährlich. Schade, dass Du ihnen hier diese Rolle zukommen lässt. Auch so ein Punkt, wo Du für mich "Gruselfaktor" verschenkst.
Natürlich hast du hier recht: In der ursprünglichen Fassung sagt Tatjana auch mehr, aber am Ende, beim notwendigen Kürzen, ist das herausgefallen.


Schlagen von Kindern, dass kann man nicht so eins, zwei fix wieder salonfähig machen. Das ist mir zu weit weg.
Ich sehe das anders. Wir bewegen uns gesellschaftspolitisch mit der zunehmenden Betonung der Sekundärtugenden längst in eine andere Richtung. In meinem Bekanntenkreis gibt es mehrere Lehrer, die unisono sagen, dass sie nicht selten von Eltern aufgefordert werden, hart durchzugreifen, wenn ihr Sprössling nicht spurt.


Ich habe mehr und mehr das Gefühl mit irgendwelchen katholischen Fanatikern am Tisch zu sitzen, als mit Rechtsextremisten.
Das sind keine Gegensätze, denn sowohl in Ungarn als auch in Polen haben die Rechten die Wahlen gewonnen, auch weil die katholische Kirche sie massiv unterstützte. Du kannst jetzt sagen, in Deutschland ginge das nicht, aber ich bin nicht so sicher, denn das Familienbild, das hier propagiert wird, ist natürlich auch das der katholischen Kirche.


Ich weiß nicht, was die Typen da wollen, aber sie scheinen mir irgendwie ziellos in alle Richtungen zu schießen und dieses ziellose, naja, davor habe ich nicht wirklich Angst.
Was verlangst du von so einem Zusammentreffen der Länderchefs? Da wird Vieles angesprochen, u.U. auch weniger Wichtiges. Die sammeln erst, auf was sie sich konzentrieren könnten, und weil sie das anscheinend noch nie gemacht haben, erscheint das ziemlich dilettantisch. So habe ich mir das gedacht. :D


Hätte ein Text sein können, nachdem ich ein paar Nächte schlecht schlafe.
Sei doch froh, dass dem nicht so ist. :D


Da sitzen Typen, die sich nach einem alten Rollenbild sehnen, um was eigentlich damit zu erreichen? Wo wollen sie hin? Das erschließt sich mir nicht ganz.
Sie stehen kurz vor dem Wahlsieg und überlegen nun, was jetzt noch zu tun sei und was später, wenn sie regieren.


Interessanter Text trotzdem. Gibt viel, über das man nachdenken und reden kann. Zündstoff bietet er auf jeden Fall genug. Und rütteln tut er auch am Gemüt. Und zwar unangenehm.
Ist auch schon was, nicht?

Ich glaube zudem nicht, dass man mit Büchern oder Filmen oder sonst mit Kulturzeugs etwas verändern kann. Wenn man sich die europäische Geschichte anschaut, dann gibt es ständiges hin und her zwischen permissiven und kontrollierten Gesellschaftformen. Unser Grundgesetz besteht in wesentlichen Teilen noch so wie es 1949 formuliert worden ist. Da steht z.B. von Anfang an die Gleichberechtigung von Frau und Mann drin, aber die haben wir erst in den letzten Jahren, also fast 70 Jahre später, erreicht oder fast erreicht. Zuvor hat auch das Bundesverfassungsgericht die der Gleichberechtigung entgegenstehenden Gesetze für gültig erklärt, obwohl die die Frauen ganz klar diskriminierten, etc.

Und jetzt ist es so, dass die permissive Gesellschaft, die infolge der 68-Revolution entstanden ist, vielen schon zu weit geht. Die heutige Jugend ist viel angepasster und viel moralischer als die Jugend der 60- bis 80-er Jahre. Es wird heute gefragt, was die Nacktheit im Theater oder im Kino soll. Dabei wird vergessen, dass diese Freiheit, zu tun und zu lassen, was man will, mühsam erkämpft worden ist. Nackt zu baden geht z.B. nicht mehr, selbst Kleinkindern wird die Badehose angezogen – siehe dazu diesen Artikel in der Zeit.

Der Individualismus ist tot – oder äußert sich nur noch in Kinkerlitzchen wie bunt gefärbten Haaren, Tätowierungen oder Piercings, wobei diese Dinge schon wieder out sind oder im Schwinden begriffen. Im Denken aber sind sie, sind wir konservativ geworden: Wer politisch nicht korrekt denkt, der wird mit einem Shitstorm überzogen, der sich gewaschen hat. Ein falsches Wort und schon ist es geschehen. Bei den Rechten ist es genauso: Sie dulden niemand, der aus der Reihe tanzt. Da gilt es nach wie vor: Die Reihen fest geschlossen …

Uniformität greift um sich, wohin man auch blickt.

 

Hallo Dion,

das ist eine bitterböse Geschichte, die aus meiner Sicht reichlich satirische Elemente in sich birgt. Ich alte Meckerliese in Sachen "das ist keine Satire" :D würde in diesem Fall das Teil in meiner Satireabteilung willkommen geheißen haben.
Aber dafür kannste dir heute auch nix mehr kaufen.

Das Problem bei solchen Plots, die sich mit gesellschaftlichen, politischen Themen auseinander setzen, ist immer die Spannung. Wie bekommt man es hin, einen Spannungsbogen aufzubauen und ihn zu halten?

Etwa auf Höhe der Bemerkung mit dem Waldglas wäre ich fast aus der Geschichte ausgestiegen, weil es sich zog und ich nicht so recht voran kam mit dem Lesen. Ich konnte nicht schneller lesen, weil ich mich durch die Handlung graben musste. Der Inhalt aber rückte mir nicht so recht auf die Pelle, nahm mich nicht gefangen.

Als dann die Bemerkung mit dem Waldglas kam, war ich wieder wach, sozusagen. Ich kenne den Begriff nicht und werde ihn nachher googeln. Sicherlich steht es irgendwo hier in einem der vorangegangenen Kästchen, aber ich habe nicht die Zeit, mir die durchzulesen.

Bei 41 Wettbewerbsgeschichten muss halt was auf der Strecke bleiben.

Also zurück zu deiner Geschichte, die ein Stückchen nach dem Waldglas Fahrt aufnahm und zwar als der Erzähler seine Idee vorstellen sollte und vorstellte.
Danach und ich sehe durchaus ein, dass danach die Geschichte nicht beendet sein konnte, fand ich mich aber wieder in der Situation, dass ich auf ein baldiges Ende der Geschichte hoffte, weil es sich wieder zog.

Wenn man hochpolitische Themen so dem Leser servieren möchte, dass er sich bestens dabei unterhalten fühlt, fürchte ich, muss man noch mehr in die Satire driften und zwar in Richtung Ironie, Sarkasmus oder von mir aus auch schlicht in die Humorkiste greifen oder gar eine runde Fantasy-Story daraus machen.

Sehr schwierig, trockenen Stoff spannend zu verpacken. Das merke ich deutlichst an der Umsetzung deiner Geschichte und insoweit gebührt dir all mein Respekt, dass du dich dennoch an solch ein Thema gewagt hast und es obendrein doch lesbar war.
Ich glaube, ich hätte die mit Abstand langweiligste Geschichte hinbekommen, deine enthält ja wenigstens noch ein, zwei Stellen, die Spannung haben.

Die aus meiner Sicht vermutlich zu 99,9% fehlerfreie Geschichte enthielt aber doch noch eine Kleinigkeit:

um die Geburtsfreudigkeit der deutschen Frauen zu steigen.“
steigern


Lieben Gruß

lakita

 

Ja, lakita, die Geschichte ist bitterbös. Leider habe ich die Komplexität des Themas unterschätzt und für dich und einige andere langweilige Geschichte daraus gemacht. Aber eine Satire ist sie nicht, obwohl es einem so vorkommen mag.

Zu deiner Kritik im Einzelnen:

Etwa auf Höhe der Bemerkung mit dem Waldglas wäre ich fast aus der Geschichte ausgestiegen, weil es sich zog und ich nicht so recht voran kam mit dem Lesen.
(…)
Als dann die Bemerkung mit dem Waldglas kam, war ich wieder wach, sozusagen.
Ist schon interessant, wodurch du wieder „geweckt“ wurdest.

Das hier beschriebene Treffen findet in Thüringen statt. Dort wird nach Jahrhunderten heute wieder Waldglas hergestellt – z.B. in der Farbglashütte in Lauscha, wo man bei der Glasherstellung zusehen und auch Waldglasartikel kaufen kann. Ich kann dir versichern, sie beleben wegen ihrer Andersartigkeit jede Tafel.


Wenn man hochpolitische Themen so dem Leser servieren möchte, dass er sich bestens dabei unterhalten fühlt, fürchte ich, muss man noch mehr in die Satire driften und zwar in Richtung Ironie, Sarkasmus oder von mir aus auch schlicht in die Humorkiste greifen oder gar eine runde Fantasy-Story daraus machen.
Das halte ich für den falschen Weg. Manche Ideen, die da angesprochen werden, wirken vielleicht lachhaft, aber die meinen es ernst. Und ernst gemeinte Parolen muss man ernst nehmen, denn Ironie und Sarkasmus verstehen nicht alle. Ich halte es für einen großen Fehler, diese Ideen zu verschweigen oder ins Lächerliche zu ziehen, statt sich mit ihnen auseinanderzusetzen.


Sehr schwierig, trockenen Stoff spannend zu verpacken. Das merke ich deutlichst an der Umsetzung deiner Geschichte und insoweit gebührt dir all mein Respekt, dass du dich dennoch an solch ein Thema gewagt hast und es obendrein doch lesbar war.
Ich danke dir, Lakita, für das Lesen und freundliches Kommentieren –

und auch dem Waldglas, dass du es bis zum Ende durchgehalten und sogar einen Fehler entdeckt hast, der allen bisherigen Kommentatoren entgangen ist. :)

 

Tja, maria.meerhaba, so ist das nun mal: Wenn ein Text draußen ist, wird fast nach Belieben interpretiert und man kann nichts dagegen tun. Das ist jetzt keine Klage, sondern eine Feststellung.

Das fand ich teilweise interessant, doch mittendrinn war mir das schon zu viel, denn ich habe immer wieder auf eine Art Höhepunkt gewartet, irgendetwas, das alles schärfer gemacht hätte, doch es bleibt bei dem Ganzen unglaublichen Ideen dieser Leute, die fast verzweifelt das Ehe-Alter zu senken versuchen, um halt ihren Gelüsten nachzukommen.
Stimmt, einen Höhepunkt gibt es in diesem Text nicht. Aber dass diese Leute aus egoistischen oder gar niedrigen Motiven versuchen, das Ehe-Alter zu senken, das denke ich nicht: Ist nur ein Nebeneffekt, obwohl bei manchen das Ego auch eine Rolle spielen könnte. Andernfalls müsste man das allen Ländern unterstellen, in denen ein niedriges Alter als Heiratsgrenze gilt – in Iran wird zum Beispiel überlegt, diese Grenze von 14 auf 13 zu senken.


Und das Ende hat mich dann auch noch verärgert.
Damit bist nicht allein.


Zu der Geschichte kann ich selbst nicht viel wirklich sagen. Die anderen haben das ja schon und wenn ich gezwungen bin, vor lauter Ratlosigkeit die Kritiken der anderen zu lesen, dann hast du doch was falsch gemacht.
Ja, so siehts aus. Aber immerhin hast du dich durchgekämpft und einen Kommentar dazu geschrieben, wozu ich mich bei dir, der wohl meist gefürchteten Wortkriegerin in diesem Forum, bedanke.

 

Aber so saß ich schon nach wenigen Sätzen mit wenig erfreuter Miene vor dem Bildschirm und ertappte mich dabei, wie ich immer wieder ans Ende der Geschichte scrollte, um abschätzen zu können, wie lang das noch so weitergeht.
Das ist natürlich kein gutes Zeichen, Bas, du bist aber nicht der einzige, dem es so ging. Allerdings bekennst dich dazu, „dass dieses Thema einfach nicht“ deines ist, was deine obige Aussage ein wenig relativiert.

Erfreulich auch, dass du trotz des Missmuts, den dir diese Geschichte bereitete, weiter meine Geschichten lesen wirst.

Dafür und natürlich für das Kommentieren danke ich dir.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Dion,

ich bin schon länger um deine Geschichte geschlichten. Einerseits haben andere Kommentare schon ausgesagt, was ich denke, andererseits hatte ich auch noch nicht so recht im Kopf, was ich dir dazu sagen könnte. Jetzt habe ich die Geschichte noch mal gelesen und will mich dazu äußern.

Erst mal textlich:

„Sind sie schon da?“
„Nein, das dauert noch ein wenig.“
„Wie lange? Ich muss das wissen, weil ich die Versammlung entsprechend gestalten will.“
„Verstehe. Ich schätze, sie werden in einer Stunde, sehr wahrscheinlich schon früher hier eintreffen.“
„Okay - dann wollen wir mal.“
Ich gehe mal davon aus, dass es bei diesem Intro um die Frage geht, wann die Mädels auftauchen. Hey, da habe ich aber lange gebraucht, bis ich das kapiert habe. Lange habe ich vermutet, dass da noch eine politische Gruppierung in die Versammlung eintrudelt oder sonstwas innerhalb der Versammlung passiert. Also ich will damit sagen: Für mich ist dieser Rahmen zu schwach im Gerüst. Ich überlegte dauernd, was mit der Gestaltung gedacht war. Vielleicht sollte da noch nachgelegt werden:
Sind die Mädchen schon da?
... ich muss das wissen, weil ich die Versammlung entsprechend lange gestalten will.

Und schon hätte der untere Absatz mehr Gewicht. Wenn schon.
Ansonsten würde ich das Intro lassen und nachfolgend den Satz als Eingangssatz anpassen.
So jedenfalls konnte ich recht wenig damit anfangen, das ist viel zu diffus.

Dir wurde oft gesagt, dass Rainer farblos daherkommt - ich habe aus den Antworten herausgelesen, dass du ihn universell lassen wolltest.
Dir wurde auch gesagt, dass die Fakten so aneinander gereiht zu lang und zu informationslastig sind. Das genau verspürte ich auch beim Lesen.

Mein Gedanke ist nun folgender: Man könnte Rainer als einen, der erst kritisch der Sache zuhört und sich dann von Argument zu Argument mehr und mehr damit identifizieren kann, darstellen. Dann hättest du zwar einen anderen Protagonisten, aber könntest zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen:
Rainer wird interessanter und die Geschichte wird identifikationsreicher für den Leser. Vielleicht ist das überhaupt nicht das, was du willst, aber egal. Ich spinne weiter.

Den Spagat zu schaffen, diese politischen Ideen anhand einer feurigen Rede (da könnte man Alex teilweise etwas mehr rhetorisch glänzen lassen) so darzustellen, dass ein Unbeteiligter (also Rainer) plötzlich denkt, dass alles logisch und unterstützenswert ist - das wäre der Clou. Dann hättest du auch eine Spannung im Text (was auch bemängelt wird) und einen Leser, der sich dauernd selber hinterfragen muss, ob er auch so gedacht/gehandelt hätte. (So ein wenig wie Die Welle)

Die trocken aufgereihten Fakten würden so plötzlich zu einem Pingpong-Spiel mit den Gedanken von Rainer werden - aber dazu müsste man dann als Leser in ihn hineinblicken können. Im Idealfall wäre der Text dann einer, wo sich jeder Leser im Spiegel sieht - der eine geht früher, der andere bleibt bis zum Schluss davor stehen.

So ist Rainer für mich nicht Fisch, nicht Fleisch. Kein alter Freund, kein Mitläufer, kein Opportunist. Egal was du aus der Geschichte machen willst, Rainer müsste mehr in eine Richtung gehen.

Ob die kleinen Mädchen am Ende nun nötig sind oder nicht, finde ich zweitrangig, zumal es ja nicht im Porno ausgeartet ist. Die Gemüter erhitzen sich halt bei so einem Sujet mehr, als wenn Alex mit Tross zum Shisha-Rauchen zum Araber gegangen wäre.

Abschließend will ich noch sagen, dass ich es gut finde, politische Themen hier hereinzutragen.
Mit der Aussage: Ich will Kurzgeschichten lesen, aber bitte keine Politik kann ich weniger anfangen. Unser Leben besteht aus so vielen Facetten, diese gehört dazu.

Politische Texte können nur von Leuten geschrieben werden, die Ahnung haben. Diesbezüglich kann dir ja keiner an den Karren fahren.

Liebe Grüße
bernadette

 

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