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Die Sünde
Die Sünde
"Oh, Herr erbarme Dich meiner, denn ich habe gesündigt!"
Bereits seit Stunden saß die junge Joanna in ihrem Gemach auf dem Stuhl am Fenster, sah auf die weiten Wiesen und Felder hinaus und wiederholte diesen Satz - immer und immer wieder. Die Hände in ihrem Schoß verkrampft, wippte sie ständig vor und zurück. Wie hatte sie nur nicht merken können, daß der Teufel sie zur Sünde verführt hatte? Jetzt würde sie dafür im Fegefeuer elende Qualen erleiden.
Drei Monate zuvor. Bei einem kleinen Fest an dem Hofe ihres Vaters unweit der Stadt Canterbury lernte Joanna Lord Warrington kennen, der ein Freund ihres zukünftigen Gatten Lord Asbent war. Sie saß neben ihm und bat den jungen Lord, über Lord Asbent zu berichten. Voller Begeisterung hing sie an seinen Lippen und hörte die Ruhmesgeschichten über den Mann, den sie im Sommer des nächsten Jahres heiraten würde. Man hatte ihr erzählt, daß er ein schöner stattlicher Mann geworden war. Seit ihrer Verlobung waren sechs Jahre vergangen, damals war er 16 und sie 9 Jahre alt gewesen. Sie konnte sich noch erinnern, daß er sie beim Fest angelächelt hatte und dieses Bild des netten Jungen hatte sie sich über all die Jahre im Herzen bewahrt. Sicher würde es eine gute Ehe werden und sie würde ihm viele gesunde Söhne gebären.
Lord Warrington wußte viel zu berichten und war ein guter Erzähler, doch immer wieder legte er seine Hand auf die ihrige. Das war ihr sehr unangenehm, denn es war nicht schicklich und sie verstand nicht, warum er das tat. Ebenso wenig verstand sie, warum der Lord im Laufe des Festes immer öfter ihre Schönheit über alle Maßen lobte.
Doch da sie mit Männern sonst nur wenig Kontakt hatte, worauf ihre Zofen streng achteten, dachte sie, daß Männer so etwas wohl immer täten - ohne unsittliche Gedanken.
Joanna wurde langsam müde und beschloß sich zurückzuziehen. Nachdem sie sich verabschiedet hatte und Lord Warrington für seine überaus interessanten Erzählungen gedankt hatte, ging sie noch für einen kleinen Spaziergang nach draußen. Der Wein und die Erzählungen über ihren zukünftigen Gatten hatten sie aufgewühlt und sie wollte in der stillen klaren Sommernacht noch etwas zur Ruhe finden. Da sie ihre Zofe Anabel nicht finden konnte, ging sie allein.
Eine so schöne Nacht, die Sterne funkelten und der Mond schien so hell wie nur selten. Gerade wollte sie sich in ihr Gemach begeben, als sie erschrak, weil sie eine Stimme hinter sich hörte: "Nun, Lady Joanna, was tut ihr hier draußen so allein. Es schickt sich nicht für eine Lady ohne Begleitung durch die Nacht zu wandern."
Ein Mann trat auf sie zu und sie erkannte Lord Warrington.
"Oh, mein Herr, ich bin gerade auf dem Weg in mein Gemach. Der Abend war so aufregend für mich, daß ich noch etwas Ruhe gesucht habe. Ihr entschuldigt mich jetzt."
"Nein Mylady, das tue ich nicht. Habt ihr vielleicht auf mich gewartet? Nun, so bin ich denn jetzt hier. Ihr seid ein wunderschönes bezauberndes Weib. Fast möchte man meinen, der Teufel hätte Euch erschaffen, um alle ehrbaren Männer auf eine harte Probe zu stellen."
Joanna wurde nervös und wollte gehen. Doch er hielt sie am Arm fest und riß sie zu sich herum. Sie wollte schreien, sie hatte Angst. Dann sah sie das Messer in seiner Hand. "Was wollt Ihr von mir Lord Warrington? Wenn Ihr mir ein Leid antut, wird Lord Asbent Euch schwer bestrafen, dessen seid Euch gewiß."
"Aber liebste Lady, ich will doch nur eine Locke Eures prachtvollen roten Haares, um es Eurem Gemahl zu bringen. Er kann es kaum erwarten, Euch endlich zur Frau zu nehmen und bittet um einen kleinen Liebesbeweis Eurerseits."
"So nehmet denn eine Strähne und laßt mich endlich gehen, ich bitte Euch!", flehte Joanna.
"Nun, wer wird sich denn so zieren, kleine Lady. Kommt, gebt mir einen Abschiedskuß. Oder wollt Ihr, daß ich Eurem zukünftigen Gemahl erzähle, daß Ihr seiner nicht würdig seid? Er würde mir alles glauben, ich bin sein engster Vertrauter." Sie fühlte das kalte Metall des Messers an ihrer Wange, den Hals hinunter gleiten und auf ihrem Busen ruhen.
Brutal zog Lord Warrington die verängstigte junge Frau an sich und küßte sie. Plötzlich stieß er sie ein Stück von sich, hielt sie aber noch immer am Arm fest. "Ihr seid kalt wie ein Fisch. Aber ich werde das Feuer in Euch schon entfachen, wartet nur." Mit dem Messer schnitt er ihr Gewand auf, warf sie nieder und drang gewaltsam in sie ein. Joanna fühlte sich als würde man sie zerreißen. Starr vor Angst ließ sie alles mit sich geschehen ohne um Hilfe zu rufen. Die schrecklichen Schmerzen und die Angst um ihr Leben nahmen ihr jeden Willen sich zu wehren. Bevor er von ihr abließ, schlug er sie ins Gesicht, zur Strafe, weil sie ihm nicht feurig genug gewesen war, wie er sagte.
Tagelang hatte man ihre Wunden pflegen müssen und immer wieder hatte man sie danach gefragt, was geschehen sei, wer der Übeltäter gewesen sei. Unter Tränen erzählte sie, was sich zugetragen hatte und daß Lord Warrington dafür verantwortlich sei. Ihr Vater erklärte ihr, daß er den Lord bestrafen lassen wolle, er wollte ihn vor Gericht anklagen lassen.
An einem Abend kam ihre Mutter zu ihr und erklärte ihr, Lord Asbent würde sie nur dann noch zum Weibe nehmen, wenn die Mitgift verdoppelt würde. Deshalb wollte der Vater vor Gericht nicht den Tod Lord Warringtons fordern, sondern eine enorme Geldsumme. Alles sah danach aus, als würde sich Warrington darauf einlassen.
Joanna war es gleich. Sie wollte nur nicht dazu gezwungen werden Warrington heiraten zu müssen. Das wäre für den Lord die einzige Möglichkeit einer Bestrafung zu entgehen. Gut, daß Lord Asbent sie trotz allem zur Frau nehmen wollte.
Doch man konnte sich nicht über die zu zahlende Summe einigen und es gingen mehrere Wochen ins Land.
Joanna fühlte sich nicht wohl, etwas stimmte nicht mit ihr, das spürte sie und so sprach sie mit ihrer Mutter darüber. Die Mutter ließ sie sogleich untersuchen und man stellte fest, daß Joanna ein Kind erwartete. Als man ihr das mitteilte, brach die junge Frau zusammen. Sie war eine Sünderin, eine Ehebrecherin und eine Dirne. Jeder wußte doch, daß eine Frau nur dann schwanger wurde, wenn sie bei der Beiwohnung Lust empfand.
Seit jenem Augenblick verließ Joanna ihr Gemach nicht mehr. Ihr Vater kam zu ihr, beschimpfte sie, sie sei eine Hure, eine Ehebrecherin und er schlug sie, etwas, was ihr Vater noch nie getan hatte. Doch sie hatte keine Tränen mehr, sie wußte, sie hatte Schuld auf sich geladen, wußte, daß ihr Vater recht hatte. Sie gehörte bestraft.
Wieder war es ihre Mutter, die ihr die Entscheidung des Vaters überbrachte. Joanna würde sterben müssen, der Vater würde sie töten. Unter Tränen berichtete die Mutter, daß Lord Asbent darauf bestand, die Ehebrecherin zu töten, am liebsten eigenhändig. Doch der Vater hatte auf sein Recht als Joannas Vormund bestanden, dies selber zu tun, da man Kunde von den brutalen Bestrafungen des Lord Asbent hatte. Der Vater wollte Joanna weitere Qualen ersparen.
Joanna verstand, sie war bereit, sie mußte bestraft werden. Sie wollte sogar bestraft werden, denn sie konnte sich ihre Sünde selber nicht vergeben.
An einem sonnigen Septembertag starb Lady Joanna durch die Klinge ihres Vaters.