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Die Schöne

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09.11.2004
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Die Schöne

Die Schöne​

Sie saß da und trank ihren Kaffee. Er war weg. Verschwunden mit einem Lächeln und einem Kuss. Genauso unverhofft wie ihre Begegnung. Sie schaut ihm noch nach, wie er zum Auto geht, einsteigt und an ihr vorbeifährt. Eben noch saß er hier, direkt neben ihr. Wie schaffte er es bloß immer wieder sie mit einem guten Gefühl zurückzulassen? Und während sie so da saß, langsam ihre Zigarette rauchte, schaute sie dem Treiben der Menschen auf dem Bahnhof zu und dachte nach. Dachte über die vergangenen Tage nach. Ja, er hat Recht, sein Körper ist nicht sein Kapital. Aber was ist sein Kapital? Warum ist sie extra in seine Stadt gekommen? Später, als sie wieder zu Hause war, erinnert sie sich daran, wie er Bilder von ihr im Hotelzimmer machte – nackt, ihm völlig ausgeliefert. Wie sie vor dem Spiegel steht, langsam ihre Haare hochsteckt, ihn dabei beobachten kann und er sie dabei ablichtet – klick, klick... wie sie auf ihm sitzt und erzählt und wieder – klick, klick... „Erzähl ruhig weiter, lass’ Dich nicht stören“ – klick, klick... Augenblicke, Momente seiner unwirklichen, mit süßem Gift getränkten Welt. All das hat schon seinen Reiz, das Hotelzimmer, sie allein in einer fremden Stadt, weit weg von ihrem Freund und dafür mit ihm, dem Fremden, dem Künstler in diesem Hotelzimmer zusammen. Frei von jeglichen Konventionen. Doch jetzt wo er weg ist, denkt sie, wie leichtfertig sie doch war. Was macht er mit den Bildern?

Wenn er da ist, vertraut sie ihm, sobald er weg ist, traut sie ihm kein bisschen über den Weg. Sie wollte nur einen kleinen Teil seiner Seele besitzen. Genauso wie er sie, „die Schöne“, wie er sie immer nennt, in seinen Bildern eingefangen hat. Doch sie bekam nichts. Was ist er für ein Mensch? Er ist nett zu ihr, lädt sie ein, hält ihr die Tür auf, küsst sie in der Öffentlichkeit, möchte sie ständig berühren. Er sagt, er begehrt sie. Doch er begehrt nur ihren Körper. Und nicht sie. Das ist ein Unterschied. Er stellt ihr keine Fragen. Wenn sie ihm etwas erzählt, hört er ihr nicht zu. Es interessiert ihn nicht. Sie weiß, es ist ein Spiel. Ein Spiel, das nach seinen Regeln gespielt wird.

Sie hat nichts erwartet und doch gab er ihr mehr. Sie denkt daran zurück, wie es war – am Anfang. Doch welcher Anfang? Gibt es bei diesem Spiel überhaupt einen Anfang und ein Ende? Sie hatten Sex. Mehr nicht. Im Café sagt er zu ihr:“ Schreib mir, versprochen?“ Und sie antwortet:“ Ja, mach’ ich.“ Aber was nützt es ihm zu schreiben, wenn er ja doch nie antwortet? Und was schreibt man einem Menschen, den es gar nicht interessiert, was man zu sagen hat? Was fand er so faszinierend an ihr? Darüber haben sie nie gesprochen. Sie wird es auch nie erfahren. Und gleichzeitig fragt sie sich, warum sie sich auf ihn eingelassen hat. Ist es der Reiz seiner so andersartigen Lebensweise?

Sie denkt an den Abend vor etwa einem Monat zurück. Sie war in seiner Stadt – geschäftlich. An dem Abend bei den Festivitäten saß er neben ihr. Er suchte schon die ganze Zeit ihre Nähe. Sie bemerkte dies, doch es interessierte sie nicht sehr. Sie war höflich und nett und er fragte sie, ob sie nicht Lust hätte, mit ihm anschließend noch etwas zu unternehmen. Hatte sie eigentlich nicht so recht. Doch so fing alles an. Sie musste raus, hielt es nicht länger mit den ganzen Leuten aus und sah ihn, den Fremden, als Rettung. Er holte sie mitten in der Nacht vom Hotel ab. Es war verrückt. Sie kannte ihn kaum und doch rief sie ihn an. Sie verbrachten die ganze Nacht in Bars, wo sie ihm, schon leicht beschwipst vom Alkohol, ihr halbes Leben erzählte. Dieses Mal hörte er ihr zu. Es war lustig und verrückt. Sie fühlte sich frei und gut. Er schaute sie die ganze Zeit über an und sagt ihr immer wieder, wie wunderschön sie sei. Sie musste darüber lachen. Als er sie im Morgengrauen zum Hotel zurückbrachte, war der Moment der typischen „Auto-Abschieds-Situation“ gekommen. Er nahm ihre Hand und küsste sie, sah ihr mit einem Lächeln und einem Verlangen sie endlich berühren zu dürfen, tief in die Augen. Er wollte mit rauf kommen. Doch sie sagte Nein. Anscheinend hatte dies sein Jagdinstinkt geweckt. Denn ab diesem Zeitpunkt, gab er sich die allergrößte Mühe. Sie wusste, was er für einer war. Er hatte es ihr in der Bar erzählt. Umsomehr wunderte es sie, dass er ihr nach ihrer Abreise tagtäglich schrieb. Und er wollte sie wiedersehen. Sie war erst zaghaft und misstrauisch. Doch es gefiel ihr. Sie ließ sich auf das Spiel ein. Sie dachte, sie würden mit offenen Karten spielen. Er schrieb ihr wunderschöne Geschichten und Gedichte. Dann kam er für ein Wochenende in ihre Stadt, um sie zu besuchen – sie endlich wiederzusehen. Sie hatten Sex – vor einer Kirche in seinem Auto. Es war verrückt und sie freute sich auf den nächsten Abend mit ihm. Doch sie sahen sich das ganze Wochenende nicht mehr. Er hat sie einfach sitzen gelassen. Er hat angeblich eine Baustelleinfahrt blockiert. Sie glaubte ihm kein Wort. Sie sagt ihm immer wieder, dass sie ihm nicht vertraut und er beschwichtigt sie. Und dann? Dann fuhr er weg. Wieder zurück in seine Stadt. Und mit ihm die lieben Worte. Trotzdem sahen sie einander wieder. Sie fuhr in seine Stadt, um ihn zu besuchen und fragte sich gleichzeitig warum. Was reizte sie?

Sie weiß es bis heute noch nicht. Und so endet es in dem Café am Bahnhof. Und er saß wieder neben ihr. Immer wenn sie versucht, sich sein Gesicht vorzustellen, entrinnt es ihr – wie das Bild von Dali. Sie kann sich an seinen Körper, seine Stimme und seinen Geruch erinnern, jedoch kaum an sein Gesicht...

 

Hallo Monty,

Danke, für Deine Antwort. Was aber meinst Du mit Prot.?

Die "Geschichte" ist schon ein bisschen her. Macht sie auf Dich wirklich so einen bemitleidenswerten Eindruck? Ich wollte sie einfach mal ins Netz stellen, um zu sehen, wie andere Leute sie finden und was sie hineininterpretieren.

Liebe Grüße von der kleine Fee.

 

Hallo Kleine Fee,

Monty meint mit "Prot." deine Hauptfigur.


Textzeugs:

Genauso unverhofft wie ihre Begegnung.

Ich glaube ist besser: Genauso unverhofft wie sie sich begegnet waren.

Begründung: Wenn du den Satz im Zusammenhang verlängert würdest hieße es ja:
Er war genauso unverhofft verschwunden, wie ihre Begegnung.

Sie schaut ihm noch nach, wie er zum Auto geht, einsteigt und an ihr vorbeifährt. Eben noch saß er hier, direkt neben ihr. Wie schaffte er es bloß immer wieder sie mit einem guten Gefühl zurückzulassen?

Hier springst du in der Zeit. Oder verstehe ich was falsch?

Und während sie so da saß, langsam ihre Zigarette rauchte, schaute sie dem Treiben der Menschen auf dem Bahnhof zu und dachte nach. Dachte über die vergangenen Tage nach.

Hier würde ich persönlich den zweiten Satz streichen und einen daraus machen - also:
... Bahnhof zu und dachte über die vergangen Tage nach.

All das hat schon seinen Reiz, das Hotelzimmer, sie allein in einer fremden Stadt, weit weg von ihrem Freund und dafür mit ihm, dem Fremden, dem Künstler in diesem Hotelzimmer zusammen.

Hier schreibst du, dass diese Situation ihren Reiz hat, aber man spürt den Reiz nicht. Du erzählst nur und lässt uns nicht mit deiner Prot. mitfühlen.
Show, don´t tell!

Das ist ein Unterschied.

Den Satz würde ich streichen. Es wird auch ohne ihn klar, dass es ein Unterschied ist.

Er stellt ihr keine Fragen. Wenn sie ihm etwas erzählt, hört er ihr nicht zu. Es interessiert ihn nicht. Sie weiß, es ist ein Spiel. Ein Spiel, das nach seinen Regeln gespielt wird.

Warum verdeutlichst du das nicht anhand eines Beispieles. Lass die beiden doch im Hotelzimmer plaudern, deine Prot. etwas erzählen und wie sie dann merkt, dass er ihr nicht zuhört. Wie in ihr die Erkenntnis reift, dass er sich nicht wirklich für sie interessiert. Das wäre viel spannender als alles in einem abgeklärten Nachgang zu erfahren.

Sie hat nichts erwartet und doch gab er ihr mehr.

Solche Halbandeutungen bringen meiner Meinung nach nicht viel.

Und was schreibt man einem Menschen, den es gar nicht interessiert, was man zu sagen hat?

Diese Szene könntest du wunderbar verdeutlichen, indem du deine Prot. beschreibst, wie sie vor einem leeren Blatt Papier sitzt, versucht ihm zu schreiben und merkt, dass sie ihm nichts zu sagen hat.
Ist es der Reiz seiner so andersartigen Lebensweise?

Was genau macht seine andersartige Lebensweise aus?

Sie bemerkte dies, doch es interessierte sie nicht sehr. Sie war höflich und nett und er fragte sie, ob sie nicht Lust hätte, mit ihm anschließend noch etwas zu unternehmen. Hatte sie eigentlich nicht so recht. Doch so fing alles an. Sie musste raus, hielt es nicht länger mit den ganzen Leuten aus und sah ihn, den Fremden, als Rettung.

Auch hier einfach nur runtererzählt.

Er schaute sie die ganze Zeit über an und sagt ihr immer wieder, wie wunderschön sie sei. Sie musste darüber lachen.

Hier ist es gut. Hier nimmst du eine Situation her.

Als er sie im Morgengrauen zum Hotel zurückbrachte, war der Moment der typischen „Auto-Abschieds-Situation“ gekommen.

Lass doch dieses "Auto-Abschieds-Situation" weg und beschreib einfach die Szene. Jeder Leser kann dann selbst entscheiden, ob es eine typische Situation ist oder nicht. Hier nimmst du quasi schon vor du die Szene beschreibst vornweg, was passieren wird und damit machst du dir selbst die folgende Szene kaputt.

Doch sie sagte Nein.

Warum? Lass uns an den Gedanken deiner Prot. teilhaben.

Sie wusste, was er für einer war. Er hatte es ihr in der Bar erzählt.

Warum lässt du sie nicht selbst herausfinden, was er für einer ist? Merkt sie es vielleicht, weil er jedem Mädchen hinterhersieht? Und was erzählt er ihr? Dass er jede Woche eine andere hat? Das es ihm nur um Sex geht?

Sie hatten Sex – vor einer Kirche in seinem Auto.

Sehr klischeehaft. Besser fände ich hier: Sie liebten sich überall. In der Dusche, im Auto etc.

Er hat angeblich eine Baustelleinfahrt blockiert.
Hä?

So, zur Geschichte:

Ich fand deine Geschichte eigentlich recht gut. Es muss tatsächlich eine seltsame Faszination von dem Mann ausgehen, wenn sie ihn wider aller Vernuft immer wieder sehen möchte.
Leider hast du es nicht geschafft diese Faszination auf den Leser zu übertragen. Dein Text wirkt zu runtererzählt. So könntest du es vielleicht einer Freundin erzählen, wenn du die Prot. wärst. Bei einer Geschichte erwartet man aber, dass man tiefer ins Geschehen mit einsteigen kann. Dass man versteht, was die Prot. so fasziniert, dass man versteht, warum sie so handelt, obwohl sie nicht sonderlich vernünftig handelt.
Ich habe dir oben einige Beispiele genannt, wie du so etwas erreichen könntest. Ich fände es sehr schön, wenn du sie überarbeiten würdest, denn sprachlich war deine Geschichte sehr flüssig und die Thematik hat mich, wie gesagt, auch angesprochen.
Gerne kannst du mir eine PN senden, wenn du damit fertig bist. Du kannst mich auch gerne fragen, wenn dir in meinen Anmerkungen etwas nicht klar war.

Ach übrigens, ich würde deinen Prot. auch Namen geben. Das wirkt viel persönlicher.

LG
Bella - die sich auf eine Überarbeitung freut.

P.S.
Ach ja, du springst in deiner ganzen Geschichte immer in der Zeit hin und her und findest keine einheitliche Linie. Das sollltest du wirklich noch ändern.

B

 

Liebe Bella,

vielen, vielen Dank, dass Du Dir soviel Mühe gemacht hast und mein Text so gut "auseinandergenommen" hast.

Ich bin immer dankbar für konstruktive Kritik und stimme Dir in einigen Punkten zu, wie z.B., dass ich den Mann besser beschreiben könnte.

Warum die Personen keine Namen haben ist ganz einfach zu erklären: das ganze ist unpersönlich. Das sollte dieses unpersönliche, nur auf das, was die Frau verkörpert, verdeutlichen. Er nennt Sie die Schöne. Er nennt Sie nicht mit Namen, denn Sie ist nur ein Objekt für ihn. Er hält Sie in seinen Bildern fest, aber es ist nur das, was Sie für ihn verkörpert. Und genau da liegt der Unterschied. Ich habe es auch so "heruntererzählt", also großartig auf wörtliche Rede verzichtet usw., weil ich es auch "dumpf" für den Leser rüberkommen lassen wollte. Weil im Prinzip nicht "mehr" stattgefunden hat.Weil es an dem Abend, an dem diese Geschichte entstanden ist, genauso war - wie ein Schleier, kurze, knappe Sätze. Nachdenken. Ich wollte keine "lebendige" Geschichte erzählen. Wollte diese absurdität, diese Begegnung - oberflächlich, und doch nicht ohne nachhaltige Wirkung erzählen. Denn Sie kann, wie auch beschrieben, nicht erklären, warum Sie das tut, was von diesem Mann ausgeht. Sie steht zum Schluss wieder da, wo Sie am Anfang war. Er hat ihr in der Bar erzählt, was er für einer war: der Leser soll sich selbst ein Bild machen, was er ihr erzählt hat. Der Reiz? Der Reiz ist, dass Sie allein, in einer fremden Stadt ist, um ihn zu besuchen. Sie ist ihm ausgeliefert - weil nackt. Er lichtet Sie ab, ein Moment in dem Sie ihn auch durch den Spiegel beobachten kann, während er sie auch anschaut und gleichtzeitig ablichtet. Das ist der Reiz. Sie erzählt Momente, Augenblicke seiner unwirklichen, mit süßem Gift getränkten Welt. Mit süßem Gift? Weil sie erst von der süßen "verbotenen Frucht" kostet, es aber ihr Leben nachhaltig vergiftet.

Mm.... schwer zu erklären. Ich weiß nicht, ob ich das jetzt in etwa so rüberbringen konnte, wie ich es auch meine....

Ich denke ich weiß auch in etwa, was Du meinst. Ich werde versuchen, diese Momente, näher zu beschreiben - mit mehr Intensität.

Liebe Grüße von der kleinen Fee

 

Hallo kleine Fee,

sorry, falls es so aussieht als hätte ich deinen Text auseinandergenommen. Das war wirklich nicht so gemeint.

Ok, dein Argument mit den Namen habe ich verstanden. Leuchtet ein.

Was das Runtererzählen angeht eher weniger. Ich meinte auch nicht, dass deine Prot. alle ihre Gefühle analysieren und verstehen soll, aber das man als Leser ein besseres Gefühl für sie bekommt.
Meinetwegen so was wie: Mir wurde schwindelig, als ich ihn sah oder Ich fühlte mich begehrt, wenn er mich fotografierte.
(Das jetzt nur zwei schlechte Beispiele dafür, was ich meine.)

Natürlich kannst du deine Geschichte auch so lassen, wie sie im Moment ist. Schließlich hat jeder seinen eigenen Stil und seine eigenen Gedanken zur Geschichte, aber ich fände den Versuch interessant diese Geschichten in zwei Versionen zu lesen. Also die eine bleibt so, wie sie ist - die andere etwas Lebendiger.
Du könntest das ganze ja auch in zwei Posts stellen, so dass man immer den Vergleich hat.
Das ist wirklich eine sehr, sehr gute Übung und bringt dir dann fast genauso viel, wie das Schreiben einer neuen Geschichte.
Natürlich nur ein Vorschlag, nicht das du jetzt den Eindruck bekommst, ich möchte dich zu etwas drängen.

LG
Bella

 

Hallo Bella,

Sorry, wenn der Eindruck entstanden ist, dass ich mich darüber geärgert habe oder sonstiges. Ich finde es wirklich gut, dass Du meinen Text auseinandergenommen hast bzw. analysiert hast. Und ich habe nicht das Gefühl, dass Du mich drängst. Wollte nur versuchen, Dir zu erklären, wieso und was dahinter steckt. Finde Deine Idee gut, das ganze etwas lebendiger zu schreiben und somit ein wenig zu überarbeiten. Werde es versuchen. Vielen Dank für Deine Tipps.

Liebe Grüße von der kleinen Fee

 

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