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Die tausend Tode des jungen Markus

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24.09.2000
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Die tausend Tode des jungen Markus

Die tausend Tode des jungen Markus

„Lauf! Lauf so schnell du kannst!“, schrie Markus seinem Freund Alex zu. Wie aus dem Nichts war der Mann hinter ihnen aufgetaucht.
Alex hatte plötzlich große Angst. „Wer ist das?“
Doch Markus konnte diese Frage nicht beantworten. Wie sollte er seinem besten Freund erklären, dass sein Leben davon abhing, wie schnell sie nun rannten? Seine 13-jährige Karriere als Mensch würde mit einem Schlag beendet sein, wenn der Verfolger sie erreichte.
„Bleibt stehen!“, rief der Mann den Jungen nach. Er war groß und breit gebaut und schnaubte immer lauter.
Markus beschleunigte sein Tempo und das zwang auch Alex, mitzuhalten. Angst war ein hervorragender Antrieb.
Wie konnte das nur geschehen? Die beiden Burschen waren gerade auf dem Weg zur Schule gewesen. Markus hatte erzählt, wie er am Wochenende heimlich die BMX-Bahn der Erwachsenen runter gerast war. Dass das nicht stimmte, musste Alex nie erfahren, nur dass er es glaubte, war entscheidend. Und er glaubte es. Alles lief einfach wunderbar. Und dann das.

Die beiden Jungen gelangten an eine Straße. Autos schoben sich im zähen Frühverkehr über den Asphalt. Markus und Alex blieben schnaufend stehen.
„Was sollen wir jetzt nur tun? Er wird uns einholen!“, sagte Alex.
Markus überlegte. Er war immer der Führer von seinen Freunden gewesen. Jetzt durfte es nicht anders sein, sonst war seine Stellung verloren.
Er sah auf die Straße. Autos hupten. Stehen bleiben wäre die vernünftigste Idee. Stehen bleiben, bis der Mann sie eingeholt hatte. Nur nicht in den Verkehr laufen.
Doch diese Option gab es nicht.
Markus packte Alex Hand und zog ihn mit einem Ruck auf die Straße. Autos hupten und Bremsen quietschten. Alex schloss die Augen und ließ sich einfach ziehen in der vagen Hoffnung, ihm würde nichts geschehen.
Doch da rammte sie ein Auto, schleuderte sie hoch in die Lüfte und Alex konnte ganz genau sehen, wie der Asphaltboden immer näher kam.
„Komm schon, wir müssen weiter!“, sagte Markus und riss seinen Freund mit. Kein Auto hatte sie gerammt. Alex öffnete die Augen. Sie hatten Glück gehabt.

Hinter der nächsten Ecke hielten sie an, um zu verschnaufen. Ihr Verfolger war nicht so wagemutig gewesen. Sie hatten ihn abgehängt.
„Na, wie habe ich das gemacht?“, fragte Markus noch etwas außer Atem.
„Sag mir jetzt, wer das ist!“, sagte Alex und keuchte.
Doch Markus konnte es ihm nicht sagen. Er würde es nicht verstehen.
„Ist er ein Mörder?“
„Ja, so in der Art.“
Markus sah, wie Alex ängstlich - aber beeindruckt von dem Schicksal seines Freundes - langsam den Kopf schüttelte.
„Hab keine Angst!“, sagte Markus. „Ich bin ja hier, um dich zu beschützen. So etwas habe ich schon öfter überstanden.“
Dann verdunkelte sich die Sonne. Im Schatten eines Riesen blickten sich die zwei Jungen um und sahen ihren Verfolger. Er keuchte und schnaubte, sein Kopf war rot angelaufen.
Diesmal war es Alex, der zuerst loslief. Markus folgte.

„Wo wollt ihr hin?“, brüllte der Mann, aber seine Stimme wurde leiser.
„Wir müssen uns sofort verstecken!“, sagte Alex und Markus gefiel der Befehlston in der Stimme seines Freundes ganz und gar nicht. Er hätte das gleiche gesagt, doch aus dem anderen Mund gefiel ihm die Idee plötzlich nicht mehr.
„Nein“, sagte Markus und überholte Alex. „Wir müssen zur Schule. Dort sind wir sicher.“ Wie gewohnt erwiderte Alex nichts.

Mittlerweile schien es so, als hätte ihr Verfolger aufgegeben. Kein Mann lief mehr hinter ihnen her. Kein Keuchen war mehr zu hören. Sie liefen langsamer. Und schließlich gingen sie nur noch.
„Das war knapp“, sagte Markus und versuchte, seinem Freund alle Fragen zu beantworten: „Ich kann dir leider nicht sagen, wer das war. Aber es wäre furchtbar gewesen, wenn er uns erwischt hätte.“
„Hätte er uns umgebracht?“
„Mich auf jeden Fall.“
Alex schüttelte sich und schließlich betraten sie das Schulgebäude.

Sie waren zu spät. Im Gang befanden sich keine Leute mehr. Die Türen waren geschlossen. Sie bahnten sich ihren Weg zu ihrem Klassenzimmer und öffneten die Tür.
Sie waren schon oft zu spät gekommen und wussten, was sie erwartete: Ein scharfer Blick des Lehrers, lächelnde Münder der Klassenkameraden. Es war heldenhaft, nicht immer pünktlich zu sein. Und Markus war stolz darauf.
Doch an diesem Tag ereigneten sich die Dinge nicht wie gewöhnlich. Zwar waren alle Blicke auf sie gerichtet, doch diesmal lächelte auch der Mund des Klassenlehrers.
„Markus. Alex. Wir haben euch erwartet.“
Alex sah sich erstaunt um und dann lief ihm das Blut aus sämtlichen Gliedern seines Körpers. In der letzten Reihe, auf Markus Platz, lehnte ihr Verfolger, ihr Peiniger, der Markus ermorden wollte.
Warum hilft uns keiner, fragte sich Alex und dann kam die prompte Antwort: der Verfolger war infiziert, so wie in dem Computerspiel und hatte alle mit der teuflischen Krankheit angesteckt. Sie würden sich nun auf sie stürzen und bei lebendigem Leibe fressen.

Der Mann erhob sich und ging auf die Kinder zu. Alex verkroch sich hinter seinem Freund. Er war noch zu jung zum Sterben.
Markus war hingegen kein solcher Feigling. Er stellte sich nun seinem Fluch, wartete auf seine Hinrichtung.
Langsam holte der Mann einen Gegenstand hervor, der Markus Schicksal besiegeln würde. Hätte er nur vor Jahren erkannt, welchen Kometenschweif sein Handeln in die Zukunft ziehen würde, hätte er sein Leben anders gelebt.

Markus schloss die Augen, als ihm der Mann den weichen Gegenstand an die Brust drückte. Er griff danach.
„Den hast du vergessen. Er soll dir bei der Schularbeit Glück bringen.“ Der Plüschhase in seinen Händen brannte wie Feuer. Markus Existenz schien zu wanken und brach schließlich, als er das Kichern der Klassenkollegen hörte.
Der Mann, den sich das Schicksal so hart als seinen Vater ausgesucht hatte, küsste ihn und verließ das Klassenzimmer.

Markus hörte den Spott.

Er hörte das Lachen.

Markus starb tausend Tode.

 

Hallo Peter,

auch mir hat die Geschichte gut gefallen. A.C. hat schon Recht: Die Pointe ist vorhersehbar. Aber vielleicht trifft das ja auch nur auf uns kg.de-verseuchte Leute zu, die immer eine besondere Wendung erwarten?
Davon abgesehen stört mich hier diese Vorhersehbarkeit aber auch nicht. Denn die Story ist spannend umgesetzt und gut geschrieben. Ich jedenfalls blieb sofort dran, als ich mit dem Lesen begonnen hatte.

Einige Fehlerteufelchen sind mir noch aufgefallen. Ich weiß jetzt nicht, ob ich im Nachhinein noch alle zusammenbekomme, aber ich liste hier einfach mal, was mir ins Auge springt:

Titel: Markus ohne Apostroph (Eigennamen werden nicht gebeugt, es heißt ja auch "Die Leiden des jungen Werther")
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13 jährige Karriere als Mensch
13-jährige; übrigens eine sehr schöne Stelle :thumbsup:
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„Komm schon, wie müssen weiter!“, sagte Markus
wie = wir
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Sie hatte Glück gehabt.
hatten
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„Markus, du hast...“, sagte die Stimme über den Jungen, doch sie ließen ihr nicht die Zeit, um weiter zu erklingen. Diesmal war es Alex, der zuerst fortgelaufen war. Markus folgte geschwind.
Diese Stelle gefällt mir nicht so gut. Sie klingt ein bisschen gestelzt, altbacken (erklingen, geschwind). Vielleicht umformulieren? Gleiches gilt für die schon von A.C. zitierten Wörter weiter unten in der Geschichte (Sackerl, Buben).
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Wie gewohnt erwiderte Alex nicht.
nichts
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In der letzten Reihe, dort wo Markus normalerweise saß
dort, wo (sind zwar dann recht viele Kommas, aber trotzdem gehört dieses auch noch hierher)
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Sie würden sich nun auf sie stürzen und bei lebendigen Leibe fressen.
lebendigem
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Markus Existenz
Hier fehlt (im Gegensatz zum Titel) das Apostroph hinter Markus.
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Doch, doch, wirklich eine schöne Geschichte mit einigen gelungenen Umschreibungen. Stellvertretend für noch weitere zitiere ich hier eine, die mir besonders gut gefällt:

Hätte er nur vor Jahren erkannt, welchen Kometenschweif sein Handeln in die Zukunft haben würde, hätte er sein Leben anders gelebt.
Hier kommt wirklich gut die Tragweite des Augenblicks für Markus herüber. Dazu trägt auch das Bild des Kometenschweifs bei, der das immense Ausmaß verdeutlicht. Sehr schön!

Viele Grüße
Kerstin

 

Die Geschichte wurde korrigiert!

@ Adrian und Katzano

Vielen Dank für eure Kritiken und Fehlerhinweise. Hab alle ausgebessert und auch noch ein paar mehr gefunden...

Das mit dem Sackerl hab ich nun ganz weggelassen. Zum einem weil es wirklich nicht so schön klingt und andererseits um die "Pointe" nichts ganz so durchsichtig werden zu lassen.

Auch die Burschen hab ich ausgebessert. Soll ja schließlich eine internationale Geschichte werden.


@ katzano

Danke für das Lob. Tut gut!

Lg, Peter

 
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Hallo Peter,
Eine spannende Geschichte...absolut!
Die Vorhersehbarkeit hat mich nicht gestört, denn es blieb noch genug Spannung übrig, daß ich erfahren wollt, ob ich richtig getippt hatte.
Ich schwankte zwischen Ladendiebstahl und Vater.
Allerdings:
............
Der Plüschhase in seinen Händen brannte wie Feuer.
............
BITTE NICHT ! Lass es ein Heft oder ein Buch sein, nur keinen Plüschhasen!
Meine Tochter ist auch dreizehn und ich kann dir sagen: In dem Alter sind die nur noch cool!
Da läuft nix mit Plüschhase. Wenn doch, überlebt der Vater den Tag nicht.
Ich könnte das auch verstehen.
Sowas macht ein Vater nicht, erst recht nicht bei einem Jungen mit solcher Persönlichkeit.
Ich versteh schon daß du da die Peinlichkeit darstellen willst. Lass dann aber bitte wenigstens am Schluß den Jungen seinen Vater umbringen.
Ich brauche da einfach wenigstens etwas Gerechtigkeit. :D

..........
Doch da rammte sie ein Auto, schleuderte sie hoch in die Lüfte und Alex konnte ganz genau sehen, wie der Asphaltboden immer näher kam.
„Komm schon, wir müssen weiter!“, sagte Markus und riss seinen Freund mit. Kein Auto hatte sie gerammt. Alex öffnete die Augen. Sie hatten Glück gehabt.
............
Ich meine, das war zu direkt formuliert, daß man tatsächlich meint, da sei was passiert.
Sicher hast du das auch gewollt, doch ich fand es nicht so passend. Wenn es zu einem Beinahunfall käme, wäre das glaubwürdiger und ebenso dramatisch.

...............
Dann verdunkelte sich die Sonne. Im Schatten eines Riesen blickten sich die zwei Jungen um und sahen ihren Verfolger. Er keuchte und schnaubte, sein Kopf war rot angelaufen.
Diesmal war es Alex, der zuerst loslief. Markus folgte.
..............
Wenn der Schatten tatsächlich so dicht ist, kann der Vater die Jungs auch packen. Dann hätte der Vater doch auch gerufen, warum er hinterher läuft.
Mal abgesehen davon: Wenn ich meiner Tochter nachlaufen müßte, würde ich die Sachen nicht in die Schule bringen. Die dürfte sich auf mich am Nachmittag freuen!

Also: Eine spannende Geschichte mit einigen Haken.
Gruß
Manfred :cool:

 

Hallo Manfred,

Vielen Dank für deinen Kommentar. Meine Geschichte steht aufgrund ein paar fundamentaler Säulen, ohne die sie einstürzen würde.
1. Markus muss flüchten (das passt ja auch)
2. Es muss etwas Schreckliches sein, dass Markus fürchtet
3. Der Vater ist zwar wutentbrannt, bringt den Glücksbringer aber doch noch in die Schule, damit sich sein Sohn bei der Schularbeit nicht in die Hosen macht

Auch wenn die Geschichte nicht ganz realistisch, sozusagen eine besondere Situation behandelt, ist es für eine Erzählung glaube ich verkraftbar. Absichtlich verzichtete ich auf viele Hintergrundausführungen, warum gerade DER Hase, warum ist gerade sein VATER so sehr besorgt, dass sein Sohn die Schularbeit schafft, etc. Ich finde das nicht immer notwendig. Gerade bei diesem Text wollte ich nur die Handlung beschreiben, ohne viel Drumherum (was bei meinen anderen Geschichten wohl eh extensiv gemacht wurde).

Ich bin für deine Ausführungen sehr dankbar, denn schließlich zeigen sie, dass Markus´ Vater nicht so handelt, wie ein echter Papa - der seinem Sohn keinen Plüschhasen in die Klasse bringen würde. Aber er ist trotzdem wichtig. Ohne ihm gäbe es keine Geschschichte.

Auch die anderen Punkte kann ich verstehen und ich werde mich vielleicht noch um die Autosache kümmern, die mich auch noch ein wenig stört.

Vielen Dank, Peter

 

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