Geschrieben von Rainer
Meine Einstellung bislang war: Wer hier veröffentlicht, gibt das Signal zu möglichst schonungslosem Umgang mit seinem Text, in der Hoffnung, sich zu verbessern und weiter zu entwickeln. Ich ging dabei von mir selber aus, was sich wohl als Fehler heraus gestellt hat.
Anscheinend geht/ging es dem Gros der Autoren gar nicht darum, eine literarische Evolution zu durchleben, sondern schlicht und ergreifend um Spaß an der Freude selbst. Schreiben um des Schreiben willens. Dass ich diesen Spaß vielen verdorben habe, tut mir ehrlich Leid.
Einerseits - siehe Thread-Titel - verblüfft(e) es mich, welche Bedeutung man als Kritiker gewinnt! Nach ein, zwei harten Text-Verrissen gibt ein Nachwuchs-Autor auf, zieht sich beleidigt zurück.
Die Gründe der Autoren, hier zu veröffentlichen, sind sehr vielfältig. Für viele ist es das erste Mal, dass sie einen Text einer etwas "breiteren Öffentlichkeit" präsentieren - in der Hoffnung, eine (positive) Bewertung und vielleicht auch ein wenig Anerkennung zu erhalten.
Ich wage mal die Prognose, dass es sehr vielen – zumindest anfangs – nicht nur darum geht, sich weiterzuentwickeln, sondern dass sie erst einmal eine Bestätigung haben möchten, dass sie auf einem halbwegs guten Weg sind.
Da das viele bei den ersten Texten noch nicht sind bzw. noch gar nicht sein können, führt eine ehrliche, schonungslose Kritik dann natürlich zu Frust. Insofern entscheidet der Kritiker möglicherweise darüber, ob der Autor die Brocken hinschmeißt. Darüber solltest du dir im Klaren sein, Rainer.
Trotzdem bin ich nicht dafür, eine Kritik zu beschönigen. Nur sollte man darauf achten, wie man es rüberbringt
Ich sehe es so: Kritiker hier auf kg.de sind so etwas wie "Testleser", denen man einen Text nach dem Überarbeiten gibt, um ehrliches Feedback zu bekommen. Es sind Testleser, die sich zumeist auch selbst mit dem Schreiben befassen und somit anders bewerten können als jemand aus dem Bekanntenkreis, der "nur" liest.
Ein Testleser, der einem Autor weiterhilft, stellt die positiven und negativen Punkte heraus, macht auf Ungereimtheiten oder Längen im Text aufmerksam, aber er ist für mich nicht gleichzusetzen mit einem Literaturkritiker, der einen Text ohne Ansehen der Person des Autors beurteilt und möglicherweise auch total niedermacht - wenn er der Meinung ist, das sei gerechtfertigt.
Für mich persönlich ist kg.de in erster Linie für die Autoren da. Gefragt sind - meiner Meinung nach - Testleser, nicht Literaturkritiker.
Wichtig ist ein ehrlicher, konstruktiver und detaillierter Kommentar - das kann letztendlich auch ein Verriss sein, wenns nichts Positives zu finden gibt. Ob man den Verriss dann schreibt oder es sein lässt, bleibt jedem selbst überlassen. Wenn man ihn schreibt, sollte man allerdings schon ein bisschen darauf achten, wie man ihn formuliert – finde ich (vor allem, wenn man den Autor nicht oder nicht so gut kennt und nicht weiß, wie er reagieren wird).
Wenn eine Kritik nur "vernichtend" ist, muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Autor vielleicht alles hinschmeißt. Allerdings kommt es meiner Meinung nach entscheidend darauf an, wie die Kritik formuliert ist. Wenn an einer Geschichte nichts Positives zu finden ist, wird sich die Kritik zwangsläufig im Aufzählen der Negativpunkte erschöpfen. Trotzdem kann das einen Autor weiterbringen – auch wenn er im ersten Moment mal niedergeschlagen ist oder glaubt, sich rechtfertigen oder gar „zurückschießen“ zu müssen.
Wenn in eine Kritik ironisch-bissige Kommentare eingebaut werden, wozu du auch neigst, Rainer, dann muss der Kritikschreiber damit rechnen, dass sich ein Autor persönlich angegriffen fühlt und die Kritik selbst gar nicht oder nur untergeordnet wahrnimmt.
Wenn ein Kritiker das Ziel hat, den Autor weiterzubringen, sollte er so was rauslassen.
Deine Kritiken sind meist sehr fundiert, aber nicht immer sachlich.
Eine sachliche Kritik wird ein Autor in der Regel eher annehmen, auch wenn sie extrem negativ ist, als eine, die mit solchen Kommentaren gewürzt ist, wie du (und einige andere) sie manchmal schreibst. Du gibst dir große Mühe und zählst zig kritikwürdige Punkte auf, und möglicherweise kommen die, obwohl sie dem Autor sehr gut weiterhelfen könnten, beim Autor gar nicht an, weil er sich aufgrund von sarkastischen Kommentaren (die du sehr oft auf den Autor münzt, und nicht auf den Text!) angegriffen oder gar beleidigt fühlt, auch wenn du es gar nicht so gemeint haben solltest.
Vielleicht sollte fürs Geschichtenkommentieren das gleiche gelten wie fürs schreiben an sich: Nach dem ersten Schreiben erst mal liegen lassen und später überprüfen, ob alles so passt, und erst dann posten. Der eine oder andere (zu) bissige Kommentar fliegt dann vielleicht raus. Ist natürlich auch eine Zeitfrage, aber bei ernsthafter Absicht sollte die Zeit nicht die entscheidende Rolle spielen – das gilt fürs Geschichtenschreiben und auch fürs Kommentieren.
Manchmal hab ich bei dir den Eindruck, Rainer, dass du ein recht ausgeprägtes Schwarz-Weiß-Denken hast, Geschichten sind für dich (oftmals - vielleicht täusche ich mich da aber auch) gut oder scheiße, dazwischen gibt es nicht so furchtbar viel.
Aber fast immer ist neben schwarz und weiß auch grau da, und ich finde es wichtig, auch das anzusprechen. Bei vielen schlechten Geschichten sind eben doch auch positive Aspekte zu finden – warum sollte man die aussparen, vor allem, wenn sie auch aufbauen können?
Aber ist es nicht das gute Recht jedes Autors, sich die Kritiken auszusuchen, die er lesen, vielleicht sogar zu Herzen nehmen möchte?
Natürlich ist es das gute Rechts eines jeden Autors, sich die Kritiken rauszusuchen, die er zu Herzen nehmen möchte.
Ich gehe sogar noch weiter und sage, man muss als Autor lernen, Kritiken zu beurteilen und die herauszufiltern, die einen weiterbringen. Ein "Tolle Geschichte" bringt einen Autor genausowenig weiter wie ein "Grottenschlechter Text. Lass es bleiben, du kannst es nicht".
Wenn man weiß, dass ein Verriss zu monatelanger Schreibblockade führt, sollte man einen Verriss vielleicht auch mal auf Seite legen und sich den Kommentaren widmen, die einen – wenn auch in kleinen Schritten – weiterbringen und nicht zum Aufgeben bewegen.
Das muss jeder für sich selbst herausfinden und entscheiden.
Natürlich muss ein Autor auch lernen, mit negativen Kritiken umzugehen und sehen, dass man daraus seine Lehren zieht. Spätestens wenn man nämlich etwas in der "richtigen Welt" veröffentlicht, wird man sich Kritiken stellen müssen, die auch Verrisse sein können und nicht selten unter der Gürtellinie liegen.
Wenn einem jungen Hobbyautor so was aber gleich zu Beginn seiner „Karriere“ widerfährt, ist es manchmal natürlich starker Tobak für ihn.
Also Rainer, im Prinzip würde ich sagen:
Mach in punkto ehrlicher, schonungsloser Kritik weiter wie bisher und verkneif dir den einen oder anderen sarkastischen Kommentar, auch wenn’s dir (oftmals verständlicherweise) in den Fingern juckt, dann leistest du einen wertvollen Beitrag für die Autoren und für kg.de - und kg.de läuft darüber hinaus nicht Gefahr, zur „Kuschelecke“ zu verkommen, woran ja niemandem gelegen sein kann, der sich ernsthaft mit dem Schreiben befasst.
Erwartungen darf man an die Autoren schon knüpfen - aber es sollte einen Unterschied machen, ob man einen jungen oder erfahreneren Autor vor sich hat bzw. ob man schon mehr von einem Autoren gelesen hat oder ob es der erste Text ist.
Ich finde nicht, dass man eine einheitliche Linie fürs Kommentarschreiben braucht - das funktioniert auch gar nicht. Oberste Priorität sollte aber Konstruktivität haben.