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Die Verführerin
Ich liebe die Zeit der Dunkelheit, die Zeit der Schwarztöne.
Nach Wochen sah ich wieder einmal aus dem Fenster und stellte fest: draußen ist noch da.
Es hatte sich gewandelt, irgendjemand hatte das Grau ausgetauscht gegen Grün. Ich hatte diese Veränderung nicht mitbekommen, kleidete mich immer noch in den Farben des Vortodes.
Dann schien gar die Sonne. Sonne. Heuchlerin. Willst du mich locken? Wohin? Willst du mich verführen, mein verborgenes Licht zum Leuchten bringen um mich dann wieder fallen zu lassen direkt im Sturzflug zur Hölle? Wie kann ich dir vertrauen?
Ich entschied, den Kaffeeautomaten aufzusuchen. Hier im siebten Stock gibt’s sogar zwei davon. Auf dieses ächzende Gerät war jedenfalls Verlass. Es schluckte meine Münzen, machte einen Mordspektakel ehe der spärliche Strahl in den braunen Plastikbecher plätscherte. Oft verbrachte ich Stunden an diesem Platz. Ich sah den anderen Patienten zu, wie sie sich Kaffee holten, wie sie sich mit dem Automaten unterhielten, genau wie ich es tat, hin und wieder.
Wieder ein Sonnenstrahl. Er suchte sich seinen Weg und traf genau auf meinen Plastikbecher. Ich hielt ihn, hielt ihn fest, obwohl die dunkle Brühe zu heiß war. Sonne, Verführerin. Ich lasse mich nicht mit dir ein. Niemals. Im nächsten Moment bekam ich die Bestätigung, schmiss den Becher in die Luft. Er traf auf Else, die hysterisch zu schreien begann.
„Was soll der Scheiß?“ herrschte Zivi Ole mich an.
„Du hast doch keine Ahnung. Sie verfolgt mich, sieh doch, wie sie immer wieder versucht, mich mit ihren Strahlen zu verletzen. Kennst du den Schmerz, den Schmerz der mitten ins Herz geht?“
Ich verschwand in mein Zimmer. Dort ließ ich das Rollo herunter, kauerte mich in eine Ecke und wartete auf die Nacht.