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Dieses Haus ist nicht sicher
Das Scheppern folgt direkt auf das Schrillen der Türklingel. Ich schaue von meinen Vokabeln auf. Meiner Mutter ist das Küchenmesser aus der Hand gerutscht. Es liegt auf dem Fußboden, mit der Schneide nach oben.
Vorgestern ist ein neuer Mieter über uns eingezogen. Wir standen am Fenster, meine Mutter und ich, als der Umzugswagen mit dem Rad am Randstein entlangschrammte. „Da zieht ein Mann ein“, sagte meine Mutter, „ein Mann mit Schulden.“ Wir überlegten, welcher es sein könnte. „Der mit den roten Haaren, der ist es“, sagte sie. „Guck doch, der jetzt aus dem Auto aussteigt. Jetzt geht er ins Haus.“ Früher wollte ich auch das zweite Gesicht haben. Einmal hat meine Mutter nachts von Japan geträumt und von Rauch. Am nächsten Tag brachten sie Fukushima in allen Nachrichten.
Ich höre, wie meine Mutter die Kette vorlegt, bevor sie die Tür öffnet.
„Moin, moin!“, ruft er, und dass er Marco Schmidt heißt und frisch aus Köln hier hochgezogen ist. Ob wir am nächsten Tag für ein Stündchen zu einem Einstandssekt kommen wollen, auf gute Nachbarschaft. Meine Mutter sagt ja, okay und danke und noch etwas, was ich nicht verstehe, und dann schweigen sie. Vielleicht wartet er darauf, dass sie die Kette abnimmt. Schließlich sagt er: „Na, dann freu ich mich. Tschö, bis morgen!“
Als ich in den Flur komme, hören wir, wie er nebenan klingelt.
„Warum hast du ja gesagt?“, frage ich, aber sie macht „Psst“ und steht mit dem Ohr an der Tür. Man hört Frau Yildiz lachen und „Herzelig willkommen!“ sagen.
„Warum hast du ja gesagt?“, flüstere ich, während sie mich in die Küche zurückschiebt. „Gehen wir hin?“
„Ich denke nicht“, sagt sie.
Aber als ich am nächsten Tag aus der Schule komme, hat meine Mutter eine Bluse angezogen. Wir gehen spät los, damit schon welche da sind, wenn wir kommen.
Während ich ihr die Treppe hinauf folge, sehe ich, dass an ihrem Hinterkopf die Haare auseinanderfallen. Man müsste einen Kamm nehmen und einmal vorsichtig über die Haare gehen, das Nest in ihrer Frisur schließen. Bei jeder Stufe muss ich hinstarren.
Wir sind die Einzigen. „Das kapier ich nicht“, sagt er. „Die von gegenüber haben gesagt, sie wissen nicht, ob sie's schaffen. Aber sonst haben alle zugesagt.“
Meine Mutter betritt das Wohnzimmer, als ob sie von hinten geschoben wird. „Trinkst du denn schon Sekt, Mia?“, fragte er mich und zwinkert mir zu.
„Nein“, sage ich, „ich bin erst vierzehn.“
„Für Sie einen?“
Meine Mutter nickt zögernd und er nimmt die Flasche vom Tisch. Überall stehen kleine Schalen mit Krackern und Chips, auch auf den Umzugskartons. Die Möbel sind zum Teil schon aufgebaut, sie sehen neu aus und ich denke an den Lärm über unseren Köpfen die letzten Tage.
„Komisch, dass sonst keiner gekommen ist“, sagt er zu meiner Mutter. „Woran kann das liegen?“ Sie zuckt mit den Schultern.
Ich räuspere mich. „Vielleicht haben die gedacht: ‚Ach, mir wird das zu viel und es sind ja genug andere da.'“
Er schaut mich an. „Tja.“ Draußen klappern Schritte und er horcht auf, aber das Geräusch entfernt sich wieder. Dann macht er sich daran, den Draht vom Sektkorken aufzudrehen. Sein Handrücken ist mit Sommersprossen gesprenkelt. Als er den Korken umfasst, sieht meine Mutter hin, als wolle er etwas erwürgen. Am liebsten möchte ich wieder nach unten gehen und meine Hausaufgaben machen.
„Und für dich eine Cola?“, fragt er. Ich schaue zu meiner Mutter und nicke. Manchmal macht es klick bei ihr. Dann lächelt sie und redet mit den Leuten. Zum Beispiel beim Einkaufen oder beim Elternsprechtag. Aber jetzt macht es nicht klick und nach kurzer Zeit unterhält er sich nur mit mir, fragt nach der Schule und meinen Hobbys und ich sage, dass ich in die Achte gehe und viel lese. Ich sage nicht, dass ich gerne Hausaufgaben mache, das ist nicht normal für ein Mädchen in meinem Alter. Meine Mutter scannt den Raum aus den Augenwinkeln und schweigt. Also rede ich von Sunny, meinem Meerschweinchen. Ich erzähle ihm, wie ich mit Bauklötzen einen Irrgarten für Sunny baue und dass ich Gras für sie rupfe als Belohnung im Ziel. Er lacht. Ich könnte ihn fragen, warum er hierher gezogen ist, in diese Wohnung. Vielleicht hat er irgendwo eine Ex-Frau, mit leerem Gesicht und einem rothaarigen Baby im Arm. Ob er wohl Unterhalt zahlt?
Bei meiner Mutter hat es immer noch nicht klick gemacht. Sie trinkt kleine Schlucke von dem Sekt und schaut den Stuhl gegenüber an, als ob da einer sitzen würde. Meine Cola ist so süß, dass sich alles in meinem Mund zusammenzieht. Marco Schmidt lauscht schon wieder Richtung Tür und fährt sich durch die Haare. Dann lacht er auf.
„Ich hab' ein neues Spielzeug. Ist natürlich Killefitz. Sie kennen das Teil sicher aus der Werbung.“ Er zeigt auf ein weißes, rundes Plastikding auf dem Fußboden.
Wir haben keinen Fernseher und schütteln den Kopf.
„Was hören Sie denn für Musik?“, fragt er. „Sagen Sie mal was. Oder du, Mia, sag mal, hast du eine Lieblingsband?“ Ich will erst mit dem Kopf schütteln, aber dann nenne ich einen von den Namen, die bei uns durch die Klasse schwirren. Er spricht ganz deutlich: „Alexa: spiele was von Justin Bieber.“
Als ich bei meiner Mutter im Bauch war, hat sie mir immer Pippi Langstrumpf vorgelesen, und seit ich auf der Welt bin, lesen wir jeden Abend etwas von Astrid Lindgren. Mama sagt, das ist der schönste Teil des Tages.
Im Moment ist wieder „Wir Kinder aus Bullerbü“ dran. Sunny sitzt auf meinem Schoß und ich kraule sie unterm Kinn. Mama verliest sich heute ständig, überspringt Wörter, ganze Zeilen. Dann schlägt sie das Buch zu. „Ich hätte den Sekt nicht trinken sollen.“
„Aber wie die Alexa die Witze erzählt hat, das war gut“, sage ich.
„Nein“, sagt sie, „das war nicht gut.“
Sie öffnet die Tür, bevor ich aufschließen kann, drängt mich mit meiner Schultasche ins Wohnzimmer und legt den Finger an die Lippen. Ich weiche zurück, sie riecht nach Schweiß, beinahe muss ich würgen.
„Ganz leise sein“, flüstert sie.
„Wieso denn?“
„Dieses Gerät da oben. Das hat der nicht zum Spaß.“
„Alexa?“
„Pssst, nicht den Namen sagen. Das weckt es doch.“
„Mama, wir sind viel zu weit weg.“
„Das glaubst du. Das glaubst auch nur du.“
„Müssen wir jetzt immer flüstern?“
Wir zucken zusammen, als es oben poltert.
Vor dem Einschlafen denke ich an den Mann über uns, an seine sommersprossigen Hände, solange, bis ich wieder wach bin. Ich schiebe meine Bettdecke herunter und streife mein T-Shirt hoch bis unters Kinn. Seit Weihnachten wölbt sich etwas Festes unter meinen Brustwarzen, es wächst und manchmal fühlt es sich an wie eine Krankheit. Heute Nacht lege ich meine Hände über die kleinen Hügel und verberge sie vor ihm, vor dem Gerät, das für ihn alles aufnimmt, was in unserer Wohnung passiert. Ich weiß, dass ich lüge, jetzt in diesem Moment.
Aus unserer Wohnung dringen schleifende Geräusche. Ich stehe vor der Tür und lausche. Als ich den Schlüssel ins Schloß stecke, ruft meine Mutter, „Moment!“ Es rumpelt und als sie öffnet, steht da eine Leiter. Ihre Haare kleben auf der Stirn und sie atmet schwer. Aber sie lächelt.
„Fliegennetze“, flüstert sie und zeigt auf die Rolle am Boden. Sie hat begonnen, sie unter der Decke zu befestigen, mit Reißzwecken. „Gut, dass du da bist. Du kannst mir die Bahnen anreichen.“
Abends zündet sie Kerzen an. Sie zieht die Vorhänge zu und verbietet mir, Licht zu machen. Er soll nicht sehen, dass wir zu Hause sind.
„Du bist doch immer da“, sage ich. Selbst die Einkäufe lässt sie neuerdings kommen. Aber heute ist etwas mit ihr passiert und ich hoffe, es ist etwas Gutes.
„Komm, ich zeig dir was.“ Sie lacht geheimnisvoll. Über meinem Bett hängt ein Regenschirm, den sie von innen mit Alufolie beklebt hat. Ich traue mich nicht, zu ihr hinzuschauen. Vielleicht weiß sie, dass ich letzte Nacht an Marco Schmidt gedacht habe. Aber sie kichert schon wieder. Als sie abends vorliest, spiegelt sich das Kerzenlicht im Schirm und sie flüstert mit glänzenden Augen: „Ist das nicht romantisch? Jetzt ärgert er sich.“ Sie sieht aus wie ein Gespenst. Nein. Wie ein Engel.
Später bleibe ich eine Weile auf dem Rücken liegen. Wie ein Ufo hängt der Schirm über mir. Darüber tastet etwas, will zu mir durch. Ich stelle mich auf das Bett und versuche den Schirm beiseite zu ziehen, ihn mit dem Knauf am Regal hinter meinem Bett abzustützen. Vergeblich, er rutscht immer ab. Frustriert lege ich mich wieder auf den Rücken. Rutsche etwas tiefer, bis mein Unterleib unter dem Schirm hervorguckt und decke mich auf. Sofort pocht es zwischen meinen Beinen. Vielleicht hat er Alexa direkt über meinem Bett auf den Fußboden gestellt. Wenn ich an seine Hände denke, wird das Pochen stärker. Auch, wenn ich an seine Stimme denke. „Mia“, sagt er, „erzähl einen Witz.“
Da löst sich der Schirm und fällt mir mit dem Knauf ins Gesicht, auf den Knochen unter mein Auge. Ich schreie. Meine Mutter steht sofort im Zimmer. Ist sie gar nicht weggewesen? Als sie mich in den Arm nimmt, kann ich nicht mehr aufhören zu weinen und sie schwört immer wieder, dass sie mich beschützen wird.
In der Schule sitze ich neben Janina.
„Nee“, sagt sie, „meine Eltern sagen, son Mist kommt ihnen nicht ins Haus. Wir wollen uns ja nicht die Bude verwanzen.“
Timo beugt sich rüber: „Wir haben eins. Du musst mal zu der sagen: Alexa, Selbstzerstörung, mach das mal.“
„Wir haben ja gar keins, aber der, der über uns wohnt.“ Ich habe mir die Worte genau überlegt. „Meine Mutter meint, dass es vielleicht irgendwie schädlich ist.“
„Du meinst, wegen Strahlung und so?“ Timo schüttelt den Kopf. „Dann kannst du gleich einpacken. Überall sind Strahlen.“
„Meine Mutter meint mehr sowas wie, dass er uns damit abhören kann.“
Janina und Timo gucken sich an und mir wird ganz heiß.
„Ausschließen kann man das nicht,“ sagt Janina langsam, „aber man soll sich da nicht so reinsteigern. Meine Meinung. Ist ja ne Wand dazwischen.“
„Ruf doch mal ganz laut: Alexa, Selbstzerstörung!“ Timo grinst und zwinkert Janina zu.
Sie ist nicht da. Auch nicht im Bett. Es ist lange her, dass ich alleine in unserer Wohnung gewesen bin, eigentlich gar nicht mehr, seit meine Mutter die Rente bekommt. Im Topf schwimmen ein paar kalte Kartoffeln, aber ich habe sowieso keinen Appetit. Ich setze mich mit meinen Hausaufgaben direkt ans Fenster, stehe aber gleich wieder auf, um nochmal im Schlafzimmer nachzusehen. Vielleicht habe ich sie übersehen, sie ist so klein und schmal, meine Mutter, vielleicht hat sie sich die Decke über den Kopf gezogen und ist in einer Falte verborgen. Ihr Bett ist leer. Auf dem Nachttisch liegt alles durcheinander, Tabletten, eine Rolle Alufolie, Stifte, bekritzelte Zettel, die ich versuche zu entziffern. Bis Sunny in meinem Zimmer quiekt. Schnell laufe ich zu ihr, nehme sie aus dem Stall und drücke sie an mein Gesicht. In diesem Moment dreht sich der Schlüssel im Schloss.
„Wo warst du?“, schreie ich. Dann erst sehe ich, wie schwer sie trägt und wie heftig sie atmet. Sie lässt die Tüten fallen, legt den Finger an die Lippen und deutet nach oben.
„Ich habe noch mehr Fliegengitter besorgt. Und Alufolie“, flüstert sie, während sie sich auf den Stuhl fallen lässt. „Und ich hab dir ein Fischbrötchen mitgebracht.“
„Und du?“, sage ich. „Was hast du gegessen?“ Eine Mutter sollte mehr wiegen als die Tochter.
„Leise!“ Sie sticht mit dem Finger mehrmals heftig Richtung Decke.
„Mama, ich finde, wir sollten uns da nicht so reinsteigern. Meine Meinung.“
Sie lacht hart auf. Dann beugt sie sich vor. „Weißt du, was heute morgen passiert ist?“
„Was denn?“
„Auf einmal ging der Herd an. Einfach so.“
„Vielleicht haben wir ihn ja angelassen.“
Sie schüttelt langsam den Kopf. „Der Schalter hat sich gedreht. Vor meinen Augen.“
„Mama!“
„Aber das ist nicht das Schlimmste.“
„Was ist das Schlimmste?“, flüstere ich.
„Du bist zu jung, du unterscheidest noch gar nicht, was du selber denkst und was dir überspielt wird. Ich spüre das genau. Seine Gedanken sind pelzig und machen ein kratziges Gefühl in der Kehle.“
Ich schlucke krampfhaft. „Was denn für Gedanken?“
Sie schüttelt den Kopf. „Du schläfst heute Nacht bei mir.“
„Bei dir? Aber ...“
„Weißt du nicht mehr, was letzte Nacht passiert ist?“
„Was soll denn da passiert sein?“
Sie stutzt und spricht ganz langsam. „Mia, hast du das mit dem Schirm vergessen?“
„Schirm?“ Mir wird übel.
Sie schnappt nach Luft.
„Wie er heruntergefallen ist? Oder, besser gesagt, heruntergefallen worden ist.“
“Ach das! Natürlich weiß ich das noch. Heute hat mich doch jeder wegen meinem Auge gefragt.“ Ich habe gesagt, dass mir ein Buch aus dem Regal ins Gesicht gefallen ist. Ein dickes Buch von Astrid Lindgren.
Meine Mutter schüttelt den Kopf.
„Du hattest es vergessen. Er hat es gelöscht.“
„Nein, natürlich erinnere ich mich. Glaubst du mir etwa nicht?“ Ich schreie fast und wieder sticht sie nach oben mit ihrem Finger und macht ein böses Gesicht.
„Merkst du wie das kratzt?“ Sie greift sich an den Hals, ihre Augen, wie zwei dunkle Murmeln. War sie dabei, als ich nachts den Schirm weggeschoben habe?
„Ich meine nur, weil die Frau Nannsen damals gesagt hat, ich soll in meinem eigenen Bett schlafen. Um selbständiger zu werden.“
„Das ist doch jetzt eine völlig andere Situation.“ Auf einmal sieht sie ganz klein aus und ich schäme mich, weil ich weiß, dass sie vor der Nannsen Angst hatte. Aber sie wird mich in meinem Bett schlafen lassen.
Mama, nimmst du noch die Medizin? Nein, das frage ich nicht. Ich erzähle von dem Zettel, der unter der Hausordnung hängt. „Dieses Haus ist nicht sicher.“
Sie nickt: „Siehst du, da sind andere auch schon drauf gekommen. Mach dir keine Sorgen. Wir sind nicht allein. Es wird eine Austreibung stattfinden.“
Ich bin das stärkste Mädchen der Welt. Ich drücke lange auf den Klingelknopf, sehr lange. Als er öffnet, rufe ich: „Es ist aus, Marco Schmidt! Her mit Alexa!“ Er steht da, mit offenem Mund. Ich stoße ihn beiseite. Er versucht, Alexa zu aktivieren. Ihr Lichtring kreiselt und kreiselt. Ich schmeiße sie aus dem Fenster. „Nein!“, schreit Marco Schmidt, aber sie explodiert schon in der Luft. Das Gesicht meiner Mutter entspannt sich. Über meinem Bett ist die Zimmerdecke mit Alufolie beklebt. Ich liege auf dem Bettvorleger, die Hand zwischen den Beinen. Marco Schmidt hält mich ganz fest und schließt meine Finger mit Gewalt um Alexa. „Nimm sie“, sagt er und lacht. Ihr Lichtring kreist und ich stülpe mich um wie ein Handschuh. Meine Haut liegt innen, zuckend. Es ist das schönste Gefühl, dass ich jemals hatte.
Als es an der Tür klingelt, mache ich gerade Mathe. Ich bleibe sitzen, ohne mich zu bewegen und halte die Luft an. Es klingelt wieder. Schließlich schleiche ich zum Schlafzimmer.
„Mama, es hat geklingelt.“
Meine Mutter läuft seit gestern in Zeitlupe. Ihre Augen schauen an mir vorbei, ohne zu zwinkern. Jetzt dreht sie sich langsam weg.
Jemand ruft von draußen. Eine Frau. Ich schließe schnell die Schlafzimmertür und mache auf. Draußen steht Frau Yildiz.
„Hallo Mia. Ist deine Mutter da? Ich würde gern mal mit sie sprechen.“
Ich schüttele den Kopf.
„Meine Mutter ist nicht da. Kann ich ihr etwas ausrichten?“
„Was ist mit dein Auge passiert?“
„Ein Buch, aus dem Regal, ist blöd gefallen.“
„Oje. Pass auf, sag deine Mutter, ich hab jetzt schon dreimal die Treppe gemacht und sie hat in ihre Woche nichts gemacht. Das finde ich nicht in Ordnung.“ Sie zögert. „Oder ist sie krank?“
„Nein nein, alles gut. Ich mache die Treppe. Heute noch. Entschuldigung.“
Ich schließe die Tür vor ihrem Gesicht.
Während ich den Lappen über dem Eimer auswringe, kommt er die Treppe hinauf. Ich wringe und wringe. Seine Füße treten in mein Blickfeld und ich presse die letzten Tropfen aus dem Lappen.
„Na, du bist ja fleißig dabei. Und jetzt muss ich hier noch durchlaufen“, sagt er.
„Macht nichts“, murmele ich.
Er bleibt immer noch stehen. Also richte ich mich auf, werfe den Lappen auf den Boden und schiebe den Schrubber hinein.
„Mia“, sagt er, „warum hängst du da unten diese Zettel auf?“
„Was für Zettel?“
Er hält mir mein Papier vor die Nase. Ich sehe vorbei.
„Das war ich nicht.“
„Doch, warst du. Du bist gesehen worden. Gestern. Warum ist das Haus nicht sicher? Was meinst du damit?“
Ich nehme den Eimer und drehe mich weg.
„Mia!“
„Das war nur Spaß.“
Meine Hände zittern, als ich unsere Wohnungstür aufschließe.
„Sowas ist doch nicht lustig. Mia warte.“
Schnell drücke ich mich durch den Türspalt, obwohl das Wasser schwappt und der Schrubber hängen bleibt. Er soll das Fliegengitter nicht sehen. Dann bleibe ich mit klopfendem Herzen stehen und lausche, bis er die Treppe hinauf geht. Er hat meinen Namen noch einmal gerufen. Ich verwahre ihn für heute Nacht.
Sunny frisst gar nichts von meinem Gras. Stattdessen dreht sie sich um und beißt mich in den Finger. Dann versteckt sie sich. Ich suche sie überall, aber sogar ihr Stall ist weg.
„Mama, Sunny hat mich gebissen!“ Im Schlafzimmer riecht es nach Schweiß. Meine Mutter öffnet langsam die Augen. Ich schreie so lange, bis sie mich ansieht. Ihre Stimme klingt dumpf, als läge sie in einem dunklen Keller. „Hast du das immer noch mit Sunny? Ich dachte, die Zeiten wären vorbei.“ Ich krabble zu ihr ins Bett, dränge mich ganz dicht an ihren Rücken, an das bisschen Knochen, was sie ist, und berichte ihr genau, wie weh es getan hat.
„Mama, ich blute“, sage ich, „Mama, ich muss zum Arzt. Mama!“