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Diner Trek
Der kleine, dunkle Fleck raste durch das ewige All, die atomarme Stille des Nichts. Eine endlose, lichtzerpunktete Schwärze prägte nachhaltig das Gesamtbild: oben, unten, links und rechts.
Und in der Mitte ganz besonders.
Auffallend still war es dort allerdings nicht.
»Sam! Hier unten ist es stockfinster!«
»Gut, das du mir das sagst, Paul! Hätte ich vor lauter Suchen gar nicht mitbekommen... Also nein, manchmal glaube ich, du hast echt einen an der...«
»Ich mein ja nur! Brauchst nicht gleich sarkastisch zu werden. Wo ist denn nun das Stromerzeugungsdingens?«
»Irgendwo hier unten!«
»Und wo nun genau?«
»Keine Ahnung! Hab ich das blöde Ding gebaut, oder was?«
»Meinst du jetzt das Stromding oder den Bunker?«
»Paul! Kannst du endlich mal Ruhe geben. Ich...«
Das Geräusch eines Kopfes, der gegen ein zu tief hängendes Leitungsrohr schlägt, mischte sich aufdringlich ins Gespräch ein.
»Aua!«
»Was ist los, Sam?«
»Hab mir den Kopf gestoßen!«
»Hihihi! Wo de... Aua!«
»Da, Hehehe.«
»Danke, dass du mich gewarnt hast.«
»Gern geschehen. Und jetzt hör auf rumzualbern, ich habe den Generator gefunden!«
Es klickte ein paar Mal. Danach lief die lang gesuchte Maschine zögernd an und tuckerte lauthals ihre Empörung über diese späte Störung in die kleine Welt hinaus.
Strom floss durch die Adern der Wände und blubberte am Ende als träges Neonlicht heraus. Es sippte und zirpte an Hunderten von Stellen im ganzen Gebäude, dann verwandelte sich der kleine, schwarze Fleck im Nichts in ein neon-blau-rot-weiß-bestrahltes Diner.
Das umgebene Nichts verwandelte sich übrigens in gar nichts, womit es das tat, was es am besten konnte.
Die Werbewirksamkeit der Außenbeleuchtung war zwar gleich null, dennoch rauschte das Diner unverändert ziel- und planlos – aber dafür wenigsten sehr geradlinig in seinen Bestrebungen – durch die Unendlichkeit.
Unten dran hing der gewaltige Betontorso eines Atomschutzbunkers, einstmals streng geheim und in felsigen Granit gegossen, um in lang zurückliegenden Zeiten das Leben von knapp sechzig Leuten zu retten, die sich persönlich zu wichtig fanden, um einfach so zu Staub zu zerfallen, wenn sie mal einen kleinen, politischen Verhandlungsfehler begangen hatten.
An den großen, druckgesicherten Panzerglaspanoramascheiben oben im Lokalraum des Diner schwebten momentan aber nur Paul und Sam, ehemalige Archivare im staatlichen Bauplanungsamt, und betrachteten etwas wehmütig den wunderschönen Sternenhimmel, der sich vor ihnen in seiner ganzen Pracht auftat.
»Jetzt haben sie’s wirklich geschafft, Sam.«
»Ja, sieht so aus.«
»Die werden’s wohl nie lernen.«
»Ich denke, dazu werden sie auch keine Gelegenheit mehr bekommen, Paul.«
Paul musst sich in dieser Sekunde gewaltig schnäuzen und Sam vergoss eine theatralische Träne, ansonsten sahen beide recht gefasst auf die sich ganz allmählich entfernende Staub- und Geröllwolke, die vor kurzem noch Heimat des einzigen im Sonnensystem bekannten intelligenten Geschöpfs gewesen war.
Das Schaf hatte übrigens rein zufällig auch Paul geheißen, doch Namen sind ja Schall und Rauch, besonders letzteres in jenem Augenblick.
»Wie haben wir das nur überlebt, Sam?«
»Würd’ sagen: wir waren wohl die klügsten und schnellsten von allen.«
Sam bemerkte, wie Paul ihn mit einem skeptischen Seitenblick taxierte.
»Na gut, wir hatten halt scheiß viel Glück!«
»Und einen Gott, der für uns mal eben das Gesetzbuch der Physik und Wahrscheinlichkeitsrechnung aus der Hand gelegt hat. Man kann wirklich sagen, dass wir haarscharf am Tod vorbeigeschrammt sind!«
+Ja.+
»Hast du das eben gehört, Sam?«
»Nein, was?«
»Ach, egal! Muss wohl von draußen gekommen sein.«
Die beiden Männer beschlossen ordnungsliebend, wie Archivare nun mal sind, zu erst einmal das gesamte Diner einschließlich des darunterliegenden Bunkerkomplexes aufzuräumen. Nach dem etwas holprigen Start war die Entropie in diesem Teil des Universums besonders hoch, und das konnte natürlich nicht so einfach hingenommen werden.
Während Sam und Paul die umherfliegenden Stühle in der Besenkammer verstauten, den heruntergefallenen Putz aus der Luft sammelten und die verkippten Salzstreuer nachfüllten, begannen beide existentielle Ängste zu plagen.
»Sam, was ist, wenn wir mal auf ’s Klo müssen?«
»Paul, du weißt doch, dass die Bunkeranlage dort unten eine geräumige und mit allerlei Luxus-Krimskrams ausgestattete Toilette besitzt.«
»Ja, schon richtig, aber wenn unsere Lagerliste soweit korrekt ist, haben wir mehr als fünfzehntausend Dosen Paprika und zwanzigtausend Dosen Tomatenmark mit an Bord!«
»Hehe. Das ergibt zusammen den zwölf Tonnen Corned Beef einen ganz schönen Riesentopf Gulasch, was?«
Sam feixte zu Paul.
»Find ich gar nicht witzig, Sam! Ich bekomme von Paprika und Tomaten immer Sodbrennen und Durchfall.«
»Das große Auffangbecken unter dem Klo ist für die Schei... äh, ich meine Verdauungsendprodukte von mehr als sechzig Leuten und das über zehn Jahre hinweg ausgelegt. Auf uns beide aufgeteilt, macht das einhundertfünfzig Jahre pro Mann. Ich glaub nicht, dass du das Klo solange benutzen wirst.«
+Glaube ich auch nicht.+
»Da war ’s schon wieder, Sam!«
»Was denn?«
»So ein seltsames Geräusch. Klang wie eine Stimme!«
»Junge, Junge! Paul, bekommst du etwa schon nach zwei Stunden Flugzeit einen Raumkoller?«
»Ich? Niemals! Immerhin kenne ich alle Captain-Kenneth-Folgen auswendig.«
»Echt, ne tolle Leistung! Ich jedenfalls mache mir zumindest wegen des Klos keine Sorgen.«
»Sondern?«
»Tja, wir haben zwar genügend Nahrungsmittel-, Wasser-, Benzin- und Sauerstoffvorräte. Und die Luftfilteranlagen werden wohl auch noch eine halbe Ewigkeit funktionieren. Aber nichtsdestotrotz steht uns eine sehr lange Reise nach Nirgendwo bevor.«
»Ja, aber da war ich wenigstens noch nicht.«
Pauls grinste dumm in Sams Richtung.
»Der Gag war jetzt aber wirklich unterirdisch, Paul!«
»Du meinst so was wie: unterdinerisch oder bunkerisch?«
»Kannst du bitte mal aufhören, so flache Witze zu reißen! Mir ist es ernst.«
»Okay, okay! Wir waren bei ›langer Reise ins Nirgendwo‹.«
»Gut, richtig. Und was zeichnet eine lange Reise im Allgemeinen aus?«
»Keine Ahnung. ’n Haufen Pisspausen zwischendurch?«
»Paul!«
»Ist ja schon gut. Lange Reise? Hmm. Würd’ sagen: wenn schon nicht das Ziel in diesem Fall, dann eben die Zeit.«
»Genau! Meine Überlegungen laufen auf folgende Frage hinaus: Was machen wir die restliche Flugzeit, wenn wir hier fertig sind mit Aufräumen?«
»Ich hab unten irgendwo einen alten ›Playboy‹ rumflattern sehen.«
»Der reicht aber allerhöchsten für ein paar Monate. Was machen wir danach, um uns die Langeweile zu vertreiben?«
Paul wackelte anzüglich mit den Augenbrauen.
»Iieh! Nein, Paul! Das auf keinen Fall!«
»Hey, jetzt stell dich nicht so an, Sam. Schließlich sind wir vermutlich die letzten beiden Menschen.«
»Die letzten beiden Männer, meinst du wohl! Daher hat das überhaupt kein Zweck! Ohnehin bist du nicht mein Typ...«
»Ist ja okay! War doch nur ein Scherz.«
»... Ich meine, wenn du blond wärst, mit ein bisschen breiteren Schultern...«
»Sam! Es war nur ein Scherz!«
»... und wenn ich damals in meiner Jugend nicht diese schlimmer Erfahrung mit Tom...«
»Sam! Aus! Scherz, kapiert?«
»Äh, schön! Wo waren wir?«
»Beim ›Playboy‹.
»Ach so. Richtig. Also, wenn wir in den nächsten paar Jahren nichts anderes außer diesem Magazin haben, sollten wir es mit dem Aufräumen der restlichen Räume eher gemächlich angehen lassen.«
Und so war es dann auch. Tage summierten sich zu Wochen. Diese fanden sich zu Monaten zusammen, welche schließlich die magische Zahl Zwölf bildeten. Aber dann kamen noch weitere hinzu und mit der Magie war es erst mal wieder aus.
Sam und Paul verbrachten die Zeit mit stundenlangem Diskutieren über Themen, die eigentlich mit dem Ende der Welt abgehakt sein sollten, was die beiden aber in ihrem Streiteifer nicht sonderlich bremste. Darüber hinaus kochten sie häufig ihre Lieblingsgerichte, erzählten sich fünftausend Mal die gleichen drei Witze, an die sie sich noch erinnern konnten, beobachteten ihre Bärte beim Wachsen und schwebten auch mal ganz gern nur einfach so durch die Räume.
Insgesamt führten sie ein recht geruhsames Leben ohne allzu große Zwischenfälle, so wie sie es einst in ihrem irdischen Archiv zwischen all den aktengefüllten Regalen getan hatten.
»Wie spät ist es, Paul?«
»Keine Ahnung. Zwei Jahre und irgendwas nach dem Big Bang, denke ich.«
»Also Zeit für eine neue Runde Gedankenschach.«
»Oh man, nicht schon wieder, Sam! Du gewinnst immer und das macht auf die Dauer echt keinen Spaß.«
»Nur so lernst du es auch. Außerdem schummle ich, was dir bloß noch nicht aufgefallen ist.«
»Was?! Ich wusste doch, dass da ein Trick dahinter....«
Ein gewaltiges metallisches Quietschen lenkte die beiden für einen Augenblick von ihrer Grundsatzdiskussion ab.
»Hast du das auch gehört, Sam?«
»Nein, ich war zu sehr damit beschäftigt, der universellen Stille des Nichts zu lauschen... Natürlich habe ich das gehört! Ich bin ja nicht taub!«
»Und was meinst du, war das?«
»Hab ich Röntgenaugen und kann durch Betonwände schauen?«
»Weiß nicht, Sam. Wir sind ja schon ziemlich lange der kosmischen Strahlung ausgesetzt...«
»Du redest mal wieder totalen Quatsch, Paul!«
»Das tue ich nie!«
»Und was war neulich, als du der Meinung warst, Lady Di auf einem rosa Flamingo sitzend an unserem Fenster vorbeifliegen gesehen zu haben?«
»Das habe ich aber wirklich!«
»Das nenne ich Quatsch. Immerhin war Lady Di schon vorher tot. Und von irdischen Flamingos sollten mittlerweile auch nicht vielmehr als ein paar einsam umher torkelnde Federn irgendwo im Raum übriggeblieben sein.«
»Vergiss nicht, dass wir hier in einem bunkerverstärkten Diner durch die Gegend schaukeln! Du solltest dich mit sturen Behauptungen über gewisse Unwahrscheinlichkeiten nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen.«
»Quatsch bleibt Quatsch, sage ich!«
»Sag doch, was du willst, Sam! Ich geh lieber mal oben nachschauen, was das eben für ein Lärm gewesen sein könnte.«
»Mach doch!«
Paul verschwand die Bunkertreppe hinauf, und Sam beschloss ihn das nächste Mal beim Gedankenschach wieder matt zu setzen, wenn er gerade mal nicht aufpasste.
Leider kam Paul vorerst nicht zurück. So war Sam gezwungen, sich schließlich aus seiner Schlafmatte kurz unter der Decke zu bequemen und ebenfalls hoch ins Diner zu fliegen. Er fand seinen Freund vor der großen Panoramascheibe schwebend.
»Und? Siehst du was, Paul?«
»Ja, ’ne Menge Dinge: die üblichen Sterne, ziemlich viel Finsternis und ein kleines Raumschiff, das uns in der Seite steckt.«
»Schon wieder? Also langsam kann ich bei diesem Spruch nur noch gähnen...«
»Nein, nein! Diesmal mache ich keine Witze, Sam!«
»Bist du sicher? Ein elftes Mal falle ich darauf nicht rein!«
»Komm doch einfach her und schau’s dir selbst an.«
»Okay... Oh man, Paul, du hast recht!«
Das Licht der Neonreklame im Dinerfenster reflektierte in allen Farben auf der metallisch anmutenden Oberflache des fremden Raumschiffs. Dieses hatte die Form eines Hammers, gepaart mit der eines Schuhs, wenn man die tulpenförmigen Ausstülpungen am unteren Ende übersah und die großen Ballongebilde an den Rändern nicht weiter beachtete. Eigentlich hatte es überhaupt keine konkrete Form, außer an den Stellen, die mit der unteren Bunkermauer eine nähere körperkommunikative Beziehung eingegangen waren. Man konnte sie nun getrost als flach bezeichnen.
»Und was sagst du jetzt, Sam? Wie unwahrscheinlich ist es deiner Meinung nach, mitten im Weltraum mit einem anderen Raumschiff zusammenzustoßen?«
»Reichlich unwahrscheinlich, würde ich sagen, Paul. Dieser ominöse Gott da oben hat eine sehr seltsame Vorstellung von Humor.«
»Finde ich auch. Oh, guck mal, da kommt einer raus!«
Ein kleines rosa Männchen flog weiter unten aus einer Seitenluke des Alienraumschiffs und begutachtete anscheinend den entstandenen Schaden daran.
»Oh, rosa. Wie süß!«
»Paul, ich mache mir langsam ernsthafte Sorgen um dich.«
»Sieh doch, der kommt jetzt anscheinend zu uns hoch.«
Die Raumanzugsdüsen des Wesens hinterließen eine kurze Gasspur, die sich aber sofort im Vakuum des Alls verlor, als es langsam auf das große Lokalfenster mit Paul und Sam dahinter zusteuerte.
»Sieht ziemlich wütend aus, was Sam?«
»Ist das unser Problem? Er hat schließlich das TÜV-geprüfte Raumschiff. Wir fliegen hier nur mit ’nem Diner durch die Gegend. Da kann man doch nicht erwarten, dass wir so was wie Radar an Bord haben.«
»Hast recht. Soll er halt aufpassen, wo er langdüst.«
Der kleine, rosa Außerirdische begann, wild mit einem seiner drei Arme zu fuchteln. Mit einem anderen klopfte er immer wieder auf die Scheibe ein, die aber viel zu dick war, als dass sie sich davon aus der Ruhe hätte bringen lassen.
»Hihi! Guck mal, Sam. Der kommt hier nicht rein.«
»Die haben eben in den Fünfzigern noch was vom Bunker- und Glasbau verstanden.«
Sam streckte seinem Gegenüber auf der anderen Scheibenseite die Zunge entgegen und musste laut loslachen. Auch Paul ließ sich nicht lumpen und zog seinen allseits gefürchteten Mittelfinger hervor, mit dem er schon viele Wortgefechte für sich hatte entscheiden konnte.
»Schau mal, Sam! Der kriegt sich da draußen gar nicht mehr ein.«
»Tja ja, gewissen Grundlagen der Kommunikation sind offenbar im gesamten Universum gleich.«
»Was hat ’n der da plötzlich in der Hand?«
»Weiß nicht, Paul. Sieht aus wie eine dieser Laserpistolen in irgendwelchen blöden Science-Fiction-Serien.«
Sam begriff den Inhalt seiner Worte gerade noch schnell genug, um Paul im Sprung mit sich hinter einen der Tische zu reißen, als ein roter Strahl den Raum durchquerte und dabei einen schwarzen, rauchenden Punkt auf der Rückwand hinterließ.
»Danke, Sam. Puh, das war knapp! Was glaubst du, wie er das gemacht hat?«
»Er hat vermutlich gezielt und dann sein Äquivalent eines Zeigefingers gekrümmt... Was glaubst du denn, wie er das gemacht hat, Paul? So funktionieren nun mal Laserpistolen! Ich denke, du kennst dich damit aus.«
»Nur serientheoretisch, Sam! Ist das Fenster okay?«
»Laserlicht macht in durchsichtiges Glas keine Löcher, nur in Menschen! Haben die dir denn in den blöden Serien gar nichts beigebracht?«
»Doch, natürlich. Beispielsweise, dass man nie ein rotes T-Shirt anziehen sollte, wenn man einen fremden Planeten zum ersten Mal betritt. Und dass...«
»Was sagen die denn über kleine rosa Außerirdische mit riesigen Laserkanonen?«
»Mhm? Rosa? Nicht soviel. Aber generell würde ich jetzt vorschlagen, wir verschwinden wieder runter in den Bunker und schließen zweimal hinter uns ab.«
»Das, Paul, ist zur Abwechslung mal eine echt gute Idee.«
Auf Fingerspitzen glitten beide durch die Tresen geschützt zurück zur Kellertreppe. Sollte der rosa Außerirdische sich doch hier oben alleine grün und blau ärgern.
Unten angekommen verschnauften Sam und Paul erst einmal. Soviel Spannung und Spaß hatte es hier schon lange nicht mehr gegeben.
Gerade wollten sie wieder mit ihrem Gedankenschachdisput beginnen, als ein erneuter Ruck das Diner und den Bunker darunter erfasste.
Der ›Playboy‹ und alle anderen umherschwebenden Gegenstände begannen, langsam gegen die Seitenwand zu driften. Langvermisste Gravitation schien ein unverhofftes Comeback zu feiern.
»Was macht der denn da draußen schon wieder?«
»Sollen wir vielleicht noch mal nachgucken gehen?«
»Wird wohl besser sein. Nachher schmeißt der uns noch in irgendeine Sonne.«
Als Sam und Paul wieder oben angekommen waren, was aufgrund der neugewonnenen Schwerkraft etwas länger als gewöhnlich gedauert hatte, sahen sie das Problem: Sie flogen mit zunehmender Überlichtgeschwindigkeit.
»Also langsam beginne ich diesen merkwürdigen Gott echt zu hassen. Man kann sich ja nicht mal mehr auf die einfachsten, relativistischen Gesetze verlassen.«
»Stimmt, Sam. Man weiß gar nicht mehr, woran man noch glauben soll.«
Die beiden ehemaligen Archivare und Langzeit-Diner-Reisende kämpften sich mühselig vor ans Fenster, während draußen langgezogenen Sterne einem schweren Spaghettiregen gleich vorbeiglitten.
»Guck mal, Sam! Das blaue Licht da vorne zwischen unserem Bunker und dem Raumschiff muss wohl eine Art Transporterstrahl sein.«
»Noch so ein Science-Fiction-Müll!«
»Jupp. Wo will er uns wohl hinbringen?«
»Keine Ahnung, Paul. Ich hoffe nur, dass die Leute dort alle Vegetarier sind.«
»Wieso?«
»Na, weil wir noch elftausend Dosen Paprika haben! Was glaubst du denn warum?«
Paul hatte noch nicht einmal genug Zeit darüber nachzudenken, ob er Sams Antwort ironisch finden sollte oder nicht, da wurden die Spaghettisterne draußen plötzlich wieder sehr viel kürzer und fanden gleich darauf zu ihrer ursprünglichen Dimension zurück. Die gerade noch so dichte Schwärze des Alls verdunstete nach irgendwo und hinterließ einen immer stärker leuchtenden Rot-Ton vor dem Fenster.
»Wir landen auf einem... Planeten!«
Mehr brachte Sam nicht heraus, denn die ungewohnte gravitative Last seines eigenen Körpers drückte auf seine untrainierten Lungen. Paul klimperte zustimmend mit den Augenlidern.
Vor dem Fenster erschien erneut der kleine, rosa Außerirdische, nur diesmal nicht in seinem Raumanzug sondern in einem etwas lässigeren Sportoutfit gekleidet. Außerdem war er nicht allein.
Eine immer größer werdende Menge an putzigen, rosa Außerirdischen versammelte sich vor dem gelandeten Bunker und flog mit kleinen, günstig mietbaren Anti-Grav-Aussichtsplattformen hoch zum Diner.
Hier versuchte der Unfallpilot mit leidenschaftlichen Gesten den geneigten Zuhörern anscheinend seine Sicht der Dinge zu schildern. Dabei zeigte er immer wieder auf sein demoliertes Raumschiff, auf den Bunker, und die beiden Männer im Diner, die Mühe hatten, überhaupt den Kopf zu heben.
Insgesamt schien sich nach kurzer Zeit die allgemeine Zustimmung auf seiner Seite zu konzentrieren. Wütende Rufe und mehrstimmige Schreie wurden lauter. Einige ganz Wagemutige versuchten mit ihren kleinen Flugplattformen den gewaltigen Bunker umzustürzen, was selbstverständlich nicht gelang. Schließlich brachte eines der intelligenteren rosa Wesen einen Gegenstand herbei, der eine auffallende Ähnlichkeit zu einem Stemmeisen besaß.
»Sam! Ich glaube, die versuchen,... die Eingangstür aufzubrechen... Was wollen die wohl von uns?«
»Keine Ahnung, Paul.... Vielleicht sich ein... Sandwich bestellen?«
»Meinst du wirklich... ?«
»Zwei Jahre mit mir zusammen im All... und du kannst anscheinend immer noch nicht... das Wort Ironie buchstabieren... Natürlich wollen die nichts zu essen...! Ich glaube, die wollen... uns eher lynchen!«
»Wie kommst du darauf... ?«
»Was sollten sie sonst mit den ganzen... Knüppeln, Heugabeln und brennenden Fackeln anfangen können?«
Der druckgesicherte Türrahmen war offenbar ziemlich verärgert über die Gewalt, die ihm von außen angetan wurde. Laut zischend und knarrend ließ er einen kurzen Stoß rotschimmernden Gases hinein, das sich augenblicklich in der Luft des Diners verteilte.
»Oh, nein...! Jetzt werden wir mit ihren außerirdischen... Bakterien und Viren infiziert!«
»Oder wir ersticken gleich an ihrer... giftigen Atmosphäre.«
+Richtig.+
»Sam, hast du diesmal... die Stimme gehört?«
»Ich glaube schon,... Paul.«
Mit dem Klang eines verstopften Staubsaugers schob sich die genervte Tür zur Seite und eine Wand roter, giftiger, Bakterien und Viren verseuchter Atmosphäre ins Diner herein.