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- 02.03.2004
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...Don't give up...
"Don't give up cause you have friends.
Don't give up you're not beaten yet.
Don't give up I know you can make it good."
Ich sitze im Zug und fahre endlich weg. Ich reise nicht irgendwohin. Nein, ich reise bloß weg von hier. Als wäre ich auf der Flucht. Wovor?
Der Disk-Man läuft. Peter Gabriel und Kate Bush "Don't give up".
Der Song spiegelt meine Gedanken. Warum läuft er gerade jetzt?
Weil ich mich frage, ob ich aufgebe? Davonlaufe?
Wer steht mir denn bei?
Ist eine Vergewaltigung ein Grund aufzugeben?
Hat er das recht, mich in Verzweiflung zu stürzen?
Warum hat er das getan? Was habe ich falsch gemacht? Habe ich ihn dazu aufgefordert? Bin ich schon mit sechs Jahren so verdorben?
Er hat sich das Recht genommen, mich zu zerbrechen.
Aber ich gebe es ihm nicht. Ich lege mein Schicksal nicht in die Hände eines Fremden, auch nicht, wenn ich ihm meinen Körper überlassen musste.
"Don't give up you still have us..."
Die Lichter der Stadt werden weniger in der kalten Nacht da draußen. So wie die Leute um mich im Zug weniger werden.
Nein, ich werde nicht aufgeben. Ich werde es schaffen, ich will nicht aufgeben, ich halte mich fest an den Menschen, die ich habe...
Meine Familie....
Haben sie denn das recht, mich zu zerstören?
Hat mein Großvater denn das Recht, das Werk dieses Fremden vollenden zu wollen? Mich vollends am Boden zerstört zurückzulassen, nachdem er Besitz von meinem Körper genommen hat? Und von meiner Seele, meinem vertrauen? Mir das Vertrauen in meine Familie genommen hat? Mich wie ein Häufchen Elend liegen zu lassen in meinen Schuldgefühlen?
Hat er denn das Recht, mich zum Aufgeben zu zwingen? Lässt mich sein krankes Handeln verzweifeln?
Er nahm sich das Recht.
Wollen Männer sich denn immer nehmen, was ihnen nicht gehört?
Aber ich gebe auch ihm dieses Recht nicht. Ich gestehe es ihm nicht zu, ich will mir die Schuld nicht geben lassen. Ich will nicht, bitte zwing mich nicht...
"...don't give up - we don't need much or anything
don't give up cause somewhere there's a place where we belong."
Nichts leuchtet mehr draußen vor dem Fenster. Dunkelheit, die Schatten nur erahnen lässt zieht an den Fenstern vorbei. Ich sehe nur noch mein Spiegelbild. Und dahinter? Ich flehe, dass dahinter noch irgendetwas ist.
Nein, ich will nicht aufgeben, glaube ich. Da ist noch jemand, ein zu Hause, eine Mutter, die mich beschützt.
Die mein Leben lange Zeit mitlenkte. Mir mein Leben geschenkt hat. Hat sie dadurch das recht, es mir auch wieder zu nehmen? Es wie ein Gebäude, das sie einst gebaut hat auch wieder abzureißen? Ohne auch nur die Grundmauern stehen zu lassen? Hat sie denn das Recht, meine Wahrheit, meine Geschichte zu leugnen? Stein für Stein abzutragen mit jedem Zweifel an meiner Unschuld?
Sie ist der Mensch, der mich erschaffen hat. Sie ist diejenige, die mich wirklich kennt. Ihre Wahrheit ist die meine. Ja, sie hat zurecht Zweifel an mir. Ja, ich muss an mir zweifeln. So wie sie. Es besteht ja auch Grund dazu, oder nicht?
Und ich verzweifle daran.
"Got to walk out of here, I can't take anymore
gonna stand on that bridge, keep my eyes down below
for whatever may come and whatever may go
that river's flowing, that river's flowing."
Nichts ist mehr da draußen. Die Nacht, die Finsternis hat alles geschluckt. Keine Häuser, keine Lichter, keine Menschen, keine Silhouetten, keine Schatten mehr. Als wäre nichts da.
Ja, ich will weg. Weg von hier. Halte es nicht mehr aus. Halte mich selbst nicht mehr aus. Ich sitze in diesem Zug und draußen ist nur Schwarz. Schwarzes Nichts. Als wäre dort nie etwas Anderes gewesen. Als würde dort nie etwas Anderes als Nichts sein.
Ist es soweit? Ist dieses Nichts ein Grund aufzugeben? Das Nichts, das aus der Verzweiflung entsteht, die alles schluckt, alles was war und alles was ist. Und auch alles was in der Zukunft liegt.
Habe ich denn jetzt noch das Recht weiterkämpfen zu wollen?
Niemand ist mehr da bei mir. Niemand der zu mir steht.
Auch ich nicht mehr.
Es tut mir leid.
"...Gonna stand on that bridge..."