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Dunkelheit
Das Original vom Wurschteltier
findet der geneigte Leser hier.
Copywrite: Dunkelheit
Die Dunkelheit verbirgt alles, ich habe keine Vorstellung, wo ich mich befinde. In diesem nicht enden wollenden Albtraum aus fehlendem Licht und räumlicher Enge, mit Erschütterungen und Bewegungen in alle möglichen Richtungen, habe ich völlig die Orientierung verloren. Nicht, dass ich schon über die ausgeprägten Sinne der Großen verfügt hätte, aber mit einem Mindestmaß wird man ja schließlich in die Welt gesetzt. Mir ist schlecht von dem Geruckel und den sinnlosen Bewegungen, einfach nur schlecht. Ich würde liebend gerne wieder herumtollen und die Richtung selbst bestimmen in die ich laufe – nach oben oder unten gehört übrigens nicht dazu! Hier und jetzt hab ich keine Möglichkeit. Ein Schritt nach vorne und ich stoße mir den Kopf, ein Schritt rückwärts und mein Hinterteil erreicht das Ende des Gefängnisses, in das man mich grundlos gesteckt hat. Aufrecht stehen fällt leider auch aus, denn die Decke ist zu niedrig.
Geräusche dringen nur undeutlich und dumpf verzerrt an meine eigentlich sehr guten Ohren. Das funktioniert auch nur dann, wenn sich meine Zelle nicht in Bewegung befindet, denn dann verursache ich mit meinen Versuchen, die Balance zu halten, selbst genug Krach. Mein feiner Geruchssinn nimmt nur vage wahr, was sonst sehr deutlich ist. Die Dunkelheit ist nicht mein einziges Problem, denn der Ausschluss nahezu jeglicher Wahrnehmung zerrt an meinen Nerven. Mehr als einmal war ich kurz davor mich nass zu machen. Bis hierhin reichte meine Selbstbeherrschung aber aus. Schon der Gedanke, in diesem Verließ auch noch in der eigenen ... Das Atmen fällt mir schwer, denn mein Schicksal ist es wohl auch, dass man mir die Luft verweigert, die ich - wie alle Kreaturen - zum Leben brauche. Naja, fast alle.
Mein Wunsch, dass man mich aus dieser Lage befreit, in die ich völlig schuldlos geraten bin, wird übermächtig und macht es mir schwer, die Nerven unter Kontrolle zu halten. Ich habe es versucht, aber alleine komme ich hier nicht raus. Gott? Götter? Irgend jemand!? Bitte! Meine Selbstbeherrschung schwindet von Minute zu Minute. In diesem Albtraum ohne Ende ist die Welt entschwunden, meine stummen Hilfeschreie fressen sich in meine Gedanken. Eine Gruft am Ende der Welt, weit abseits von irgendjemandem, der mich nicht einmal hören könnte, wenn er über mein Grab steigt. Ich renne und komme doch nicht voran. Nirgends ein Licht oder Zeichen, das auf ein Ende der Dunkelheit und meines Martyriums hindeutet.
Mein Gefängnis hat sich eine Weile nicht bewegt. Ich kann nicht sagen wie lange, meine Sinne fangen an, mir Streiche zu spielen und jedes Zeitgefühl ist dahin. Da sind Stimmen, Gemurmel. Dumpf oder weit entfernt. Vielleicht sind es nur Sinnestäuschungen. Leichte Erschütterungen, wie von Schritten der Großen. Dann ein Knall! Ohrenbetäubender Lärm und ich zucke zusammen, bekomme Kopfschmerzen. Und noch einer und noch einer. Es sind mindestens zwei von den Großen, die langsam, aber laut in die Hände klatschen. Jedes Aufeinandertreffen der Hände explodiert in meinem Kopf. Ich verkrampfe mich, spanne die Muskeln und will fliehen. Aber wohin? Ich komm hier nicht weg. Was haben die mit mir vor? Ich keuche nicht nur vor Anspannung, denn die Luft wird immer knapper. Mir ist heiß, schlecht und ich bin wieder kurz davor, mich einzunässen. Aber es gelingt mir noch einmal, mich zu beherrschen.
Irgendwer oder irgendetwas ruckelt an meiner Zelle. Nicht so heftig wie sonst, aber es beunruhigt mich. Ich sitze unter großer Anspannung geduckt und rechne mit dem Schlimmsten und hoffe inständig, dass sie mir vor meinem Ableben wenigstens noch sagen, was ich verbrochen habe. Etwas zerreißt: Papier oder Stoff, ich kann es nicht so genau sagen. Licht durchbricht die Dunkelheit an mehreren Stellen. Durch kleine Löcher in den Wänden sticht es mir in die Augen. Ich zucke zurück. Die Rückkehr von Licht, Geräusch und Geruch ist überwältigend. Ich bin dankbar, aber auch verängstigt, versuche die Augen zu verschließen, da das helle Licht sich bis in mein Gehirn zu bohren scheint und den vorhandenen Schmerz und die Übelkeit verschlimmert. Meine Frage, ob es noch schlimmer kommen kann, durchzuckt meine Gedanken wie ein Blitz die Nacht zerreißt, und wird prompt beantwortet. Die Decke meines Gefängnisses wird gehoben und verschwindet. Die Welt, die für unbestimmte Zeit ausgesperrt war, kehrt mit Urgewalt zurück.
Gerüche bombardieren meine Nase und werden sortiert, müssen sich mit den ohrenbetäubenden Geräuschen ebenso im Gehirn zur Verarbeitung anstellen, wie die Sinneseindrücke, die mir meine bis noch vor Kurzem ausgeschalteten Augen liefern. Das alles ist beinahe zu viel, aber ich kann nicht anders und recke den Kopf über den Rand meiner Zelle und blicke in strahlende Augen eines Mädchens, das kniet und mein kleines Gefängnis in den Händen hält. Sie lächelt und zeigt ihre Freude offen, Tränen laufen über ihre Wangen. Und Stolz?
„Glückwunsch zum Geburtstag, Kleines“, sagt ein Erwachsener, der hinter dem Mädchen steht. Seine Rechte ruht sanft auf ihrer Schulter.
„Ein Wolven“, flüstert sie ehrfurchtsvoll. „Vielen Dank, Vater.“
Sie stellt die Box ab und hebt mich heraus, drückt mich vorsichtiger als nötig an sich. Aber es tut gut, am Leben teilzuhaben. Ich habe mich wieder unter Kontrolle, Geräusche, Gerüche, Sicht ... alles. Sie mag mich, dass kann ich spüren, und sie ist stolz. Dazu hat sie allen Grund, denn meinesgleichen zeugt nur selten Nachwuchs und der Bund, den wir mit unserem menschlichen Jäger eingehen, hält ein ganzes Leben, auch wenn wir uns nur einmal zu jedem Vollmond in den Armen werden halten können, da ich mich nur für diese eine Nacht in einen Menschen verwandle. Den Rest der Zeit werde ich mit ihr die Kreaturen der Finsternis jagen, denn Wolven – wie die Jäger uns nennen - haben ein untrügliches Gespür und sind ohne Furcht, was diese Bestien angeht. Wenn meine Gefährtin so weit ist, werden wir jagen. Und einmal jeden Monat werden wir viel Spaß haben. Ach ja, reden werden wir dann übrigens auch miteinander …