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Thema des Monats Eheringe

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21.12.2015
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Eheringe

Eheringe

Nach zwanzig Ehejahren hatten Karla und Paul sich nichts mehr zu sagen. Halt! Das heißt, reden mussten sie schon noch miteinander, was es eben so zu bereden gibt, wenn man ein Haus, eine Tochter und vor allem ein Konto gemeinsam hat. Erst letzte Woche hatte Karla versucht, den Dialog zu beleben, indem sie – direkt in Pauls Blickfeld auf der Windschutzscheibe - einen Aufkleber platziert hatte mit dem Text „Ich steige aus“. Paul allerdings hatte ihn kommentarlos abgerubbelt. Dabei hatte sie sich so gewünscht, dass er irgendwas dazu gesagt hätte. Zum Beispiel:
" Was meinst du mit 'aussteigen'?" Oder:
"Ziemlich kindisch, die Idee. Stammt sie von deiner Freundin oder hast du das in deiner Daily Soap gesehen?" Oder wenigstens:
"Den nächsten Aufkleber bitte an die Heckscheibe. Ich sehe ihn ja dann im Rückspiegel."

Karla verbrachte viel Zeit mit Grübeln. Sie versuchte gelegentlich, bei ihrer Tochter Verständnis zu finden. Die hatte dafür so gut wie nie Zeit und schien überhaupt eher auf Papis Seite zu stehen. Außerdem hatte sie genug damit zu tun, ihre eigene Beziehungskiste in Ordnung zu halten.

'Früher haben wir Spaß gehabt an Wortgefechten', dachte Karla des Öfteren, 'und ich war nicht immer der Verlierer. Wann haben wir aufgehört, uns dabei in die Augen zu sehen? Wenn wir jetzt streiten, geht es allenfalls darum, dass er das Geld heimbringt. Was kann ich darauf noch sagen? Er hat ja Recht. Und wenn wir schon einmal miteinander schlafen, dann denkt er bestimmt an die Steuererklärung.'

In ihren Augen war Paul nun ein hartgesottener Verweigerer. Nur ganz selten ließ er sich provozieren. Meistens blieb er unnahbar, schweigsam, die Augen an ihr vorbei gerichtet. Nur wenige Male hatte er ihr einen Blick hinter den eisernen Vorhang seines Pflichtbewusstseins erlaubt; aber da war sie zurückgeschreckt vor dem Überdruss und der Kälte in seinen Worten.

Karla rührte abwesend in ihrer vierten Tasse Kaffee an diesem Morgen, während sie lustlos in einem Frauenmagazin blätterte. Sie wusste genau, was an ihrer Ehe nicht stimmte. Sie spürte die wachsende Verdrossenheit ihres Mannes. Immer häufiger übernahm er nebenberufliche Aufträge, jetzt wo die Tochter meistens eigene Wege ging und nur noch selten zuhause übernachtete. Karla fühlte immer weniger Lust, das Heim durch alle möglichen Dekorationskünste gemütlicher zu gestalten. Es nahm ja doch niemand Notiz davon. Der Haushalt forderte sie nicht mehr heraus wie in den ersten Jahren, als sie sich – erleichtert darüber, dass ihr die Verantwortung für ein eigenes Berufsleben erspart blieb – begeistert darauf gestürzt hatte. Eine falsche Entscheidung damals, eine Entscheidung gegen den Willen ihres Mannes, der es lieber gesehen hätte, wenn sie ihren Beruf nicht einfach aufgegeben hätte. Na klar, sie war schwanger gewesen, aber hätte eine Babypause von ein paar Jahren nicht genügt? Aber wie sollte sie sich jetzt, mit fünfundvierzig, wieder in eine Arbeit als Chemielaborantin stürzen? Heiße Wellen der Angst überfluteten sie bei dieser Vorstellung.
'Ich habe alles verlernt', dachte sie, 'ich kann einfach nicht mehr nach der Uhr leben und gleichzeitig an Laboranalysen und Einkaufslisten denken. Verdammt, ich kann ja nicht einmal mehr ein vernünftiges Gespräch führen, das sich nicht um Rezepte und Kinder dreht! Wie soll ich da einem Personalchef klar machen, dass er schon immer auf mich gewartet hat!'
Es gab ihr einen ordentlichen Stich, als sie im Magazin auf ihr Wochenhoroskop stieß. Hier stand: „Was immer Sie tun müssen, tun Sie es jetzt! Es könnte Ihre letzte Chance sein!“

Sie fing an, die Bügelwäsche einzusprühen. Wieder einmal zerrte sie vergeblich an ihrem Ehering. Ihre Hände waren nicht nur von der Hausarbeit geschwollen. In ihre alte Kleidergröße passte sie längst nicht mehr. Zu Hause reichten ja Schlabberhosen und zeltartige Oberteile, aber als Berufstätige müsste sie schon etwas mehr für ihr Äußeres tun. Paul trug seinen Ring schon seit Monaten nicht mehr, er lag im hintersten Winkel der Nachttischschublade. Ob er fremdging? Immer öfter kam er spät in der Nacht nach Hause, häufig mit einer Fahne. „Vorstandssitzung“, murmelte er mit abgewandtem Gesicht, während er sich im Dunkeln auszog, oder „Geschäftsessen“. Wie ein Stein lag er dann auf einer Seite, die Ohren fest mit Stöpseln verschlossen, so dass er ihr ruheloses Umherwälzen, ihre häufigen Gänge ins Badezimmer oder an den Kühlschrank wohl kaum mitbekam.

Nach dem Abendessen saßen sie vor dem Fernseher. Paul hatte stumm und zielstrebig mehrere Gläser Wein in sich hineingeschüttet. Karla dachte an ihr Horoskop. Unvermittelt schaltete sie den Apparat aus und versteckte die Fernbedienung hinter ihrem Rücken.
„Ich will jetzt mit dir reden!“, begann sie forsch.
„Worüber?“ Paul klang absolut unbeteiligt.
„Ich will wissen, warum du deinen Ring nicht mehr trägst.“
„Warum willst du das wissen?“
Da war er wieder, der typische Dialog. Statt einer Antwort kam sofort eine Gegenfrage. Und darin blitzte das Warnlicht auf: Halt! Nicht weiter fragen!
Trotz erfasste sie. „Und dann will ich noch wissen, warum du in letzter Zeit so viel trinkst. Hast du eine Freundin?“
„Der Ring passt mir nicht mehr, aus verschiedenen Gründen.“
„Ist das alles, was dir dazu einfällt?“ In hilflosem Zorn sprang sie auf und fuhr Paul mit der rechten Hand vors Gesicht. „Da, da, mir passt er auch nicht mehr. Was glaubst du, wie gern ich den Ring los wäre, wenn ich nur könnte. Aber das verdammte Ding geht ja nicht mehr ab!“
„Hör auf zu schreien.“ Paul blieb ganz ruhig. "Zeig mal her." Er nahm ihre rechte Hand und betrachtete aufmerksam den Finger, wo der Ring tief im Fleisch saß. „Ich könnte ihn dir aufsägen“, fügte er nachdenklich hinzu.
„Ist das dein Ernst?“ Vor lauter Verblüffung musste Karla sich wieder setzen. Es stimmte ja, Paul hatte sehr geschickte Hände, feingliedrig und sensibel. Sie deutete auf die leere Weinflasche: „Willst du das wirklich riskieren?“
Wortlos erhob sich Paul und ging zur Kellertreppe, Karla folgte ihm misstrauisch und in Alarmbereitschaft. Im Hobbyraum schaltete er die Lampe über der Werkbank an und schob einen Hocker heran. Aus dem Erste-Hilfe-Kasten legte er ein Päckchen Verbandsmaterial bereit.
„Leg die Hand gespreizt auf die Bank.“ Ohne zu zögern, ergriff er die elektrische Säge, spannte ein Blatt für extra feine Metallarbeiten ein und drückte auf den Schalter. „Also dann los“, sagte er gedehnt und presste mit seiner Linken Karlas Handgelenk auf die Arbeitsplatte. In seinem Blick lag ein Hauch Spott und noch etwas anderes, das sie nicht deuten konnte.
'Ich muss verrückt sein! O Gott, er sägt mir bestimmt den Finger ab.' Das hohe Sirren fuhr ihr schmerzhaft in die Schläfen. Sie schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Ihre Hand fing an zu vibrieren, ihr Finger wurde heiß. 'Jetzt', dachte sie, 'jetzt!'
Das Sirren erstarb. Sie öffnete die Augen. Paul hatte die Säge beiseitegelegt. Er wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.
"Mensch, Karla, kannst du die Hand nicht ruhig halten? Oder hast du vielleicht Angst vor mir?"
Karla gab keine Antwort. Ja, sie hatte Angst! Und gleichzeitig wollte sie ihrem Ehemann vertrauen. Aber durfte sie das? Sie wusste es nicht. Ihr Blick richtete sich auf den dunkelsten Winkel des Kellers.
'Mach weiter, mach einfach weiter. Bring es zu Ende.' Sie hatte keine Kraft mehr, sich gegen das Unausweichliche, was immer es auch sein würde, zu wehren. Sie verlor jedes Gefühl für Zeit und Raum.

Vorsichtig bog Paul den aufgeschnittenen Ring auseinander. Matt glänzend, auf der Innenseite abgewetzt, lag er vor ihnen.
„Und wo soll er jetzt hin? Vielleicht in deine Nachttischschublade?“ Karla schüttelte heftig den Kopf, floh die Treppe hinauf und schloss sich im Zimmer ihrer abwesenden Tochter ein. Sie musste unbedingt ihre Gedanken sortieren. Den Ring war sie ja nun los, aber das war wohl kaum schon die Lösung ihrer Ehekrise. Gegen Morgen fasste sie den Entschluss, der schon längst fällig war.

Als Paul am nächsten Abend ins Wohnzimmer trat, fand er Karla auf dem Teppichboden hockend, um sich herum Zeitungen verstreut. Einige Stellenangebote daraus hatte sie ausgeschnitten und auf dem Esstisch ausgebreitet. Ihr halb zerstörter Ehering lag in einem Schälchen daneben. Paul stellte seine Aktentasche ab und beugte sich aufmerksam und eine ganze Weile über das Arrangement. Schließlich öffnete er seine Aktentasche und zog ein paar Blätter heraus. „Es gibt da Umschulungsmaßnahmen vom Arbeitsamt, extra für Frauen, die schon länger aus dem Beruf sind“, sagte Paul nicht unfreundlich, „ich habe dir das Angebot mitgebracht.“ Und Karlas Herz fing an zu klopfen, als sie die lange vermissten Lachfältchen in seinen Augenwinkeln entdeckte.

 

Hallo jimmysalariman,

ich kämpfe immer noch mit der Technik. Du kannst mir glauben, ich bin geradezu süchtig nach Kommentaren. Ich dachte, man bekommt einen Hinweis unter Benachrichtigungen. Tja, das Alter lässt grüßen. Außerdem habe ich geglaubt, wenn die Geschichte im Wettbeweb steht, darf sie nicht mehr geändert werden.

Liebe lakita,

Vielen Dank für deine konstruktive Kritik. Sie zielt zurecht auf meine Schwachstellen, die auch in andern meiner hier eingestellten Geschichten benannt worden sind. Ich habe entsprechend reagiert, aber auch noch keine Reaktionen gefunden. Ich werde jetzt mal auf die Suche gehen.

Ich finde alle Kommentare super, auch wenn sie manchmal ausseinanderdriften.

An alle ein Danke!

wieselmaus

 

Du kannst mir glauben, ich bin geradezu süchtig nach Kommentaren. Ich dachte, man bekommt einen Hinweis unter Benachrichtigungen.

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Hallo Peeperkorn und Novak, hallo Isegrims,

In meiner neuesten Version habe ich versucht, noch stärker als bisher Beschreibung durch Zeigen zu ersetzen, und zwar mit Hilfe von "wörtlicher Rede", geschrieben oder gedacht. Es liest sich tatsächlich weniger zäh. Offensichtlich möchte der heutige Leser nicht mehr, dass ihm der Autor sagt, was Sache ist, sondern er will es selber herausfinden. Ich allerdings mag es immer noch, wenn ein Autor auf der Klaviatur seines Wortschatzes spielt und präzise ausdrückt, was ich gerade selber gedacht habe. Redundanzen sind natürlich überflüssig.
Isegrims, du hast vorgeschlagen, die Kellerszene an den Anfang zu setzen und alle notwendigen Infos als Gedankensplitter einzubauen. Ich hab's ehrlich probiert, aber es hat mich nicht überzeugt. Aber nicht, weil die Idee nicht gut wäre, sondern weil ich es (noch) nicht kann! Bei einer anderen, neuen Story werde ich es auf jeden Fall ausprobieren.
Die Spannung in der Kellerszene habe ich durch ein ritardanto versucht zu steigern.
Der leicht erweiterte Schluss soll die möglichen Chancen des Paares stärker betonen.

Ich habe einmal gelernt (es ist schon eine Weile her), in der Short Story solle die Spannungskurve steil abfallen und der offene Schluss möglichst wenig verraten. Gilt das noch?

Allen Geburtshelferinnen und -helfern dieser Geschichte nochmals vielen Dank!

Gruß wieselmaus

 

Hallo wieselmaus,

das ist die erste Fassung der Geschichte, die ich gelesen habe, und an der finde ich nicht mehr viel zu kritisieren. Wenn ich die anderen Kommentare anschaue, sieht es aus, als hätten sie dir dabei geholfen, die Stärken der Geschichte herauszuarbeiten.

Obwohl deine Protagonistin nicht besonders viel Ähnlichkeit mit mir hat (ernsthafte Horoskopleser werde ich nie verstehen :D), war ich über die ganze Geschichte sehr nah dran an dem, was sie erlebt, und konnte alles sehr gut nachempfinden, die Frustration über ihre Ehe und die Angst vor einer Veränderung.

Die Szene im Keller ist wirklich ein Höhepunkt, ich habe nicht erwartet, dass es so spannend wird und habe da echt mitgelitten. Ich weiß nicht, ob Aufsägen die beste Methode ist, um einen zu eng gewordenen Ring loszuwerden - ich hätte es auf jeden Fall erst mal mit irgendeinem Schmiermittel probiert :) - aber ich finde die Szene wirklich gut. Auch schön, dass ausgerechnet die Entfernung des Eherings vielleicht der Schlüssel dazu ist, dass die beiden sich wieder annähern. :)

Ich finde den Text schon ziemlich rund und auf jeden Fall gut lesbar. Was ihn vielleicht noch stärker machen würde, wäre noch mehr "show, don't tell", was ja auch schon andere Leser angesprochen haben. Hier zum Beispiel:

Nach zwanzig Ehejahren hatten Karla und Paul sich nichts mehr zu sagen. Das heißt, reden mussten sie schon noch miteinander, was es eben so zu bereden gibt, wenn man ein Haus, eine Tochter und vor allem ein Konto gemeinsam besitzt. Erst letzte Woche hatte Karla versucht, den Dialog zu beleben, indem sie – direkt in Pauls Blickfeld auf der Windschutzscheibe - einen Aufkleber platziert hatte mit dem Text „Ich steige aus“.
Der erste Satz nimmt quasi die Schlussfolgerung schon vorweg. Ich finde die Idee mit dem Aufkleber und die Nicht-Reaktion des Ehemanns darauf richtig toll, und auch die Wunschreaktionen, die sie gerne gehabt hätte. Das zeigt ja alles sehr gut, wie es um die Beziehung steht. Es wäre gar nicht unbedingt nötig, dass du das vorher so deutlich sagst.

Auf der anderen Seite kann ich aber auch nachvollziehen, dass du die Geschichte nicht zu sehr verändern willst. Diese sehr sachlichen Feststellungen, wie eben "Nach zwanzig Ehejahren hatten Karla und Paul sich nichts mehr zu sagen" die prägen schon auch den Charakter des Textes, es wäre schon eine ziemlich radikale Veränderung, die alle rauszunehmen.

Na ja, ich glaube, du hast ein ganz gutes Gefühl dafür, welche Änderungen zu deinem Text passen, und du hast auf jeden Fall schon gute Arbeit geleistet. :)

Grüße von Perdita

 

Hallo Perdita,

dein großes Lob und dein einfühlsamer Kommentar haben mir mein Frühstück wunderbar bereichert. Ja, ich glaube auch, dass ich die Story nicht mehr umbauen sollte. Es scheint sich schon mein eigener Stil herauszukristallisieren. Aber was heißt schon 'mein' Stil! Mir ist gerade eingefallen, dass ich ja ein Taschenbuch 'Deutsche Prosa, Erzählungen seit 1945' im Regal stehen habe. Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis, und da sind sie alle: Borchert, Lenz, Schnurre, Marti, Kaschnitz und und und. Alles Autoren, die sich mit der damals - glaube ich - aufkommenden amerikanischen Short Story auseinandergesetzt haben. Das sind meine Mütter und Väter, auf deren Schultern ich gerne stehen würde. Das klingt wahrscheinlich anmaßend, soll aber nur meine Bewunderung ausdrücken.
Gemessen am heutigen bevorzugten Erzählstil erscheinen die oben Genannten als ziemlich altmodisch. Oder irre ich mich da?

Nochmals danke und herzliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo wieselmaus

Ehekrise, aus der Sicht der Frau erzählt. Ich finde, du beginnst sehr einfühlsam mit Karlas Hinterfragen, da komme ich ganz gut mit. Das Durchleuchten der eigenen Position in dieser eingefahrenen Beziehungssituation.

Immer häufiger übernahm er nebenberufliche Aufträge, um das Alleinsein mit seiner Frau zu vermeiden, jetzt wo die Tochter meistens eigene Wege ging und nur noch selten zuhause übernachtete.
Aus der Sicht von Karla wirkt diese Stelle zu auktorial.
Es ist ja nur ihre Vermutung, so hört es sich aber wie eine Tatsache an, was sie jedoch nicht wissen kann.

Dann kommt es zum offenen Konflikt,

„Der Ring passt mir nicht mehr, aus verschiedenen Gründen.“
Ich finde auch, der Nachsatz wirkt zu erklärend. Der Leser merkt die Doppeldeutigkeit, darf also weg.

„Ist das alles, was dir dazu einfällt?“ In hilflosem Zorn sprang sie auf und fuhr Paul mit der rechten Hand vors Gesicht. „Da, da, mir passt er auch nicht mehr. Was glaubst du, wie gern ich den Ring los wäre, wenn ich nur könnte. Aber das verdammte Ding geht ja nicht mehr ab!“
Für mich die Schlüsselszene. Und da habe ich etwas Mühe, denn es fehlt mir die Auseinandersetzung mit dem Problem, warum den beiden der Ring nicht mehr passt. Der nächste Abschnitt behandelt nämlich bereits die profane Problemlösung, wie bringen wir den Ring vom Finger.
Das ist dann auch wiederum schön geschrieben, aber eben, mir fehlt der Mittelteil, wo der Konflikt auf den Tisch knallt. Also ich würde auf jeden Fall anders reagieren, wenn mir mein Partner auf die Ankündigung, den Ring loszuwerden, sich bereit erklärt, ihn mir einfach vom Finger zu sägen. DA möchte ich schon noch etwas mehr hören zu den Gründen!

Doch wenn man von diesem abrupten Übergang absieht, so hat mir die Geschichte gut gefallen. Eben, du hast deine Protagonisten glaubwürdig gezeichnet, sie agieren authentisch und ich habe sie wirklich gerne begleitet. Am Ende nimmt Karla die letzte Ausfahrt, bemüht sich wieder um eine Stelle, um ihrer Beziehung eine Chance zu geben, Paul nimmt den Faden auf, es ist ihre letzte Ausfahrt, aber die Strasse ist noch nicht zu Ende.

Sehr gern gelesen, liebe Grüsse, dot

 

Hallo wieselmaus,

ich habe den Text jetzt drei- oder viermal gelesen. Jedesmal bin ich überrascht, wie das Erähltimbre bei der Kellerszene so anders, so gut anders, wird.
Der Anfang wirkt so betulich. Ich sehe da immer einen Film vor mir, in dem die Zwei agieren und eine Stimme aus dem Off mit einem leicht amüsierten Unterton den Text dazu spricht.

Dann im Keller bekommt das ganze Fahrt. Da geht es doch ans Eingemachte. Da könnte man wirklich noch mehr auf deren momentanes Befinden eingehen, das ist so ... intim irgendwie.

Das Ende finde ich wieder zu betulich, da kommt das mit dem Annoncenlesen so harmonisch rüber, da würde es mich nicht wundern, wenn er ihr noch freundlich übers Haar gestrichen hätte :D.

Ich habe auch Probleme mit der Frau. Wie kann man zwanzig Jahre mit einem Kind daheim verbringen? Da muss doch langsam ein Frust gewachsen sein, das geht doch nicht von einem Tag auf den anderen?
Es liest sich hier aber so, als wäre ihre Unzufriedenheit kürzlich erst gekommen.

Die Idee mit den Ringen ist klasse, das hast du vom Erzählgerüst gut gelöst.
Vielleicht nimmst du dir die Geschichte ja in einem oder zwei Jahren wieder mal vor, wenn du hier weitergekommen bist :).

Hier noch was direkt am Text:


Außerdem hatte sie genug damit zu tun, ihre eigene Beziehungskiste zu durchforsten.

Das durchforsten stößt mir jedesmal auf. Ich finde das in dem Zusammenhang nicht passend. Mir würde in Ordnung zu halten/zu bringen ... besser gefallen

'Früher haben wir Spaß gehabt an Wortgefechten',LEERZEICHEN dachte Karla des Öfteren,' und ich war nicht immer der Verlierer.


Wenn wir jetzt streiten, geht es allenfalls darum, dass er das Geld heimbringt. Was soll ich da noch sagen. Und wenn wir schon einmal miteinander schlafen, dann denkt er bestimmt an die Steuererklärung.'
Und sie ans Badputzen? :D

Vorsichtig bog Paul den aufgeschnittenen Ring auseinander. Matt funkelnd, auf der Innenseite abgewetzt, lag er vor ihnen.
Mattes Gold kann glänzen, aber nicht funkeln - oder besteht der Ring nur aus Edelsteinen?
Und mein Goldring ist nach 21 Jahren außen ganz glatt und innen jungfräulich von der Oberflächenstruktur wie am ersten Tag ;)


Ich freu mich auf mehr von dir,
liebe Grüße
bernadette

 
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Hallo Bernadette,

ich freue mich sehr, dass ich kurz vor Schluss nochmals Resonanz gefunden habe. Deine Vorschläge werde ich gleich einarbeiten. Mein Problem ist: Es gelingt mir noch nicht durchgängig, den Autor zurückzunehmen zugunsten der handelnden Personen. Wahrscheinlich Altersstarrsinn!:D
Deine Textverbesserungen übernehme ich gerne, die sind goldrichtig.
Dass dir der Mittelteil fehlt, liegt - glaube ich - daran, dass ich viele auktoriale Passagen gestrichen habe. Dort wurden ja die Hintergründe beschrieben. Es fehlt eben noch die Umwandlung ins Personale.
Es gibt in meiner Altersgruppe durchaus solche Ehekonstellationen. Ich habe solche in meinem persönlichen Umfeld erlebt. Ich glaube aber auch, dass sie auf dem Rückzug sind.
Ganz so betulich finde ich den Schluss nicht. In der ersten Fassung gab es den letzten Satz noch nicht. Vielleicht hätte dir diese Version besser gefallen.

Nochmals herzlichen Dank für deinen Kommentar


Hallo dotslash,

auch dir nochmals ein herzliches Dankeschön für deinen Kommentar. Also die Hausaufgabe heißt: weg vom auktorialen hin zum personalen Erzählstil. Durch das reichliche Kürzen sind wahrscheinlich Hintergrundsinformationen verlorengegangen, die die Motive beleuchtet haben. Alles zeigen, nichts erzählen, fällt mir schwer. Ja, ich hänge etwas an dem leicht ironischen Unterton, dem verdeckten Zeigefinger

Es freut mich, dass du mir eine Zukunft zutraust.

Viele Grüße
wieselmaus


(hintereinanderfolgende Beiträge zusammengefasst)

 

Hallo Wieselmaus,
noch eine Geschichte hier im Wettbewerb, die mir gut gefällt. Du schreibst zumindest diese Geschichte hier stilistisch sehr unaufgeregt, was du bitte als Kompliment verstehen kannst. Gerade dadurch bekommt sie einen sehr realistischen und zum Teil etwas beklemmenden Charakter.

Was ich gut gelungen finde, ist, dass es dir gelingt, immer wieder neue Stimmungen in der Geschichte zu zeichnen. Anfangs die bedrückte Stimmung der Ehefrau, dann die durchaus spannungsgeladene Szene im Keller und zum Ende dann ein wirklich gelungenes, offenes, aber eben auch hoffnungsvolles Ende.
War eine sehr angenehme Lektüre...

Textkram:

Das heißt, reden mussten sie schon noch miteinander, was es eben so zu bereden gibt, wenn man ein Haus, eine Tochter und vor allem ein Konto gemeinsam besitzt.
Die Aufzählung finde ich schief, da eine Tochter gemeinsam besitzen etwas schräg klingt. Möglicherweise könntest du es einfacher formulieren... „wenn man ein Haus, eine Tochter und ein gemeinsames Konto hat“ . Dass das Haus und die Tochter in der Regel bei langjährigen Ehepartnern Gemeinschaftsprodukte sind, kannst du als Autorin eigentlich voraussetzen, weil es wahrscheinlich keiner der Leser hinterfragen wird, das gemeinsame Konto kannst du so noch mal besonders betonen, dass ist häufig ja auch unter sich schon lange Liebenden anders geregelt ;)...

Erst letzte Woche hatte Karla versucht, den Dialog zu beleben, indem sie – direkt in Pauls Blickfeld auf der Windschutzscheibe - einen Aufkleber platziert hatte mit dem Text „Ich steige aus“.
Nach einen Aufkleber kommt ein langer Gedankenstich.

'Früher haben wir Spaß gehabt an Wortgefechten', dachte Karla des Öfteren,' und ich war nicht immer der Verlierer.
Hier ist das Leerzeichen verrutscht: ...dachte Karla des Öfteren,(LEERZEICHEN) '(LEERZEICHEN WEG)und ich...

Was kann ich dadrauf noch sagen?
dadrauf gibt es nicht als Wort, muss darauf heißen...

Karla fühlte immer weniger Lust, das Heim durch allen möglichen Dekorationskünste gemütlicher zu gestalten.
alle möglichen

Trotz erfasste sie. „Und dann will ich noch wissen, warum du in letzter Zeit soviel trinkst.
so viel

„Der Ring passt mir nicht mehr, aus verschiedenen Gründen.“
Das ist eine ziemlich gemeine Antwort. Finde ich hier gut gesetzt.


Aus dem Erste-Hilfe-Kasten legte er ein Päckchen Verbandsmaterial bereit.
Ein schön vieldeutiger Satz in dieser Situation! Macht direkt Spannung!

In seinem Blick lag ein Hauch Spott und noch etwas anderes, das sie nicht deuten konnte.
dass sie nicht...

Paul hatte die Säge beiseite gelegt.
nach neuer Rechtschreibung ein Wort: beiseitegelegt.

„Es gibt da Umschulungsmaßnahmen vom Arbeitsamt, extra für Frauen, die schon länger aus dem Beruf sind“, sagte Paul nicht unfreundlich, „ich habe dir das Angebot mitgebracht.“ Und Karlas Herz fing an zu klopfen, als sie die lange vermissten Lachfältchen in seinen Augenwinkeln entdeckte.
Wie gesagt, das Ende ist klasse. Kompliment.

LG svg

 

Hallo wieselmaus,

damit hier nicht versehentlich was verschlimmbessert wird:

Erst letzte Woche hatte Karla versucht, den Dialog zu beleben, indem sie – direkt in Pauls Blickfeld auf der Windschutzscheibe - einen Aufkleber platziert hatte mit dem Text „Ich steige aus“.
Nach einen Aufkleber kommt ein langer Gedankenstich.

Besser: vor "einen Aufkleber". :D

In seinem Blick lag ein Hauch Spott und noch etwas anderes, das sie nicht deuten konnte.
dass sie nicht...

Sorry, svg, da hast Du Dich verguckt, der Satz war in Ordnung.

Grüße vom Holg ...

 

Oha! Wo Holg Recht hat, hat er Recht ;)... Danke fürs Entschlimmbessern ;)

 

Hallo svg und Holg,

vielen, vielen Dank! Ich war gerade am Verbessern und mir Zurechtlegen meiner Antworten. Ich hoffe, es ist okay, wenn ich mich an euch beide gleichzeitig richte.
Das Verb "besitzen" war schon absichtlich gewählt (mein Haus, mein Boot, meine Frau). Wieder so ein typischer ironischer Schlenker, der mehr über den Autor als über die Prota aussagt. Also weg damit!
Den langen Bindestrich gibt es auf meinem iPad nicht. Da muss ich also an den Laptop.
Leerzeichen ist verbessert.
"Dadrauf" ist Dialekt, muss aber nicht sein.
"allen" möglichen Dekorationskünste: klarer Fall von schlampigem Korrigieren
" soviel" und " beiseite gelegt": Ihr habt bestimmt Recht, aber ich finde, die Rechtschreibreform hat die Sache nicht wirklich vereinfacht.
" etwas anderes, das..": Hier ist ein astreiner Relativsatz:klug:

Tja, ich wundere mich wirklich, dass man auch nach dem xtenmal ( gibt es das Wort?) lesen noch Fehler findet.. Gut, das es die Wortkrieger gibt, die kriegen jeden:lol:

Danke, svg, dass dir meine Geschichte gefallen hat.
Danke Holg, dass du das Schwert für mich geschwungen hast.

 

Hallo wieselmaus

Deine Geschichte finde ich sehr spannend und lebendig. So wie diesem Paar, ergeht es vielen Ehepaaren; sie haben sich nicht mehr viel oder gar nichts mehr zu sagen!

Das zersägen des Eheringes ist recht dramatisch, doch hat die Ehefrau dabei wohl endlich die Kurve gekriegt um wieder im Berufsleben Fuss fassen zu wollen!

Ich freue mich schon jetzt auf neue Geschichten von Dir!

Weiterhin viel Freude beim schreiben!
Liebe Grüsse
rote Rose

 

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