Was ist neu

Ein alter Mann.

Mitglied
Beitritt
13.06.2004
Beiträge
5

Ein alter Mann.

Die Pfeife lag leicht und regelmäßig qualmend auf dem Beistelltisch neben dem alten Ledersessel im Wohnzimmer. Offenbar hatte der alte Mann, der sie noch vor wenigen Minuten fein duftenden Tabak aus ihr rauchte, unsauber gelöscht, denn das Haus hatte er bereits verlassen. Es war kurz nach sechs Uhr morgens, an einem Dienstag, der sonnig, aber kalt zu werden versprach, noch aber hinter teils sehr dichten Nebelschwaden verborgen lag. Ein paar wenige hundert Meter von der alten Barockzeitvilla entfernt lag ein großer Park, der aufgrund seiner langen und stolzen Geschichte gut gepflegt wurde. Auch und gerade in diesem Park waberten die Nebelfelder umher, so dass die wenigen Menschen, die um diese frühe Zeit schon umherschlenderten einander kaum sahen. Auch der alte Mann ging, langsam zwar, in diesem Park umher. Er trug einen unauffälligen dunkelgrünen Parka, eine Jeans, die etwa so alt war, wie das Gesicht des Mannes wirkte und, das war wohl das einzig bemerkenswerte an ihm, ein paar neurer, Billig-Turnschuhe aus dem Supermarkt. Etwa eine Viertelstunde bereits wanderte dieser Mann durch den Park, als er an einer Parkbank vorbeiging, auf der bereits ein sich ausruhender Jogger saß, den er noch nie zuvor hier gesehen hatte.

„Ich habe einige Menschen hier gesehen, aber auffällig benommen hat sich niemand. Also ich habe nichts derartiges beobachtet. Da war diese junge Joggerin, die, ähm, eine dieser Sportleggings trug und ein weißes T-Shirt, da war der Radfahrer, der mit seinem Hund durch den Park fuhr und einige weitere Hundebesitzer, aber besonders aufgefallen ist mir niemand. Ein alter Mann war da noch, der trug einen ... lassen Sie mich kurz überlegen ... dunklen Parka, glaube ich, so etwa wie meiner und sonst weiß ich auch nichts.. Nein, den kenne ich nicht. Ich wohne noch nicht lange hier, müssen Sie wissen. Ich kannte niemanden, den ich hier sah. ... Ja, ich wohne ... Hm.. Ich helfe gerne.“

Der alte Mann setzte sich neben den tief und bewusst einatmenden Läufer und betrachtete die durch Moosbewuchs und Baumblätter grün wirkende Parkbank und entschied, dass man trotz der ungemütlich wirkenden Farbe ganz gut hier sitzen konnte. Nachdem er die Bank betrachtet, ein Taschentuch hervorgeholt, seine Brille geputzt und das Tuch wieder in der Hosentasche verstaut hatte, beobachtete er das Treiben im Park, welches durch den Nebel beinahe surreal verfälscht wurde. Hier und dort tobte ein Hund einem geworfenen Ast hinterher, man hörte Bellen und Lachen, das Rufen von Herrchen oder Frauchen. Es wirkte sehr friedlich, befand er. Wirklich erkennen konnte er allerdings niemanden. Der Jogger beachtete ihn nicht.

„Ich habe die Tat von meiner Position aus nicht beobachten können, ich ... Also, also da waren diese großen Bäume im Weg und außerdem hatte Tine, meine Hündin, einen Hasen gejagt und ich war damit beschäftigt, sie zurückzupfeifen. Sie wissen ja, wie Sie so sind, diese jungen, ungestümen Hunde... Ach so, sie haben keinen eigenen ... Naja, ich habe dann nur gesehen, also ich, ich war schon auf dem Weg aus dem Park heraus, dass da ein Mann auf der Bank so komisch gekrümmt saß und außerdem war der Boden so dunkel, das habe ich aus der Ferne gesehen! Ich wusste nicht ... Ich bin also hingegangen und sehr erschrocken, das können sie mir glauben. So etwas sieht man ja nicht alle Tage, Gott sei Dank. Über und über war dieser Mensch mit seinem Blut besudelt.. Ich ... Also fast hätte ich mich übergeben müssen, ähm, ich habe dann natürlich sofort gefühlt, ob er noch Puls hat und direkt danach ... Nein, er hatte keinen mehr, ich war mal beim Roten Kreuz, müssen Sie wissen ... Direkt danach habe ich dann ja Sie verständigt und mich nach dem möglichen Täter umgesehen ... Nein, es war außer mir kein Mensch in der Nähe...“

Kaum hatte er den Park verlassen, fühlte er, wie eine Art Pumpe alles Leben aus ihm herauszusaugen schien. Er fühlte sich von einer Sekunde auf die andere sehr, sehr leer und emotionslos. Abgesehen von großen Schmerzen in den durch den schnellen Rückweg überlasteten Gelenken spürte er gar nichts.

„Der Tod ist vor etwa einer halben Stunden eingetreten. Er muss sehr gelitten haben in seinen letzten Minuten, der Täter hat ein offenbar reichlich stumpfes Messer, man sieht es an den zerfetzten Rändern der Wunde hier am Hals, mit sehr viel Gewalt in die Halsschlagaderregion gerammt. Er wird verblutet sein, aber dazu kann ich ihnen ganz genaue Informationen erst geben, wenn ich ihn obduziert habe. Der Täter muss entweder sehr viel Kraft oder sehr viel Wut gehabt haben. Oder Glück, wenn man das hier so nennen kann. Ja, ich bin hier fertig und möchte diesen Leichnam so schnell wie möglich genauer untersuchen.“

Kaum hatte er sein Haus wieder erreicht, steckte er den Ofen an, es würde wohl niemandem auffallen in dieser kalten Jahreszeit, und warf seine Kleidung, die vom Blut besudelt war, hinein. Etwa zwanzig Minuten später war sie bis auf die Asche restlos verbrannt. Das Messer, es hatte seiner vor einem Jahr verstorbenen Frau Greta als Gemüsemesser gedient, warf er in den Brunnenschacht am äußeren Ende seines Gartens. Er fühlte sich schwach und noch immer leer, als er sich wieder in sein Bett legte und versuchte, noch einmal einzuschlafen. Kurz vor dem Einschlafen dachte er darüber nach, dass er sein Opfer, er hatte kurz mit ihm gesprochen, nicht nach dem Namen gefragt hatte. Er nahm sich vor, dies nicht noch einmal zu versäumen. Die Pfeife qualmte längst nicht mehr.

 

Liebe(r) Angua.

Ich werde dir, sobald es die Zeit erlaubt, ausführlich antworten. Die Preise eines Internet-Cafés erlauben leider nicht, deine Anwort einer genaueren Betrachtung zu unterwerfen und verhindern, angemessen zu antworten. Ich werde dies nachholen, sobald ich keinen preislichen Druck im Nacken habe. Vermutlich am Sonntag.

Danke für deine Auseinandersetzung mit meiner Geschichte,
liebe Grüße,
mnnn.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom