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Ein Auge für den Augenblick

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20.11.2003
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Ein Auge für den Augenblick

Der Tag hatte sie müde gemacht. Schon lange hatte Anna sich nicht mehr so ins Zeug gelegt. Zuletzt wahrscheinlich vor der Abiklausur in Mathe. Diesmal konnte sie jedoch gleich das Ergebnis sehen: Dort wo vor kurzem noch die orange-grüne Sechzigerjahretapete von den Wänden blätterte, hing jetzt die korsische Calanche, von Jakob mit tiefroter Farbe auf die Leinwand gepinselt. Das Meer, die untergehende Sonne, die die steil ins Meer fallenden Felsen noch intensiver leuchten lässt. Knorrige, uralte Eichen hängen wie winzige Bonsaibäumchen in den Furchen der riesigen Klippen. Anna lächelte. Das Bild würde sie immer an die schöne Zeit erinnern. Jakob hatte wirklich ein Auge für den Augenblick. Mit Farben fing er die Stimmung ein, nicht mit besonders gekonnten Pinselstrichen.
Heute war sein Talent dafür jedoch weniger gefragt gewesen. Sie hatten die neue Raufasertapete in klarem Gelb übergestrichen. Schon früher waren gemeinsame Renovierungsarbeiten ein gruppendynamisches Highlight gewesen, bei dem viel Farbe auf der Hose oder im Gesicht landete. Aber heute war es etwas anderes. Während die Mädchen den Teppich zurechtgeschnitten und mehr oder weniger fachgerecht verlegt hatten, waren Jakob, Florian und Moritz mit dem Kleinlaster auf der Autobahn unterwegs gewesen. Es waren immerhin knapp 200 Kilometer, die der Krempel hinter sich lassen musste. Es wurde geschleppt, vermessen und geschraubt. Zu mehr als einem Müsliriegel war keine Zeit gewesen, umso mehr freute man sich jetzt auf das wohlverdiente Abendessen.

In der Küche war trotz fehlender Haushaltgegenstände das heillose Chaos. Doch Moritz beherrschte seine Tomatensoße auch in absoluter Anarchie und in der ganzen Wohnung mischte sich eine Note von Knoblauch und Kräutern unter den Farbgestank.
Alles war so unglaublich ungewohnt. Klar – Nudeln hatte Anna schon mal selbst gekocht und war auch schon länger ohne ihre Eltern unterwegs gewesen. Aber diesmal war sie erst einen Tag weg und es war wie das erste mal. Abendessen in der eigenen Wohnung. Das würde sie jetzt hoffentlich noch unzählige Male haben, zusammen mit Johanna. Sie würden abwaschen, am Anfang noch mit Motivation, dann irgendwann nur noch mit angetrockneten Tellern, wenn es unbedingt sein müsste. Sie würden nur etwas im Kühlschrank haben, wenn eine von beiden einkaufen war. Und sie würden sich streiten, vielleicht so, wie sie es nicht gewohnt waren. Darüber, wer den Lappen im Spülwasser hat liegen lassen.
Auf all das freute sie sich, war unglaublich neugierig. Vielleicht war alles viel schwerer, als die beiden Mädchen sich das vorstellten. Aber völlig naiv waren sie auch nicht.
Jakob verteilte Teller und Besteck auf dem Camping-Klapptisch und holte dann eine Flasche Wein aus seinem Rucksack.
„Rotwein mitten in der Woche? Hast du den aus dem Keller deiner Eltern geklaut?“ Johanna lachte und schob ihr Snoopy-Senfglas zu Jakob rüber.
„Naja – wer weiß wann wir wieder so jung zusammen kommen. Hat der junge Haushalt auch einen Korkenzieher?“
Der Korkenzieher würde wohl die erste sinnvolle Anschaffung sein. Jakob musste den Korken wiederwillig in die Flasche drücken. Sicherlich würden sie noch einige Male improvisieren müssen. Doch genau das machte es so reizvoll. Etwas neues machen. Vielleicht hatte Jakob Recht und sie würden sich so bald nicht mehr wiedersehen. Jeder würde irgendeinen Weg gehen, neue Freunde finden. Vielleicht würden sie sich einmal nichts mehr zu sagen haben.
Doch im Moment wollte Anna genau an diesem Camping-Klapptisch sitzen, in ihrer ersten eigenen Wohnung, Nudeln mit Moritz’ zu scharfer Soße essen, korkigen Wein aus einem Senfglas trinken, über Korsika reden und über das Studium, über Knoblauch beim Küssen und die beste Monopolystrategie...

 

Hallo Diebin!

Du läßt zwar im Titel schon nicht mehr erwarten, aber mir ist Deine Geschichte, die das Ende eines Umzugs beschreibt, doch irgendwie zu wenig. Zumindest hätte ich gern mehr über die Charaktere erfahren, wer sind die beiden jungen Frauen zueinander, Schwestern, Freundinnen? Wer sind die Männer, Freunde, die gern helfen, Brüder?

Vielleicht könnte Anna ja auch der Moment durch den Kopf gehen, wie sie auf die Idee gekommen sind, zusammenzuziehen?

Ein paar kleine Fehler sind noch drin, hab sie jetzt aber nicht rausgefischt, nur das eine hier:

"auf dem provisorischen Camping-Klapptisch"
- würde "provisorischen" weglassen, zumindest ich kann den Camping-Klapptisch auch so als Provisorium erkennen, ein "provisorischer Camping-Klapptisch" ergibt bei mir eher das Bild eines anstelle eines Camping-Klapptisches aus den beim Möbelzusammenbau übriggebliebenen Holzteilen (also die, die sie vergessen haben, einzubauen) zusammengenagelten Gestells...:D

Jakob musste den Korken wiederwillig in die Flasche drücken.
- Drei Männer und kein Schweizer Messer? :eek: Das ist das Ende der Männlichkeit. :D

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Susi.

Danke für deine Kritik. Ich dacht, es würde mehr herauskommen, dass es Freunde sind.. wenn sie sich irgendwann nicht mehr so viel zu sagen haben, vielleicht völlig verschiedene Wege gehen. Brüder bleiben einem in der Regel ein Leben lang erhalten.
Nunja, ist allgemein mein Problem, dass ich zu viel vorraussetze.

Und ich habe auch daran gedacht die Weinflasche mit dem Taschenmesser aufzumachen, aber dann war das so MacGyvermäßig..

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Diebin,

auch mir hat deine Geschichte leider nicht ganz so gut gefallen.
Das Thema fand ich gut, ich mag Geschichten, die nur eine Momentaufnahme sind, und die Melancholie von Anna bringst du gut rüber. Aber in diesem Fall war es auch mir zu wenig, zu viel Gedanken von Anna, die berichtsmäßig aufeinanderfolgen, zu wenig Handlung. Hast du mal darüber nachgedacht, den ein oder anderen Gedanken z.B. in einen Dialog umzuwandeln? Z.B. nicht

Das würde sie jetzt hoffentlich noch unzählige Male haben, zusammen mit Johanna.
sondern eher in wörtlicher Rede, irgendwie:
"Zusammen zu Abend essen - wie oft wir das hier in der Küche wohl noch machen werden," fragte Anna Johanna nachdenklich.
"Mit Sicherheit noch ganz oft, und ich freu mich drauf," antwortet Johanna lächelnd, "wie wir uns wohl organisieren werden, mit dem Spüldienst und so?"
usw.
Ist nur ein Vorschlag, ich könnte mir aber gut vorstellen, dass die Geschichte dadurch lebendiger wird.
In Bezug auf die Beziehung der beiden muss ich Susi auch Recht geben, da könnte aber wirklich die eine oder andere Andeutung (sind sie zusammen zur Schule gegangen, wie lange kennen sie sich schon...) ausreichen. Ansonsten hatte ich noch bei einigen Sätzen das Gefühl, dass du in der Zeit etwas verrutscht bist.
Und bezüglich deines Gefühls, dass du mit deinen Geschichten beim Leser zuviel Wissen voraussetzt - o ja, das kenne ich zu gut. Bei mir zumindest ist das allerdings mit der Zeit weniger geworden, je mehr man schreibt, desto mehr bekommt man ein Gefühl für das richtige Maß an Informationen. Also - weiterschreiben ;)

Liebe Grüße
Juschi

 

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