Was ist neu

Ein Dessert am Hoellenschlund

Mitglied
Beitritt
29.09.2004
Beiträge
12
Zuletzt bearbeitet:

Ein Dessert am Hoellenschlund

Ein Dessert am Höllenschlund

Ein Dessert am Höllenschlund

"Bist du dir wirlich sicher?" fragte er zwischen zwei Bissen blutigen Steaks.
Auch wenn sein Vertrauen in Ezra beinahe unerschütterlich war, fiel es ihm doch schwer zu glauben, dass sich hier und heute der Höllenschlund auftun sollte. Vor allem hier. Das Gasthaus war gut besucht, viele Familien mit kleinen Kindern. Für seinen Geschmack etwas zu viele. Er befürchtete, dass jeden Augenblick einer von diesen unkontrollierten Winzlingen unter ihren Tisch und mitten in ihr Waffenarsenal stolpern würde.
Ezra stocherte ein wenig unwillig in ihrer Mousse au Chocolat herum. Sie schien seine Frage überhaupt nicht gehört zu haben. Der Blick ihrer merkwürdigen, dunklen Augen war leer.
"Was ist, Ezra?" fragte er.
Beim Klang ihres Namens schien sie von einem meilenweit entfernten Ort zurückzukehren. "Hm?"
"Stimmt etwas nicht?"
"Die Mousse hat Klümpchen." Sagte sie ein wenig quengelig. Hyde fiel es immer noch schwer sich darauf einzustellen, wie stark ihre Persönlichkeit schwankte: In einem Moment war sie die personifizierte Weisheit, von übermenschlicher innerer Ruhe, und im nächsten schien sie in eine präpubertäre Trotzphase zurückzufallen. Wenn er sie nicht so verzweifelt geliebt hätte, hätte er sie dafür wahrscheinlich abgrundtief gehasst.
"Dann lass es stehen." Erwiderte er mit erzwungener Gelassenheit. Seine Hand tastete zum hundertsten Mal die Waffen unter dem Tisch ab: Axt, Flammenwerfer, Sprengstoff, ein Gewehr, normale Munition, Silberkugeln, Holzkugeln, antikes Keltenschwert,…Sie waren für alle Eventualitäten ausgerüstet; Denn auch wenn Ezras Vorhersagen recht genau waren, was Ort und Zeit anging, ließen sie doch meist etwas zu wünschen übrig, was die Art des dämonischen Angriffs betraf. Wer schon mal versucht hatte, einen Vampir mit einer handelsüblichem Magnum niederzustrecken, mochte die Fatalität dieser kleinen Ungenauigkeit vielleicht ungefähr nachempfinden können.
"Bist du dir hiermit sicher?" fragte er noch einmal mit einer allumfassenden Geste.
Einen Moment liess Ezra ihren Blick durch den Raum schweifen, so als sähe sie die Plastiktische mit den blauen Plastikdecken, die Kinderspielecke mit dem liebevoll hingeworfenen Haufen Bauklötzchen und die mürrischen Bedienungen zum allerersten Mal. "Ja." Sagte sie knapp. Und dann, wieder etwas weinerlich: "Können wir die Mousse nicht zurückgehen lassen?"
Es gab eine leichte Erschütterung. Ein Mini-Erdbeben, das Ezras Mousse au Chocolat vom Tisch hüpfen ließ. "Das hat sich dann ja Gott sei Dank erledigt…" murmelte Hyde mehr zu sich selbst. Um sie herum brach gemäßigte Panik aus. Die meisten Leute waren von ihren Tischen aufgesprungen, nur wenige hatten die Geistesgegenwart sich darunter zu verkriechen. Ein Großteil versuchten seine Nachkommenschaft zusammenzuraffen, was in einem chaotischen Uebereinandergestolper resultierte. Eine zweite Erschütterung folgte, diesmal schon weniger zaghaft. Die meisten Kinder spürten jetzt auch, dass irgendetwas nicht stimmte - und begannen zu heulen und nach ihren Eltern zu schreien. Hyde gefiel das Szenario von Sekunde zu Sekunge weniger. Er hatte geahnt, dass die ganzen Zwerge hier Ärger bedeuten würden. Er sprang auf den Tisch - das Plastik knirschte einen kläglichen Protest, wagte aber nicht unter ihm zu versagen - und rief: "Alle raus hier - jetzt!" Seine Stimme schnitt durch das Geschrei wie ein Schlachtermesser durch Butter.
Der Effekt war erstaunlich. Für einen Moment schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Alle erstarrten in ihren Bewegungen. Unzählige Augenpaare ruhten auf Hyde. Dann war der Moment vorbei, und die Bewegung und der Lärm brachen wieder los. Doch bewegte sich jetzt ein Großteil der zwei dutzend Menschen weit weniger chaotisch auf die Türen zu. Vielleicht würde es die Mehrheit lebend raus schaffen. Vielleicht sogar alle, dachte Hyde mit einem Optimismus, der sich irgendwo in einem Luftschutzbunker seines Zynismus versteckt gehalten haben musste.
Mit einem dritten Beben riss der Boden des Gasthauses auf. Das Schreien der Gäste verwandelte sich augenblicklich in ein panisches Crescendo. Na gut, vielleicht schaffen es auch nur ein paar, verlagerte Hyde seine Vermutung in Richtung Realität. Aus dem Loch drangen unmenschliche Laute. Ein Höllenlärm im wahrsten Sinne des Wortes, dachte Hyde und lächelte grimmig. Ezra erhob sich langsam aus ihrem blauen Plastikstuhl. Sie schenkte der auf dem Boden verteilten Mousse au Chocolat noch einen letzten traurigen Blick, dann sammelte sie ihre Kräfte. Gerade rechtzeitig, denn aus dem Höllenschlund tauchte soeben die erste schleimig-grüne, krallenbesetzte Klaue auf. Es hatte begonnen.

 

Herzlich willkommen auf kurzgeschichten.de!

Zum Text: die Idee gefällt mir, finde ich irgendwie lustig. Die beiden Helden sitzen im Gasthaus, wo sich gleich das Tor zur Hölle auftun wird. Macht ja nix, sie sind ja gut vorbereitet. Und gestärkt. Mit blutigem Steak und Mousse.

Die Quengeligkeit von Ezra gibt dem knappen Text noch kleines Sahnehäubchen.

Noch zu einigen Details:

  • "ae oe ue" - Ich weiß nicht, ob Du gerade an einem Rechner sitzt, der Dir Umlaute unmöglich macht. Bitte so bald als möglich ändern.
  • "von uebermenschlicher innerer Ruhe und im naechsten schien sie" - merkwürdige Konstruktion; zudem fehlt ein Komma: 'Ruhe, und'
  • "Wer schon mal versucht hatte, einen Vampir mit einer handelsueblichem Magnum niederzustrecken, mochte die Fatalitaet dieser kleinen Ungenauigkeit vielleicht ungefaehr nachempfinden koennen." - Der Satz hat mir gut gefallen. Würde aber 'einer kleinen Ungenauigkeit' schreiben.
  • "erledigt?"murmelte" - Leerzeichen nach den Anführungszeichen
  • "Die Meissten versuchten ihre Nachkommenschaft zusammenzuraufen" - 'Die meisten'
  • "und nach ihrer Eltern" - 'ihren'

 

Einfach hoellisch! Weiche Satanas!
Eine hübsche Idee, etwas Pech und Schwefel in den Challenge zu bringen.
Sehr unterhaltsam – deine Art zu schreiben. Die Dialoge sind das Gegenteil von steif und passen.
Eine Unwahrscheinlichkeit (mal abgesehen von dem Höllenschlund) ist mir aber noch aufgefallen:
Wären sie mit diesem Waffenarsenal in einer normalen Gaststätte überhaupt geduldet worden? Und wie hätten wohl die Gäste reagiert? Vielleicht kannst du da noch was einbauen, zb. verstohlene Blicke der Gäste oder ähnliches.

Hier noch ein paar Kleinigkeiten zum Korrigieren:

...was Ort und Zeit anging, liessen sie doch meist etwas zu wuenschen uebrig, was die Art des damoenischen Angriffs anging.
zweimal anging. Das 2. Mal würde ich es durch „betraf“ ersetzen.
...begannen zu heulen und nach ihrer Eltern zu schreien...
nach ihren Eltern
Aus dem Loch drangen unmenschliche Gerausche
Geräusche
Sie schenkte dem auf dem auf dem Boden verteilten Mousse au Chocolat noch ...
Ein „auf dem“ zuviel

Grüße
Sturek

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo alle zusammen,
wow, hatte nicht gedacht, dass so schnell so viel Feedback kommt. Vielen dank fuer die zahlreichen Tipps und Hinweise. Habe versucht moeglichst viel davon umzusetzen. Das mit den Umlauten war natuerlich aesthetisch nicht sehr ansprechend, liegt aber an meiner britischen Tastatur.
Auf die Idee mit dem Reinkopieren waere ich von selbst wohl nie und nimmer gekommen, daher tausend Dank, Kristin. :thumbsup: Das mit dem Semikolon ist so eine Sache: Ich habe inzwischen schon so viele widerspruechliche "Regeln" diesbezueglich gehoert, dass ich resigniert habe und zu einer trust-no-one-Einstellung konvertiert bin.
@gbwolf
Gut, gemaessigte Panik ist vielleicht keine handelsuebliche Emotion. Daher ein Beispiel: Sie keimt auf, wenn man sich gerade den kompletten Kopf mit Blondiermittel eingekleistert hat, und dann ploetzlich ein zartes Brennen verspuert. Wenn du einen kurzen, knackigeren Begriff fuer diese Vorstufe von echter Panik kennst, fuer den Zeitraum, in dem man noch nicht voll begreift, was vor sich geht, aber trotzdem schon mal Angst hat, dann immer her damit!
Ich glaube ansonsten habe ich alle Aenderungen umgesetzt - habe sogar Tischdecken in den Text gemogelt, die in meiner Vorstellung schon die ganze Zeit da waren, damit die Waffen nicht offensichtlich rumliegen.

 

Hi Leelu,

nanu, da denke ich, die Geschcihte fängt gerade an, da ist sie auch schon zu Ende. Und das ohne das versprochene Höllenszenario. Und irgendwie wusste ich nciht genau, ob du einfach nicht weiter wusstest, doer ob du uns hier nur einen Teil einer längere Geschichte serviert hast.

Dem Titel nach geht es allerdings eher um die gelangweilte Dekadenz einer Frau, die sich im Angesicht der Hölle um ncihts mehr Sorgen macht als um die Qualität ihres Mousse Au Chocolat.
Da ist es dann auch egal, ob der Höllensturm losbricht oder ob die Familien umkommen. Vielleicht muss ich den Höllenschlund als Hartz IV verstehen, der dafür sorgt, dass die Familien demnächst kein Mousse mehr essen werden, ;)

Dein Stil ist gut, der Text liest sich spannend, die Mousse baut sich schön ein, nur dass ich eben zum Ende etwas unbefriedigt blieb.

Einen Moment liess Ezra ihren Blick durch den Raum schweifen, so als sehe die blauen Plastiktische ... zum allerersten Mal.
mE: ..., so als sähe sie die blauen ...
Die Meissten versuchten ihre Nachkommenschaft zusammenzuraufen, was in einem chaotischen Uebereinandergestolper resultierte.
Sorry, den Satz finde ich blöd, vielleicht auch wegen der Wortschpfung Uebereinandergestolper
Und begannen zu heulen und nach ihrer Eltern zu schreien.
nach ihren Eltern
Sie schenkte dem auf dem auf dem Boden verteilten Mousse au Chocolat noch einen letzten traurigen Blick

Lieben Gruß, sim

 

Hi Leelu,

auch für mich ist's kein schlechter Einstand, muss ich sagen. Knapp, lakonisch und fast surreal irgendwie.

Aber ähnlich wie Sim kommt es mir auch nur vor wie ein Kapitel aus einer weit größeren Sache. Woher die Angriffe, wer sind die Jäger, die Welt am Abgrund?? Fragen, die mich danach quälen, vielleicht solltest du da nochmal weitermachen?

Grüße
Peter

 

Wunderbar lakonisch, diese Geschichte, sehr gern gelesen. Ich habe nur zwei Kritikpunkte:
1. Es wäre logisch, den Laden frühzeitig zu evakuieren.
2. Die Geschichte endet, als es erst losgeht. Im gleichen Stil fortgesetzt, wäre das bestimmt eine sehr lustige Auseinandersetzung geworden.

Fazit: Unterhaltsam geschrieben; der Ort hätte allerdings auch ein anderes Gebäude sein können. Außerdem scheint Dein Gasthaus nicht wirklich abgelegen zu sein, diesen Eindruck zerstören die vielen Gäste.

Uwe
:cool:

 

Oje, oje :( - nie hatte ich zu der Sorte Mensch werden wollen, die ein offenes Ende als fantasieanregend verteidigen. Deshalb werde ich das auch jetzt nicht tun. Persoenlich kann ich Geschichten, "die zu viele Fragen stellen", auch nicht leiden - die haben ne Kugel verdient. Andererseits fuehlte sich diese Geschichte an einem gewissen Punkt einfach beendet an...Trotzdem habt ihr mich jetzt ins Schwanken gebracht. Mal schaun, ob mich in den naechsten Tagen noch die Muse kuesst (ein warmer Haendedruck wuerde mir persoenlich allerdings auch reichen), und ich die Sache noch weiter ausbauen kann. Moechte die Geschichte nur nicht kuenstlich strecken.

 

Hallo Leelu,

trotz des gruseligen Titels eine sehr amüsante Geschichte. :)
Schade, dass sie schon aufhört, als es erst eigentlich losgeht.
Einen erfrischenden Stil, der mich gerne weiterlesen lässt, hats Du. Gefällt mir sehr.
Deine Ezra finde ich cool. Auf der einen Seite die eiskalte Dämonenkillerin, auf der anderen Seite stören sie solche Kleinigkeiten wie Klümpchen im Pudding, dass doch sehr an die Nörgeleien eines Kindes erinnert. :D
Vielleicht könnte wenigstens einer der Dämonen mal eben durchs Wirtshaus fetzen, dass wäre, angsichts des Titels, sicherlich sehr spannend. :D

Liebe Grüße, Susie

 

Ein Dessert am Höllenschlund

Hi Leelu,

ja, muß ich auch sagen. Du hast eine tolle Einführung zu einer bestimmt spannenden und auch zu erwartenden, humorvollen Geschichte geschrieben. ;)

Das Verhalten von deinen Prots, vor allem von Ezra, erscheint mir sehr professionel.
Bevor die Arbeit beginnt, noch ein Dessert, was, son Ärger, noch nicht mal schmeckt :D

Der Höllenschlund öffnet sich. Ezra sammelt ihre Kräfte. Der Kampf kann beginnen. (Im zweiten Teil) :schiel: Schaaaaade.

Kann mir aber gut vorstellen, wie die Beiden in Matrix-Format, die "Höllenhunde" vernichten, oder zurücktreiben. Mit einpaar lockeren Sprüchen, hier und da werden Gäste aus den Fängen der teuflichen gerissen.
Naja, ein paar müssen wohl dran glauben.
Doch letztendlich siegt ds Gute.
Die Helden klopfen sich den "Staub" von ihrer Kleidung, die Welt ist gerettet.
Vielleicht kommt Ezra dann auch noch zu ihrem Dessert.
Natürlich in einem anderen Lokal. (Oder in der Küche, wenn sie heil geblieben ist) :shy:

hat mir sehr gut gefallen, mach weiter so :)

lieben Gruß, coleratio

 

Vielen Dank fuer das Lob, Coleratio.
Ich denke deine Fortfuehrung fasst so ziemlich in meinem Sinne zusammen, wie es weitergehen wuerde - deshalb gibts von mir auch keine Ergaenzung der Geschichte mehr. Aber ich verspreche das naechste Mal mehr als nur eine "Einfuehrung" zu schreiben. Oder es zumindest zu versuchen.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom