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Ein nettes Reihenhaus in einem guten Viertel

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24.01.2003
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Ein nettes Reihenhaus in einem guten Viertel

Die aktuelle (dritte) Version der Story findest du hier: Aktuelle Fassung

Ein nettes Reihenhaus in einem guten Viertel

Nur irgend so ein alter Mann, der seinen Speichelfluss nicht kontrollieren kann, sagt sich Ola, als die Tür aufgeht. Kein Grund, sich Sorgen zu machen.

Ein Riese im Bademantel steht vor ihr, mit rosa Gummihandschuhen an den Pranken. Als er sie anstarrt, als seinen Blick über ihren Körper gleitet, über Haare, Schultern, Brüste weiter hinab auf ihre Beine, wird es Ola ungemütlich. Es sammelt sich Spucke in seinem Mund, er schiebt sie von einer Backe in die andere, hinter diesem verkniffenen Strich von einem Mund; er schluckt; hat gleich wieder zuviel Geifer im Mund; schluckt wieder.

Es dauert Minuten, bis Ola ihre Angst überwinden kann. "Ich soll sauber machen", sagt sie schließlich.

"Sind Sie Teresa?"

"Ich bin Ola, Tochter von Teresa. Teresa ist krank, leider, und sagt Entschuldigung."

"Okay", sagt der Riese im Bademantel, "kommen Sie rein."

Ola macht zwei Schritte und steht im Treppenhaus. Die Steinstufen sind sauber, das sieht sie gleich. Aber mit diesem Mann ist sie nicht gern im Haus. Sie legt den Rucksack auf die Treppe, richtet ihr Haar und horcht, ob wenigstens noch jemand da ist. Die Reihenhaushälfte ist zu groß für einen allein, selbst für diesen Riesen, aber sie hört nichts. Also allein mit ihm, denkt Ola, Mist.

"Sind Sie schon länger im Geschäft?" fragt der Mann, "Sie sehen so jung aus."

"Ich putze schon lange Zeit", lügt sie. Es ist ihr erstes Mal, aber das muss er nicht wissen, denkt sie. Über eine Profi-Putzfrau wird er sicher nicht so einfach herfallen.

"Studentin?"

Ola nickt. In einem Jahr, ergänzt sie in Gedanken, wenn alles gut geht. Studentin klingt einfach besser, erwachsener, stärker. Und erwachsen ist sie ja schließlich, und stark eigentlich auch.

Sie deutet fragend geradeaus, in Richtung Wohnzimmer.

"Heute nicht", wehrt der Mann ab. "Der Hobbykeller müsste aufgeräumt und sauber gemacht werden. Gleich die erste Tür rechts." Er gibt Ola einen handwarmen Schlüssel aus seiner Badmanteltasche. Sie schnappt sich den Rucksack, und als sie gerade hinuntergehen will, sagt der Mann: "Halt. Haben Sie Handschuhe?"

"Nein. Warum? Ich brauche Handschuhe nicht."

Der Mann reicht Ola seine Gummihandschuhe, sie fühlen sich eklig an, aber sie nimmt sie und steigt hinab. Die Stufen werden immer schmutziger. Staubbäusche schweben in dem Luftzug davon, den sie beim Gehen macht. Wie schmutzig wird dann der Keller sein, fragt sie sich. Ihre Matka hat sie gewarnt. "Solange es nur Dreck ist", hat sie geantwortet, "das macht mir nichts aus." Und das stimmt, denkt Ola. Es macht mir nichts aus, das bisschen Dreck.

Unten, am anderen Ende des Kellerflurs, winden sich einige Metallrohre an der Wand hinter einer offenen Tür. Irgend etwas rattert und klappert dort vor sich hin, irgendein Apparat, vielleicht hat ihn der Typ selbst erfunden, überlegt sie. Vielleicht ist er Erfinder, er sieht frustriert aus. Rechts neben Ola steht ein Gefrierschrank, fast so groß wie sie selbst. Ein langes Messer liegt obendrauf. Ola erschrickt: Es sind rote Streifen auf der Klinge, als hätte sie jemand hastig abgewischt, es könnte Blut sein, schießt es ihr durch den Kopf. Was hat er mit dem Messer hier geschnitten, denkt sie. Was ist in dem großen Gefrierschrank? Sie hat einmal einen Krimi mit einem solchen Gefrierschrank gelesen, erinnert sich Ola. Aber schließlich, das war ein Krimi, alles nur erfunden, denkt Ola, alles Quatsch. Sie greift nach hinten zum Rucksack, fühlt nach dem Handy, Gott sei Dank, es ist da, sie fühlt es, sie kann jederzeit Teresa anrufen, Mama, was soll ich tun, aber nein, Unsinn, ich bin erwachsen, denkt Ola. Sicher hat er nur irgendwelche Steaks mit dem Messer zerteilt. Sie kneift die Pobacken zusammen, geht zu der Kellertür rechts, sperrt auf und öffnet.

Ein bestialischer Gestank schlägt ihr aus dem Halbdunkel entgegen, eine Mischung aus stehengelassenem Bier, kaltem Rauch und noch etwas. "Matka Boska Czestochowska" entfährt es Ola. Sie tastet um den Fuß eines Deckenfluters herum und schiebt den Dimmschalter ganz auf.

Es ist ein großes Zimmer, aber der Teppich ist vollständig mit Unrat bedeckt, da ist kein freier Quadratmeter in dem Raum, kein Eckchen ohne Müll, kein freier Fleck zum Hintreten, ein Sumpf aus CD-Hüllen, Bücherstapeln, Disketten, Bierflaschen, Wäsche, ein Sumpf, belebt von seltsamen Geschöpfen, einer gelben Kabelschlange zum Beispiel, die Olas Bein umschlingt. Sie kommt von einem Tisch mit Monitor her, einem Tisch, der überhäuft ist von den Fledermausflügeln aufgeschlagener Magazine, abgestreiften grauen Ascheraupen, die den Aschenbecher nicht mehr erreicht haben.

Sie finden sich auch auf dem Boden, die Ascheraupen, dort neben den drei Sektflaschen, zwei stehen noch, eine dritte ist schon gefallen, dort neben dem kleinen Teller mit Brotkrümeln darauf, die schwarz sind und glänzend wie Fliegen, dort bei dem butterverschmierten Messer, das neben einer Käserinde liegt. Und die Käserinde passt wieder gut zu den zwei Mausefallen daneben, mit ihrem verschrumpelten, schwarz gewordenen Käse, die Käfige stehen noch offen, hereinspaziert, immer hereinspaziert, denkt Ola, genau wie ich. Und um den Essplatz am Boden stehen drei halbmeterhohe Stapel aus Zeitschriften, von einem hängt ein knallroter Tangaslip herab, die Damenbinde noch in die Höhlung geschmiegt. Also irgendwas mit einer Frau, denkt Ola, aber wo ist die Frau hin, ohne ihren Slip, und fühlt sich auf einmal beobachtet, von der Wand her, und als sie aufsieht, da guckt ihr eine fast nackte Frau entgegen, Ola ist geschockt, ihr guckt eine fast nackte Frau entgegen.

Aber es ist nicht echt, es ist nicht einmal ein Spiegel, nur ein Poster an der Wand, ein Poster mit einer schrecklichen Frau, die Frau sieht aus wie der Traum eines Fernfahrers, melonengroße Brüste, lange blonde Haare mit Dauerwelle, darunter steht in gelbroter Schreibschrift ihr Name, Susanna, wie ein Autogramm, Susanna, der Traum eines Fernfahrers.

Susanna fühlt sich auch nicht wohl hier, sie hat alles gesehen, die durchgemachten Nächte, die Alkoholorgien, den tierhaften Sex, all das hat sie gesehen, sie will nicht davon erzählen, aber sie lehnt es ab, Susanna denkt wie Ola, sie hasst es, sie hasst die Sünde, ja die Sünde, das Wort passt, in der Kirche war Susanna ja schon lange nicht mehr, aber hier, hier riecht es nach Sünde, flüstert Susanna von der Wand herunter, findest du nicht auch, Ola.

Die Fernfahrerfrau wird Ola immer sympathischer, immerhin bin ich nicht ganz allein mit diesem Typ, denkt Ola, Susanna und ich, wir sind jetzt schon zu zweit. Ola bahnt sich einen Weg zu dem Fenster am anderen Ende des Raumes. Sie reißt es auf, es stößt nur auf einen Lichtschacht, aber immerhin, Licht und Luft, denkt Ola.

Sie sieht zurück. Ein Amateurbordell, denkt sie. Oder das Studierzimmer eines Kannibalen. Noch einmal bahnt sie sich einen Weg durch den Müll, zurück zur Tür. Sie geht an dem Keller mit den Rohren vorbei, sie möchte nicht wissen, was das für eine ratternde Maschine da drin ist, vielleicht zersägt sie eingefrorene Jungfrauen.

Sie geht hinauf ins Erdgeschoss, holt sich einen Müllsack aus der Küche, geht wieder hinunter und lässt zuerst den gröbsten Müll verschwinden. Sie weckt den Staubsauger im Kellerflur aus seinem Schlaf und saugt.

Mittendrin im Getöse des alten Geräts fährt sie zusammen, der lange Rüssel des Staubsaugers hält still, sie steht starr und horcht. War da nicht etwas? Hat da nicht eben die Tür hinter ihr gequietscht? Sie dreht sich ruckartig um. Aber es ist nichts zu sehen. Die Tür steht einen Spalt weit offen. Sie macht den Staubsauger aus, horcht. Es ist still, fast schon wieder zu still. Was macht der Mann jetzt? Überlegt er? Horcht er herunter? Ola denkt nach, schüttelt aber dann den Kopf über sich. Vielleicht hat sich die Tür im Luftzug bewegt. Vielleicht nicht mal das. Wie hätte ich das Quietschen der Tür auch hören können, denkt Ola, wenn das alte Ungeheuer mit seinem Rüssel einen solchen Lärm macht. Ob ich einfach absperren soll? Aber dann denkt der Mann, ich klaue etwas. Und sinnlos ist es auch, sich in einem fremden Haus einzusperren, überlegt sie. Sie saugt weiter.

Etwas später rumpelt es, und dieses Mal ist sie sich sicher: Es hat gerumpelt oben. Sie macht den Staubsauger aus. Tapsende Schritte sind zu hören, ganz deutlich, das Flapp-flapp von Badeschlappen. Ola stockt der Atem. Der Typ kommt runter, denkt Ola, was wenn er runter kommt, und seinen Bademantel für mich öffnet oder Schlimmeres? Sie sieht sich um nach einer Waffe, sieht das Buttermesser, sie hat es auf den Computertisch gelegt. Sie geht hin, nimmt das Messer, wischt die Butter ab. Besser als nichts, denkt sie. Draußen tapst es weiter. Gleich geht die Tür auf, denkt sie, und er steht vor mir, mit seinem verkniffenen Lächeln, verdammt, er wird das lange Messer haben vom Gefrierschrank draußen. Aber sie wird sich verteidigen. Sie umklammert den Griff des Buttermessers fester. Ola steht da und wartet.

Plötzlich ist nichts mehr zu hören. In die Stille hinein schlägt eine Tür. Ein Wasserhahn wird aufgedreht. Ola schüttelt den Kopf über sich, der Mann ist duschen. Sie legt das Messer weg und macht den Sauger wieder an. Lächerlich, denkt sie, mit einem Buttermesser. Männer sind Schweine, aber meistens doch eher harmlos. Nur ein harmloser, einsamer Mann, allein in seinem Reihenhaus.

Sie angelt den Tangaslip vom Boden und wirft ihn auf den Computertisch. Seltsam nur, dass ihm das nicht peinlich ist, denkt Ola, es muss ihm doch peinlich sein, dieser Saustall. Er will es nicht nochmal sehen, jetzt, wo er nüchtern ist, er will, dass ich das wegmache, so wie man einem kleinen Jungen die Nase putzt. Oder will er was anderes? Will er, dass ich streng zu ihm bin? Ein böser Junge bist du, ein böserböser Junge. Sie muss lächeln bei dem Gedanken, bin schon drüber weg, denkt sie, das Messer schon vergessen, Gott sei Dank. Ich hab doch keine Angst vor diesem Bub. Gestern war er unartig und jetzt schämt er sich und will nur noch, dass seine Mama ihm den Rotz wegmacht.

Nach anderthalb Stunden ist Ola mit dem Zimmer fertig. Sie sieht sich noch mal den Raum an. Es ist immer interessant, was die Deutschen so machen. Vor allem in ihren abgesperrten Kellern. Aber jetzt, wo er sauber ist, sieht der Raum ziemlich harmlos aus.

Sie prüft, ob alles in Ordnung ist, fährt mit dem Zeigefinger ein Regal entlang, einen nikotinvergilbten Schrank, dann eine Art Sprossenwand. Gerade als sie überlegt, ob sie ein Klappmesser versuchen soll, bleibt ihr Finger an einem Metallteil hängen. Es ist ein breiter Ring, an dem zwei Ketten mit Handschellen befestigt sind. Weiter unten hängt ein Lederhalsband mit nach außen gekehrten Metallspitzen.

Scheiße, denkt Ola, der Typ ist ein verdammter Sadist, ein Frauenquäler. Am Schluss will er mich hier festmachen für Monate oder Jahre, als Sklavin halten für seine Gelüste. Keine Minute länger bleib ich hier. Mit zitternden Fingern betastet sie die Handschellen. Sie sind geöffnet, bereit zum Einschnappen. Er will ja nicht mich fesseln, beruhigt Ola sich, sondern seine Frau oder vielleicht irgendein Go-go-Girl, er fesselt ja nicht mich, nicht mich, nimm mich. Nein: Nicht mich, ich will das nicht, wirklich nicht, denkt Ola.

Ola versteht diesen Mann nicht. Ob er will, dass ich das sehe? Will er mir nur einen Schrecken einjagen, dieser Sadist, mit dem Messer, den Handschellen, all dem? Oder soll das eine Art, eine Art Angebot sein? Vielleicht hofft er, dass ich ihn bitte, angekettet zu werden, damit er dann ... Es schaudert sie.

"Ola", ruft der Mann von oben. "Ola, kommen Sie kurz mal rauf, bitte?"

Ola erschrickt. Sie hat immer noch die Handschellen in den Fingern, kommt nicht davon los, als wäre sie schon gefesselt.

"Ola!"

Sie antwortet nicht, starrt auf die Handschellen.

Ola hört das Tapsen seiner Badelatschen, er kommt also herunter, denkt sie, diesmal wirklich. Dann steht er in der Tür.

"Ola, ich will einkaufen gehen, Ihr Geld ..."

Er zögert kurz im Türrahmen, dann geht er mit großen Schritten auf Ola zu. Als er sieht, dass sie die Handschellen in der Hand hat; bleibt er ruckartig stehen, mitten im Zimmer. Er trägt jetzt ein weißes Hemd und ein graues Jackett. Saubermann, denkt Ola, piekfein der Herr.

Doch dann kommt er zu ihr, bedrohlich nahe, so dicht, dass Ola eingeklemmt ist zwischen Sprossenwand und ihm. Er steht so eng bei ihr, dass sie sein Haarwasser riechen kann. Er sieht meine Angst, denkt Ola.

"Du hast gründlich alles umgedreht, ja?" sagt er und sieht ihr streng in die Augen. Sie senkt den Blick.

Er fasst hinter sich, zieht sein Messer, denkt Ola und fährt zusammen. Gleich wird er auf mich einstechen, weil ich sein Geheimnis entdeckt hab. Aber dann hat er nur die Geldbörse in der Hand, und Ola atmet auf.

"Handschellen, na und", sagt der Mann, "wir sind schließlich erwachsen, oder?" Als er einen hellroten Schein aus der Börse wachsen lässt, rechnet sie sofort in Jeans um: die schwarze 501 bei Kaltenbach. Er streckt ihr das Geld hin, aber als sie es nehmen will, zieht er die Hand zurück.

"Wenn du nur ein bisschen netter wärst. Ist dir wohl zu schmutzig, ja?"

Warum ist? denkt Ola, ich hab doch alles sauber gemacht. Er holt noch einen hellroten Schein hervor. Dabei läuft ihm Speichel aus dem Mundwinkel, er leckt es weg. Ola lässt die Eisenteile fallen, sie scheppern gegen die Sprossenwand. Wenn Männer Schweine sind, dann ist das hier das Arschloch von einem Schwein, denkt sie.

"Was hast du denn?" fragt er und lächelt verkniffen.

Ola würgt es, sie reißt ihren Blick los von seinem Mund und sieht nach rechts zum Fenster. Gott sei Dank ist es noch offen, denkt sie, wenn ich schreie, wird man es hören, das nächste Reihenhaus ist nicht weit.

"Na was ist denn, ich tu dir doch nichts", sagt er und wedelt ungeduldig mit den Scheinen.

"Nimms schon, du kannst es doch brauchen. Ich verlang doch nichts Schlimmes von dir."

Ola sieht ihn an und runzelt die Stirn.

"Natürlich nicht, was denkst du denn von mir? Nur wegen den Dingern da..."

Er will gar nichts von mir, denkt Ola, ich bin vielleicht ein Angsthase. Na dann. Sie greift nach den Scheinen, spürt das dicke Papier in den Fingern. Doch als sie das Geld nehmen will, erstarrt sie: Der Mann hält es fest.

Er spielt sein Spielchen, denkt Ola. Ich muss jetzt was machen. Wenn ich die Hundert nehme, dann sind das gleich zwei Jeans, ich brauch nur die Scheine zu nehmen. Er verlangt ja nichts dafür. Allerdings - heute nicht. Vielleicht beim nächsten Mal? Ich seh doch, dass er was mit mir machen will. Turnübungen, mit ihm an der Sprossenwand. Teresa würde wissen, was man tut. Sie würde ihn kühl anlächeln, dass es ihn abtörnt, das Geld nehmen und abhauen. Oder würde sie ihm einfach eine schmieren? Aber er ist Stammkunde, überlegt Ola. Wenn ich zu Mamutschka heimkomme und alles erzähle, was wird sie sagen? Du bist nur ein einziges Mal da, und vergraulst mir gleich meinen Kunden.

Sie sieht auf die langen, feinen Hände des Mannes. Er hat sie sauber geschrubbt, Handflächen und Handrücken sind weiß wie Papier, darauf ein paar schwarze Haare. Die vordersten Fingerglieder sind rosa, wahrscheinlich benutzt er eine von diesen harten Bürsten, zum Reinigen der Nägel von unten. Wie ein Tierarzt, schießt es Ola durch den Kopf, wäscht sich die Hände hundertmal am Tag, zwischen Katze und Vögelchen. Aber ich bin kein Tier, ich brauch keine Behandlung. Diese Tierarzt-Hände, denkt sie. Ein Angstschauer überläuft sie, und sie lässt das Geld los. Weg hier, nur weg.

Sie flutscht nach links an dem Mann vorbei.

"Halt, Fräulein, was..."

Ola hört noch das Portemonnaie hinter sich zu Boden rasseln, dann ist sie aus dem Zimmer raus. Das Geld futsch, denkt sie, die Jeans futsch, und der Rucksack, ach scheiß auf den Rucksack, und dann knallt die Haustür hinter ihr zu.

 

Hallo,
im Prinzip eine gute Geschichte, das einzige, was stört, sind die teilweise doch sehr langen Sätze. Ich habe auch ein paar Beispiele in der Fehlerliste aufgeführt:

hinter diesem verkniffenen Strich von einem Mun
Mund
Sie hat einmal einen Krimi gelesen
weiter erklären, kurz einen Bezug zum Messer oder Gefrierschrank herstellen
einer gelben Kabelschlange zum Beispiel, die Olas Bein umschlingt,
mach danach mal einen Punkt
sie kommt von einem Tisch mit Monitor her, einem Tisch, der überhäuft ist von den Fledermausflügeln aufgeschlagener Magazine, abgestreiften grauen Ascheraupen, die den Aschenbecher nicht mehr erreicht haben,
hier auch wieder
zu den zwei Mausefallen daneben
Komma danach
mit ihrem verschrumpelten, schwarz gewordenen Käse,
hiernach wieder Punkt
Ola wird die Fernfahrerfrau
die Fernfahrerfrau wird Ola

Fazit: im Prinzip gut, du solltest es nur noch einmal überarbeiten, damit es auch silistisch leichter wird.

Gruß
Arthuriel

 

Hallo Stefan!

Mir hat Deine Geschichte in den weitesten Teilen gut gefallen.
Du baust geschickt den Bogen auf, am Anfang das leise Unbehagen, dann die Steigerung der Gefühle bis zur Flucht. Besonders gelungen finde ich die Stelle, mit dem Poster von Susanna: Zuflucht im Poster einer halbnackten Frau finden.
Gut gefallen hat mir auch das Ende. Ich habe für mich überlegt, wie es weitergehen hätte können wenn sie nicht geflüchtet wäre. Entweder (vermutlich?)ein harmloser, aber gemeiner Mann, der Spaß dran hat, sie zu verunsichern. Oder die schlimmere Variante... Auf jeden Fall hat mich beeindruckt, wie Du die Unruhe, das schlechte Gefühl immer weiter getrieben hast - eine lebendige, nachvollziehbare, detailreiche Geschichte, die ich gern gelesen habe.
Stilistisch muss ich Arthuriel etwas rechtgeben, manche der Sätze sind auch mir im Fluss zu lang gewesen.

schöne Grüße
Anne

 
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Hallo Arthuriel,

vielen Dank für deine Mühe mit der langen Geschichte. Ich glaube, ich hab alles in deinem Sinne geändert. Der lange Satz hat am meisten geschmerzt, aber die parataktische Beschleunigung war hier wohl fehl am Platz - das passt nur vor einem Höhepunkt, ist mit klar geworden.

Grüße aus München,
dein Stefan

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Anne,

danke für die verschiedenen Komplimente - und dafür, dass du das längliche Dings überhaupt gelesen hast! Die stilistischen Probleme dürften jetzt behoben sein.

Den Mann darfst du dir so harmlos oder so gemein denken, wie du ihn gern haben möchtest :-)

Grüße,
dein Stefan

 

hallo leixoletti,

diese geschichte ist spannend, unterhaltend und grösstenteils sauber geschrieben. es war eine freude für mich, sie zu lesen. ich konnte mich als leser sehr gut in die welt von ola hineinversetzen. die umgebung war nach deinen schilderungen für mich klar.
der erzählstil ist bis auf einige fussangeln sehr schön. sehr lebendig wie dieses beispiel:

ein Sumpf aus CD-Hüllen, Bücherstapeln, Disketten, Bierflaschen, Wäsche, ein Sumpf, belebt von seltsamen Geschöpfen, einer gelben Kabelschlange zum Beispiel, die Olas Bein umschlingt.
mir haben die fantasievollen gedanken der jungen frau gefallen - sowie auch ihr konflikt zwischen eigentum und das risiko, das sie bereit ist dafür einzugehen. das ende ist sicherlich nachvollziehbar. sie läuft weg.
seltsam ist nur ... am anfang deiner geschichte habe ich viele kritikpunkte gefunden. im mittelteil bis zum schluss nicht annähernd so viele.
im einzelnen:
Als er sie anstarrt, als seinen Blick über ihren Körper gleitet, über Haare, Schultern, Brüste weiter hinab auf ihre Beine, wird es Ola unter seinem Blick ungemütlich.

"Blick" ist doppelt "unter seinem Blick" könnte man ganz weglassen, denn der grund für das unwohlfühlen liegt ja auf der hand.

Es sammelt sich Spucke in seinem Mund, er schiebt sie von einer Backe in die andere, hinter diesem verkniffenen Strich von einem Mund; er schluckt; hat gleich wieder zuviel Geifer im Mund; schluckt wieder.

dieser satz ist nicht so schön. was spricht gegen harmonie? Es sammelt sich Spucke in seinem Mund, die er von einer Macke zur anderen schiebt, zwischen denen ein verkniffender Mund einem Strich ähnelt. Er schluckt, hat gleich wieder zu viel Geifer im Mund und schluckt wieder.

Staubbäusche schweben in dem Luftzug davon, den sie beim Gehen macht.
statt "macht" würde "verursacht" besser klingen

Unten, am anderen Ende des Kellerflurs, winden sich einige Metallrohre an der Wand hinter einer offenen Tür, irgend etwas rattert und klappert dort vor sich hin, irgendein Apparat, vielleicht hat ihn der Typ selbst erfunden, überlegt sie.

hinter "Tür" den Satz abschliessen

sie hasst die Sünde, ja die Sünde, das Wort passt, in der Kirche war Susanna ja schon lange nicht mehr, aber hier, hier riecht es nach Sünde, flüstert Susanna von der Wand herunter, findest du nicht auch, Ola.

hinter "passt" würde ein semikolon besser wirken

fazit: sehr gute geschichte, an der gerne noch gefeilt werden darf.

bis dann

barde

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Barde,

danke für deine freundliche Kritik. Viel von dem, was du bemänget hast, hab ich ausgebessert, mit folgenden Ausnahmen:

- Bei dem Spucke-Satz bevorzuge ich meine Lösung, der holpernde Rhythmus passt für mich besser zu dem ständigen Schlucken-Müssen.

- der Luftzug, den sie verursacht/macht: Verursacht klingt für mich so naturwissenschaftlich, das passt m.E. nicht zur sonstigen Sprache. Macht ist auch nicht ideal. Vielleicht find ich noch was besseres.

Ja, danke, dass ich feilen darf :) Das tue ich, und nicht nur auf der Wortebene.

Beispiel: Du findest den Anfang auch nicht so toll - ich geb dir da gern teilweise recht. Als ich die Geschichte das letzte Mal in einer Literaturgruppe vorgelesen hab, hat mir ein Zuhörer gesagt, er findet den Mann am Anfang nicht beängstigend. Deswegen hab ich mich entschlossen, ihm gleich am Anfang das lange Metzgermesser in die Hand zu geben. Ich glaube das ist nicht nur beängstigender, sondern zieht auch mehr in die Story.

Danke für deine Hinweise.

Grüße,
dein Stefan

 

Hallo Stefan!

Ich fand Deine Geschichte sehr spannend, da ich die ganze Zeit befürchtete, daß der Mann Ola wirklich etwas tun würde – ich war sozusagen mit ihr in diesem Keller. Daß sie aber dann den Mut hat, ihm davonzulaufen, damit hab ich nicht gerechnet, umso überraschender und angenehmer war dieses Ende dann zu lesen. :)

Die beängstigende Situation für Ola war für mich gut zu spüren, auch, wie sie versucht, sich selbst die Angst auszureden, klingt sehr realistisch. Und leider ist soetwas tatsächlich alltäglich, sonst hätte ich Dir zum Verschieben nach Spannung geraten, aber sie paßt hier genausogut wie dort.
Daß Ola kurz ihre Angst verwirft, als der Alte als »Saubermann« vor ihr steht und statt einem Messer Geld in der Hand hält, finde ich ebenso gelungen wie realistisch – der Wolf im Schafspelz, sozusagen.

Mein Ausdruck stammt noch vom 19. 2., Du hast mittlerweile editiert, aber die hier angesprochene Stelle…

Deswegen hab ich mich entschlossen, ihm gleich am Anfang das lange Metzgermesser in die Hand zu geben.
…kann ich nicht finden, obwohl ich die Geschichte jetzt in der editierten Fassung noch einmal gelesen habe. Aber ich fände es auch übertrieben, wenn er mit dem Messer in der Hand die Tür aufmachen würde – sonst würde er ja riskieren, daß sie gar nicht erst hereinkommt. ;)

Was ich sonst noch zum Meckern hab:

»Nur irgend so ein alter Mann, der seinen Speichelfluss«
– würde „irgend so“ streichen, denn es ist ja nicht irgendeiner, sondern jener, der vor ihr steht – „Nur ein alter Mann, …«

»"Sind Sie schon länger im Geschäft?" fragt der Mann, "Sie sehen so jung aus."«
– Geschäft?“, fragt der Mann. „Sie …

»"Ich putze schon lange Zeit", lügt sie. Es ist ihr erstes Mal, aber das muss er nicht wissen, denkt sie.«
– „lügt sie“ und „denkt sie“ so knapp hintereinander, finde ich nicht so gut. Entweder würde ich einmal „Ola“ schreiben, oder „denkt sie“ überhaupt weglassen, da es eh irgendwie klar ist, oder Du könntest schreiben „lügt sie und denkt, …“

»"Nein. Warum? Ich brauche Handschuhe nicht."«
– wenn Du damit nicht vermitteln willst, daß Deutsch nicht ihre Muttersprache ist, dann würde ich schreiben „keine Handschuhe“ statt „Handschuhe nicht“. Wenn das allerdings Deine Absicht war, dann paßt es so, allerdings würde ich es dann auch an anderen Stellen deutlich machen, zum Beispiel bei „Teresa ist krank, leider“ würde ich dann schreiben „Teresa sein krank“ oder ähnliches.

»Und das stimmt, denkt Ola. Es macht mir nichts aus, das bisschen Dreck.«
– besser fände ich es, wenn Du die Gedanken in halbe Anführungsstriche setzt, andernfalls würde ich schreiben: Es macht/mache ihr nichts aus, …

»Und um den Essplatz am Boden stehen drei halbmeterhohe Stapel aus Zeitschriften, von einem hängt«
– würde nach Zeitschriften einen Punkt machen

»Susanna fühlt sich auch nicht wohl hier, sie hat alles gesehen, die durchgemachten Nächte, die Alkoholorgien, den tierhaften Sex, all das hat sie gesehen, sie will nicht davon erzählen, aber sie lehnt es ab, Susanna denkt wie Ola, sie hasst es, sie hasst die Sünde, ja die Sünde, das Wort passt, in der Kirche war Susanna ja schon lange nicht mehr, aber hier, hier riecht es nach Sünde, flüstert Susanna von der Wand herunter, findest du nicht auch, Ola.«
– Ich würde hier zumindest nach „das Wort passt“ einen Punkt machen, besser auch noch hinter „nicht wohl hier“ und „all das hat sie gesehen“, das würde die einzelnen Gedanken mehr betonen, als wenn sie alle in einer Wurst stehen. ;)
– Nach „findest du nicht auch, Ola“ gehört meiner Meinung nach ein Fragezeichen

»Ola denkt nach, schüttelt aber dann den Kopf über sich.«
– der Satz würde in meinen Ohren schöner klingen, wenn hinten noch ein „selbst“ mit dabei wäre

»Es hat gerumpelt oben.«
– Irgendwie klingt das verdreht, besser: Es hat oben gerumpelt.

»Sie sieht sich um nach einer Waffe«
– hier ebenso, fände besser „Sie sieht sich nach einer Waffe um.“

Kennst Du übrigens schon die neue Schreibweise von Portemonnaie? „Portmonee“ :D – gilt aber beides. ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Liebe Susi,

danke für deine Mühe mit der Story.
- Daß sie aber dann den Mut hat, ihm davonzulaufen, damit hab ich nicht gerechnet, umso überraschender und angenehmer war dieses Ende
-> Ich glaube, mit einem Protagonisten, der nur ängstliches Opfer ist, gewinnt man keinen Blumentopf. Mit so einem mag sich ein Leser nicht gern identifizieren - und dann liest man es ungern, glaub ich.

- Die beängstigende Situation für Ola war für mich gut zu spüren, ... ich fände es auch übertrieben, wenn er mit dem Messer in der Hand die Tür aufmachen würde
-> Ja, da gibt es möglicherweise einen Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Lesern. Den männlichen fällt es manchmal schwer zu begreifen, was daran schlimm sein soll, als Frau mit so einem Typen allein in einem Haus zu sein. Ich lass das Messer also wo es ist - auf dem Gefrierschrank im Keller.

- Mein Ausdruck stammt noch vom 19. 2., Du hast mittlerweile editiert, aber die hier angesprochene Stelle kann ich nicht finden
-> Recht hast du. Ich hab damit die Fassung bei mir zuhaus gemeint.

- „lügt sie“ und „denkt sie“ so knapp hintereinander ... „denkt sie“ überhaupt weglassen
-> Ähnliches haben schon mehrere Testleser und -hörer gesagt, muss also was dran sein. Ich werde sehen, ob ich nicht ein paar "denkt Ola" streichen kann.

- vermitteln willst, daß Deutsch nicht ihre Muttersprache ist:
-> Das wollte ich damit vermitteln. Ich hab längere Zeit mit Polen zusammengewohnt, und da hab ich noch so einen Sound im Ohr. Aber du hast schon recht, es muss überall gleich falsch sein.

- Und das stimmt, denkt Ola. Es macht mir nichts aus, das bisschen Dreck: besser die Gedanken in halbe Anführungsstriche
-> Ich wollte in dieser Geschichte Bewusstseinsstrom schreiben. Deswegen sind die Gedanken in erster Person: Es macht MIR nichts aus. Um verständlich zu bleiben, hab ich immer "denkt Ola" dazugeschrieben. Ich glaube, das funktioniert.

- würde ... einen Punkt machen
-> Ja, es sind immer noch ein paar zu lange Sätze drin. Das muss ich noch ändern.

- Nach „findest du nicht auch, Ola“ gehört meiner Meinung nach ein Fragezeichen
-> Jein. Traditionell natürlich ja, aber hier hatte ich den Sound von Judith Hermann im Kopf. Kennst du die Geschichtensammlung "Sommerhaus, später"? Da gibt es eine Story, die "Sonja" heißt, und dieses Mädchen fragt immer ohne Fragezeichen: "Soll ich warten." Das find ich toll, man kann ja auch fragen, ohne dem Satz die übliche Fragemelodie zu geben. Sonja z.B. WILL in diesem Beispiel auf jeden Fall warten, deswegen kein ?

So. Danke nochmal und schönes Wochenende.

Grüße,
dein Stefan

 

Hallo leixoletti,

Deine Geschichte hat mir gut gefallen, besonders die Beschreibung des Kellerzimmers, die beschriebenen Details lassen den Leser miterleben, was die Frau sieht, ihre Befürchtungen werden nachvollziehbar.
Die Geldumrechnung der Protagonistin in `Jeans-Einheiten´ ist interessant, die Protagonistin kämpft schon mit sich, wie wichtig ihr welcher Geldbetrag ist – gerne gäbe sie sich der Illusion hin, „Er verlangt ja nichts dafür“. Sie kalkuliert „Wenn ich die Hundert nehme, dann sind das gleich zwei Jeans, ich brauch nur die Scheine zu nehmen. … Ich seh doch, dass er was mit mir machen will.“ Diese Gedanken geben gut das Wechselbad der Gefühle wider, welches sich in der Frau abspielt.
Weniger gefallen hat mir das Unsympathische durch die Erwähnung des Speichels, dieses `sabbern´ ist klischeehaft, die „Tierarzthände“ sind eindrucksvoller.

Tschüß… Woltochinon

 

Hallo nochmal, Stefan!

Ich glaube, mit einem Protagonisten, der nur ängstliches Opfer ist, gewinnt man keinen Blumentopf. Mit so einem mag sich ein Leser nicht gern identifizieren - und dann liest man es ungern, glaub ich.
Dem kann ich nicht ganz zustimmen, weil mir die Geschichte ja auch mittendrin schon gefallen hat, wo ich noch nicht wußte, wie sie ausgeht.
Meiner Meinung nach wäre der Unterschied der, daß bei einem negativen Ausgang das erleichterte Aufatmen ausgeblieben wäre - und dadurch die Geschichte vielleicht nachhaltiger gewirkt hätte, das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Angenehmer ist es jedenfalls, wenn eine Geschichte positiv endet, aber das heißt nicht, daß es immer so sein muß. ;)
Den männlichen fällt es manchmal schwer zu begreifen, was daran schlimm sein soll, als Frau mit so einem Typen allein in einem Haus zu sein.
:susp: Irgendwie warte ich die ganze Zeit, daß da jemand widerspricht, aber es tut sich nix... :shy:
Auf jeden Fall finde ich es auch gut, wenn das Messer am Gefrierschrank bleibt. - Hätte er es in der Hand, würde sie vermutlich gar nicht ins Haus hineingehen, und dann hättest Du die Geschichte nicht schreiben können...:D

Dir auch ein schönes (Rest-)Wochenende,

liebe Grüße,
Susi :)

 

Grüß dich, Woltochinon,

interessant, was du zu meinem Text sagst.

- Dass der innere Konflikt von Ola deutlich wird, freut mich natürlich. Ohne inneren Konflikt wär das ganze ja fade.

- Das Geld und das Bestreben, ihrer Mutter den Kunden nicht zu vergraulen, sind der Grund, warum Ola überhaupt bis zuletzt bleibt.

- Das Sabbern ist klischeehaft, die „Tierarzthände“ sind eindrucksvoller
Oha! Klischeehaft? Dann lass ich den Speichel raus. Ich wollte als Grundstimmung für die Story ANGST haben, nicht EKEL. Und Sabbern find ich persönlich eher ekelhaft als Angst einflößend. Insofern passt es sowieso nicht so gut.

Grüße,
dein Stefan

 

Liebe Susi,

auch auf die Gefahr hin, um des Kaisers Bart zu streiten - dir hat die Geschichte schließlich gefallen - muss ich sagen: Ich persönlich habe eine ausgesprochene Abneigung gegen Opfer-Protagonisten! Und die Bücher übers Schreiben bestärken mich da, z.B.:

Charaktere, die passiv sind und alles über sich ergehen lassen, in einer Opferhaltung verharren und sich nicht bewegen und entwickeln, die sich beklagen und in depressivem Selbstmitleid vergehen, stoßen den Leser unwillkürlich ab. (Fritz Gesing, Kreativ schreiben, Dumont, 1994, S. 68)
Schwache Protagonisten sind für mich auch noch ok, solang sie irgend etwas Positives haben - Selbstironie z.B. oder etwas Kämpferisches.

Insgesamt bekomme ich den Eindruck, dass ich die gute Ola vielleicht doch zu passiv gemacht haben könnte. Ich werd nochmal in mich gehen.

Danke + Grüße aus München,
dein Stefan

 
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Ein nettes Reihenhaus in einem guten Viertel

Der Riese im Bademantel starrt sie an wie ein Soldat, der jahrelang keine Frau gesehen hat. Sein Blick gleitet über ihre Haare, über Schultern und Brüste weiter hinab auf ihre Beine. Ola wird es ungemütlich.

"Ich soll machen sauber", sagt sie schließlich.

Der Riese tritt zurück und winkt ihr hereinzukommen. Sie macht zwei Schritte und steht im Treppenhaus.

"Sind Sie Teresa?"

"Ich bin Ola, Tochter von Teresa. Teresa ist krank, leider, und sagt um Entschuldigung."

"Okay", sagt der Riese, und lächelt verkniffen. Ola horcht, ob wenigstens noch jemand da ist, hört aber nichts. Also allein mit diesem Typen, denkt sie, Männer sind Schweine.

"Sind Sie schon länger im Geschäft?" fragt der Mann. "Sie sehen so jung aus."

"Ich putze schon lange Zeit", lügt sie und denkt: Er muss nicht wissen, dass es das erste Mal ist. Sie deutet fragend geradeaus, in Richtung Wohnzimmer.

"Heute nicht", wehrt der Mann ab. "Der Hobbykeller müsste aufgeräumt und sauber gemacht werden." Er gibt Ola einen handwarmen Schlüssel aus seiner Bademanteltasche und seine schweinchenrosafarbenen Gummihandschuhe. Sie steigt hinab.

Unten, am anderen Ende des Kellerflurs, winden sich einige Metallrohre an der Wand hinter einer offenen Tür: Irgend etwas rattert und klappert dort vor sich hin, irgendein Apparat, vielleicht zersägt das Ding Jungfrauen, überlegt sie. Rechts neben ihr steht ein Gefrierschrank, fast so groß wie sie selbst. Ein Schneidebrett mit einem langen Metzgermesser liegt obendrauf.

Ola erschrickt: Es sind lange rote Streifen an der Klinge, als hätte sie jemand hastig abgewischt. Könnte Blut sein, denkt sie. Was hat er hier geschnitten? Was ist in dem Gefrierschrank? Sie hat einmal einen Krimi mit so einem Gefrierschrank gelesen, erinnert sie sich. Sie greift nach hinten an ihren Rucksack, fühlt nach dem Handy: Gott sei Dank, es ist da, ich kann jederzeit Teresa anrufen, Mama, was soll ich tun, aber nein, ich bin erwachsen, denkt Ola. Sicher hat er nur irgendwelche Steaks mit dem Messer zerteilt. Jeder hat hier einen Gefrierschrank. Kein Grund, sich Sorgen zu machen. Sie geht zu der Kellertür rechts und öffnet.

Ein bestialischer Gestank schlägt ihr aus dem Halbdunkel entgegen, eine Mischung aus stehen gelassenem Bier, kaltem Rauch und noch etwas.

"Matka Boska Czestochowska" entfährt es Ola.

Sie knipst das Licht an. Es ist ein großes Zimmer, aber der Teppich ist vollständig mit Unrat bedeckt. Ein Sumpf aus CD-Hüllen, Bücherstapeln, Disketten, Bierflaschen, Wäsche. Ein Sumpf, belebt von seltsamen Geschöpfen, einer gelben Kabelschlange zum Beispiel, die Olas Bein umschlingt. Auf dem Boden krümmen sich Ascheraupen, die den Aschenbecher nicht mehr erreicht haben. Dort neben den drei Sektflaschen, zwei stehen noch, die dritte ist schon gefallen. Dort neben dem kleinen Teller mit Brotkrümeln darauf, die schwarz sind und glänzend wie Fliegen. Dort bei dem butterverschmierten Messer, das neben einer Käserinde liegt. Und die Käserinde passt wieder gut zu den zwei Mausefallen daneben mit ihrem verschrumpelten, schwarz gewordenen Käse. Die Käfige stehen offen, hereinspaziert, immer hereinspaziert, denkt Ola, genau wie ich. Und um den Essplatz am Boden stehen drei halbmeterhohe Stapel aus Zeitschriften. Von einem hängt ein knallroter Tangaslip herab, die Damenbinde noch in die Höhlung geschmiegt. Also irgendwas mit einer Frau, denkt Ola, aber wo ist die Frau hin, ohne ihren Slip, und fühlt sich auf einmal beobachtet, von der Wand her, und als sie aufsieht, da guckt ihr eine fast nackte Frau entgegen.

Ola ist geschockt: Sie hat die Frau bisher gar nicht bemerkt. Aber es ist nicht echt, nur ein Poster an der Wand, ein Poster mit einer schrecklichen Frau. Die Frau sieht aus wie der Traum eines Fernfahrers, melonengroße Brüste, lange blonde Haare mit Dauerwelle, darunter steht in gelbroter Schreibschrift ihr Name, Susanna.

Ausgerechnet Susanna, denkt Ola, das ist ja mein zweiter Vorname. Ausgerechnet Susanna heißt sie, diese Schlampe. Das ist genau die Sorte Frau, die zu diesem Keller passt. So will ich niemals werden, denkt Ola. Hier will ich nicht hängenbleiben wie diese Susanna, nackt, den Blicken dieses Mannes ausgeliefert, pfui Teufel. Die Arme. Sie sieht dieser Susanna in die Augen, und allmählich wird ihr die Fernfahrerfrau sympathischer. Wenn man von dieser Aufmachung absieht, ist gar nicht so viel Unterschied zwischen uns, überlegt sie.

Susanna hat alles gesehen, die durchgemachten Nächte, die Saufereien, den tierhaften Sex, all das hat sie gesehen. Sie mag das nicht, Susanna denkt wie Ola: Sie hasst die Sünde, ja die Sünde, das Wort passt, in der Kirche war Susanna ja schon lange nicht mehr, aber hier, hier riecht es nach Sünde, flüstert Susanna von der Wand herunter, findest du nicht auch, Ola.

Ola beschließt, Susanna als Verbündete anzusehen. Jetzt sind wir Frauen schon zu zweit gegen diesen Typen, denkt sie, und bahnt sich einen Weg zu dem Fenster am anderen Ende des Raumes. Sie reißt es auf, es stößt nur auf einen Lichtschacht, aber immerhin.

Dann saugt Ola. Mittendrin im Getöse des alten Geräts fährt sie zusammen, der lange Rüssel des Staubsaugers hält still, sie steht starr und horcht. War da nicht etwas? Hat da nicht eben die Tür hinter ihr gequietscht? Sie dreht sich um, aber es ist nichts zu sehen. Die Tür steht einen Spalt weit offen. Sie macht den Staubsauger aus, horcht. Es ist still, fast schon wieder zu still. Was macht der Mann jetzt? Ola denkt nach, schüttelt aber dann den Kopf über sich selber. Vielleicht hat sich die Tür im Luftzug bewegt.

In diesem Moment sind tapsende Schritte zu hören, ganz deutlich, das Flapp-flapp von Badeschlappen. Ola stockt der Atem. Der Typ kommt runter, denkt sie, was wenn er seinen Bademantel für mich öffnet oder Schlimmeres? Sie sieht sich nach einer Waffe um, nimmt das Buttermesser vom Teller, wischt die Butter ab. Besser als nichts, denkt sie. Draußen tapst es weiter. Gleich geht die Tür auf, denkt sie, und er steht vor mir, mit seinem verkniffenen Lächeln, verdammt, er wird das lange Messer haben vom Gefrierschrank draußen. Aber sie wird sich verteidigen. Sie umklammert den Griff des Buttermessers fester. Ola steht da und wartet.

Plötzlich ist nichts mehr zu hören. In die Stille hinein schlägt eine Tür. Ein Wasserhahn wird aufgedreht. Ola atmet auf: Der Mann ist duschen. Sie legt das Messer weg und macht den Sauger wieder an. Lächerlich, denkt sie. Männer sind Schweine, aber meistens doch eher harmlos. Nur ein harmloser, einsamer Mann, allein in seinem Reihenhaus.

Nach anderthalb Stunden ist Ola mit dem Zimmer fertig. Sie fährt mit dem Zeigefinger ein Regal entlang, dann eine Art Sprossenwand. Gerade als sie überlegt, ob sie ein Klappmesser versuchen soll, bleibt ihr Finger an einem Metallteil hängen. Es ist ein breiter Ring, an dem zwei Ketten mit Handschellen befestigt sind. Weiter unten hängt ein Lederhalsband mit nach außen gekehrten Metallspitzen.

Scheiße, denkt Ola, der Typ ist ein verdammter Sadist, ein Frauenquäler. Am Schluss will er mich hier festmachen für Monate oder Jahre, als Sklavin halten für seine Gelüste. Keine Minute länger bleib ich hier. Mit zitternden Fingern betastet sie die Handschellen. Sie sind geöffnet, bereit zum Einschnappen. Er will ja nicht mich fesseln, beruhigt sie sich, sondern irgendein Go-go-Girl, er fesselt ja nicht mich, nicht mich, nimm mich. Nein: Nicht mich, ich will das nicht, denkt Ola, wirklich nicht.

Sie versteht diesen Mann nicht. Warum räumt er nicht wenigstens den Schweinkram weg, wenn er jemanden zum Putzen kommen lässt? Vielleicht will er das alles nicht mehr sehen, jetzt wo er nüchtern ist. Er will, dass ich das wegmache, so wie man einem Kind den Rotz wegwischt. Das muss es sein.

Plötzlich kommt der Mann herein zu ihr, rennt in großen Schritten auf Ola zu. Er kommt bedrohlich nahe, so dicht, dass sie eingeklemmt ist zwischen der Sprossenwand und ihm. Sie kann sein Haarwasser riechen.

"Du hast gründlich alles umgedreht, ja?" sagt er und sieht ihr streng in die Augen. Sie senkt den Blick.

Er fasst hinter sich, zieht sein Messer, denkt Ola und fährt zusammen. Gleich wird er auf mich einstechen, weil ich sein Geheimnis entdeckt hab. Ola lässt die Handschellen fallen, sie scheppern gegen die Sprossenwand. Aber dann hat er nur die Geldbörse in der Hand, und sie atmet auf.

"Handschellen, na und", sagt der Mann, "wir sind schließlich erwachsen, oder?" Als er einen hellroten Schein aus der Börse wachsen lässt, rechnet sie sofort in Jeans um: die schwarze 501 bei Kaltenbach. Er streckt ihr das Geld hin, aber als sie es nehmen will, zieht er die Hand zurück.

"Wenn du nur ein bisschen netter wärst. Ist dir wohl zu schmutzig, ja?"

Warum ist? denkt Ola, ich hab doch alles sauber gemacht. Er holt noch einen hellroten Schein hervor. Dabei läuft ihm Speichel aus dem Mundwinkel, er leckt es weg. Wenn Männer Schweine sind, dann ist der hier das Arschloch von einem Schwein, denkt sie.

"Na was ist denn, ich tu dir doch nichts", sagt er und wedelt ungeduldig mit den Scheinen.

"Nimms schon, du kannst es doch brauchen. Ich verlang doch nichts Schlimmes von dir."

Ola sieht ihn an und runzelt die Stirn.

"Natürlich nicht, was denkst du denn von mir? Nur wegen den Dingern da ..."

Er will gar nichts von mir, denkt Ola, ich bin vielleicht ein Angsthase. Sie greift nach den Scheinen, spürt das dicke Papier in den Fingern. Doch als sie das Geld nehmen will, hält der Mann es fest.

Er spielt sein Spielchen, denkt Ola. Ich muss jetzt was machen. Wenn ich die Hundert nehme, dann sind das gleich zwei Jeans, ich brauch nur die Scheine zu nehmen. Er verlangt ja nichts dafür. Aber vielleicht beim nächsten Mal. Turnübungen, mit ihm an der Sprossenwand. Teresa würde wissen, was man tut. Ihm einfach eine schmieren? Nein, er ist Stammkunde.

Sie sieht auf die langen, feinen Hände des Mannes. Er hat sie sauber geschrubbt, die vordersten Fingerglieder sind rosa, wahrscheinlich benutzt er eine von diesen harten Bürsten. Wie ein Tierarzt, schießt es Ola durch den Kopf, wäscht sich die Hände hundertmal am Tag, zwischen Katze und Vögelchen. Aber ich bin kein Tier, ich brauch keine Behandlung. Diese Tierarzt-Hände, denkt sie. Ein Angstschauer überläuft sie, und sie lässt das Geld los. Weg hier, nur weg.

Sie flutscht nach links an dem Mann vorbei.

"Halt, Fräulein, was ..."

Ola hört noch das Portemonnaie hinter sich zu Boden rasseln, dann ist sie aus dem Zimmer raus. Das Geld futsch, denkt sie, die Jeans futsch, und der Rucksack, ach scheiß auf den Rucksack, und dann knallt die Haustür hinter ihr zu.

 

Hi everybody,

da sich doch der eine oder die andere für die Story zu interessieren scheint, poste ich meine aktuelle Fassung. Sie ist ein bisschen kürzer geworden, und enthält doch einige Verbesserungen, glaube ich.

Grüße,
Stefan

 

Hallo leixoletti,

die Straffung ist deiner Geschichte gut bekommen.
Schön (in beiden Fassungen) finde ich, wie du und über die Gedanken deiner Protagonistin immer im Zweifel lässt, zwischen panischen Fantasien und der möglichen harmlosen Realität dahinter. Das erzeugt eine ausgezeichnete Spannung.

Einen lieben Gruß, sim

achja, nett wäre, wenn du in der ersten Version einen Direktlink auf die Überarbeitung legen würdest. :)

 

Hallo sim,

danke für das Kompliment. Dass alles ganz harmlos sein könnte, aber auch ganz schrecklich, ist m.E. der Trick bei guten Horrorgeschichten, z.B. denen von Poe. Den Link hab ich gesetzt.

Grüße,
Stefan

 

Das Wichtigste zuerst, Stefan: deine Geschichte gefällt mir. Ich habe nur diese offenbar gekürzte Fassung gelesen, weiß auch nicht, was zu der früheren geschrieben wurde, ich hoffe nur Gutes. Du fühlst dich gut in die Gefühlswelt einer jungen Frau ein – ich weiß es zwar nicht aus eigener Erfahrung, aber was du schreibst, klingt für mich glaubwürdig, ja, so habe ich schon Frauen erlebt, so irrational denkend, so kopflos reagierend.

Alles spielt sich in ihren Köpfen ab. Auch Ola hätte nur ein bisschen nachdenken müssen, schon wüsste sie, dass ihr keine Gefahr drohte. Zu keinem Zeitpunkt. Denn so gut die Geschichte geschrieben ist, sie enthält auch Schwächen, zum Teil eklatanter Natur.

Zum Beispiel:

"Sind Sie Teresa?"

"Ich bin Ola, Tochter von Teresa. Teresa ist krank, leider, und sagt um Entschuldigung."


Damit ist klar: noch jemand weiß, wo sich Ola befindet, eine Entführung mit tage- oder gar wochenlangen Aufenthalt im Keller, wie später in der Geschichte angedeutet, kommt nicht in Frage, zumal der Mann Stammkunde Teresas ist, dann weiß er auch, wie diese aussieht, eine Frage wie die obige ist damit mehr als unsinnig.

Der Riese im Bademantel starrt sie an wie ein Soldat, der jahrelang keine Frau gesehen hat.
Wie habe ich mir diesen Mann vorzustellen? Wie sieht ein solcher Soldat aus? Habe nämlich noch keinen gesehen und ich bezweifele auch, dass irgendein Leser da mehr weiß.

So sehr dir Formulierungen gelingen – die „gelbe Kabelschlange, die Olas Bein umschlingt“ zum Beispiel, oder „Ascheraupen, die den Aschenbecher nicht mehr erreicht haben“, so sehr wundert es mich, wie es dir möglich scheint, eine Damenbinde in einen Tangaslip zu praktizieren und dort in eine Höhlung zu schmiegen – ein Ding der zumindest ästhetischen Unmöglichkeit finde ich, aber vielleicht irre ich mich auch, es wird sich sicher eine Leserin finden und für Aufklärung sorgen.

Du scheinst auch genaue Vorstellungen über die Träume der Fernfahrer zu haben, jedenfalls ist der Satz

Die Frau sieht aus wie der Traum eines Fernfahrers, melonengroße Brüste, lange blonde Haare mit Dauerwelle, …
kaum noch zu überbieten, na ja, vielleicht doch noch von der Tatsache, dass es dir gelingt, Ola diese Frau erst abstößend
Ausgerechnet Susanna heißt sie, diese Schlampe. Das ist genau die Sorte Frau, die zu diesem Keller passt. So will ich niemals werden, denkt Ola. Hier will ich nicht hängenbleiben wie diese Susanna, nackt, den Blicken dieses Mannes ausgeliefert, pfui Teufel.
und übergangslos gleich sympathisch zu finden
Die Arme. Sie sieht dieser Susanna in die Augen, und allmählich wird ihr die Fernfahrerfrau sympathischer.
Wenn man wenigstens Zeit hätte, diese Allmählichkeit mit zu erleben! Aber da ist nichts, von einem Satz zu anderem ändert sie ihre Meinung, na ja, typisch Frau halt, möchte man meinen, sicher politisch höchst unkorrekt, aber du wirst schon eine Erklärung liefern, sonst kannst du dich beim nächsten Münchner Treffen auf was gefasst machen.

Und ja, es gibt noch einen Punkt: Ola denkt in einem perfekten Deutsch, spricht es aber nur gebrochen. Das wäre nicht weiter störend, aber sie denkt bei sich in Ich-Form, und wenn sie

Matka Boska Czestochowska
ebenso bei sich sagt, dann offenbart sie plötzlich ihre wahre Identität – die polnische. Wenn du sie nur indirekt denken ließest, ich meine so nach dem Muster, „Ola dachte, dass …“, dann bestünde dieses Problem nicht – wenn es überhaupt ein Problem ist und ich nicht nur wegen der kürzlich geführten Diskussion über die Ich-Erzähler für dieses Thema (über)sensibilisiert worden bin.

Dion

 

Hoi Stefan :)

Ich habe jetzt nur den überarbeiteten Teil geelsen (ja ich bin faul, ich weis :D )

Mir gefällt diese Geschichte. Bis auf eine Tatsache: Warum musste die Putzfrau eine Ausländerin sein? Lass sie doch einfach eine Frau sein ... ich denke jede Frau könnte sich so nach und nach in eine Panik hineinsteigern.

Dieses hineinsteigern hast du gut hinbekommen.

Bis zum Schluss wo Ola Hals über Kopf flüchtet.

Was ein wenig das Bedrohliche nahm:

Ola ist die "Putzvertreteung" - Teresa weis wo Ola ist und wenn Ola etwas passieren würde, könnte Teresa sagen wo die jüngere Frau zuletzt gewesen ist.

Sonst: nIchts weiter zu meckern, die Geschichte gefällt mir :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Dion,

danke für deine Kritik. Zum Teil betrifft sie Schwächen, die inzwischen auch andere Testleser erkannt haben. Zum Teil aber auch Sachen, die ich noch nicht bemerkt hab. Ich will die Story am 2. April im Literaturbüro vorlesen, deswegen kann ich deine Anmerkungen gut brauchen.

"Sind Sie Teresa?"
Du hast Recht, hier ist ein Widerspruch dazu, dass der Mann Stammkunde ist. Deswegen ist er in der nächsten Version kein Stammkunde mehr, sondern es wäre der erste Besuch von Teresa gewesen - wenn sie nicht krank geworden wär.

Entführung mit tage- oder wochenlanger Einkerkerung
Da hast du auch Recht, das muss ich abmildern. Einfach festgekettet zu werden für ein paar Stunden ist ja auch schlimm genug.

starrt sie an wie ein Soldat, der jahrelang keine Frau gesehen hat
Vielleicht wäre besser: er starrt sie an als hätte er jahrelang keine Frau gesehen.

Tangaslip
Ich versteh nicht viel von Tangaslips, aber das Ding ist aus der geplanten Fassung ganz rausgefallen - aus Platzgründen, weil man ja nur 10 min Zeit hat im Literaturbüro. Außerdem hat eine Testleserin mir gesagt, dass sowieso zuviele Motive aufgebaut werden, die nachher zu nichts nütze sind - z.B. auch der Slip.

Du scheinst auch genaue Vorstellungen über die Träume der Fernfahrer zu haben
Nicht ich, sondern Ola. Ola findet diese Frau abstoßend. Wenn da steht: "Die Frau sieht aus wie..." dann sind das die Wahrnehmungen von Ola, da die Story personal aus ihrer Sicht geschrieben ist. Ola glaubt, dass Fernfahrer diese Art von Frauen mögen. Ich komme in der Geschichte nicht vor.

Ola findet diese Frau erst abstoßend und dann gleich sympathisch findet
Das ist in der Tat unrealistisch. Ich hab es in meiner neuen Fassung geändert: Sie mag sie jetzt die ganze Zeit nicht mehr.

Ola denkt in perfektem Deutsch, spricht aber nur gebrochen
Das hat auch eine Testleserin bemängelt, insofern hast du das richtig beobachtet. Meine Rechtfertigung: Sie denkt fließend polnisch, spricht aber gebrochen deutsch. Und die Gedanken hab ich sozusagen übersetzt. Ich halte das nach wie vor für machbar, bin mir aber nicht hundert Pro sicher.

Ola denkt in der Ich-Form: Richtig erkannt. Aus meiner Sicht gibt es drei Methoden, Gedanken zu vermitteln:
a) Innerer Monolog (Stream of Consciousness): Er ging hinaus. Ob ich wohl noch rechtzeitig zu dem Treffen komme?
b) Erlebte Rede: Er ging hinaus. Ob er wohl noch rechtzeitig zu dem Treffen käme?
c) "Direkte Gedankenrede": Er ging hinaus. Er dachte: "Ob ich wohl noch rechtzeitig zu dem Treffen komme?"
d) "Indirekte Gedankenrede": Er ging hinaus und überlegte, ob er noch rechtzeitg zu dem Treffen kommen würde. (Dein Vorschlag)

In dieser Story hab ich eine Form zwischen a und c gewählt, z.B.: Könnte Blut sein, denkt sie. Ich werd noch mal drüber nachdenken. Vielleicht sagen die Leute im Münchner Literaturbüro auch was Interessantes dazu.

Grüße,
Stefan

 

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