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ein passant

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16.10.2004
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25

ein passant

Ein Passant

1.1

Es beginnt für Ihn schon frühmorgens, wenn er aus seinen Träumen erwacht, da erfasst Ihn diese Übelkeit, wie man sie nur nach durchzechten Nächten kennt. Dabei ist er eigentlich kein Trinker. Er trinkt nicht mehr Alkohol als andere, und doch wird ihm jeden morgen schlecht, als hätte er sämtliche Vorräte seines Kellers leergesoffen ohne Sinn und Verstand, einfach nur um des Gefühls willen.
Er denkt, es sind seine Träume, die ihm dieses Gefühl geben, obwohl er sich nach dem Erwachen an keinen einzigen seiner Träume erinnert. Er weiß nichtmal, dass er überhaupt geträumt hat.
Der Schweiß rinnt sein Gesicht hinab und sein Atem wird schwer und er kann nicht anders als zur Toilette zu rennen und sich zu übergeben.
Ist er noch normal?
Oder reicht es, wenn er eine Tablette am Tag zu sich nimmt?


1.2

Er ist nicht zufrieden, das sieht man ihm aber nicht an. Er kann Tagelang lächeln, wenn man ihn dazu zwingt. Meistens reicht es, dass man ihn nur irgendwie anspricht und er beginnt zu lächeln, stundenlang, eigentlich ohne Grund.
Es sind die Menschen, denkt er, die Menschen die ihm begegnen. Sie zwingen ihn dazu, er kann nicht anders.
Es macht ihm Angst; aber was?


1.3

Auch ich hab ihn gesehen, gekleidet wie jedermann, er kam anscheinend gerade vom Friseur, denn seine Hand fuhr regelmäßig durch sein Haar, eine der wenigen Male, dass er eine Art von Unzufriedenheit zeigt. Aber es ist nicht in seinem Gesicht. Es ist seine Hand.
Er fällt eigentlich nicht auf, wenn man ehrlich ist. Er sieht nicht aus, als bräuchte er Hilfe, und wenn man ihn fragen würde, würde er wieder nur lächeln. Aber er sieht nicht so aus, als müsse man ihn fragen, wie gesagt.
Manchmal sieht man etwas an seiner hand blitzen, ein Ehering. Dabei ist er seit Jahren geschieden. Er erzählt, ohne dass es auffällt. Er könnte die kühnsten, schönsten und ergreifendsten Dinge erzählen, es fiele nicht auf. Wenn er spricht, dann gestikuliert er oft, aber auf eine integre, unauffällige Weise.
Man kommt nicht umhin, sie öfter zu erwähnen, seine Unauffälligkeit. Sie ist sein einzig auffälliges Merkmal.

1.4

Er verdient eigentlich nicht schlecht, er muss keine Miete mehr zahlen. Was anderes hätte man auch nicht erwartet, wenn man an ihm vorbeigeht auf dem Trottoir. Er ist jemand, den man an dem Windzug bemerkt, schlängelt er sich an einem vorbei.
Vielleicht weiss er mehr als alle anderen und ist deshalb unzufrieden. Aber wie gesagt: Es fragt niemand.

1.5

Ich erwähnte seinen Alkoholkonsum, und dass er nicht mehr zu sich nimmt als andere auch. Er ist kein Trinker. Früher hat er getrunken, um gesellig zu sein. Man hat ja eine gewisse Pflicht, auch als Mensch gegenüber seinen Mitmenschen. Eine Pflicht ist auch ein Lächeln.
Heute trinkt er, um die Gesellschaft nicht mehr erleben zu müssen. Aber nie zu viel. Man muss ja nicht unbedingt auffallen.

1.6

Was wünscht er sich mehr? Je mehr ich über ihn schreibe, desto mehr frage ich mich das. Was macht ihn so unzufrieden? Wer ist er, der Lächelt, der gesellig bleibt, pflichtbewusst, der nicht auffällt, aber auch nicht auffallen will, so kommt es einem vor. Wovor versteckt er sich? Hat er Angst, jemand könnte ihn fragen? Und wenn ja, warum? Was macht ihm solche Angst, dass er nicht auffallen will? Ist es die Angst vor einer fettgedruckten Schlagzeile? Angst vor seinem Foto daneben, von dem, was er angerichtet hat? Was passiert in seinen Träumen, was? Warum übergibt er sich fast jeden Morgen, sind es wirklich seine Träume? Warum ballt sich manchmal, wenn er nur geht und seine Gedanken ihn begleiten, seine Faust? Er wirkt gar nicht so steif, so verkrampft, aber locker, nein, locker ist er nicht. Das wäre mir aufgefallen.

1.7

Vielleicht ist er einfach nur anders. Anders als der Mensch, wie er in Fernsehen, Zeitungen steht, anders als der in den Büchern, anders als der Mensch auf der Straße. Vielleicht ist er besonders, einzigartig. Vielleicht könnte er Ideen haben, die die Welt in der er lebt, komplett verändern würden. Vielleicht könnte er Gefühle haben, die unfassbar sind, für jeden von uns.
Vielleicht ist es sein größter Traum, sich auf ein Dach zu stellen und einfach nur zu schreien, vielleicht ist es sein größter Traum, über den Trottoir zu rennen mit heissen Tränen des Glücks, die ihm über die Wangen fließen. Vielleicht ist es auch sein größter Traum aus vollem Halse zu lachen, einfach weil ihm danach ist.

Aber vielleicht würde das zu sehr auffallen...

 

hi shinichi!

Ein Mann, auffällig in seiner Unauffälligkeit, angepasst, farblos. Die Vermutung, er wäre einfach anders ist ein netter Schluss - mehr für mich allerdings auch nicht. Die Angst, aus der Unauffälligkeit zu treten, ist ein Thema, das schon interessant ist. Allerdings sehe ich bei Dir hier eher eine Charakterstudie im Vordergrund, als eine Geschichte mit Handlung. Dein Text erscheint mir insgesamt unspektakulär, alltäglich (denn wie viele angepasste, unauffällige Menschen gibt es? Wie oft will man selbst vielleicht nicht auffallen?), allerdings nicht überragend.
Zudem haben sich einige Groß- und Kleinschreibungsfehler eingeschlichen. Wenn Dir der Text wichtig sein sollte, würde ich sie an Deiner Stelle nochmal überarbeiten. Du machst damit auch potentiellen Lesern eine Freude ;) Das betrifft auch den Titel.

schöne Grüße
Anne

 

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