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Ein Tag bei den Mikrosauriern
1
Eigentlich sind Ferien ja etwas tolles. Man braucht weder zur Schule zu gehen noch Hausaufgaben zu machen. Man hat den ganzen Tag Zeit zum Spielen und darf abends sogar länger aufbleiben.
Vielleicht verreisen die Eltern auch mit einem ans Meer. Da kann man schwimmen. Und Sandburgen bauen. Oder Papa bis zum Hals einbuddeln.
Vielleicht geht es aber auch in die Berge. Ganz hoch hinauf, wo Schnee liegt. Da kann man mit dem Schlitten fahren. Und Schneemänner bauen. Oder mit Mama eine Schneeballschlacht machen.
Ja, Ferien sind wirklich toll.
Es sei denn, alle Freunde sind verreist, und man selbst muß als einziger zu Hause bleiben.
So ging es Eileen in diesem Sommer. Ihr Vater mußte arbeiten. Und sie hatten auch gar kein Geld, um wegzufahren.
Es war schon merkwürdig. Manchmal, wenn Papa zur Arbeit ging und Eileen viel lieber mit ihm spielen wollte, sagte er nämlich: „Ich muß doch Geld verdienen, damit wir im Sommer in Urlaub fahren können.“ Aber jetzt, wo der Sommer da war, mußten sie doch hierbleiben.
Das hätte Eileen ja auch gar nicht schlimm gefunden. Wenn nur ein paar ihrer Freundinnen dagewesen wären. Doch Jessica war auf dem Camping-Platz, Julia auf Mallorca – das ist noch viel weiter weg -, und auch sonst waren alle verreist.
Mama hatte auch nicht viel Zeit für Eileen. Sie mußte sich den ganzen Tag um das Baby kümmern. Und wenn die Kleine schlief, war Hausarbeit zu machen. Und Eileen mußte auch noch leise sein.
Zum Glück war wenigstens ihre Cousine Kim nicht verreist. Jedenfalls nicht die ganze Zeit über. Nur in den ersten beiden Wochen war sie in Portugal, wo ihre Großeltern wohnten. Diese zwei Wochen waren für Eileen wirklich stinklangweilig. Aber als Kim zurück war, spielten die beiden Mädchen viel miteinander.
Und dann, als die Ferien schon fast vorbei waren, erlebten sie ein aufregendes Abenteuer, um das sie später von all ihren Freunden beneidet wurden.
Sie verbrachten das Wochenende bei Oma Heidi und Opa Lothar. Am Sonntagvormittag, als Oma das Essen kochte und Opa in der Garage am Auto arbeitete, gingen Kim und Eileen in den Park am Kupferteich. Sie hatten Brot mitgenommen, um die Enten zu füttern. Natürlich gab es dort auch viele andere Vögel: Möwen, Blässhühner, sogar ein paar Gänse. Sie alle ließen sich gern füttern.
Plötzlich sah Eileen etwas sehr seltsames. Sie stupste Kim an, um es ihr zu zeigen. Da war eine kleine Eidechse, die flink auf zwei Beinen lief und versuchte, den Vögeln ein Stück Brot zu stiebitzen. Mit der Reihe von Zacken, die ihren Rücken schmückte, sah sie beinahe aus wie ein kleiner Drache. Endlich gelang es ihr, ein Stück Brot zu erhaschen, und schnell floh sie damit vor einer wütend schnatternden Gans.
Eileen und Kim liefen auf die Drachen-Eidechse zu und versuchten, sie zu fangen. Aber das winzige Tier schlüpfte zwischen Eileens Beinen hindurch und rannte, das Brot immer noch in den Händen haltend, davon. Ganz in der Nähe führte eine Brücke über einen kleinen Bach. Dorthin verfolgten die Mädchen die Eidechse. Gerade wollte diese in einem Erdloch unter der Brücke verschwinden, als Kim sie am Schwanz packen konnte und hochhob.
Da baumelte sie nun, ließ das Brot fallen, ballte die Händchen zu Fäusten und fuchtelte grimmig herum.
„Nein, wie niedlich“, rief Eileen, „sie versucht zu boxen!“
Leise, aber zornig piepste die Eidechse: „Komm nur mit deiner Nase heran, dann siehst du schon, wie niedlich das ist!“
„Eine sprechende Eidechse!“ entfuhr es Eileen; vor Überraschung wurden ihre Augen riesengroß. Kim ließ vor Schreck los, und die Eidechse plumpste zu Boden. Schnell griff sie nach dem Brot und war im nächsten Augenblick in ihrem Loch verschwunden.
2
Als sich die beiden Mädchen von ihrer Überraschung erholt hatten, versuchten sie, die Eidechse wieder hervorzulocken. Sie legten noch ein Stück Brot vor das Loch, gingen ein paar Schritte zurück und warteten. Als sich nichts rührte, begannen sie, die Eidechse zu rufen.
„Eidechse! Eidechse!“ rief Kim.
„Wir haben Brot für dich!“ rief Eileen.
„Wir tun dir doch nichts!“
„Wir möchten mit dir spielen!“
So ging es eine ganze Zeit lang. Endlich tauchte im Loch der Kopf der Eidechse auf. Sie blickte von Eileen zu Kim und dann zu dem Brot. Schließlich kam sie ganz heraus.
Da stand sie nun auf ihren zwei Beinen, biß ein Stück Brot ab und sagte mit vollem Mund: „Tut mir den Gefallen und hört auf, mich Eidechse zu nennen. Erstens ist mein Name Friedrich, und zweitens bin ich keine Eidechse, sondern ein Saurier.“
Die Mädchen lachten laut auf.
„Du, ein Saurier? Saurier sind doch viel größer!“ sagte Eileen.
„Genau“, sagte Kim.
„Ich bin eben ein kleiner Saurier“, erläuterte Friedrich. „Oder, wie wir sagen, ein Mikrosaurier.“
„Wir?“ wollte Kim wissen. „Gibt es noch mehr von deiner Sorte?“
„Na klar. Wenn ihr wollt, kann ich euch ja meiner Familie vorstellen. Wir wohnen hier in diesem Erdloch.“
„Oh ja“, rief Eileen, „hol’ sie bitte raus!“
„Wartet hier auf mich“, sagte Friedrich und verschwand wieder in dem Loch. Nach einigen Minuten kam er zurück und sagte: „Sie trauen sich nicht raus. Aber wenn ihr wollt, könnt ihr reinkommen.“
„Wie sollen wir denn in das kleine Loch passen?“ wollte Eileen wissen.
„Das geht doch gar nicht“, stellte Kim fest.
„Ihr müßt natürlich zuerst schrumpfen“, sagte Friedrich in einem Tonfall, als hätten die beiden Mädchen das wissen müssen. Damit schien ihm wohl alles klar zu sein, denn er fügte nichts hinzu, bis Kim neugierig fragte: „Und wie sollen wir das machen?“
„Ach, richtig“, gab Friedrich zu, „das könnt ihr ja überhaupt nicht wissen. Ich hatte vergessen, daß ihr nur Menschen seid.“ Er faßte sich mit einer Hand an den Rücken und brach zwei kleine, grüne Zacken ab.
„Tut das nicht weh?“ Kim und Eileen machten große Augen.
„I wo!“ Friedrich schüttelte den Kopf. „Außerdem wachsen die bald wieder nach.“ Er reichte jedem der beiden Mädchen eine Zacke und sagte: „Eßt das.“
Die beiden zögerten, aber dann knabberten sie vorsichtig daran. Es schmeckte gar nicht schlecht, und so aßen sie die Zacken mit ein paar Bissen ganz auf.
„Fast wie Kekse“, fand Eileen.
„Nein, wie ungekochte, grüne Nudeln“, widersprach Kim.
Vielleicht hätten sie angefangen, sich deswegen zu streiten – sie zankten öfters mal wegen solcher Dinge -, doch es passierte etwas, das die Frage nach dem Geschmack völlig unwichtig machte.
Zuerst hatten die Mädchen das Gefühl, alles um sie herum würde wachsen. Aber dann merkten sie, daß es genau umgekehrt war: Sie selbst schrumpften! Sie schrumpften tatsächlich! Sie wurden kleiner und immer kleiner, bis sie am Ende genauso winzig waren wie Friedrich.
„So gefallt ihr mir schon viel besser“, sagte dieser nun. Und er fügte hinzu: „Kommt mit. Ich stelle euch jetzt meiner Familie vor.“
Sie gingen hinter ihm her, geradewegs in das Erdloch hinein, das für sie jetzt so groß wie eine Tür war. Ein schmaler Gang führte schräg nach unten. Die Wände bestanden aus Erde, aber sie waren sehr glatt. Keine Wurzeln wuchsen herein, keine Steine ragten heraus. Lediglich der Boden war etwas aufgewühlt und von den Spuren der Mikrosaurier bedeckt.
Dann führte der Gang um eine Ecke, und dahinter lag eine helle, geräumige Höhle. Darin standen vier Mikrosaurier. Zwei waren so klein wie Friedrich, die anderen beiden etwas größer.
„Das sind meine Eltern, mein Bruder und meine Schwester“, stellte Friedrich vor. Die Mädchen schüttelten nacheinander jedem die Hand.
„Oma und Opa schlafen gerade“, erklärte Friedrich und deutete auf die hintere Wand der Höhle, wo ein weiterer Gang tiefer in die Erde führte. „Sie waren heute nacht unterwegs, um neue Glühwürmchen für die Lampen zu fangen.“ Tatsächlich war es in der Höhle deshalb so hell, weil in einem kleinen Korb an der Decke ein leuchtendes Insekt saß und sein Licht über den ganzen Raum ergoß.
Nun wandte sich Friedrichs Mutter an Kim und Eileen: „Wo ihr schon mal hier seid, müßt ihr aber mit uns essen.“
Sie nahmen also alle an dem kleinen Tisch in der Mitte der Höhle Platz, nachdem Friedrichs Vater noch zwei Stühle aus den hinteren Räumen geholt hatte. Die Möbel waren aus kleinen Holzstücken geschnitzt, ebenso die Teller und Gabeln und die Becher und die Schüsseln. Stolz erklärte Friedrichs Mutter – die übrigens Leni hieß -, daß ihr Mann alles selbst angefertigt hatte.
Sie aßen einen leckeren Eintopf, der aus verschiedenen Blättern und Beeren gekocht war. Dazu gab es kleine Stücke Brot, und getrunken wurde herrliches, klares Wasser. Alle langten kräftig zu. Nur Friedrich war noch satt von dem Brot, das er den Enten stiebitzt hatte.
Nach dem Essen saßen sie noch eine Weile zufrieden und entspannt am Tisch und unterhielten sich. Dann, gerade als Leni begann, den Tisch abzuräumen, fragte Eileen plötzlich: „Wie werden wir nachher eigentlich wieder groß?“
Die Mikrosaurier sahen sich erschrocken an, aber keiner sagte etwas. Kim fragte ängstlich: „Wißt ihr es etwa nicht?“
Friedrichs Vater schüttelte schweigend den Kopf.
„Na“, sagte Eileen verärgert zu Friedrich, „da hast du uns ja was schönes eingebrockt!“
3
Die Mikrosaurier waren so ratlos, daß sie Friedrichs Großeltern weckten. Die Oma, Elfriede, ging an einem kleinen Stock; eigentlich war es nur ein dicker Zweig. Opa Johann stand immer etwas gebückt und nickte ab und zu mit dem Kopf. Ansonsten jedoch sahen sie aus wie die anderen Mikrosaurier auch, und sie bewegten sich recht flink. Friedrichs Papa stellte Kim und Eileen vor und schilderte ihr Problem. Die beiden Alten sahen ihren Enkel streng an. Friedrich blickte schuldbewußt zu Boden und scharrte nervös mit dem Fuß. Es schien den Mädchen, als habe sich sein grünes Gesicht leicht rötlich verfärbt.
Schließlich sagte der Opa: „Nun, ich weiß auch nicht, wie man jemanden wieder groß bekommt. Die Zacken auf unseren Rücken nützen nur zum Schrumpfen. Aber es gibt jemanden, der es eigentlich wissen müßte. Das ist der alte Georg. Der weiß so gut wie alles. So sagt man jedenfalls.“
Friedrichs Gesicht, das eben noch rötlich-grün gewesen war, wurde jetzt bleich. Auch die anderen aus seiner Familie sahen unbehaglich drein.
„Ihr mögt diesen Georg wohl nicht besonders“, bemerkte Kim.
„Eigentlich wissen wir gar nicht viel von ihm“, erklärte Leni. „Er ist natürlich auch ein Mikrosaurier und entfernt mit uns verwandt. Aber er ist sehr, sehr alt.“
„Er war schon alt, als ich noch ein Kind war“, unterbrach Opa Johann sie.
„Er lebt auf der anderen Seite des Teiches“, fuhr Leni fort. „Er bleibt fast immer allein. Außer, wenn jemand seine Hilfe braucht. Aber selbst dann geht niemand gern zu ihm, obwohl er wirklich beinahe alles weiß. Er ist einfach – anders als wir.“
„Aha“, sagte Eileen, doch im Grunde war sie nicht schlauer als vorher.
Friedrich sah die beiden Mädchen mitleidig an. „Ich beneide euch jedenfalls nicht darum, daß ihr zum alten Georg gehen müßt. Aber ich wünsch’ euch viel Glück.“
Er drehte sich um und wollte sich davonmachen, doch sein Vater packte ihn an der Schulter.
„Augenblick mal, mein Herr Sohn“, sagte er streng. „Du willst doch deine neuen Freundinnen nicht etwa alleine gehen lassen?“
„Ich soll doch nicht mitgehen, oder?“ Friedrichs Augen waren vor Schreck weit aufgerissen.
„Aber sicher, Sohnemann!“ Der Vater nickte bedächtig mit dem Kopf. „Schließlich hast du das den beiden eingebrockt. Jetzt mußt du ihnen auch wieder heraushelfen.“
„Also, Franz, ich weiß nicht recht“, schaltete sich Leni ein – Franz war nämlich der Name von Friedrichs Vater. „Verlangst du jetzt nicht ein bißchen viel von ihm? Wäre es nicht besser, wenn einer von uns beiden mitginge?“
Doch Vater Franz blieb unnachgiebig.
„Der Junge muß lernen, für seine Fehler die Verantwortung zu tragen“, sagte er. „Und außerdem wird es ja kein gefährlicher Ausflug. Der alte Georg ist zwar etwas wunderlich, aber er hat noch niemanden gefressen. Und in ein paar Stunden ist Friedrich wieder zurück.“
Da half nun alles Bitten und Schimpfen des kleinen Mikrosauriers nichts: Friedrich mußte Kim und Eileen begleiten. Franz und Leni führten die drei zum Ausgang der Höhle. Dort standen sie unter der Brücke und sahen sich vorsichtig um. Zum Glück schien jetzt, um die Mittagszeit, niemand im Park unterwegs zu sein.
Man verabschiedete sich, und dann brachen die drei Freunde auf. Friedrich ging voran, die beiden Mädchen hinterher. Bevor sie im Gebüsch verschwanden, drehten sich alle noch einmal um und winkten den erwachsenen Mikrosauriern zu.
Allen, den Großen wie den Kleinen, war etwas mulmig zumute. Doch sie versuchten, sich nichts anmerken zu lassen.
4
Friedrich führte die Mädchen durch die Büsche ins Schilf hinein. Der Weg, auf dem sie früher oft gelaufen waren, lag ein ganzes Stück rechts von ihnen. Links waren es nur ein paar Meter bis zum Teichufer. Oder besser, es schienen den Mädchen einige Meter zu sein. Aber da sie selbst jetzt so klein waren, befanden sie sich vermutlich noch näher am Wasser, als sie dachten.
Der Weg war sehr beschwerlich. Die Schilfhalme kamen ihnen groß wie Bäume vor. Manchmal mußten sie über umgeknickte Halme hinüberklettern. Doch es gab auch sehr viel Interessantes zu beobachten. Zum Beispiel Käfer, die ganz in der Nähe herumkrabbelten. Jetzt, wo die Mädchen selbst ganz klein waren, entdeckten sie an den Tieren Einzelheiten, die ihnen vorher nie aufgefallen waren. Immer wieder blieb Kim oder Eileen stehen, um irgend etwas zu beobachten.
Friedrich, für den das alles ganz normal war – er war ja schließlich schon immer klein gewesen -, wurde richtig ungeduldig. Mehr als einmal drängte er die beiden Mädchen, sich zu beeilen, aber ohne allzu großen Erfolg.
Das tollste Erlebnis für Kim und Eileen war es aber, als plötzlich eine Schnecke ihren Weg kreuzte. Das Schneckenhaus reichte ihnen bis zu den Knien! Als Eileen versuchte, das Tier zu streicheln, zog es sich sofort in sein Haus zurück. Die Mädchen rollten die Schnecke herum, so daß sie in die Öffnung des Gehäuses sehen konnte. Mit ihren winzigen Händen streichelten sie die Schnecke, die aber nicht wieder herauskam. Schließlich überredete Friedrich die beiden, weiterzugehen. Als sie nach kurzer Zeit noch einmal zurücksahen, machte sich die Schnecke gerade daran, ebenfalls weiterzukriechen.
Durch dichtes Schilf, an Gräsern und bunten Blumen vorbei, setzten sie ihren Weg fort. Gelegentlich schwirrten Bienen oder auch Hummeln über ihre Köpfe hinweg. Sie wirkten riesig, und ihr Gesumme war unglaublich laut. Doch Friedrich versicherte, sie seien ganz harmlos. Nur vor einer grünen Libelle schien er Respekt zu haben, und alle drei verharrten ganz still, bis die Libelle weitergeflogen war.
Weder Kim noch Eileen hatte eine Uhr um, doch sie fühlten sich, als seien sie seit Stunden unterwegs. Deshalb beschlossen sie, eine Pause einzulegen, und Friedrich blieb nichts anderes übrig, als nachzugeben. Sie fanden einen Platz, wo das Schilf plattgedrückt war, und setzten sich einfach auf den Boden.
Natürlich unterhielten sich die Kinder die ganze Zeit lang über die aufregenden Dinge, die sie gesehen hatten. Nur der Mikrosaurier schwieg nachdenklich und sah sich immer wieder besorgt um. Schließlich fiel es Eileen auf, und sie fragte ihn, was los sei.
„Habt ihr euch noch keine Gedanken darüber gemacht, warum hier alles so plattgedrückt ist?“ fragte Friedrich zurück.
Kim und Eileen schüttelten die Köpfe.
„Na“, sagte der Saurier, „für mich sieht das fast so aus, als ob sich hier irgendein Vogel ein Nest bauen wollte. Und falls das stimmt...“
Weiter kam Friedrich leider nicht. Denn genau in diesem Augenblick brach unter wütendem Geschnatter eine braune Ente aus dem Schilf hervor und ging auf die drei los. Schreiend stoben die Kinder und der Mikrosaurier in verschiedene Richtungen davon. Da die Ente nicht alle gleichzeitig verfolgen konnte, stürmte sie hinter Friedrich her. Die beiden rannten durch das Schilf direkt auf den Teich zu.
Als sie nicht mehr zu sehen waren, kehrten Kim und Eileen zu ihrem Rastplatz zurück und lauschten dem zornigen Schimpfen der Ente. Es schien sich nicht mehr weiter zu entfernen.
„Was sollen wir jetzt tun?“ fragte Eileen leise.
„Wir dürfen Friedrich nicht verlieren“, antwortete Kim flüsternd. „Ohne ihn finden wir vielleicht nicht zu seiner Höhle zurück. Und auch nicht zum alten Georg.“ Daß sie auch gar keine Lust hatte, den alten Georg ohne die Begleitung eines Mikrosauriers zu finden, verschwieg sie lieber.
Eileen nickte. „Das wäre ja schrecklich. Dann müßten wir für immer klein bleiben.“
„Komm!“ Kim kroch seitwärts ins Schilf zurück; Eileen folgte ihr. Noch immer war das Geschnatter zu hören. Die Mädchen orientierten sich daran und gelangten etwa einen Meter neben der Ente ans Ufer.
Der Vogel stand da und blickte wütend auf den Teich hinaus. Dort hockte Friedrich auf einem kleinen Ast, der langsam vom Ufer forttrieb. Natürlich hätte die Ente hinterherschwimmen können. Doch es reichte ihr wohl, daß sie die Störenfriede von dem Platz vertrieben hatte, an dem sie ihr Nest bauen wollte.
Kim und Eileen duckten sich reglos zu Boden und warteten ab. Endlich, nach einigen schrecklich langen Minuten, beendete die Ente ihre Beschimpfungen und verzog sich wieder ins Schilf. Mittlerweile war Friedrich aber sehr weit auf den Teich hinaus getrieben. Die Mädchen wagten nicht, ihn zu rufen, weil der wütende Vogel ja vermutlich immer noch in der Nähe war.
Allem Anschein nach unternahm der Mikrosaurier nichts, um zum Ufer zurückzugelangen. Das lag vermutlich daran, daß er, ebenso wie die Mädchen, nach wie vor Angst vor der Ente hatte. Was ihn allerdings nicht davon abhielt, nun seinerseits laute Beschimpfungen auszustoßen: „Ja, verzieh’ dich nur, du blöde Ente! Du hast wohl endlich erkannt, wer der Stärkere von uns beiden ist! Überhaupt ist jetzt gar nicht die richtige Jahreszeit, um ein Nest zu bauen!“
Nachdem er so seinem Ärger Luft gemacht hatte, verstummte er und blickte sich unsicher um. Er schien Kim und Eileen aber nicht zu entdecken.
Da der Ast, auf dem Friedrich saß, immer weiter abtrieb, blieb den Kindern nichts übrig, als eine Entscheidung zu treffen. Zum Glück konnten sie beide schwimmen; sie hatten ihr Seepferdchenabzeichen schon gemacht, bevor sie zur Schule kamen. Und es war ein warmer Sommertag, also würde es wohl nicht schaden, ein wenig naß zu werden. So hüpften sie mutig in den Teich und schwammen zu einem anderen Ast, der ebenfalls im Wasser trieb.
Es war gar nicht so leicht, hinaufzuklettern. Eileen schaffte es zuerst und zog dann Kim hinterher. Als sie beide fest auf dem Ast saßen, begannen sie, mit den Händen zu paddeln, um Friedrich zu erreichen. Während sie ihm immer näher kamen, blies der Wind sie allmählich zur entgegengesetzten Seite des Teiches hinüber. Gerade, als sie den Mikrosaurier eingeholt hatten, stießen die Äste ans Ufer. Die drei Freunde sprangen wortlos an Land, fielen ins Gras und blieben erst einmal erschöpft liegen.
5
Bald drängte Friedrich darauf, weiterzugehen.
„Von dieser Seite des Teiches aus“, erklärte er, „ist es weiter. Und es ist schon später Nachmittag. Also los!“
Diesmal hielten sie sich nicht mit der Beobachtung irgendwelcher Dinge auf, und sie machten auch nicht noch einmal Pause. Der Schreck mit der Ente saß ihnen noch in den Knochen, wie man so sagt. Erschöpft kämpften sie sich durch Schilf, hohes Gras und dornige Büsche. (Wenigstens konnten sie, weil sie so klein waren, den Dornen gut ausweichen.) Dabei mußten sie aber mehr und mehr aufpassen, nicht gesehen zu werden, denn inzwischen spazierten wieder eine Menge Leute auf den Wegen durch den Park.
Einige der Menschen hatten Hunde dabei, und das schien Friedrich ziemlich zu beunruhigen.
„Diesen Hunden“, erklärte er sehr erfahren, „ist nicht zu trauen. Sie jagen allem hinterher, was kleiner ist als sie selbst. Die können einen Mikrosaurier nicht von einer Maus unterscheiden. Paßt bloß auf, daß sie euch nicht erwischen! So klein, wie ihr jetzt seid, fressen die euch glatt auf. Und ihr habt ja nicht einmal Zacken auf dem Rücken.“
„Was hat denn das mit den Zacken zu tun?“ wollte Kim wissen.
„Ach, ihr Menschen versteht aber auch gar nichts!“ Ohne ein weiteres Wort der Erklärung stapfte er weiter durch’s Gebüsch.
„Verstehst du, was er meint?“ Kim sah Eileen neugierig an.
Eileen schüttelte nur den Kopf. „Nein, keine Ahnung!“
Als wäre aber ihre Wanderung zum alten Georg nicht schon aufregend genug gewesen, erlebten sie kurz vor dem Ziel noch ein weiteres Abenteuer, und da verstanden sie dann auch, was Friedrich über die Zacken auf dem Rücken gesagt hatte.
Sie traten aus den Büschen und fanden sich nahe einer zweiten Brücke, wo der Teich in einen kleinen Bach überging.
„Das ist die Brücke, unter der der alte Georg wohnt!“ Friedrich deutete mit dem ausgestreckten Arm darauf. Kim und Eileen fiel ein Stein vom Herzen, so froh waren sie, daß der anstrengende Marsch endlich zu Ende war und sie nun erfahren sollten, wie sie wieder groß werden könnten.
In diesem Moment ließ sie ein wütendes Kläffen herumfahren. Ein Dackel kam auf sie zugesprungen; er erschien ihnen riesig, und es war klar, daß er nicht spielen wollte. Die Mädchen standen wie versteinert da und erinnerten sich daran, daß Friedrich vom Gefressen-Werden gesprochen hatte.
Der Mikrosaurier reagierte schneller. Wieder einmal zeigte sich, daß für ihn dieses abenteuerliche Leben alltäglich war. Er stieß die Kinder an und schrie: „Rennt unter die Brücke!“
Kim und Eileen gehorchten. Doch nach ein paar großen Schritten stolperte Eileen, und Kim hielt an, um ihr aufzuhelfen. Bei dieser Gelegenheit sahen sie zurück zu Friedrich und dem Dackel. Friedrich war nämlich stehengeblieben, mit dem Rücken zum Hund. Er blickte über die Schulter nach hinten und schien darauf zu warten, gefressen zu werden.
Jetzt hatte der Dackel ihn erreicht, und den Mädchen stockte der Atem.
Genau in diesem Augenblick sprang der kleine Mikrosaurier zur Seite. Der Hund schnappte noch nach ihm, doch er konnte nicht so schnell anhalten. So erwischten seine Zähne nur eine der Zacken von Friedrichs Rücken, wo jetzt schon drei fehlten. Gierig schlang der Hund die Zacke hinunter, während er herumwirbelte und wieder auf sein Opfer zurannte.
Aber was war das? Bei jedem Schritt schien der Hund zu schrumpfen – ja, es war kein Zweifel möglich. Und war es Kim und Eileen nicht vor wenigen Stunden genauso ergangen?
Als er bei Friedrich ankam, war der verdutzte Dackel nur noch halb so groß wie der Mikrosaurier. Der versetzte ihm jetzt einen Tritt in den Hintern, und der Hund lief ängstlich bellend davon.
Von weitem konnten Friedrich und die Mädchen beobachten, wie der Dackel zu seinem Frauchen zurückkehrte. Die Frau übersah ihn zuerst völlig. Als sie dann durch das leise Bellen auf ihn aufmerksam wurde, erschrak sie fürchterlich. Schreiend flüchtete sie, als hätte sie ein Gespenst gesehen. Der Hund mit seinen winzigen Beinen hatte Mühe, ihr zu folgen.
Alle drei, Eileen, Kim und Friedrich, rollten sich auf dem Boden vor Lachen.
Plötzlich unterbrach sie eine leise, tiefe Stimme: „Ihr solltet euch lieber etwas unauffälliger benehmen. Sonst kommen die Menschen und fangen euch und sperren euch ein.“
Schweigend starrten sie den Mikrosaurier an, der zu ihnen gesprochen hatte. Sie erkannten sofort, daß es der alte Georg war, auch wenn die beiden Mädchen ihn noch nie gesehen hatten.
6
Der alte Georg stand krumm, so, wie Kim und Eileen es auch bei Friedrichs Opa gesehen hatten. Aber er war trotzdem noch größer als alle anderen Mikrosaurier. Er war ziemlich dick, und seine Haut lag überall in Falten. Die Zacken auf seinem Rücken waren eher grau als grün. Ja, er sah wirklich uralt aus. Aber im Gegensatz zu Friedrichs Opa nickte er nicht ständig mit dem Kopf, und er stützte sich auch nicht auf einen Stock wie Friedrichs Oma.
Mit seiner leisen, tiefen Stimme sagte er jetzt: „Wenn ich mir ansehe, wie klein die beiden Menschenkinder sind, kann ich mir schon denken, warum ihr hier seid. Da hat wohl jemand eine Riesendummheit gemacht. Ich nehme daher an, daß ich es mit dem frechen, aber unbedachten Friedrich zu tun habe. Stimmt’s?“
Friedrich schluckte laut und nickte stumm.
„Na, dann kommt erst mal mit in meine Höhle.“
Friedrich und die Kinder folgten Georg zu seiner Höhle. Der Eingang war größer als bei der Höhle von Friedrichs Eltern. Auch drinnen war alles geräumiger. Aber genau wie in der anderen Höhle führte ein langer Gang in ein Wohnzimmer, in dem hölzerne Möbel standen. Auch dieses Zimmer war vom gedämpften Licht eines Glühwürmchens erleuchtet, wie die Mädchen es schon kannten. Allerdings hüpfte dieses Glühwürmchen aufgeregt in dem Korb herum, der von der Decke hing.
Als Eileen fragte, warum das Insekt so aufgeregt sei, antwortete der alte Georg: „Heute ist sein letzter Tag im Korb. Es kann es kaum erwarten, morgen freigelassen zu werden.“
„Ihr laßt die Glühwürmchen wieder frei?“ Kim sah ihn mit großen Augen an.
„Natürlich“, antwortete Georg. „Wir leihen sie uns nur für jeweils eine Woche aus, dann ersetzen wir sie durch neue. Ich muß heute nacht welche besorgen.“
„Menschen!“ rief Friedrich verächtlich aus; er gewann allmählich seine Selbstsicherheit wieder. „Nur ihr könnt auf die Idee kommen, ein Tier für immer einzusperren.“
„Aber jetzt kommt weiter. Ich muß nachher noch schlafen, um heute nacht fit zu sein.“ Der alte Georg führte sie in ein angrenzendes Zimmer.
Friedrich und die Kinder staunten nicht schlecht: Die Wände des Raumes waren vollkommen zugestellt mit Regalen, die aus kleinen Zweigen gebastelt waren. Darin standen Dutzende, vielleicht Hunderte von winzigen Stücken Baumrinde. Als der alte Mikrosaurier einige davon herauszog, stellte sich heraus, daß sie über und über mit grünen Schriftzeichen bedeckt waren. Allerdings war es eine fremde Schrift, die die Mädchen nicht lesen konnten – und Friedrich offenbar auch nicht.
„Eine Bücherhalle!“ riefen Kim und Eileen gleichzeitig aus.
„Na ja“, sagte der alte Georg, „ich bevorzuge den Ausdruck Bibliothek. Aber eigentlich ist das dasselbe.“
Er begann, einige der Rindenstücke zu lesen, und schien die Kinder vollkommen vergessen zu haben. Endlich nickte er und murmelte: „Ja, genau, wie ich es mir gedacht hatte.“ Dann stellte er die Rindenstücke wieder zurück in die Regale und sah seine Gäste an. „Aber jetzt erzählt mir endlich, was ihr von mir wollt. Ich vermute, es hat etwas mit Schrumpfen und Wachsen von vorwitzigen Menschenkindern zu tun – aber laßt mal hören.“
Kim und Eileen waren etwas beleidigt, weil der alte Georg sie vorwitzig genannt hatte – was auch immer das genau bedeuten sollte -, doch sie trauten sich nicht, zu widersprechen. So erzählte Friedrich die ganze Geschichte. Am Ende aber platzte Eileen heraus: „Wenn Sie wissen, wie wir wieder groß werden können, sagen Sie es bitte!“
„Nun, eigentlich ist das ganz einfach“, sagte der alte Georg, und den Mädchen fiel ein Stein vom Herzen. Georg fuhr fort: „Um zu schrumpfen, habt ihr eine von Friedrichs Zacken gegessen. Um zu wachsen, müßt ihr bloß noch eine essen – aber verkehrt herum.“
Kim und Eileen sahen ihn verständnislos an.
„Verkehrt herum?“ fragte Eileen.
„Wie meinen Sie das?“ fragte Kim.
„Ist das so schwer zu verstehen?“ Der alte Georg schüttelte den Kopf, als wundere er sich gewaltig über die Dummheit der Menschen. „Ihr müßt dabei natürlich auf dem Kopf stehen.“
Die Mädchen sahen den alten Mikrosaurier staunend an. Dann sagte Eileen: „Ich kann aber keinen Kopfstand. Du etwa, Kim?“
Kim schüttelte den Kopf.
„Na“, sagte der alte Georg, „ich werde euch schon dabei helfen. Aber bitte nicht hier in der Höhle. Wenn ihr wieder eure normale Größe habt, paßt ihr hier ja gar nicht rein. Dann stürzt mir am Ende noch die Höhle ein. Also laßt uns nach draußen gehen.“
Das taten sie. Draußen angekommen, brach Georg zwei weitere Zacken von Friedrichs Rücken ab. „Keine Angst“, beruhigte er Friedrich, der jetzt wegen der fehlenden Zacken doch etwas nervös wurde. „Du weißt ja, daß die bis nächste Woche alle wieder nachgewachsen sind.“ Dann fragte er: „Wer will anfangen?“
„Ich!“ riefen Kim und Eileen gleichzeitig. Sie konnten es nicht mehr abwarten, wieder groß zu sein.
„Also gleichzeitig“, sagte der alte Georg. Zuerst ließ er Kim einen Handstand machen, wobei er ihre Beine festhielt, damit sie nicht umkippte. Langsam knickte Kim dann ihre Arme ein, bis ihr Kopf den Boden berührte. Nun stand sie sicher genug, so daß der kleinere Friedrich sie halten konnte. Georg schob ihr eine der beiden Zacken in den Mund, dann half er Eileen bei ihrem Kopfstand und gab ihr ebenfalls eine Zacke in den Mund.
Der große Moment war endlich gekommen.
„Jetzt kaut und schluckt die Zacken hinunter – oder besser hinauf – ach, ihr wißt schon, was ich meine“, sagte der alte Georg, und die Mädchen gehorchten.
Wieder dauerte es einen Augenblick, bis etwas geschah. Und dann schien es Eileen und Kim, als würde die Welt um sie herum ganz plötzlich zusammenschrumpfen.
7
Kim und Eileen fühlten, wie Friedrich und der alte Georg sie losließen. Sie hörten Georg noch rufen: „Schnell, Friedrich, lauf weg!“ Dann verloren sie auch schon das Gleichgewicht und purzelten ins Gras. Im Sitzen sahen sie sich um, aber sie konnten die Mikrosaurier nicht entdecken. Im Augenblick war ihnen das allerdings vollkommen egal. Etwas anderes war viel wichtiger: Sie waren wieder normal groß! Sie standen auf, begannen zu lachen – und dann hüpften sie vor Freude wild herum.
Fast wäre ein Unglück geschehen, wenn nicht eine zornige Stimme gepiepst hätte: „Paßt doch auf, wo ihr hinspringt! Oder wollt ihr uns zerquetschen?“
Die Mädchen blieben abrupt stehen und starrten zu Boden. Und dort standen sie – Friedrich und der alte Georg. Die beiden Mikrosaurier waren natürlich nicht gewachsen, und deswegen wirkten sie für Kim und Eileen jetzt wieder fast so klein wie gewöhnliche Eidechsen.
Die Menschenkinder entschuldigten sich dafür, daß sie einen Moment lang nicht aufgepaßt hatten. Dann bedankten sie sich überschwenglich beim alten Georg, weil er ihnen geholfen hatte, wieder groß zu werden.
„Gern geschehen“, brummte dieser. „Aber nun geht endlich, damit ich noch zum Schlafen komme, bevor die Nacht hereinbricht. Ihr wißt ja, ich muß heute nacht Glühwürmchen fangen. Und nehmt Friedrich mit. Wer weiß, was dieser Racker wieder anstellt, wenn er alleine unterwegs ist. Und grüß’ deine Familie schön, Friedrich!“
Er drehte sich um und ging, ohne noch ein Wort zu sagen oder noch einmal zu winken, zurück in seine Höhle.
„Wirklich ein komischer Kauz“, meinte Kim.
„Aber eigentlich ganz nett“, meinte Eileen.
„Laßt uns zusehen, daß wir nach Hause kommen. Ich hab’ schrecklichen Hunger“, meinte Friedrich.
Jetzt, wo er es sagte, merkten auch die Mädchen, wie hungrig sie waren. Kim nahm Friedrich in die Hand, und sie machten sich auf den Rückweg zur anderen Seite des Teiches. Ein- oder zweimal kamen sie an Kindern vorbei, die ihnen interessiert nachsahen, aber sie hielten Friedrich für eine Eidechse. Außerdem waren die anderen Kinder auf der Suche nach dem winzigkleinen Dackel, den ein Junge gesehen haben wollte, so daß sie Kim und Eileen nicht viel Aufmerksamkeit schenkten.
Auf der zweiten Hälfte des Weges trug Eileen den Mikrosaurier. Jetzt, wo sie wieder groß waren, kamen sie schnell voran. Bald erreichten sie die Brücke, unter der Friedrich mit seinen Eltern lebte.
Die ganze Mikrosaurierfamilie hatte sich schon Sorgen gemacht, und so war der Jubel jetzt groß. Alle standen vor dem Eingang zur Höhle und umarmten Friedrich nacheinander, und vor lauter Überschwang umarmten sie sich auch gegenseitig.
Schließlich sagte Eileen: „Jetzt müssen wir aber gehen. Bestimmt suchen Oma und Opa schon nach uns.“
„Aber wir kommen bald wieder. Wahrscheinlich schon morgen“, fügte Kim hinzu.
„Nein, danke!“ stöhnte Friedrich. „Für’s erste hab’ ich genug aufregende Abenteuer erlebt. Vielleicht nächste Woche mal wieder.“
Zum zweiten Mal an diesem Tag verabschiedeten sich die Mädchen von Friedrichs Familie, dann gingen sie nach Hause. Oma und Opa waren heilfroh, daß die Kinder wieder da waren; sie hatten tatsächlich schon überall gesucht. Natürlich glaubten sie kein Wort von Eileens und Kims Geschichte – wie Erwachsene eben so sind.
Am nächsten Wochenende hatten die Mädchen keine Zeit. Dann fing die Schule wieder an, und als die Schüler sich in der Pause ihre Ferienerlebnisse erzählten, waren Kim und Eileen – jede in ihrer eigenen Schule – selbstverständlich die Stars.
Am Sonntag darauf gingen sie wieder zu Höhle unter der Brücke. Sie riefen und riefen, doch niemand kam heraus. Endlich bückte sich Kim und sah in den Eingang hinein. Sie zog ein Stück Baumrinde heraus. Mit grüner Farbe war etwas darauf geschrieben – in normaler Schrift. Kim las es vor: „Wir sind zu Verwandten in den Stadtpark gereist.“
Traurig blickten die Kinder auf den Eingang zu der nun verlassenen Höhle. Würden sie wohl jemals wieder etwas von dem kleinen Mikrosaurier Friedrich, von seinen Eltern, den Geschwistern, den Großeltern hören? Der zurückgezogen lebende alte Georg würde sich wahrscheinlich nicht hervorlocken lassen.
Da fiel Eileen etwas ein. Sie drehte das Stück Rinde in Kims Hand herum. Auf der Rückseite stand noch etwas; sie lasen es leise, jeder für sich, und dann grinsten sie fröhlich. Denn die Worte, die da standen, lauteten:
„Wir sehen uns in den Herbstferien!“