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Ein Treffen mit Roque
Mein Blick segelt aus dem Fenster wie eine hilflose Papierschwalbe die schlecht gefaltet ist. Er veräppelt auf dem Platz der abgerissenen Brauerei. Nur die Reste aus rotem Backstein und das halb leere Bier in meiner Hand, erinnern lediglich an Leuchtreklame. Ich bin mal gespannt, was sie da wieder für ein´ Klotz von Stundenhotel hinhauen? Na ja, wenigsten kann man jetzt für einige Zeit auf den Hafen gucken.
Ich geh´ zu Alex´ Kühlschrank, um noch ´n kühles Bier zu ergattern. Aber Alex war schneller am Drücker. Was solls, ich also raus, zum Höker um die Ecke, immer mit dem Hintergedanken, dass die fünf Stockwerke schwerbeladen die Hölle sind.
„Ja n´ Abend. Wie ich sehe hast du ´n neuen Haarschnitt“, begrüßte ich den Besitzer. „Yep, hat meine Frau mir verpasst. Nicht grade schön, dafür aber kurz.“ „Na ja wie auch immer. Ich wünsch noch was“ und mache mich mit ´ner Plastiktüte voll Bier auf, zurück zu Alex.
Die Storys von Alex aus der Zeit in Panama sind große Klasse, obwohl schon tausendmal gehört. Dort isst man Mangos mit Essig und schlägt sich mit ´ner Machete durchs grüne Dickicht. Aber das Beste sei der Rum, den man an allen Ecken und Kanten für´n Appel und ´n Ei bekommt. Oder man brennt ihn gleich selbst.
„Weißt du woran man merkt, dass es kalt geworden ist“, frage ich Alex. Er zuckt mit den Schultern, während er einen Schluck von seinem Bier nimmt. „Na wenn die Mädels unten in der Davidsstraße ihre Overalls auspacken.“ „Yep, da hast du wohl recht.“
Die Treppen, welche auf die Straße führen, spülen mich zusammen mit Gewohnheit und den letzten zwei Euro, in den Beatclub. Es läuft gerade „Don´t drag me down“ von Social Distortion und ich lege Jan die zwei Euro auf den Tresen und bekomme zum Tausch dafür ein Bier.
Antoine hockt zusammengekrümelt an der Bar und weiß anscheinend mit sich und seinem Glas nichts anzufangen. „Hey, Roque! Ich werd´ verrückt, was immer du auch hier machst, wie geht´s dir“ und ich klopfe ihm dabei auf die Schulter, als würden wir uns schon ewig kennen. Nun, ich kenne ihn ja auch in gewisser Weise, nur beruht das nicht auf Gegenseitigkeit. Er guckt mit seinen kleinen Augen zu mir auf und seine Mundwinkel hängen kraftlos im Gesicht rum. Seine Zigarette brennt herrenlos im Aschenbecher vor sich hin und sein roter Harrschopf ist wirr und zerzaust. „Lass mich in Ruhe, ich denke nach.“ „Ah, ich sehe, bei dir hat sich wohl in den ganzen Jahren nichts geändert.“ „Weißt du, es ist nicht leicht einzusehen, dass deine Existenz von jemand Anderen abhängen soll. Es macht sich in mir ein neuer Ekel breit. Größer und bedeutender als der davor.“ „Wolltest du nicht ein Buch schreiben, für die Nachwelt?“ „Was nützt ein Buch, wenn später alle sagen: Roquentin, ist das nicht der Typ von dem und dem?“ „Ah ich verstehe, ´n Egoproblem.“
Das hätte ich besser nicht sagen sollen, den der Rotschopf stand darauf unwirsch auf und fuchtelt mir, mit seinen Fäusten, vor meinem Gesicht rum. Dafür, dass er nachdenken wollte, ist der Kerl ganz schön hitzig. Wie auch immer ich schwinge mich raus in die Kälte und setzte Kurs auf nach Hause. Und ich prüfe mich selbst, aber da war nichts mit Ekel. Nicht heute und nicht jetzt. Klar, ich weiß was er meint, aber dieser Moment und der Gedanke an den wahrscheinlich letzten wunderbaren Herbsttag, lässt mich nur den bittersüßen Duft von der Holstenbrauerei einatmen.