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Eine erfundene Geschichte und viele Fragen

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23.01.2019
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Eine erfundene Geschichte und viele Fragen

„Er hat meinen Vater ermordet und mich dann meiner Mutter beraubt.“ Ihre Stimme zitterte, und ihre Augen funkelten.

Ich saß etwas verlegen in dem kleinen Zimmer und beobachte sie seitlich. „Er hat deinen Vater angezeigt, aber ermordet ...?“

„Jeder wusste damals, was geschah, wenn einer als Nazi angezeigt wurde. Die Russen spielten nicht. Er wurde nach Sibirien geschickt. Den Winter und die harte Arbeit überlebte er nicht.“

Ich versuchte, Karl in Schutz zu nehmen. Er war der Freund meiner Eltern. „Sybille, überleg dir mal ganz nüchtern, was denn anders möglich gewesen wäre. Dein Vater hat seinen Vater den Nazis ausgeliefert und jetzt war er an der Reihe. So sind nun mal die Kriege!“

Mit einem Ruck stand sie auf und hielt mir ihren ausgestreckten Zeigefinger ins Gesicht. „Das wurde nie bewiesen. Mein Vater war nur einer unter vielen. Gerd war halt ein Träumer, ein Idealist. Als Anwalt hätte er Geld verdienen sollen, aber anstatt dessen verteidigte er Arbeiter, arme Teufel, die nichts bezahlen konnten. Er hat sich dadurch viele Feinde in P. gemacht, und als Hitler an die Macht kam, haben sie sich dann gerächt. Auch verständlich ...“

Auch verständlich ... Das erreicht man mit Verstand. Gewalt ist gleich Gewalt, sei es von links, sei es von rechts. Alles gleich. Man beachtet dann nur die Mittel und lässt die Zwecke beiseite. Aber ... Mittel durch den Zweck zu rechtfertigen, konnte man das heute noch glauben?

Es war verständlich, schließlich war er der Vater. Das braune Hemd, das er trug und die Pistole, die öfters auf dem Tisch lag, das waren eben Nebensachen. Sybille war noch ein Kind, als er verschwand, und es blieben nur die guten Erinnerungen.

Wir schwiegen eine Zeit lang. Es hatte keinen Sinn, da weiter zu bohren. Sybille war ein nervöser Typ. Die schrille, dünne Stimme passte zu der Figur, die fast einer Linie glich, oben etwas nach vorne gekrümmt. „Ich habe es mit den Nerven ...“, das war ihre geliebte Ausrede, wenn sie in Bedrängnis kam. Sie hatte es zu nichts geschafft, weder Familie noch feste Arbeit. Hier und da einen Job. Die Mutter half ihr ab und zu und es kamen dann noch Beruhigungstabletten und viel Baldrian dazu. Sie flüchtete gerne in Selbstmitleid. Und schon fing sie wieder an: „Nachdem er mir meinen Vater geraubt hatte, musste er mir noch meine Mutter nehmen. Dass war dann wirklich ein bisschen zu viel.“

Ich hatte mit Karl nie darüber gesprochen. Er war zwanzig Jahre älter als ich und so intim waren wir nicht, dass ich es gewagt hätte, mich in seine Gefühlswelt einzumischen. Aber trotzdem, es war mir unverständlich. Ein Sozialist, der in einen sozialistischen Staat Karriere machen wollte, und dann heiratete er die Frau eines Nazis?

Wieder führte der Verstand mich in eine Sackgasse. War denn Liebe zu verstehen? Vielleicht war die Mutter schön, vielleicht war sie lieb oder intelligent, oder alles zusammen. Sicherlich war sie nicht reich, sicherlich hatte Geld dabei keine Rolle gespielt, obwohl ...

Die Mutter hatte den Mann verloren, der im Dritten Reich sicherlich Prestige hatte. Nun saß sie da alleine mit einem kleinen Kind in einem feindlichen Staat. Nur allzu verständlich, dass sie einen neuen Anfang machen wollte, mit einem, der ihr auch dies ermöglichte.

Dies war die Argumentationslinie, die ich einschlug. Ich versuchte, Sybille zu erklären, dass ihre Mutter damals in einer verdammt schwierigen Lage gewesen war und dass ihr gar nicht viel anderes übrig blieb. „Karl hatte das Konzentrationslager überlebt und kam nach P. zurück. Wurde nicht als Held empfangen, denn unter den Trümmern gab es keine Helden. Und sicherlich gab es noch dazu Ressentiments bei der Bevölkerung. Aber die Russen brauchten Sozialisten, das hat deine Mutter erkannt.“

Fehlschlag! Sybille sprang wieder aus dem Stuhl. „Gerade das meine ich ja. Eine Zweckbeziehung. Und wo bleibe ich dabei? Welcher war der Raum, der für mich übrig blieb?“

Ich schwieg am besten. Denn in der eingeschlagenen Linie weitere Einzelheiten anzugeben, zu sagen, dass es Karl tatsächlich bis zum Bürgermeister von P. geschafft hatte, würde Sybille nur noch weiter irritieren. Sybille liebte den Vater, und Karl hatte sie zwei Mal verletzt. Erstens, schickte er den Vater nach Sibirien. Zweitens, machte er ein Bündnis mit ihrer Mutter, wo ja diese bekanntlich die grosse Konkurrentin in der Liebe zum Vater ist. Claudius? Zum Hamlet fehlten leider bei Sybille die Sprachkunst und der Tiefsinn. Also schwieg ich am besten, denn eine gute Rolle für mich in diesem Stück war kaum zu erwarten.

Außerdem war ich mir nicht ganz sicher, ob ich Karl weiter verteidigen sollte. Er war immer sehr nett zu mir gewesen. Das erste Mal, noch zu Zeiten der DDR, hatte er mir eine Einladung geschickt. Er war damals Bürgermeister des kleinen Städtchens, und es war mutig von ihm gewesen, mich als Westler einzuladen. Nach der Wende habe ich ihn öfters besucht. Er war natürlich dankbar, da meine Eltern und Großeltern ihm und seiner Mutter bei der Einsperrung seines Vaters und auch nach dem Krieg mehrmals geholfen hatten.

Aber, irgendetwas gefiel mir nicht, an der Art und Weise, mit der er die Leute anlächelte, als wir durch die Straßen von P. schlenderten. Jeder Dritte wurde von ihm begrüßt, und das Lächeln war zu forciert, die Witze zu wenig witzig und die Freundlichkeit zu allgemein. Als ich ihm nach etwas fragte, gab er mir Empfehlungen, die eigentlich im Interesse des Empfehlenden lagen, und als ich, stolz über meine Brecht-Kenntnisse, diese auch vorzeigen wollte, wurde ich mit einem Grinsen abgewiesen und das Gespräch auf Johannes R. Becher umgestellt. Aufgefallen war mir auch die Frisur, im Breschnew-Dreieck-Stil, seitlich an den Ohren kurz und nach oben ausweitend.

Er fuhr stolz einen Wartburg durch die leeren Straßen von P., und ein paar Mal lud er mich zum Essen in einem Restaurant ein, wo ich doch vorher die Erfahrung gemacht hatte, mit welcher Schwierigkeit man dort einen Tisch bekam. „Man hat da eben seine Kenntnisse und Vorrechte“, hat er dann mit einem Lächeln erklärt.

Nach der Wende haben wir öfters über die DDR gesprochen. Ich war natürlich vorsichtig, denn ich kannte seine Stellung und fand es unsinnig da Konfrontationen zu suchen. Eher versuchte ich das Positive, das Recht auf Arbeit, das Gesundheitssystem der DDR, herauszustellen. Ich sprach dann gerne über die Konsumhysterie, die Oberflächlichkeit und den falschen Glanz des Westens. Der Schwindel über Freiheit und Democracy, die Unaufrichtigkeit, die künstlich gebräunten Wangen, das immer mehr im Schein sinkende Sein. Wie viel ehrlicher war dabei die bleiche Blässe der DDR! Aber Karl hörte nicht mehr zu. Ein Westler bleibt eben ein Westler, sei er noch so kritisch. Übrigens, Kritik ... das war gefährlich.

Weil ich meistens diese Ideen vertrat, war ich erstaunt über seine abwehrende Haltung. Ich hatte ihn doch nicht beschuldigt! Selbstverständlich wusste ich, welche Aufgaben der Nomenklatura gestellt wurden. Gerade deswegen fragte ich ihn nicht darüber. Aber es half nichts. Er musste immer wieder betonen, wie vielen Menschen er geholfen hatte.

Ich war in diesen Ideen versunken, und einige Zeit war vergangen. Mein Kopf hing, der Rücken war gebeugt und ich guckte nach unten. Auch Sybille schwieg. Als ich den Kopf hob, trafen sich unsere Augen. Sie nickte. „Ich werde nachforschen. Jetzt, nach der Wende, sind alle Dokumente verfügbar.“ Sie hat nichts gefunden.

 

Liebe Maria und lieber Erdbeerschosch,

Also erstmals noch einmal vielen Dank für die Hilfe. Ich habe den neuen Text mit den letzten Korrekturen nochmals eingestellt (ich hatte es gestern gemacht, aber scheinbar ist da etwas schiefgegangen). Ich hoffe es ist jetzt alles korrekt.

Ich will versuchen die Regel mit den Kommas zusammenzufassen. Es ist eine Vereinfachung, aber wenn ich es zu kompliziert mache, wird es nicht funktionieren. Nach der Bemerkung von Erdbeerschosch werden damit 90% der Kommas erfasst, und das wäre, für den Moment, ein gutes Ziel.

Nebensätze werden vom Hauptsatz immer mit einen Komma abgetrennt. Hauptsätze und Nebensätze sind Teilsätze und bilden ein Satzgefüge. In Hauptsätzen steht das Verb immer an zweiter Stelle (Ausnahmen ausgeschlossen). Ein Nebensatz ist ein Teilsatz, bei dem das Verb am Schluss steht (Ausnahmen ausgeschlossen). Im Prinzip, soll man vor einen „und“ kein Komma setzen, es sei denn die obige Regel trifft zu.

Habe ich das jetzt richtig verstanden? Z.B. „Ich saß etwas verlegen in dem kleinen Zimmer und beobachte sie seitlich“ hat kein Komma, weil es aus zwei Hauptsätze besteht.

Ich warte auf euer OK, falls ihr natürlich Zeit dazu habt, und wende mich dann an Tserk. Nochmals vielen, vielen Dank.

Claudio

 

Hi @Claudio Bornstein

Wahnsinn, dass Du Dich da so reingehängt hast. Der Text sieht (fehlermäßig, zu Stil und Inhalt kann ich dann noch etwas sagen, wenn er aus dem KC raus ist) schon super aus. Ein paar Fehlerchen sind mir noch untergekommen, aber das sollte Dich kaum mehr aufhalten:

Dass war dann wirklich ein bisschen zu viel.

"Das" statt "Dass".

Ein Sozialist, der in einen sozialistischen Staat Karriere machen wollte, und dann heiratete er die Frau eines Nazis?

"in einem sozialistischen Staat" statt "in einen sozialistischen Staat".

Vielleicht war die Mutter schön, vielleicht war sie lieb oder intelligent, oder alles zusammen.

Komma weg am "oder".

wo ja diese bekanntlich die grosse Konkurrentin in der Liebe zum Vater ist.

"große" statt "grosse". Du weißt ja: langes o. Du wirst es hören, wenn Du Dir den Unterschied von "große" und "Gosse" vor Augen führst.

Ich war natürlich vorsichtig, denn ich kannte seine Stellung und fand es unsinnig da Konfrontationen zu suchen.

Komma vor "da".

Nebensätze werden vom Hauptsatz immer mit einen Komma abgetrennt. Hauptsätze und Nebensätze sind Teilsätze und bilden ein Satzgefüge. In Hauptsätzen steht das Verb immer an zweiter Stelle (Ausnahmen ausgeschlossen). Ein Nebensatz ist ein Teilsatz, bei dem das Verb am Schluss steht (Ausnahmen ausgeschlossen). Im Prinzip, soll man vor einen „und“ kein Komma setzen, es sei denn die obige Regel trifft zu.

Leider gibt es Ausnahmen. :Pfeif: Ist ja leider in jeder Sprache so: Sie hat Tücken und Unsinnigkeiten. Aber damit können wir uns ja ein andernmal beschäftigen. ;)

Habe ich das jetzt richtig verstanden? Z.B. „Ich saß etwas verlegen in dem kleinen Zimmer und beobachte sie seitlich“ hat kein Komma, weil es aus zwei Hauptsätze besteht.

Es ist richtig, dass da kein Komma hinkommt, die Begründung ist aber falsch. Bei zwei vollständigen Hauptsätzen DÜRFTEST Du ein Komma setzen. Hier fehlt aber im "beobachtete sie seitlich" das Subjekt, das steht nämlich noch vor dem "und", und deshalb handelt es sich nicht um zwei vollständige Hauptsätze und deshalb darf kein Komma gesetzt werden. Deine Lösung ist aber richtig, von daher: :thumbsup:

Gute Arbeit!

Cheers,
Maria

 

Liebe Maria,

nochmals vielen, vielen Dank für die Hilfe. Ich habe die Korrekturen gemacht, und werde in den nächsten Tagen mich mit Tserk in Verbindung setzen. Ich freue mich schon jetzt auf deine Kommentare bezüglich Stil/Inhalt, wenn/falls der Text dann in der Eingabe landet. Ich kann Kritik gut verkraften, und bin der Meinung dass man mit den Fehlern/Niederlagen etwas Neues lernen kann. Lernen ist immer gut, sogar lernen dass man den gegangenen Weg aufgeben soll, um neue zu suchen.

Claudio

 

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