Eine erfundene Geschichte...
Eine erfundene Geschichte...
Es gibt viele Dinge, die in meinem Leben geschehen sind, die ich vergessen habe. Wichtige Dinge, aber meistens waren es nur unwichtige Begebenheiten. Aber eine Geschichte werde ich wohl nie vergessen:
Viele Menschen erleben Dinge, die sie vorziehen niemand anders zu erzählen. Doch so unglaublich sich folgendes auch anhören wird, und so oft ich schon dafür belächelt wurde, werde ich meine Geschichte ein weiteres Mal erzählen.
Also, es geschah vor 11 Jahren, als meine Tochter Suzie noch zuhause war, natürlich, sie war damals ja auch erst dreizehn. Heute ist sie an einer Uni und studiert Medizin, aber damals war sie noch meine kleine, blond gelockte Tochter, die den ganzen Tag lachte und in der Wohnung herumwuselte. Es war ein Sonntagabend und sehr heiß. Den ganzen Tag über hatten wir auf ein Gewitter gewartet, doch es war nicht gekommen. Die Luft war elektrisch aufgeladen, und der Himmel hatte eine unheimliche Färbung. Ich saß mit Suzie auf der Veranda und spielte „Mensch ärgere dich nicht“. Wie immer war sie dabei zu gewinnen. Die Luft war schwer und unbewegt, und wir tranken literweise eiskalte Limonade. Gerade als Suzie das Spiel zu ihren Gunsten beenden wollte, klingelte das Telefon. Enttäuscht sah sie mich an, doch ich meinte, es könne ein Notfall sein, und dass ich ran gehen müsse. Also ließ ich sie da sitzen und ging in die Küche, wo der Apparat stand. Ich hob ab. Bevor ich die Stimme vernahm, hörte ich ein Rauschen. Das Gewitter, dachte ich.
Dann ereignete sich folgendes Gespräch, welches ich nur aus meiner Erinnerung wieder geben kann. Es wird nicht genau so gewesen sein, aber mindestens fast so.
„Laura Kensington, Hallo?“
„Miss Kensington, gut, dass ich sie erreiche, es ist etwas geschehen!“
Normalerweise blieb ich auch in verfahrenen Situationen relativ ruhig, doch ich kann mich noch genau an das Gefühl erinnern, als sich meine Nackenhaare aufstellten. Der Tonfall des Anrufers, den ich zu dem nicht kannte, beunruhigte mich doch.
„Haben sie eine Tochter namens Suzie? Suzie Kensington?“
„Ja, habe ich. Was ist denn los?“
„Bitte bleiben sie ruhig, Miss Kensington, ihre Tochter hatte einen Unfall!“
Wer war das? Jetzt wurde ich wütend. Meine Tochter saß doch auf der Veranda!
„Ich weiß nicht wer sie sind, oder was das soll, aber meine Tochter sitzt hier bei mir und ist vollkommen gesund, ich weiß nicht, warum sie so etwas lustig finden!“
„Ich bin Mister Lompart, Suzies Sportlehrer. Ich glaube sie kennen mich nicht, aber ich kenne Suzie. Es hat einen Unfall gegeben, vor etwa einer halben Stunde, also um halb zehn. Wir konnten sie nicht früher erreichen. Vor der Schule ist eine Autobombe explodiert. Es wurden mehrere Kinder getötet, und ihre Tochter wurde schwer verletzt. Sie ist in ein Krankenhaus hier in der Nähe gebrach...“
Ich legte auf. Was das ganze auch bedeuten sollte, es war sicher nicht lustig. Irgend ein Irrer fand es wohl toll, Streiche mit fremden Menschen zu treiben. Zu diesem Zeitpunkt, war ich noch sehr wütend. Da wusste ich noch nicht, was es mit dem Anruf auf sich gehabt hatte. Ich ging wieder auf die Veranda. Wer war es, Mummy, fragte Suzie. Niemand, meinte ich. Wir brachten das Spiel zu Ende, und ich Suzie ins Bett. An diesem Abend sang ich ihr kein Lied, meine gute Laune war verschwunden.
Was hatte es mit diesem Anruf auf sich? Eine Autobombe? Der Anrufer, angeblich ein Mister Lompart hatte gesagt „Vor einer halben Stunde, also um halb zehn.“ Es war neun Uhr abends gewesen, als er angerufen hatte. Was hatte das zu bedeuten? Mit einem merkwürdigen Gefühl ging ich ins Bett.
Am nächsten Morgen erwachte ich total erschöpft auf. Die Nacht hatte mir kaum Ruhe geben, ich fühlte mich total gerädert. Ich weckte Suzie auf, die wie immer quicklebendig war, kein Zeichen von Müdigkeit. Sie ging ins Bad, während ich in die Küche ging, um mir einen starken Kaffee zu machen. Immer noch beschäftigte mich der Anruf. Obwohl es sicher nicht mehr als ein schlechter Scherz gewesen war, lies mich die Geschichte nicht los. „Fertig Mama!“ rief Suzie, und riss mich damit aus meinem Grübeln. „Was? Ach Schatz, warte noch einen Moment, ich habe ja noch meinen Pyjama an!“ Sie ließ sich in einen Sessel plumpsen und blickte mich mir großen Augen an. Ich schüttete den Rest Kaffee in meine Kehle und ging dann hoch um mich anzuziehen. Es war neun Uhr. So wie es aussah, würde Suzie heute zu spät zur Schule kommen. Ich machte mir jedoch keinen Stress und zog mich gemächlich an. Als wir das Haus verließen und zum Van gingen, war es viertel nach neun. Suzie war ganz aufgeregt, weil es nur selten vorkam, dass sie mal zu spät war, und ich bin sicher, dass sie sich auch darüber freute. Und dann geschah es, als wir etwa einen Block vor der Schule waren. Ein Knall, nicht sehr laut, doch Suzie zuckte zusammen. Nicht, dass ich den Knall schon mit meinem Gespräch in Verbindung gebracht hätte, doch ein merkwürdiges Gefühl beschlich mich. Als wir vor der Schule ankamen, war dort die Hölle los.
„Bleib im Auto, Schatz, Mama ist gleich wieder da!“ sagte ich zu meiner Tochter und stieg aus. Hinter mir drückte sie sich die Nase an der Scheibe platt.
Der Platz vor der Schule sah schrecklich aus. Ein Wagen, ein Dodge glaube ich, lag auf der Seite und brannte. Überall lagen Drümmerstücke herum. Eine Tür des Autos hing in einem Baum. Fast alle Fenster der Frontseite der Schule waren geborsten. Doch das schlimmste waren die Kinder. Der Anblick der Kinder wird wohl für immer in mein Gedächtnis eingebrannt bleiben. Etwa vier Meter von dem Wagen entfernt lag ein kleines Mädchen auf dem Gesicht. Ihre Kleidung schwelte. Überall lagen Kinder. Überall. Eine schreiende Frau rannte panisch an mir vorbei. „Wer macht so etwas? Wer tut so etwas?“ Jammerte sie in einem Fort. Ein Mann war über ein verletztes Kind gebeugt. Ein starker Brandgeruch lag in der Luft. Hey sie da, rief der Mann, kommen sie mal hierher!. Ich lief zu ihm. Er gab mir einen Lappen. Drücken sie diesen hier auf die Wunde. Ich tat es. Und als er aufstand und sich umsah, konnte ich das Namensschild an seiner Hemdtasche lesen. „Mister Lompart, Sport und Geschichte“ stand darauf. Verwirrt sah ich ihn an.
„Sie haben mich doch gestern Abend angerufen, oder?“
Er sah mich verwirrt an, schüttelte den Kopf. Da wurde mir auch klar, dass er mich nicht angerufen hatte. Er hätte mich in einer halben Stunde angerufen, wäre Suzie pünktlich zur Schule gekommen.
So, das war die Geschichte. Ich habe so etwas nie wieder erlebt, und als ich es dann am Abend Suzie erzählte, meinte sie „Das war sicher mein Schutzengel, der da angerufen hat!“ Und ich glaube, so war es auch. Neun Kinder verloren an diesem morgen ihr Leben, fast wären es zehn gewesen, hätte ich nicht wegen eines mysteriösen Anruf so schlecht geschlafen.